Das Funkeln in ihren Augen

oder auch: Kein Fußball ohne Fans

Erste Male. Mein Club der FC Augsburg hat mir so viele schöne erste Male beschert. Erstes Mal zweite Liga. Erstes Mal gegen die Löwen gewonnen. Erstes Mal erste Liga. Erstes Mal Westfalenstadion. Erstes Mal Klassenerhalt. Erstes Mal gegen die Bayern gewonnen. Erstes Mal gegen den BVB gewonnen. Erstes Mal international. Erstes Mal in Alkmaar. Erstes Mal in Liverpool. Das erste Mal zehn Jahr am Stück Bundesliga – La Decima. Ich habe sicher viele erste Male vergessen. Oft denke ich mir: „Ach, das hatten wir auch noch nicht. Das ist wieder ein erstes Mal.“. Und es ist jedes Mal etwas besonderes und bleibt in Erinnerung.

La Decima oder auch die traurigste Feier eines Klassenerhalts so ganz ohne Fans (Photo by Sascha Steinbach/Pool via Getty Images)

In den letzten Wochen durften wir allerdings noch viele weitere erste Male genießen, auf die ich gerne verzichtet hätte: „Das erste Bundesligaspiel ohne Fans“ und „Das erste Mal Klassenerhalt ohne Fans“ zum Beispiel. Mir fiel es schon schwer zu akzeptieren, dass der Rest der Saison 2019/20 vor leeren Rängen gespielt wird. Für die Saison 2020/21 ist das nicht akzeptabel. Da braucht es eine Lösung mit Fans, oder wir lassen das Ganze komplett bleiben. Warum ich das so sehe, möchte ich euch an Hand eines ganz besonderen ersten Males erläutern, das ich kurz vor der Corona-Krise noch erleben durfte.

Das Heimspiel gegen Freiburg war außergewöhnlicher. Besonderer noch als die anderen ersten Male. Ich war deutlich aufgeregter als sonst. Meine Aufregung erreichte ungefähr den Stand des Hoffenheim-Auswärtsspiels, als am letzten Spieltag der Klassenerhalt noch nicht zu 100% sicher war. Ich war wirklich sehr aufgeregt.

Zum ersten Mal ins Stadion

Meine 6jährige Tochter beobachtet nun schon seit einiger Zeit mein Fußball-Fantum mit einiger Faszination. Sie hat mittlerweile verstanden, dass Paps nicht gut anzusprechen ist, wenn er vor dem Fernseher sitzt und seinen FCA verfolgt. Wir basteln dann parallel aus leeren Toilettenpapierrollen Spieler und stellen diese in der Spielformation auf dem Boden auf. Wenn der FCA ein Tor schießt, dann spielen wir den Spielzug nach und jubeln beide. Sie immer noch mit etwas Zurückhaltung. Zuletzt hat sie mir sinngemäß erklärt, dass sie zwar kein Fan eines Fußballvereins sei, aber bis sie einen Verein gefunden hätte, mit mir den FCA unterstützen würde. Sie wächst in Frankfurt auf und die Eintracht ist ein irrsinniger Magnet. Ich schlage mich wacker.

Gegen Freiburg war es nun endlich so weit. Wir hatten einen Stadionbesuch schon früher anvisiert, aber irgendwie kam immer etwas dazwischen. Das Wetter war traumhaft für diesen Wintertag. Die Temperatur war mild und die Sonne schien. Dazu war Mitgliederspieltag und es gab viele Aktionen im Stadionrund. Meine Tochter war auch sehr aufgeregt. Sie hat sehr wohl bemerkt, wie viel es mir selbst bedeutet, dass sie mitkommt. Dazu kannte sie die ganzen Abläufe nicht.

Hand-in-Hand haben wir den Spieltag vom Fußweg zum Stadion, über den Einlass, das Abholen des Stadionkuriers, die Luftballonstation und die Fotobox, den FCA-Knacker und das Beobachten der Ehrenrunde des Kids Club gemeinsam angegangen. Oma, Opa und der Onkel haben uns begleitet und dazu beigetragen, dass sie sich doch sehr geborgen fühlte. Die Gummibärchen, die Oma dabei hatte, haben den Rest erledigt.

Und die Augen begannen zu funkeln

Und so saßen wir vor Spielbeginn auf unseren Plätzen. Bis dahin hatte sich der Stadionbesuch nicht von anderen Events unterschieden, die wir schon gemeinsam besucht haben. Das Interesse am Geschehen auf dem Rasen bei meiner kleinen Maus ist dazu noch sehr begrenzt. Und dennoch passierte dann etwas, dass meiner Maus ein Leuchten in die Augen zauberte und mir heute immer noch ein paar Tränchen in die Augen treibt, wenn ich mich daran erinnere: die Kurve begann zu singen. Dieser wunderschöne Chor von unterschiedlichen Menschen, die so laut sangen, wie sie es noch nicht anderswo gehört hatte. Die ihr bewusst machten: dieser Ort ist besonders. Ich danke jedem, der in diesem Moment gesungen und uns dieses gemeinsame Erlebnis beschert hat. Ihr erstes Mal. Mein erstes Mal mit ihr. Ich werde mich immer daran erinnern.

Was zählt, passiert im Stadion

Fußball ist ein Stadionsport. Na klar, ich kann mich zu Hause hinsetzen und das Spiel im Stream oder im TV verfolgen. Es ist einfach nicht dasselbe. Im Rahmen dieses Stadionsports nehmen die organisierten Fanszenen eine wichtige Rolle ein. Sie sorgen gezielt für Stimmung und Support. Es ist leicht zu erkennen, dass die Plätze auf der Haupttribüne noch nicht gefüllt waren, als die Kurve anfing zu singen. Sponsoren finanzieren die Clubs und hängen sich an ihre Popularität. Dies passiert nicht aus Selbstlosigkeit. Sie haben wenig damit zu tun, ob meine Tochter gerne mal wieder ins Stadion gehen möchte. Zwischen den Fans auf den Rängen und dem Geschehen auf dem Rasen gibt es eine Rückkopplung. Die anderen Fans sorgen dafür, dass das Stadionerlebnis besonders ist und das ich seit Jahrzehnten immer wieder zurück komme.

Am Ende war das Ergebnis auf dem Spielfeld dafür verantwortlich, dass zumindest für mich der Tag nicht dennoch getrübt wurde. Als Fan kann ich mich nicht freimachen, dass meine Laune vom sportlichen Resultat beeinflusst wird. Das Spiel war mau, aber Philipp Max‘ Tor, war das erste FCA-Tor, das meine Tochter im Stadion sah. Der Jubel war sicherlich auch sehr beeindruckend. Wie um sie herum Menschen aufgesprungen und sich in die Arme gefallen sind. Unterschiedlichste Menschen vereint durch ein sehr einfaches Ereignis. Wie kann man diese Momente nicht lieben?

Auf viele weitere erste Male

Unser Weg nach Augsburg ist weit. Wir kommen wieder. Wann und zu welchem Spiel wird sich zeigen. Aber wie jeder Fußball-Fan, der Kinder hat, hoffe ich, eine Stadionbegleitung für eine lange Zeit gefunden zu haben. Unser FCA wird auch noch in der Zukunft für viele erste Male sorgen. Erste Male, bei denen dann vielleicht meine Tochter schon direkt dabei ist. Die Aussichten für die Zukunft könnten abseits aller sportlichen Gedanken deutlich trostloser sein. Hoffen wir, dass auch in der nächsten Saison gemeinsame Stadionbesuche wieder möglich sind.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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