5:1 in Dortmund, 5:1 in Mönchengladbach, 5:3 gegen Dortmund, 5:0 in Frankfurt – der FC Augsburg musste in der abgelaufenen Saison viele Gegentore schlucken. Zumindest unter Martin Schmidt. Unter dem mittlerweile Ex-Trainer kassierte der FCA durchschnittlich 2,2 Gegentore pro Partie. Unter Neu-Coach Heiko Herrlich sind es bisher 1,2. In seinen wenigen Spielen schaffte es der frühere Nationalspieler, die Defensive entscheidend zu stabilisieren. Diese Verbesserung mag zwar bisweilen auf einen starken Andreas Luthe zurückzuführen sein, begründet sich aber auch in der deutlich verbesserten Zweikampfquote. Nach dem Trainerwechsel wirkte die Mannschaft etwas bissiger als davor. Nun gilt es, diesen positiven Trend zu bestätigen. Fünf Gegentore in bisher 570 Testspielminuten (gegen Türkgücü wurde 120 Minuten gekickt) sind dahingehend ein ordentlicher Anfang. Dennoch könnte der FCA noch einmal auf dem Transfermarkt zuschlagen, wie Teil zwei unserer Kaderanalyse zeigt.
Rechtsverteidigung: Der Konkurrenzkampf ist eröffnet
Herzlich willkommen in Augsburg, Robert Gumny. Der 22-jähirge Rechtsverteidiger kommt vom polnischen Erstligisten Lech Posen zum FCA und soll den Konkurrenzkampf in der Defensive verstärken. Ein Transfer, der bitter notwendig war. Nach Stephan Lichtsteiners Karriereende war Eigengewächs Raphael Framberger quasi der einzige echte Rechtsverteidiger im Kader. Georg Teigl soll sich einen neuen Verein suchen, Jugendspieler Simon Asta vorerst nach seinem Kreuzbandriss bei der U23 Spielpraxis sammeln.
Framberger hat sich in den letzten Jahren zu einem soliden Bundesligaspieler entwickelt, ist aber leider nach wie vor sehr verletzungsanfällig. Daher brauchte es einen zweiten Spieler auf dieser Position. Mit Gumny bekommt der FCA einen „jungen und sehr talentierten Rechtsverteidiger“, wie Manager Stefan Reuter in einer Mitteilung zitiert wird. In 97 Einsätzen für Posen gelangen dem Rechtsfuß, der in Augsburg auf Landsmann Rafal Gikiewicz trifft, zwei Tore und sechs Assists. Beobachter der polnischen Liga bescheinigen dem U21-Nationalspieler großes Talent und trauen ihm den Sprung in die Bundesliga zu. Einziges Manko: Gumny gilt als verletzungsanfällig, 2018 stand er kurz vor einem Wechsel zu Borussia Mönchengladbach, fiel dann aber durch den Medizincheck. Im zweiten Anlauf soll es nun klappen. Wir drücken die Daumen und sind gespannt.
Darüber hinaus bieten sich Herrlich weitere Alternativen, falls Framberger und Gumny ausfallen sollten. Neuzugang Daniel Caligiuri bekleidete die defensive Außenposition mitunter auf Schalke sowie im Test gegen Türkgücü München. Der Routinier ist aber eigentlich im Mittelfeld eingeplant, denn „seine Qualität liegt sicherlich in der Offensive. Auf die wollen wir natürlich nicht verzichten“, wie Herrlich jüngst gegenüber dem Kicker erklärte.
Gegen Nürnberg testete Herrlich zudem Eduard Löwen, gegen Heimstetten und Regensburg André Hahn – zwei solide Alternativen, aber eben keine Spezialisten: Auf der Rechtsverteidigerpositon musste der FCA daher nachlegen und hat dies in diesem Jahr auch gemacht.
Innenverteidigung: Ein gesetztes Duo – und zwei Wundertüten
Es gibt nicht wenige FCA-Fans, die die feste Verpflichtung von Felix Uduokhai kritisieren. Die kolportierten 7 Millionen Euro Ablöse seien in Pandemie-Zeiten zu viel. Das kann man durchaus spektisch sehen, doch sportlich lohnt sich der Transfer allemal. Der beste Zweikämpfer der abgelaufenen FCA-Saison ist schon jetzt ein fester Bestandteil im Defensivzentrum und hat mit seinen 22 Jahren immer noch Entwicklungspotential. Ebenso gesetzt ist Jeffrey Gouweleeuw, der mittlerweile schon mehr als 100 Pflichtspiele für Rot-Grün-Weiß vorzuweisen hat und immer noch vergeblich auf eine Nominierung für die niederländische Nationalmannschaft wartet. Es bleibt zu hoffen, dass der Führungsspieler in dieser Saison verletzungsfrei bleibt. Das Duo Jeff-Udo kann sich nämlich sehen lassen. Doch wie sieht es dahinter aus?
Nach der Leihe von Kevin Danso zu Fortuna Düsseldorf stehen mit Marek Suchy und Reece Oxford nur noch zwei echte Alternativen bereit. Das Niveau der Stammkräfte erreichen sie jedoch leider (noch) nicht. In den Testspielen hat Oxford zumindest ordentliche Leistungen gezeigt. Der junge Engländer, der nach seiner Leihrückkehr zu West Ham United in die Reservemannschaft degradiert wurde, hat bei vielen FCA-Fans seinen Kredit verspielt. Vielleicht kann er ihn ja diese Saison zurückgewinnen. Suchy indes blickt auf eine unglückliche Premierensaison am Lech zurück: Auch verletzungsbedingt kam der Tscheche nur auf sieben Einsätze – fünf davon nach dem Trainerwechsel. In seiner Zeit in Basel und der Nationalmannschaft hat der 32-Jährige gezeigt, was er kann. Erreicht er das Niveau vergangener Tage, kann er in dieser Spielzeit Gold wert sein.
Der FC Augsburg ist in der Innenverteidigung gut aufgestellt. Es wäre aber ein schmerzhafter Verlust wenn sich Gouweleeuw und/oder Uduokhai verletzen sollten. Weil die Verantwortlichen Gefallen an Suchy und Oxford zu haben scheinen und mit Rani Khedira oder auch Tobias Strobl notfalls zwei zusätzliche Alternativen bereit stehen, wird sich auf dieser Position aller Voraussicht nach nichts mehr tun.
Linksverteidigigung: Wer ersetzt Philipp Max?
Nun verlässt Philipp Max also den FC Augsburg. Nachdem quasi keine Transferperiode vergangen war, in der nicht über einen Wechsel spekuliert wurde, schließt sich der 26 Jährige der PSV Eindhoven an. Dass der Ex-Schalker nicht ewig in Schwaben spielen wird, war klar. Fünf Jahre FCA und 156 Spiele sind ohnehin deutlich mehr als von manchen erwartet.
So gut wie niemand am Lech verdenkt Max, eine neue Herausforderung wagen zu wollen. Auch die Gazetten-Redaktion wünscht für die weitere Karriere alles Gute. Dennoch schmerzt der Abgang eines Führungsspielers natürlich. Wie soll der Dauerbrenner ersetzt werden?
Als naheliegendste Alternative stünde Iago bereit, doch auch um den Brasilianer gab es zuletzt Wechselgerüchte. Der gewöhnlich sehr gut informierte italienische Journalist Gianluca Di Marzio berichtete jüngst von Verhandlungen zwischen Iago und dem AC Mailand. Demnach soll der Berater des U23-Nationalspielers bereits in der Modestadt gewesen sein, um den Transfer über die Bühne zu bringen. Insgesamt ist es aber (gerade nach dem Max-Wechsel) sehr schwer vorstellbar, dass Reuter, der Iago vor einem Jahr für kolportierte 6,5 Millionen aus Porto Alegre verpflichtete, einem Wechsel zustimmen würde. Da müssten die Rossoneri schon tief in die Tasche greifen.
Nach einer unglücklichen Saison samt Verletzungen und Olympia-Quali mit der U23 lastet auf Iago nun wohl deutlich mehr Verantwortung. Es ist davon auszugehen, dass ihn die Klubbosse als Max-Erbe einplanen, vermutlich taten sie das schon vor einem Jahr. Bleibt der talentierte Brasilianer fit, könnte er eine der positiven Überraschungen der Saison werden. Uns würde es freuen.
Hinter Iago wird es derweil ziemlich dünn. Mads Pedersen scheint (noch) keine wirkliche Option zu sein. In seinen wenigen Auftritten im FCA-Trikot ließ er leider jede Bundesligatauglichkeit vermissen. Den jungen Dänen nach einem halben Jahr in Deutschland (im Winter wurde er nach Zürich verliehen) abzuschreiben, wäre zwar unfair. Doch kann Pedersen seine Chance tatsächlich nutzen? In den Testspielen gelang ihm das zumindest nicht.
Transfers: Stammspieler oder Iago-Back-up?
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll der FCA für Max acht bis zehn Millionen Euro Ablöse kassieren und eine Weiterverkaufsbeteiligung arrangiert haben. In der Vergangenheit hätte man für den gebürtigen Viersener mehr verlangen können, doch in Pandemie-Zeiten ist eben vieles anders. Dennoch steht eine Summe, mit der man in mehr als passable Linksverteidiger investieren könnte. Nachfolgend eine Liste mit Spielern, die sportlich und preislich interessant für den FCA sein könnten und entweder Stammspieler oder Iago-Backup sein würden. Ein Transfer wird natürlich umso wahrscheinlicher, wenn nach Max auch Iago wechseln sollte. Dann muss der FCA nämlich definitiv tätig werden. Ansonsten könnten Reuter & Co. zumindest nachlegen.
Borna Barisic (Glasgow Rangers), Loris Benito (Girondins Bordeaux), Jan Boril (Slavia Prag), Jamilu Collins (SC Paderborn), Tim Leibold (Hamburger SV), Konstantinos Stafylidis (TSG Hoffenheim), Daley Sinkgraven (Bayer Leverkusen), Maximilian Ullmann (Rapid Wien), Owen Wijndal (AZ Alkmaar). In dieser Liste hätte man auch Ex-Augsburger Abdul Rahman Baba (Chelsea) nennen können, doch der Ghanaer ist seit nahezu einem Jahr verletzt und daher keine Option.
Fazit
Der Max-Abgang schmerzt sehr und hinterlässt eine sportliche Lücke. Ob Iago in die Fußstapfen des Führungsspieler treten kann, wird sich zeigen. Gespannt sein darf man auf Robert Gumny. Bleiben alle Spieler fit, blickt der FCA auf eine ordentliche Defensive. Problematisch wird es, wenn Stammkräfte langfristig ausfallen. Als kleiner FC Augsburg hat man schlicht keinen gleichwertigen Ersatz auf der Bank. Insgesamt steht das Grundgerüst in der Defensive, sodass der FCA in der Viererkette folgendermaßen auflaufen könnte: Gumny – Gouweleeuw – Uduokhai – Iago. Angst und Bange sollte es einem bei dem Gedanken nicht werden.
Alles in Allem ne gute Kaderanalyse Andi.
Und Du hast es geschafft den Artikel zu schreiben ohne einem Altem Herren nachzuweinen;).
Du schreibt „es gibt nicht wenige FCA-Fans, die die feste Verpflichtung von Felix Uduokhai kritisieren.“ Diese „Fans“ verstehe ich überhaupt nicht: in den Felix zu investieren ist eine sehr kluge Entscheidung von Stefan Reuter. Wer bitte hat die Innenverteidigung seit Klavan weg ist mehr stabilisiert als er (und Jeff natürlich)? Wenn ich da nur mal an die unberechenbaren Höhen und Tiefen eines Danso erinnern darf… Hoffentlich bleibt Marek jetzt verletzungsfrei, dann paßt das mit drei veritablen, bundesliga-tauglichen Innenverteidigern doch.
RotGrünWeiße Grüße,
Norbert