Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Es ist Anfang Dezember und ich sitze an meiner letzten Kolumne für dieses Jahr. 2020 ist doch irgendwie wieder schnell vergangen. Viel ist passiert. Es wird das Jahr bleiben, dass uns durch Corona in Erinnerung bleiben wird. Viele haben es als ein Horror-Jahr verbucht. Persönlich ist es für mich trotzdem ein positives Jahr. Ich bin erneut Papa geworden. Die Familie ist gesund geblieben. Wirtschaftlich hat es uns nicht getroffen. Glück gehabt. Zumindest bis jetzt.
Was natürlich trotzdem fehlte, waren die Stadionbesuche bei Spielen des FCA. Der spielte zwar, musste allerdings den Klassenerhalt vor leeren Rängen feiern. Manche mögen sagen: schlimm war es nicht, bei dem Fußball, den die Mannschaft zeigte. Ballbesitzfußball ist immer noch nicht unser Ding, auch wenn unser Trainer mittlerweile Heiko Herrlich heißt. Über dessen Missgeschicke ist so langsam Gras gewachsen. Was auch daran liegt, dass Stefan Reuter im Sommer mit Daniel Caligiuri und Rafal Gikiewicz ordentliche Treffer gelandet hat und wir bisher solide gepunktet haben. Daniel Caligiuri ist in diesen Tagen auch Papa geworden. Herzlichen Glückwunsch der jungen Familie und eine schöne erste Zeit zusammen. Genießt es. Zumindest solange bis die ersten Zähne kommen.
Die Schlaflosigkeit in der ersten Phase mit Babys schlägt nichts, wenn es um Zermürbung geht. Der Umgang des FCA mit seinen verdienten Spielern kam allerdings in 2020 nahe an diese Erfahrung heran. Daniel Baier hat, nachdem er seinen Vertrag im Februar erneut verlängerte, diesen im Sommer dann aufgelöst. Und seine Karriere beendet. Andreas Luthe wurde zu Union Berlin befördert, nachdem sich Michael Ströll auf einem Fanclubtreffen über den Keeper und andere Spieler ausgelassen hatte. Intern ist dann eben nicht intern geblieben. Die Presse hat die Sau dann gerne durchs Dorf getrieben. Es war die einzige Phase in diesem Jahr, während der der FCA nicht gerade professionell wirkte.
Schade, dass dieser Schatten das Gesamtbild trübt. Denn gerade Michael Ströll war es, der in der Krise vieles richtig machte. Dem FCA war viel daran gelegen, keine Beschäftigen in Kurzarbeit zu schicken und die Krise aus eigener Kraft zu bewältigen. Ein um die andere Aktion wurde gefahren, entweder vom Verein oder der organisierten Fanszene, dem UBT e.V. Bei vielen Aktionen haben Verein und Fans vorbildhaft zusammengearbeitet. In diesem Zusammenhang war auch vereinsseitig immer wieder von Demut die Rede. Und der Dankbarkeit, in diesen Zeiten überhaupt Fußball spielen zu können. Als gegen Dortmund dann doch mal Zuschauer zugelassen waren, wurden alle Karten zum Einheitspreis vergeben. Vorbildlich.
Aber was ist der Fußball in diesen Zeiten überhaupt wert? Was nützt der ganze Zirkus, wenn man nicht zusammen mit der eigenen Crew ins Stadion kann? Nicht im 11er die Auswärtsspiele verfolgen kann? Was bringt es schon, wenn man selbst seinem Hobby nicht nachgehen kann und nur die Profis kicken dürfen? Es wird schwer für manchen, sich nach den Restriktionen wieder aufzuraffen und die Playstation in die Ecke zu legen. Die Kinder zu Hause zu lassen und ins Stadion zu gehen. Es werden nicht alle den Weg zurück ins Stadion finden. Und wenn, dann kann man gespannt sein, unter welchen Bedingungen. Werden alle Maßnahmen ausnahmslos zurückgedreht, wenn es z.B. um das alkoholfreie Bier, die personalisierten Tickets oder auch um die Stehplätze geht?
Wer in diesen Tagen Fußball im Fernsehen schaut, so einen dies den überhaupt interessiert, dem geht die Stimmung im Stadion ordentlich ab. Fußball lebt durch das Publikum und verwelkt sonst wie eine Blume, die kein Licht mehr bekommt. Es wird Zeit, dass die Proficlubs die Bedeutung der Fans anerkennen und mehr Mitsprache gewähren. Es wird auch Zeit, dass die Kommerzialisierung in die Breite nicht mehr der Hauptfokus ist, sondern diejenigen, die bei Wind und Wetter jeden Weg auf sich nehmen. Der FCA ist an dieser Stelle immer noch bei weitem keiner der Clubs, die zur Verschärfung der Situation beitragen. Er kann sich den Mechanismen des Geschäfts aber auch nicht entziehen. Gebetsmühlenartige Wiederholungen von Fanseite nutzen nicht und habe bisher zu keinerlei Verbesserung geführt. Eine Initiative wie „Unser Fußball“ verpufft. In riesigen Gremien wird ergebnislos die nächsten Jahre diskutiert. Die Fans, die noch gestern für bedürftige Familien gesammelt haben, schon bald wieder kriminalisiert.
Der Weg zurück wird weit. Ich freue mich auf den Weg zurück ins Stadion in 2021. Auf die gemeinsamen Lieder und die vielen Wiedersehen. Die Auswirkungen der Corona-Krise werden die Clubs noch länger beschäftigen. Die treuen der Fans werden weiter den Weg finden. Zu groß ist die Rolle, die der Fußball in unserem Leben spielt. Unser Fußball! Und bis dahin träume ich weiter, dass uns die Krise den Fußball wieder etwas mehr zurückbringt. Auch wenn der Weg weit bleibt.