In unserer Serie #ImmernochOriginal1907 berichtet heute Franzi von ihren Erinnerungen an die Anfänge ihres Fußball-Fantums. Allgemeine Infos zur Serie und Aktion gibt es hier. Vorher hatten schon Irina, Stefan, Stephan, Sebastian und Andy berichtet. Ihr habt auch eine Augsburger Fangeschichte zu erzählen? Dann meldet euch gerne bei uns und haltet die Serie am Leben (kontakt@rosenau-gazette.de).
Schon lange habe ich nicht mehr so intensiv über mich, den Fußball und den FC Augsburg nachgedacht. Warum auch? Über selbstverständliche Dinge denkt man in der Regel ja auch nicht nach. Beim Nachdenken bin ich jetzt aber auf eine ganze Reihe toller Erinnerungen gestoßen. Erinnerungen, die in meinem Gedächtnis vergraben waren, jetzt aber wieder total präsent sind. Und mich dazu ganz euphorisch werden lassen: Was habe ich mit und durch den FCA nicht schon alles erlebt! Dafür, dass ich meine Erlebnisse hier aufschreiben und mit euch teilen darf, will ich dem Team der Rosenau Gazette und vor allem Andy vielmals danken. Ein fettes Merci!
Dank Mama zum Fußball
Angefangen hat alles mit der EM 1996 in England. Damals war ich 10, Berti Vogts Bundestrainer und auf dem Platz standen Fußball-Schwergewichte wie Andi Köpke, Matthias Sammer oder Jürgen Klinsmann. Aus meiner heutigen Sicht war es damals vor allem meine Mama, die immer bestens über den Spielplan und den nächsten Gegner Bescheid wusste und in der ganzen Familie Vorfreude auf das nächste Match verbreitete. So fieberten (das Elfmeterschießen im Halbfinale gegen England!) und litten (das immer größer werdende Lazarett!) wir alle bis zum erlösenden Golden Goal vor dem Fernseher mit.
Zu meinem Geburtstag bekam ich dann auch ein Buch. England 96. Ich konnte nicht aufhören, es auch noch Wochen nach dem Turnier immer wieder durchzublättern und den Weg der Mannschaft bis zum Finalsieg immer wieder aufs Neue mitzuerleben bzw. durchzumachen. Ab da hatte mich der Fußball gepackt.
Der FC Bayern als Startrampe
Nun war die EM vorbei. Die Lust auf Fußball aber noch lange nicht. Darum machte meine Mama – wie vielleicht viele andere in den 1990er Jahren, als der Fußball plötzlich einen neuen Aufschwung erlebte – den Vorschlag, doch mal ins Stadion zu fahren. Aber nicht in das des FCA, sondern des FCB. Augsburg kannte ich damals hauptsächlich von den Besuchen meiner „Stetten-Oma“ in – ja genau, Haunstetten. Und den FCA von meinem Papa, einem gebürtigen Augsburger, der manchmal im Witz sagte, wir könnten doch auch mal dorthin fahren. Ob er das wirklich als Witz gemeint hatte und nicht doch eher Lust gehabt hätte, den Verein seiner Heimatstadt zu sehen? Ich weiß es nicht.
Was ich aber sicher sagen kann: Anstatt in die Rosenau fuhren wir ins Olympia-Stadion. Dort sahen wir u. a. am 10. Mai 1997 Bayern vs. Freiburg (0:0), ganz familienfreundlich von den Sitzrängen aus. Während die Partie damals völlig unbefriedigend für mich ausgegangen war (die ganze Rückfahrt nach Kaufbeuren saß ich niedergeschlagen auf der Rückbank), wurde sie durch Klinsis „Tonnentritt“ im Nachhinein berühmt. Um mich fürs Stadion vorzubereiten, strickte ich z. B. einen eigenen, ziemlich holprig geratenen FCB-Schal, legte eine Autogrammkarten-Sammlung an und überredete meine Mama zu einem Bravo Sport-Abo.
Zur Bravo Sport habe ich noch eine kleine Anekdote: Irgendwann machte ich bei einem Gewinnspiel mit, bei dem man das Tabellentreppchen richtig tippen musste. Das war keine Kunst, denn Platz 1 und 2 konnten sich rein rechnerisch auch nach dem Spieltag nicht verändern. Darum hatten neben mir auch viele andere den richtigen Tipp abgegeben. Doch ich wurde letztendlich als Siegerin ausgelost – und gewann 3.333 DM. Was für ein Haufen Geld für eine 13-Jährige! Doch nicht nur das bekam ich, sondern auch noch Besuch von zwei Bravo Sport-Leuten, eine bebilderte Doppelseite und – nicht zu glauben – Liebesbriefe. Das ist vor allem deshalb so unglaublich, wenn man sich die Fotos von damals anschaut. Doch die erspare ich euch an dieser Stelle lieber *grins*.
Augschburger Mädel
2005 zog es mich aus dem Allgäu zum Studium nach Augsburg. Im darauffolgenden Jahr feierte ich dann endlich mein Debut in der Rosenau – nachdem der FCA den Aufstieg in die 2. Liga schon verfrüht klargemacht hatte. In dem Spiel, zu dem ich mich mit meinem Papa traf (auch für ihn war es das erste Mal in der Rosenau!), ging es also um nichts mehr. Entsprechend grau sind meine Erinnerungen daran.
Was sich dafür umso mehr in mein Gedächtnis einprägte: Wie jemand den Spielstand an der Anzeigetafel per Hand änderte, wie er sich nach getaner Arbeit wieder auf seinen weißen Plastikstuhl setzte. Wie ich später lernte, war das unser „Tafelmann“, der Wagner Josef (Gott hab’ ihn selig). Allein schon wegen ihm musste man den FCA mögen! Und genau das tat ich immer mehr.
Nach einer fünfjährigen „Pause“ zwischen 2001 und 2006, in der mir Musik und Band offenbar wichtiger waren als Fußball (vielleicht auch nur gezwungenermaßen, weil meine Bandkollegen einfach so gar nichts mit Fußball anfangen konnten und mich deswegen auch immer hänselten: „Franzi, du immer mit deinem Fußball!“), war meine frühere Begeisterung für den FCB gänzlich abgeflaut. Allerdings war meine frühere Fußballbegeisterung auch notwendig, damit ich sie überhaupt wiederentdecken konnte – diesmal und seitdem aber nur noch für den FCA.
Ab da ging es mit mir und dem FCA also richtig los. Und meine sechs tollen Jahre, die ich in Augsburg verbrachte, sind aufs Engste mit meinem Verein verbunden. Aber auch mit den Leuten, mit denen ich meine neue, wiederentdeckte Begeisterung teilen konnte. Da war z. B. meine Mitbewohnerin, mit der ich regelmäßig in der Kurve stand, als es auch für Nicht-Dauerkarten-Besitzer*innen immer noch Tickets für den Block gab. Oder die Crew um Korbi, die ich leider erst zum Ende meines Studiums kennenlernte, mit der ich aber umso mehr unvergessliche Momente verbinde. Allein unsere Treffen vor dem Spieltag im Unicum, im 1516 oder in der (ersten) Schwarzen Kiste, bevor es dann mit der 3er ins Stadion ging. Zucker! Oder unser Ausflug nach Kaiserslautern, wo wir am Abend das Nachtleben, am nächsten Tag den Betzenberg unsicher machten.
Ein Highlight war für mich auch die Fahrt mit dem Fanzug nach Bremen zum DFB-Pokal-Halbfinale gegen Werder. Für unschlagbare – wie konnte es anders sein – 19,07 Euro. Allein die Fahrt war so ereignisreich, da hätte es eigentlich gar kein Spiel mehr gebraucht. Mit unserem Abteil hatten wir es grandios getroffen. Unseren Schlachtruf („Abteiiiiiiiiil!“) brüllten wir uns auch noch nach der Fahrt zu. Die ganze Hin- und Rückfahrt amüsierten wir uns prächtig. Im Zug gab es sogar einen Partywagen, in den es uns regelmäßig verschlug. Dort sichteten wir auch den damaligen Augsburger OB Kurt Gribl. Ohne das eine oder andere Bierchen wären wir wahrscheinlich gar nicht auf die (Schnaps-)Idee gekommen, mit ihm ein Foto zu machen. Schließlich war auch er nur einer von vielen hundert Fans, die im Zug nach Bremen reisten, um den FCA siegen zu sehen. Ein frommer Wunsch, wir verloren 0:2, aber das war völlig wurscht. Pokal-Halbfinaleeee!
In meine Zeit als Augschburger Mädel (das sang ich manchmal, wenn die „Augschburger Jungs“ erklangen und ich mir dachte: „Hey, ich bin kein Junge.“) fiel auch der Aufstieg in die erste Liga. Auch wenn es von Seiten „älterer“ Fans oft heißt, der Aufstieg in die zweite Liga sei viel bedeutender gewesen, so war er für mich ein weiterer Moment, an den ich mich gar nicht oft genug zurückerinnern kann.
An jenem 8. Mai 2011 fanden wir uns früh in der Arena ein. Schon seit Tagen mit der leisen Vorahnung, dass heute Großes passieren könnte. Und das tat es. Unvergessen ist der Moment, als Stephan Hain in der 85. Minute den Ball zum 2:1-Siegtreffer ins Tor einschob. Ich kriege jetzt noch feuchte Augen, wenn ich daran denke. Nicht umsonst wurde Hains Treffer auch zum FCA-Tor des Jahrzehnts gewählt. Was nach Abpfiff passierte – unbeschreiblich. Da war es nur ein klitzekleiner Aspekt, dass sich die Aufstiegsparty dann in die Innenstadt auf den Rathausplatz verlagerte. Und wir nochmal zusammen mit der Mannschaft, die an den Fenstern des Sparkassen-Gebäudes erschien, feiern konnten!
Das Auswärtsspiel gegen die Hertha in Berlin war dann nur noch die Kür, das Sahnehäubchen – und eine einzige, verlängerte Aufstiegsparty.
Von (FC)B nach (FC)A
Nach der Saison 2010/11 war also nicht nur FCA in der ersten Liga gelandet, sondern auch ich studienbedingt in der oberbayerischen Kleinstadt Eichstätt. Seitdem wurde es immer schwieriger für mich, regelmäßig ins Stadion zu kommen. Die Zugverbindung ist von hier aus – eigentlich egal wohin – ziemlich sscchh- wierig. Dass ich seltener im Stadion bin, heißt aber nicht, dass meine Bindung zu Schwaben, Augsburg oder dem FCA abgerissen ist. Im Gegenteil.
Zwar habe ich nach fast zehn Jahren die manchmal grantigen Eichstätter*innen ziemlich liebgewonnen und inzwischen auch gelernt, den kuriosen Dialektmix zu verstehen, den manche sprechen. Zustande kommt der durch die Grenzlage Eichstätts in (Ober-)Bayern nahe (Mittel-)Franken und Bayerisch-Schwaben. Einen höheren Stellenwert haben hier trotzdem die beiden ersten Regionen: Wenn man in eine größere Stadt will, fährt man nach Ingolstadt, München oder Nürnberg. Fußballerisch ist man entweder 60er, leidet mit dem FCN oder supportet den VfB Eichstätt in der Regionalliga. Augsburg? FCA? Fährt kaum wer hin, findet kaum wer gut.
Aber genau wie Irina schon schrieb: Zwar bin ich geografisch jetzt weiter weg von Augsburg, bin seltener da. In meiner Identifikation habe ich mich ihm aber noch nie so nah gefühlt. Das macht der (Dauer-)Aufenthalt in der „Ferne“, „im Exil“. Hier bin ich „die Schwäbin“, die sich spätestens beim Sprechen (mit ihrem rrrrollenden R) als solche enttarnt. Hier bin ich eine der wenigen, die sich den FCA ausgesucht hat (oder umgekehrt, wie Stefan meint). Aber genau deshalb bin ich nach wie vor stolz darauf (oder vielleicht noch nie so stolz gewesen), zu sagen: „Ja der FCA eben! Was sonst?“
Wenn ich mir meinen Text jetzt nochmal so ansehe, fällt mir auf, dass er ziemlich viel Persönliches enthält. Aber genau das zeigt mir, dass der FCA seit vielen Jahren ein fester Teil von mir ist. Ob ich will oder nicht. Selbst als ich beim Weggang von Daniel Baier kurz überlegt habe, alles „hinzuschmeißen“. Ging nicht. Und auch meine frühere Bayern-Liebe, die hier ebenfalls einen Platz bekommen hat, kann ich nicht leugnen (obwohl ich das manchmal gern täte). Denn erst sie hat mir meinen Weg zum FCA geebnet.
Die Serie A ist besser als die Serie B, A-Ware ist besser als B-Ware und ein A in der Schule ist besser als ein B. Wer will da bestreiten, dass es nicht auch von (FC)B nach (FC)A steil aufwärts für mich gegangen ist? Nur der FCA.
Ein Gedanke zu „Von (FC)B nach (FC)A“