Es waren drastische Worte, die Rafal Gikiewicz nach dem 1:4 gegen den VfB Stuttgart wählte. „Wir machen zu viele Fehler hinten. Ich bin froh, dass ich nur vier Gegentore bekommen habe“, konstatierte der Keeper nach der sechsten Saisonniederlage, um dann noch einmal in aller Deutlichkeit hinterher zu schieben: „Unsere defensive Leistung hat kein Bundesliganiveau.“
Dabei ist die Abwehrarbeit eigentlich Augsburgs Prunkstück in dieser Saison. Vor dem 15. Spieltag kassierten nur fünf Teams weniger Gegentreffer als der FCA. Das liegt einerseits daran, dass Trainer Heiko Herrlich enormen Wert auf defensive Kompaktheit legt und andererseits an einem starken Torwart, der ligaweit die zweitmeisten Schüsse abwehrt.
Gegen Stuttgart wählte Herrlich eine etwas angriffslustigere Taktik. Der FCA stand etwas höher und attackierte früher. Was in der Offensive für aussichtsreiche Abschlussgelegenheiten sorgte, ging jedoch zu Lasten der Sicherung des eigenen Tores. Das 2:0 fiel aus einem langen Ball von VfB-Innenverteidiger Kempf, nachdem der FCA weit aufgerückt war. Das ging viel zu einfach und hatte mit Bundesliganiveau in der Tat wenig zu tun. Aus Augsburger Sicht darf gehofft werden, dass Gikiewicz‘ öffentlicher Rüffel die Mannschaft wachrüttelt und somit gegen Bremen (Samstag, 15.30 Uhr) ein anderes Gesicht gezeigt wird. Dass Abwehrchef Jeffrey Gouweleeuw wieder mit dabei ist, sollte für zusätzliche Stabilität sorgen. Dass der FCA mit den Werderanern nicht gerade auf die gefährlichste Offensive der Liga trifft, ebenso.
Über den Gegner
Bremen hat nahezu das gleiche Torverhältnis wie der FC Augsburg. Beide Teams schossen magere 17 Tore, der SVW kassiert einen Treffer mehr. Dennoch trennen Augsburg und Bremen vier Punkte voneinander, was sich auch durch die etwas bessere Chancenverwertung der Schwaben begründet.
Die Hanseaten hecheln den eigenen Erwartungen aber nicht nur in puncto Offensive hinterher. Von den letzten zwölf Bundesligaspielen hat die Mannschaft von Florian Kohfeldt nur eines gewonnen (1:0 gegen Mainz durch ein Tor von Juniorenspieler Eren Dinkci in der 90. Minute). So langsam verdichten sich die Anzeichen, dass die vergangene Saison, in der sich der Traditionsverein erst in der Relegation retten konnte, eben nicht nur ein Ausrutscher war. Auch wenn das manch eine(r) in Bremen, wo man vor eineinhalb Jahren noch von Europa sprach, nicht wahrhaben will.
„Wir haben sehr, sehr schlecht Fußball gespielt“
Die Realität sieht bekanntlich anders aus. Drei Saisonsiege, Tabellenplatz 13. Dementsprechend wählte Kohfeldt vor zwei Wochen auch deutliche Worte und war nach der 0:2-Niederlage gegen Union Berlin sichtlich bedient: „Wir haben in allen Belangen eine sehr schlechte Leistung abgeliefert. Wir haben sehr, sehr schlecht Fußball gespielt. Mit dieser Leistung kann man kein Bundesligaspiel gewinnen. So wie heute geht es nicht.“ Im nächsten Spiel zeigten seine Schützlinge dann allerdings eine Reaktion und sicherten sich ein verdientes 1:1 in Leverkusen.
Auch wenn die sympatischen Bremer gerne an ihren Vereinslegenden festhalten, dürfte so langsam aber sicher über Frank Baumann diskutiert werden. Als Manager ist er maßgeblich für die Kaderzusammenstellung verantwortlich und hat – so ehrlich muss man auch trotz Corona sein – zuletzt keinen guten Job gemacht. Das wurde beispielsweise an unüberlegten Leihdeals samt Kaufpflicht oder dem Verkauf Davy Klaassens (Ajax Amsterdam) deutlich. Natürlich hat der klamme SVW die kolportierten elf Millionen Euro Ablöse gerne genommen. Ein positionsgetreuer Ersatz wurde allerdings nicht verpflichtet.
Die Fakten zu #SVWFCA
Flankenblock: Kein Team stellt sich mehr Flanken erfolgreich in den Weg als der FC Augsburg (36). Neun Blocks davon gehen auf das Konto von Iago – ligaweit Platz zwei.
Harmlos: Nur Bielefeld und Köln (beide 8,7) geben weniger Schüsse pro Spiel ab als Augsburg (9,5) und Bremen (10,2).
Kopfballschwach: Der FCA ist die Mannschaft der Liga, die es bisher am wenigsten per Kopf versucht hat. Gerade einmal 16 Kopfbälle in Richtung Tor kamen in den bisherigen 15 Spielen zustande. Bremen ist 15. (29), Bayern und Gladbach Erster (43).
Sprints: Der FC Augsburg weist ligaweit die drittmeisten Sprints auf (3672), nur Bayern (3755) und Wolfsburg (3728) haben mehr. Bremen belegt in dieser Statistik den letzten Platz (3038). Der Kontrast zum FCA ist bemerkenswert, zumal es bei den intensiven Läufen ähnlich aussieht: Die Schwaben sind Vierter, Werder Vorletzter.
Torflaute: 1000 Mal probiert, 1000 Mal ist nichts passiert? Florian Niederlechner wartet seit sage und schreibe 929 Minuten auf ein Tor in der Bundesliga – schon jetzt die längste Durststrecke des Stürmers. Nun steht der Oberbayer in Bremen vor dem Erreichen der unrühmlichen Vierstelligkeit.
Trainerbilanz: In sechs Aufeinandertreffen mit Heiko Herrlich konnte Florian Kohfeldt nur einmal gewinnen. 2016 im Pokal gegen die von Herrlich trainierten Regensburger.
Die letzten Begegnungen
01.02.2020: FC Augsburg – Werder Bremen 2:1
01.09.2019: Werder Bremen – FC Augsburg 3:2
10.02.2019: Werder Bremen – FC Augsburg 4:0
22.09.2018: FC Augsburg – Werder Bremen 2:3
17.03.2018: FC Augsburg – Werder Bremen 1:3
Was macht eigentlich Matthias Ostrzolek?
Im Januar 2012 wechselte Matthias Ostrzolek vom VfL Bochum in die Fuggerstadt. Bis 2014 machte der Linksverteidiger 74 Spiele für Rot-Grün-Weiß (kein Tor, elf Vorlagen). Nach zweieinhalb starken Jahren in Augsburg wechselte der Deutsch-Pole zum Hamburger SV, wo seine Leistungskurve fortan nach unten gehen sollte. Nach drei Jahren und 89 Spielen für die Rothosen zog es Ostrzolek zu Hannover 96, mit denen der frühere U21-Nationalspieler in die 2. Liga absteigen sollte.
Im Sommer wurde sein auslaufender Vertrag am Maschsee dann nicht verlängert und Ostrzolek stand ohne Verein da – bis jetzt. Anfang Januar gab der FC Admira Wacker Mödling die Verpflichtung des 30-Jährigen bekannt. Beim von Damir Buric (früher Greuther Fürth) trainierten österreichischen Erstligisten unterschrieb Ostrzolek einen Vertrag bis 2022.
An dieser Stelle wollen wir noch an einen weiteren Ex-Augsburger erinnern, der unter der Woche für bundesweite Schlagzeilen gesorgt hat. Gratulation zum Einzug ins Pokal-Achtelfinale, Ioannis Gelios!
Die voraussichtliche Aufstellung
Marco Richter fehlt aufgrund seiner mehr als überflüssigen gelb-roten Karten gesperrt. Jeffrey Gouweleeuw kehrt nach seiner fünften gelben Karte wieder in die Startelf zurück. Eine Dreierkette mit Reece Oxford scheint nicht ausgeschlossen, doch gegen die offensiv harmlosen Bremer könnte Herrlich auch wieder zur Viererkette zurückkehren. Ob in dieser Iago den Linksverteidiger gibt, ist mehr als fraglich. Der Brasilianer konnte nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung gegen Stuttgart noch nicht wieder trainieren, sodass vermutlich Mads Pedersen zu seinen zweiten Startelfeinsatz kommen wird. Sein Pendant auf der rechten Seite gibt wohl Robert Gumny, da Raphael Framberger (Muskelfaserriss) noch nicht wieder einsatzbereit ist. Vieles deutet zudem daraufhin, dass sich der Coach für ein kompaktes Zentrum mit Rani Khedira, Carlos Gruezo und Tobias Strobl entscheidet. André Hahn, Michael Gregoritsch und Alfred Finnbogason sind Alternativen für den Angriff.
Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Uduokhai, Pedersen – Khedira, Gruezo – Caligiuri, Strobl, Vargas – Niederlechner
Tipps:
Andy: 0:3 – Bremen spielt keinen guten Fußball. Wir hatten gegen den VfB und auch Frankfurt spielerische Ansätze gezeigt. Ich höre nicht auf optimistisch zu sein und glaube, dass wir diesmal zu Toren kommen und damit an einen deutlichen Auswärtssieg. Von Stuttgart lernen, heißt auswärts siegen lernen.
Irina: 2:1 – wir verlieren auch gegen Bremen, aber nicht so deutlich wie gegen dem VfB.
Andi: 1:1 – In einem höhepunktarmen Spiel gibt es am Ende keinen Sieger. Werder spielt damit zum siebten Mal in dieser Saison 1:1 und der FC Augsburg kann den Abstand zu einem direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt wahren. Es wäre Flo Niederlechner zu wünschen, dass er seine Torflaute endlich beendet.