Herrlich, ein Sündenbock?!

Lediglich 29 Tore konnten unsere Jungs bisher in der laufenden Saison erzielen. Die Stimmen, die eine Entlassung Herrlichs fordern, werden in den sozialen Netzwerken immer lauter. Aufgrund der Frage, ob ein Cheftrainer immer die alleinige Schuld an dem Auftreten einer Mannschaft trägt, haben wir uns im ersten Teil unserer zweiteiligen Co-Trainer-Reihe die Aufgaben eines Trainers genauer angeschaut und dabei festgestellt, dass dieser einige davon abgibt. Außerdem haben wir gesehen, dass unser Coach mit Nico Schneck und Roman Týce schönen Offensivfußball auf den Platz zaubern konnte. Dieses Ziel hatte Heiko Herrlich sich auch für unseren FCA vorgenommen. Doch wie wir alle wissen, ist das momentan nicht der Fall. Deswegen möchten wir euch in dieser Episode den Mann an Heiko Herrlichs Seite vorstellen. Dabei betrachten wir gleichzeitig eine Station in Herrlichs Vita, bei der er nicht brillieren konnte. Diese zeigt nämlich, dass ein Trainer manchmal einfach nur ein Sündenbock für die Entscheidung anderer sein kann.

Kurze Episode in Bochum

Mit der Verpflichtung Heiko Herrlichs am 27.10.2009 ging der VfL Bochum damals ein großes Risiko ein, denn bis dato hatte Herrlich noch nie eine Profimannschaft trainiert. Mannschaften wie die U19 von Borussia Dortmund sowie die U17 und die U19 der DFB-Auswahl waren auf seinem Lebenslauf zu finden. Doch der Revierklub war zum Handeln gezwungen, denn dank der Vorgänger Marcel Koller und Frank Heinemann stand der VfL mit gerade einmal 8 Punkten nach 10 Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz.

So nahm man zum 11. Spieltag den ehemaligen Stürmer unter Vertrag. Dieser brachte seinen Co-Trainer aus der U19-Nationalmannschaft zu dem gefährdeten Erstligisten mit: Iraklis Metaxas, auf den wir gleich noch genauer eingehen werden.

Nun wird es interessant, da man bei Herrlichs vorherigen Stationen sehen konnte, dass dieser in Zusammenarbeit mit Nico Schneck und Roman Týce geschafft hat, Mannschaften zu absoluten Torgaranten zu formen. Beim VfL Bochum lief das jedoch anders. Zwar stellte man auch hier das System auf ein 4-2-3-1 um, doch die Taktik war defensiv ausgerichtet. Wie auch jetzt bei uns in Augsburg.

Wirklich zufrieden dürfte Herrlich über seine Leistung in Bochum nicht sein… (Foto: imago/Norbert Schmidt)

In insgesamt 22 Spielen für die Bochumer konnte man nur 4 Siege einfahren. Wirft man hierbei einen Blick auf die Tore, so stellt man fest, dass die Mannschaft in der gesamten Zeit gerade einmal 22 Tore schießen konnte. Bekommen hat man 37. Das bedeutet eine Ausbeute von einem geschossenem Tor und 1,68 erhaltenen Toren pro Spiel.

Von wegen nicht emotional

Doch der offizielle Trennungsgrund ein halbes Jahr später war nicht die schlechte Tabellenplatzierung, sondern ein Ausraster Heiko Herrlichs, was wiederum zeigt, dass doch Feuer in ihm stecken muss.

So wie die Mannschaft am Montag trainiert hat, hatte ich allen Grund eine Wanne durch die Kabine zu treten. Aber nicht in Reichweite der Spieler.

https://www.sueddeutsche.de/sport/vfl-bochum-heiko-herrlich-der-klub-wurde-nervoes-1.937014-2

Nach einer schlechten Trainingseinheit trat dieser nämlich eine Plastikwanne durch die Kabine und beschimpfte die Spieler als „Osterhasen“. Allgemein habe ein sehr rauer Umgangston geherrscht und mehrere Spieler hatten sich bei der Führung über den Coach beschwert.

Der Mann an Herrlichs Seite

Wie auch schon beim VfL Bochum steht heute Iraklis Metaxas unserem Coach als Co-Trainer zur Seite. Seit 10.07.2020 ist der gebürtige Kölner, der am 10.07. dieses Jahr 54 Jahre alt wird, Teil des Trainerteams. Im Jahr 2001 erwarb er seine Fußballlehrer-Lizenz mit Prädikatsauszeichnung. Sprich, er gehörte zu den Besten seines Jahrgangs.

Trotz ausgiebiger Recherchen, haben wir nicht herausfinden können, wie Metaxas zum Fußball gekommen ist, oder ob er jemals selbst im Profibereich als Spieler aktiv gewesen war. Viel spricht nicht dafür, denn auf keiner der gängigen Seiten gibt es ein Spielerprofil mit dem Namen Iraklis Metaxas. Daraus lässt sich schließen, dass Metaxas ein so genannter „Theoretiker“ ist, was aber jetzt nichts schlechtes sein muss.

Auf Metaxas‘ Lebenslauf stehen bisher 11 Stationen:

  • 01.01.2001 – 26.10.2009: DFB Jugend → Koordinator Talentförderung
  • 01.07.2008 – 26.10.2009: Deutschland U19 → Co-Trainer unter Heiko Herrlich (15 Spiele) und Horst Hrubesch (5 Spiele)
  • 27.10.2009 – 30.06.2011: VfL Bochum → Co-Trainer unter Heiko Herrlich (22 Spiele), Dariusz Wosz (2 Spiele) und Friedhelm Funkel (37 Spiele)
  • 01.07.2011 – 30.06.2013: VfL Bochum II → Trainer
  • 01.07.2013 – 31.12.2013: SC Freiburg → Co-Trainer unter Christian Streich (26 Spiele)
  • 01.01.2014 – 22.03.2015: Leiter der Freiburger Fußballschule
  • 01.01.2014 – 22.03.2015: SC Freiburg II → Trainer
  • 12.11.2015 – 14.09.2016: Griechische Nationalmannschaft → Co-Trainer unter Michael Skibbe (8 Spiele)
  • 15.09.2016 – 23.02.2019: Leverkusen U19 → Trainer
  • 24.02.2019 – 30.06.2020: SV Darmstadt 98 → Co-Trainer unter Dimitrios Grammozis (47 Spiele)
  • Seit 10.07.2020: FC Augsburg → Co-Trainer unter Heiko Herrlich

Griechisches System und seine Folgen

Wie bereits erläutert, gibt der Trainer auch Aufgaben ab, da er diese alleine gar nicht schaffen würde. Und drei Mal dürft ihr raten, welchen Bereich unser Coach gerne einmal anderen überlässt. Richtig: die Taktik!

Die taktische Ausrichtung machte meistens mein Co-Trainer Iraklis Metaxas.

https://www.sueddeutsche.de/sport/vfl-bochum-heiko-herrlich-der-klub-wurde-nervoes-1.937014-2

So war es beim VfL Bochum, also ist davon auszugehen, dass Herrlich auch bei uns seinem Kompagnon diese Aufgabe zuteil werden lässt. Und dass Metaxas gerne defensiv auflaufen lässt, ist kein Geheimnis. Sieht man sich die Statistik an, welche Spieler am meisten unter Herrlichs Co eingesetzt wurden, so stellt man fest, dass diese überwiegend Defensivspieler sind. Auf Platz 1 steht dabei Christian Mengert (defensives Mittelfeld) mit 69 Einsätzen. Danach folgen mit Jannik Stevens und Julian Wolff ein linker Verteidiger und ein Innenverteidiger. Die erste Offensivkraft ist Sam Schreck, der im Jahr 2018 unter Herrlich im Kader von Bayer Leverkusen stand, mit 36 Einsätzen.

Vergleichsspielchen

Wie wir in unserem vorherigen Artikel bereits sehen konnte, zeigte Heiko Herrlich mit seinen vorherigen Mannschaften wunderschönen Offensivfußball. Torgefahr garantiert! Hier mal eine kleine Übersicht, damit ihr wisst, was ich meine.

TeamTorverhältnis gesamtTorverhältnis pro Spiel
SpVgg Unterhaching63 : 59 (in 38 Spielen)1,66 : 1,55
Regensburg 2015/1620 : 9 (in 13 Spielen)1,54 : 0,69
Regensburg 2016/1762 : 50 (in 38 Spielen)1,63 : 1,32
Leverkusen 2017/1858 : 44 (in 34 Spielen)1,71 : 1,29
Leverkusen 2018/1926 : 29 (in 17 Spielen)1,53 : 1,71
Leverkusen Europa League16 : 9 (in 6 Spielen)2,66 : 1,50

Nun haben wir natürlich auch verglichen, wie die Torausbeute mit bzw. unter Iraklis Metaxas ausgesehen hat. Mit dem VfL Bochum erreichte man in 22 Spielen ein Torverhältnis von 22:37. Das bedeutet, dass die Bochumer pro Spiel durchschnittlich lediglich ein Tor schießen konnten und 1,68 kassierten. Bei Bochum II, die Iraklis Metaxas selbst trainierte stehen folgende Werte auf dem Papier: Jahr 1 → 42:64 (1,17:1,78), Jahr 2: 47:42 (1,24:1,11)

Derzeit hat der FCA ein Torverhältnis von 29:42. Das heißt, man schießt pro Partie 1,07 Tore und kassiert 1,56. Sehr ähnliche Werte im Vergleich zu Bochumer Zeiten, wenn ihr mich fragt.

Welche taktischen Anweisungen hier wohl gegeben werden? „Bloß nicht nach vorne“?(Foto via Imago)

Unser Fazit

Ein Cheftrainer hat es nicht leicht. Er hat viele verschiedene Aufgaben, die er an die richtigen Leute delegieren muss. Daher ist das Team um ihn herum genauso wichtig und zur Verantwortung zu ziehen wie er selbst. Und trotzdem ist der Trainer derjenige, der den Kopf hin hält und im Zweifelsfall auch seine Koffer packen muss. Zuerst geht immer der Chef.

Wie man an den von uns gewählten Beispielen sehr gut sehen kann, ist es nicht nur Heiko Herrlich allein, der die Schuld an unserer momentanen Passivität und der unattraktiven Spielweise trägt. Bei seinen vorherigen Stationen hat er nämlich durchaus gezeigt, dass er für offensiven Fußball steht und es schafft, dass sich seine Mannschaften viele Chancen heraus arbeiten.

Dieses Ziel hatte er sich eigentlich auch für den FC Augsburg gesetzt.

Wir haben uns immer – egal, wo ich war – sehr viele Torchancen heraus gespielt. Das war in Regenburg so. Da hatten wir bei den beiden Aufstiegen die meisten Torchancen und die meisten Tore. Und auch in Leverkusen in meinem ersten Jahr hatten wir statistisch die zweitmeisten Großchancen gehabt. Und das sind auch Elemente, die ich hier rein bringen möchte.

Heiko Herrlich bei seiner Vorstellung am 10.03.2020

Gab es eine Alternative?

Wie unsere Auswertung zeigt, hat unser Coach in diesem Fall nicht gelogen, denn sowohl mit Unterhaching, Regensburg und Leverkusen konnte Herrlichs Team sehr viele Tor vorweisen. Allerdings hatte er bei Bayer und auch in Regensburg mit Nico Schneck einen Co-Trainer, der als ehemaliger zentraler Mittelfeldspieler offensiv ausgerichtet war. Auch Roman Týce wusste als ehemaliger Spielführer, worauf es ankommt.

Doch obwohl beide zum damaligen Zeitpunkt frei gewesen wären, entschied man sich dafür, Iraklis Metaxas ins Augsburger Boot zu holen. Eine Entscheidung, die wir angesichts der Episode in Bochum nicht wirklich nachvollziehen können. Zwar haben Herrlich und er auch schon die U19-Nationalmannschaft über einen Zeitraum von 16 Monaten zusammen trainiert, doch Metaxas hat für unseren Geschmack seinen Chef auch im Stich gelassen. Denn während Herrlich seine Koffer packen musste, blieb der Grieche damals in Bochum.

Für uns wäre Nico Schneck die bessere Wahl als Co-Trainer gewesen. Nicht nur aufgrund der Torausbeute bei den vorangegangen Stationen, sondern auch, weil das Team Schneck und Herrlich eine Zusammenarbeit von 2,5 Jahren vorweisen kann. Mit Iraklis Metaxas arbeitete Herrlich insgesamt nur ein Jahr und 10 Monate zusammen.

Man sieht deutlich, dass die Wahl des richtigen Co-Trainers sehr viel ausmachen kann, denn er hat mehr Einfluss, als man glauben möchte. Ein Co kann sehr wohl auch die Taktik für ein Spiel ausgeben und bei der Aufstellung mitsprechen, wenn der Cheftrainer ihm diese Aufgabe überträgt.

Schuldfrage?!

Daher müssen wir uns alle die Frage stellen, ob man Heiko Herrlich die alleinige Schuld für die derzeitige Situation zuweisen kann. Wir sagen, nein… Er trägt die Verantwortung und muss dafür gerade stehen, aber nicht alle Entscheidungen trifft er selbst. Bei der Personaleinstellung hat auch die sportliche Leitung ein Wörtchen mitzureden.

Heiko Herrlich hatte bei seinem Amtsantritt darauf verzichtet, einen neuen Co-Trainer dazu zu nehmen. Es war aber klar abgesprochen, dass wir nach der Saisonanalyse prüfen, wie wir das Trainerteam weiter sinnvoll ergänzen können. Wir freuen uns daher, dass wir mit Iraklis Metaxas und Kristián Barbuščák zwei absolute Fachmänner für unseren FCA gewinnen konnten, die uns in der individuellen Arbeit mit den Spielern nach vorne bringen werden.

https://www.media-sportservice.de/2020/07/13/fc-augsburg-ex-leverkusener-iraklis-metaxas-unterstuetzt-heiko-herrlich/

Habt ihr schon mal beobachtet, wie die Wechsel innerhalb einer Partie vonstatten gehen? Unser Coach nimmt immer Rücksprache mit seinem Assistenten. Und dieser steht für einen sehr defensivlastigen Fußball…

Stefan Reuter redet auch gerne mal ein Wörtchen mit (Foto via Imago)

Hat man Heiko Herrlich also am Ende vielleicht nur den falschen Mann an die Seite gestellt? Könnte durchaus sein, denn die Beweise, dass Herrlichs trainierte Mannschaften es auch anders können, sind nicht von der Hand zu weisen. Bleibt die Frage: Wer hat über diese Personalie entschieden? War es Herrlich selbst oder jemand anders?

Iraklis Metaxas wäre nicht der erste Co-Trainer, den man ungefragt in den Verein geholt hat, denn wir alle erinnern uns sicherlich noch an Jens Lehmann… Und hatte Manuel Baum damals ein Mitspracherecht?

Erklärungen zum Schluss

Wir wollen Heiko Herrlich hier nicht in Schutz nehmen, denn auch wir sind der Meinung, dass es so über die Dauer nicht weitergehen kann. Wir wollten mit diesem Bericht lediglich aufzeigen, dass nicht immer die Schuld beim Cheftrainer alleine liegt, der allerdings immer zur Verantwortung gezogen wird.

Natürlich kann man den Unmut vieler Fans durchaus nachvollziehen. Die Art und Weise, wie unsere Jungs momentan Fußball spielen, ist nur sehr schwer zu ertragen. Man wünscht sich den Mut, den Willen und den Kampfgeist zurück, den wir unter Herrlichs Vorgängern sehen durften. Aber man hat weder beim Trainer noch bei unserem ersten Co-Trainer das Gefühl, als würden sie das Team in die richtige Richtung bewegen. Zumindest hört man bei jedem Spiel die gegnerische Bank, unsere eigene aber nicht.

Doch noch ist ein Trainerwechsel nicht in Sicht. Das würde wahrscheinlich auch zum jetzigen Zeitpunkt zu viel Unruhe ins Team bringen. Aber eines dürfte feststehen: es wird ziemlich sicher ein sehr spannender Sommer. Und vielleicht finden wir ja mal wieder einen Augsburger Sonderweg, an dem wir zwar am Cheftrainer festhalten, dafür allerdings deutliche Veränderungen bei Co-Trainer und Trainerteam vornehmen.

4 Gedanken zu „Herrlich, ein Sündenbock?!“

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