Fußballerisch konnte das der FC Augsburg weder in Mainz noch in Bochum von sich behaupten. In dem Satz verbirgt sich aber noch etwas anderes. Das Thema Führung. Mannschaftsführung, Vereinsführung, Führung des Teams durch den Trainer. In diesen Punkten hat der FCA in der letzten Woche wertvolle Fortschritte gemacht, finde ich. Warum, versuche ich im Folgenden näher zu klären. Außerdem müssen wir uns natürlich auch mit dem kommenden Gegner, dem VfB Stuttgart, beschäftigen. Weil gegen ihn gilt es jetzt, den Anflug neu erlangter bzw. wiederentdeckter Führungskraft nicht gleich wieder entwischen zu lassen.
Tiefpunkt in Mainz
Über das Spiel des FCA am vergangenen Freitag in und gegen Mainz ist schon viel gesagt und geschrieben worden. In der Presse, in den sozialen Medien und auch wir von der Rosenau Gazette haben uns dazu geäußert. Andy verfasste z.B. einen Katastrophenbericht aus Mainz, Kicker und Augsburger Allgemeine schrieben von „Debakel“ und „Desaster“ und auch bei Facebook, Twitter und Co. regten sich die FCA-Fans – angesichts der blutleeren Spielweise der Mannschaft – völlig zu Recht auf. (Ob das so ausfällig und beleidigend hat passieren müssen, wie es teilweise eben passiert ist, sei einmal dahingestellt.)
Natürlich hat sich auch der Club zu Wort gemeldet. Melden müssen. Weil auch er wusste, dass mit der neuerlichen klaren Niederlage gegen einen vermeintlich schlagbaren Gegner ein neuer Tiefpunkt erreicht war. (Von den ganzen Negativrekorden, die der FCA gerade einen nach dem anderen bricht, einmal ganz zu schweigen.) Gleich nach dem Spiel gab es die bis dahin explosivste Wutrede von Betonmischer Rafal Gikiewicz. Auch Trainer Markus Weinzierl fand die Mannschaftsleistung, eher nüchtern ausgedrückt, „nicht akzeptabel“. Nur die Führungsetage ließ mit einem Statement – eine gefühlte Ewigkeit! – auf sich warten. Wir alle wollten schließlich schnellstens wissen, ob es stimmt, dass die Luft für Sportdirektor Stefan Reuter wirklich dünner wird, was mit Weinzierl passiert oder wer womöglich schon in der Warteschlange steht.
Klartext in der Führungsetage
Am Dienstagabend war es dann soweit. In einem Interview ließ Vereinspräsident Klaus Hofmann verlauten, dass es keine Personaldiskussion gibt auf Führungsebene. Die sportlich Verantwortlichen, allen voran Reuter und Weinzierl, bleiben also (vorerst). Das wird diejenigen enttäuscht haben, die sich Armin Veh oder zumindest jemand anderen als neuen Sportdirektor gewünscht hatten. Hofmann machte aber auch klar, dass es nach Mainz mal (wieder) so richtig Krach gegeben hat:
„Wir haben in den vergangenen Tagen alles hinterfragt. Das fängt bei mir an. So eine Phase hilft auch, dass mal alle Dinge, die über einen längeren Zeitraum unausgesprochen waren, auf den Tisch kommen. Und zwar auf allen Ebenen und in alle Richtungen.“
Präsident Klaus Hofmann am 26.10.2021 in der Augsburger Allgemeinen
Hofmann ist jemand, an dem sich die Geister scheiden. Gerade in letzter Zeit rückte auch er immer wieder in den Fokus der Kritik. Zu impulsiv, zu despotisch und zugleich zu ahnungslos in Bezug auf Fußball sei er. Die von ihm beschriebene Aussprache, dass unter allen Beteiligten Klartext geredet wurde, und zwar über alles und jeden (ihn eingeschlossen!), halte ich aber für eine ausgesprochen gute und wichtige Sache. Schließlich macht es doch auch außerhalb des Fußballs eine gute Führung aus, wenn sie ihrem Personal die Möglichkeit gibt, auch unangenehme, schon länger schwelende Dinge anzusprechen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sich dabei auch selbst nicht auszunehmen. Das hat Hofmann getan und somit – zumindest nach außen hin – Führungsqualität bewiesen.
Klar ist natürlich auch, dass Hofmanns Führungskräfte genauestens „unter Beobachtung“ stehen. Seine Kooperationsbereitschaft und sein Rückhalt sind nicht bedingungslos. Das wissen die Betroffenen nur zu gut. Schauen wir mal, wie lange die Schonfrist ist, die ihnen eingeräumt wurde. Sprechen wir in ein bis zwei Wochen nochmal…
Weckruf vor Bochum
Den ersten Test hatte das Personal des FCA dann am Mittwoch in der 2. DFB-Pokal-Runde in Bochum zu bestehen. Zum Spiel selber mag ich wieder gar nicht so viel sagen. (Das hat Irina schon vortrefflich gemacht.) Zu einzelnen Eindrücken vor und während der Partie aber schon.
Einen ersten Schlüsselmoment hat aus meiner bzw. unserer Sicht die Pressekonferenz mit Markus Weinzierl und dem wiedergenesenen Alfred Finnbogason am Vortag hergegeben. Von Beginn an betonte der Trainer, dass nicht nur, aber vor allem die Führungsspieler in der Pflicht stehen, auf und neben dem Platz Verantwortung zu übernehmen. Er reagierte damit auf die Kritik von Kapitän Jeff Gouweleeuw nach dem Mainz-Spiel, es werde im Team manchmal zu wenig untereinander geredet. „Dann soll er reden!“, entfuhr es Weinzierl sichtlich gereizt. Auf die Frage nach der Stimmung im Team (eigentlich an Finnbo gerichtet), war es ihm später wichtig, noch Folgendes loszuwerden:
„Die Stimmung in der Mannschaft ist gut. Und unser Verhältnis ist auch gut. Und ich hab auch vollstes Vertrauen in die Führungsspieler. Aber nochmal, in solchen Phasen, wenn’s nicht läuft, dann müssen die auch die Verantwortung in der Mannschaft übernehmen und die gute Stimmung und die Trainingsleistung dann auf dem Platz auch rüberbringen. Ich erwart dann einfach auch, wenn wir Dinge nicht 100%ig gut machen, dass die Führungsspieler dann das Ganze auch in die Hand nehmen und da auch meine Verantwortung, ja, ich ihnen übergebe.“
Markus Weinzierl auf der PK am 26.10.2021 auf FCA TV
Wendepunkt in Bochum?
Klarer als Weinzierl hier kann man eine Erwartung, einen Auftrag kaum formulieren. Die Führungsspieler – das sind neben Kapitän Gouweleeuw auch Finnbogason sowie die restlichen Spieler des fünfköpfigen Mannschaftsrats, Flo Niederlechner, Daniel Caligiuri und Rafal Gikiewicz. Sie sollen den Auftrag also vor allen anderen entgegennehmen. Dass er sogleich beherzigt und in die Tat umgesetzt wurde, hat man am Mittwochabend im Ruhrstadion vor allem beim Elfmeterschießen gesehen.
Die Riege der Führungsspieler hat sich zunächst einmal vergrößert. Michael Gregoritsch, der in dieser Saison die meiste Zeit auf der Bank verbracht hat, schwor das Team auf den kommenden Showdown ein. Dann trat Jeff, der Kapitän, zum ersten Elfmeter an. Es folgte Finnbo, der dem Augsburger Spiel schon mit seiner Einwechslung neuen Aufwind verliehen hatte. Als Drittes voran ging Tobias Strobl, wohl derjenige, dem die wenigsten zugetraut hätten, dass er (so sicher) verwandelt. Den vierten legte sich dann Gregerl bereit, Mister Motivator. Dass Arne Maier, der 22-jährige, am Ende vergab, ist bitter. Dass er aber antrat, um – wie die anderen – Verantwortung fürs Team zu übernehmen, spricht wiederum für ihn. (Eine Überlegung wäre es aber durchaus wert gewesen, die Reihenfolge der Schützen zu ändern, sodass am Anfang UND am Ende einer der geforderten Führungsspieler gestanden hätte…)
Vielleicht ist das nur meine Sicht, aber ich finde, das Bochumer Elfmeterschießen war die ideale Plattform für die Spieler im Allgemeinen, um näher zusammenzuwachsen, und für die Führungsspieler im Besonderen, um ihre Aufgabe neu und verstärkt wahrzunehmen. Und vielleicht hat genau das nun einen entscheidenden, nachhaltigen Effekt – (auch) auf Ebene der Spieler.
Stuttgart auf die Pelle rücken
Und wie empfangen wir nach diesem Pokalaus, das es trotz allem ja immer noch ist, am Sonntag den VfB Stuttgart in der Liga? Wie der FCA hat es der VfB am Mittwoch nicht ins Achtelfinale des DFB-Pokals geschafft. Allerdings war es bei den Schwaben weit weniger knapp als bei uns. Sie haben daheim doch recht klar mit 0:2 gegen den 1. FC Köln verloren. Allerdings hatte das Spiel bei ihnen keine Überlänge. Physisch könnte das ein leichter Vorteil für die Elf von Trainer Pellegrino Matarazzo sein.
Aktuell stehen die Stuttgarter mit vier Punkten Vorsprung vor dem FCA auf Tabellenplatz 13 (FCA: Platz 16, 6 Punkte). In den letzten beiden Spielen gegen Union Berlin und Borussia Mönchengladbach hat der VfB nur zwei Punkte mitnehmen können.
Prinzipiell haben die Fuggerstädter in ihrer Bilanz leicht die Nase vorn. Von bisher 16 Bundesligapartien haben sie 8 gewinnen können, während der VfB – bei einem Unentschieden – nur 7 Begegnungen für sich entscheiden konnte. Uns Augsburgern ist natürlich noch wärmstens das 6:0 vom 30. Spieltag der Saison 2018/19 in Erinnerung. Das bedeutete für den FCA nicht nur den höchsten Bundesligasieg seiner Vereinsgeschichte. Damit besiegelte er auch das Ende von Markus Weinzierls 7-monatigem Engagement als Stuttgarter Trainer.
Für ihn, als heutiger Augsburger Übungsleiter, habe diese Zeit keine Bedeutung mehr, sagte Weinzierl auf der Pressekonferenz am Freitag. Vielmehr stimme ihn die Leistung aus der zweiten Hälfte in Bochum sehr positiv, um genau daran anzuknüpfen. Das Team hat „die Handbremse rausgenommen, auch im Kopf“. Der FCA will versuchen, in der Tabelle näher an den VfB „ranzurücken“. Auch der Mann an Stuttgarts Seitenlinie traut den Augsburgern einiges zu:
„Wir erwarten einen Gegner, der mit viel Energie auftreten wird. Nach einem 0:2-Rückstand am Mittwochabend im DFB-Pokal hat sich der FC Augsburg zwischenzeitlich auf ein Remis zurückgekämpft.“
Stuttgarts Trainer Matarazzo am 29.10.2021 auf VFB.de
Das Personal
Sicher nicht mit dabei am Sonntag um 15:30 Uhr in der WWK Arena ist für den FCA erneut Felix Uduokhai. Wie Weinzierl auf der PK erklärte, sei zu seinen muskulären Problemen nun noch eine Sehnenbeteiligung gekommen. Höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen werden nach Mittwoch auch die beiden Angeschlagenen Noah Sarenren Bazee (Außenbanddehnung im Knie) und Iago (Probleme an der Hand). Zumindest wieder im Kader stehen nach mehrwöchiger Verletzung bzw. Krankheit wohl Niklas Dorsch, Flo Niederlechner und Freddy Jensen. Wie genau deren Einsatzfähigkeit aussehen wird, ließ Markus Weinzierl aber noch offen. Mads Pedersen ist für Sonntag wohl wieder einsatzbereit. Dementsprechend könnte die Aufstellung folgendermaßen aussehen:
Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Oxford, Pedersen – Strobl, Maier – Hahn, Caligiuri, Vargas – Zeqiri
Beim VfB Stuttgart ist aktuell die Offensive personell recht stark ausgedünnt. Z.B. fehlt Stürmer Sasa Kalajdzic verletzungsbedingt schon längere Zeit. Genauso wie Silas Katompa Mvumpa auf der rechten Außenbahn. Auch für Linksaußen Erik Thommy, beim FCA ausgebildet, fällt ein Wiedersehen mit seinem früheren Verein flach.
Zum Abschluss
Mir ist mehr als bewusst, dass die aktuelle Lage beim FCA ernst ist. Sehr ernst. Und dass sein 350. Bundesligaspiel, das er gegen den VfB Stuttgart absolvieren darf, zum Schlüsselspiel werden könnte bzw. schon längst ist. Ich bin aber keine Freundin von Schwarzmalerei. Lieber will ich den Blick auch mal auf andere Dimensionen lenken, die vielleicht nicht gleich so ins Auge stechen wie die „harten“ (für uns natürlich wenig schmeichelhaften) Fakten wie Tore und Punkte. Das wollte ich mit der Perspektive auf die „Führung“ erreichen, bei der sich in der letzten Woche, so zumindest mein Eindruck, etwas zum Positiven verändert hat.
Denn oft ist es ja so, dass es erst das kleine Rädchen braucht, damit das große wieder läuft. Und vielleicht muss(te) so auch erst die Führungsfrage geklärt werden, damit es dann auch wieder zahlen- und faktenmäßig heißt: „Da ist die Füüühruuung!“ Am liebsten wäre mir das natürlich gleich am Sonntag.