Einer für alle, alle für Einen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Das Spiel gegen Bochum war nun sportlich nicht besonders ungewöhnlich. Oft sind wir diese Saison schon in Rückstand geraten, oft haben wir uns wieder versucht heran zu kämpfen, oft hat es nicht gereicht. Was derweil erneut irritiert hat, war die Leere im Stadion. Während Rolf Störmann zwar als Stadionsprecher vor Ort tätig war und auch das Ordnungspersonal erneut auf Mülltrommeln betätigte, ist dies nicht der Fußball, den ich liebe. Auf Grund der Coronapandemie und den damit zusammenhängenden politischen Vorgaben hatte das Stadion an diesem Spieltag zumindest in Augsburg leer zu bleiben. Was ein Scheiß!

Und entsprechend soll es heute seit längerem mal wieder nicht ums Sportliche gehen. Fußball ist ein Stadionsport. Er wird von den Akteuren auf dem Rasen für die Fans auf den Rängen gespielt. Die Interaktion zwischen Publikum und Spielgeschehen ist ein essentieller Bestandteil dieses kulturellen Erlebnisses. Auch nach vielen Monaten der Pandemie bleibt dies so. Auch wenn der professionelle Fußball vieles dafür tut, sich seine eigenen Grundlagen zu zerstören. Auch in Augsburg.

Faninteressen öffentlich nicht repräsentiert

Denn wenn in diesen Tagen davon gesprochen wird, dass mal wieder Spiele ohne Zuschauer stattfinden müssen, dann wird vor allem über die wirtschaftlichen Folgen für die Clubs gesprochen. Darüber dass millionenschwere Unternehmen mit ihren hochbezahlten Angestellten eventuell erneut über Gehaltsverzichte sprechen müssen. Den nächsten Transfer im zweistelligen Millionenbereich nicht tätigen können. Die Folgen auf die Strukturen der Fanszenen wird ausgeblendet und taucht selten bis gar nicht auf.

Im Zweifel für den TV Zuschauer. So ist leider mittlerweile das Prozedere. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Fußball ist Heimat. Der gemeinsame Stadionbesuch ein gemeinschaftliches, soziales Erlebnis. Der Fußball schafft Erfahrungen, die den Zusammenhalt von Menschen fördern. In sozialen Strukturen, die gelitten haben in den letzten Monaten. Die aber auch – zumindest in Augsburg und initiiert vom UBT e.V. – vorbildhaft Betroffenen der Pandemie geholfen haben und weiterhin helfen. Fußball ist eben deutlich mehr, als das was auf dem Rasen passiert.

Der Support ist nicht selbstverständlich

Der Support von den Rängen wird dabei oftmals immer noch als selbstverständlich gesehen. Er soll immer, positiv und ohne eigene Ansprüche anzumelden, da sein. Und ansonsten die Klappe halten. Gerade in Augsburg hat so mancher Verantwortlicher vielleicht während des Stuttgart-Spiels eine volle Ulrich Biesinger Tribüne nicht so ganz zu schätzen gewusst. Diverse Spruchbänder wurden gehisst („JHV ist wie JVA… nur mit weniger Freiraum“, „Hofmann & Ströll: Ihr Heuchler!“, „Alles gut hier, keine Probleme? 50+1 gilt, Mitsprache garantiert, die FCA-Familie hält zusammen?“) und nahmen Bezug auf den Ausgang der Jahreshauptversammlung (JHV), bei der die Fanvertreter es nicht geschafft hatten, in den Aufsichtsrat des FC Augsburg e.V. gewählt zu werden.

Im Vergleich zum FC Bayern, und den Protesten über die Sponsoringverträgen mit Katar, ist es beim FC Augsburg immer noch ruhig. Die Ereignisse beim großen Nachbarn sollten allerdings zu denken geben. Der Graben zwischen Fans und ihren Interessen und Vereinen und dem System Profifußball wird immer größer und hatte schon vor der Pandemie dazu geführt, dass die Stadionauslastung insgesamt in der Bundesliga langsam nach unten ging. Die Einbeziehung von ausländischen Investoren hinter dem Rücken der Mitglieder und die Kommunikation in diesem Zusammenhang hat neben anderen Punkten auch in Augsburg einen Anteil daran.

Mitbestimmung hat ihre Berechtigung

Die Mitbestimmung der Fans ist dabei nicht nur ein nettes Gimmick. Sie ist über die Mitgliederbeteiligung und das 50+1 Konzept fest im deutschen Fußball verankert. Wenn man sich die Umsetzung des 50+1 Konzepts beim FCA anschaut, dann ist recht klar, dass wir über eine Feigenblattkonstruktion sprechen. Klaus Hofmann als Präsident und Investorenführer ist der alleinige Umsetzer der Vereinsinteressen. Im Aufsichtsrat der KGaA findet man keinen einzigen Vereinsvertreter.

Insofern ist die Anmahnung der Mitbestimmung von Fanseite legitim. Das man dabei auf Spruchbänder setzt, ist üblich und gehört zur Fankultur mit dazu. Prinzipiell sollte sich jeder freuen, wenn in Stadien Spruchbänder zu sehen sind (so lange sie sich im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegen, #FCKNZS). Zu lange war dies schon nicht mehr der Fall. Zu viele wichtige Themen werden gerade von diesen Gruppen immer wieder in den Fokus gerückt (gerade momentan in Bezug auf die WM in Katar).

Diversität als ein Wert

An den Spruchbändern kam nun allerdings im Nachgang zum Spiel gegen Stuttgart auch Kritik auf. Unter dem Mantel, dass diese öffentliche Kritik durch die Fangruppen dem Verein schaden würde. Dies teile ich nicht. Die Pluralität von Meinungen wird dem Verein viel mehr nutzen. Der Club könnte sich proaktiv als eine Organisation positionieren, die eine solche Pluralität schätzt. Dies könnte ein wichtiger Teil unserer Identität sein, wie dies bei Union Berlin oder in St. Pauli der Fall ist. Dazu gehört allerdings auch, dass man ab und zu mal eine unliebsame Meinung aushalten muss und sich von dieser vielleicht auch zum Nachdenken anregen lassen darf.

Der Bundesligaball hat mehr Farben als die Gremienbesetzung beim FC Augsburg (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Kritisch sei an dieser Stelle dann auch erneut angemerkt, dass es mit der Diversität beim FC Augsburg dann auch noch nicht weit her ist. Keine der Gruppen hatte es zur Aufsichtsratswahl geschafft eine weibliche Kandidatin zu präsentieren (obwohl es fürwahr genügend sehr geeignete Kandidatinnen gäbe). Auch andere Bevölkerungsgruppen und wesentliche Teile des Fanspektrums des FCA sind in den Gremien bisher unterrepräsentiert. Weiterhin sei vermerkt, dass die Mitbestimmung nicht beim Aufsichtsrat des e.V. enden sollte. Mitgliedervertreter im Aufsichtsrat der KGaA wären aus meiner Sicht schon längst überfällig.

Das gemeinsame Interesse

Bei aller Streiterei über den Weg haben wir aber doch alle ein gemeinsames Interesse: unseren FCA. Und der ist dann auch gemeint, wenn es in der Überschrift heißt „Einer für alle, alle für Einen“. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit ist dies vielleicht auch ein Impuls, um Hände auszustrecken und Schritte aufeinanderzuzugehen. In Augsburg wissen die meisten, dass wir ohne Investoren und die rettende Hand gerade von Walther Seinsch nie dort wären, wo wir jetzt sind. Es geht dann grundsätzlich auch meist nicht um eine Generalkritik sondern Verbesserungen in einzelnen Punkten. Der gemeinsame Weg in den letzten 15 Jahren bleibt eindrucksvoll.

Das „Anfield auf dem Lechfeld“ ist allerdings kein Investorenwerk. Aus den größten Nächten unseres FCA werden mir vor allem die Choreografien und Gesänge in teils leeren Stadien z.B. nach Spielende in Liverpool in Erinnerung bleiben. Wer neben den Leistungen durch den FCA selbst, den Einfluss der Arbeit der Fanorganisationen und auch der Ultras klein reden und marginalisieren will, spielt aus meiner Sicht dann auch mit dem Feuer. Nicht so sehr, weil alles abbrennt, sondern, weil der Funke in Zukunft vielleicht nicht mehr überspringen mag. Weil gute Leute aufgeben, sich nicht gesehen fühlen, dem Projekt FCA den Rücken kehren. Die Zündkerze mag ein kleiner Teil des Autos sein. Aber ohne sie, geht es nicht.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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