Markus Weinzierl stand für den FC Augsburg am Samstag gegen Freiburg, bei der (vielleicht vermeidbaren) 1:2 Heimniederlage nicht am Seitenrand. Corona hatte ihn erwischt und er ist weiterhin in Quarantäne. Es ist müßig zu diskutieren, ob es etwas geändert hatte. Was sicher ist: schon nach den Partien gegen Leverkusen und Gladbach war er in die Kritik geraten. An vielen Stellen wird sich gefragt, wo denn die sportliche Entwicklung geblieben ist. Der FC Augsburg ist weiterhin das Maß an fehlender Konstanz. In diesem Zusammenhang ist das Team unschlagbar. Natürlich fällt dies auch auf den Trainer zurück. Wer aber trägt hierfür neben ihm die Verantwortung?
Keiner übernimmt Verantwortung
Teaminterne Prozesse im Fußball sind eine komplizierte Angelegenheit. Versuche ich selber kurz vor Ende des Spiels den Lucky Punch zu landen oder spiele ich lieber nochmal ab? Oft ist beim Fußball die Teamleistung mehr als nur die Summe aller Einzelleistungen. Spieler müssen sich für das Wohl des Teams hinten an stellen. Das Team muss Vorrang haben. Dafür muss jeder Verantwortung für das Team übernehmen und das persönliche Vorankommen vielleicht auch hinten anstellen.
Der Trainer und sein Team sind in diesem Zusammenhang das regulierende Kollektiv. Sie müssen glaubhaft das langfristige Wohl des Teams im Auge haben und auch schwierige Entscheidungen z.B. bzgl. Startelfnominierungen treffen. Und das Team bestehend aus vielen Einzelspielern muss diesen Entscheidungen Folge leisten. Nun sieht das beim FCA schon seit längerem nicht nach einem eingespielten Team aus. Nach individuellen Fehlern fehlt das gegenseitige Aufbauen. Es fehlen die Antreiber. Es fehlt, das Spieler auch nach außen sichtbar Verantwortung übernehmen. Es wird noch nicht einmal benannt, wer im Mannschaftsrat ist. Selbst im Trainerteam wird die Verantwortung weggeschoben. Reiner Maurer sagte in der Pressekonferenz vor dem Spiel: „Ich fühle mich genau so verantwortlich, wie wenn der Markus dabei ist.“ War er halt nur nicht. Kollektives Wegducken.
Die lahme Ente
Dieser Prozess endet allerdings nicht beim Trainerteam oder Markus Weinzierl. Unter der Woche gab es eine Medienrunde mit Stefan Reuter. Im Gegensatz zur Pressekonferenz nicht öffentlich. Dazu kommt, dass Stefan Reuter sich zur Zukunft von Markus Weinzierl nicht abschließend äußern will. Weggeduckt hat er sich zuletzt bei Tom Scharnagl bei a.tv. Wo ist das Problem mag sich der ein oder andere fragen? Das Problem ist Markus Weinzierls vertragliche Situation. Sein Vertrag läuft zum Saisonende hin aus und wurde bisher nicht verlängert.
In den USA nennt man das eine „lame duck„, übersetzt eine lahme Ente. Damit ist gemeint, dass in diesem Fall der Trainer keine Durchsetzungskraft mehr hat, weil ihm die Rückendeckung fehlt. Die Spieler glauben vielleicht selbst nicht mehr an einen Verbleib des Trainers. Entsprechend folgen sie den Vorgaben und Weisungen vielleicht nicht mehr zu 100%. Bewusst oder unterbewusst spielt dann schon keine Rolle mehr. Es gibt eine Ausrede. Wegducken wurde hiermit legitimiert.
Handelt jetzt, zefix!
Das kann so nicht bleiben. Die Verantwortlichen beim FC Augsburg, Stefan Reuter und Klaus Hofmann in allervorderster Front, müssen sich schleunigst klar werden, was sie von den Leistungen von Markus Weinzierl halten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Vertragsverlängerung an Markus Weinzierl scheitern würde. Und wenn, dann wäre das auch ein klares Zeichen. Weinzierls Optionen in der Bundesliga werden auf Sicht äußerst begrenzt sein. Er lebt mittlerweile nur noch von seinen längst vergangenen Augsburger Lorbeeren.
Wenn man von der Arbeit von Markus Weinzierl überzeugt ist, dann ist es Zeit den Vertrag schleunigst zu verlängern und dies sofort zu kommunizieren. Wenn die Überzeugung fehlt, dann ist es jetzt Zeit „Servus“ zu sagen. Laut und deutlich. Und mit Überzeugung und Stärke in das letzte Drittel der Saison einzubiegen. Wo liegt hier das Problem?
Die Alternativen
Für mich ist das Problem recht deutlich. Sollte man sich von Markus Weinzierl trennen, dann braucht es eine Alternative. Und um den passenden Trainerkandidaten bestimmen zu können, braucht es ein Anforderungsprofil und bestehende Kontakte. Nach Weinzierls erstem Abgang hatte man sich für Dirk Schuster entschieden, weil er aus wenig viel gemacht hatte in Darmstadt und dort auch die „Augsburger Tugenden“ auf dem Platz sichtbar machte. Danach übergab man an Manuel Baum, um die eigene Jugend besser zu integrieren und sich sportlich zu entwickeln. Und seitdem ist keine klare Strategie bei den Trainerverpflichtungen mehr erkennbar. Martin Schmidt war spielerisch auf Umschaltspiel begrenzt und die Mannschaft zerfiel regelmäßig. Zu Heiko Herrlich habe ich damals schon viel geschrieben und lasse das an der Stelle lieber. Ich habe selten eine weniger überzeugende Führungspersönlichkeit erlebt. Reuter, Hofmann und Co. haben in den letzten Jahren eine Trainerfahrkarte nach der anderen geschossen. Alte Bekannte, die dem FC Augsburg jetzt vielleicht auf dieser Position helfen könnten, sind ihnen vielleicht ausgegangen. Deshalb war ja schon im letzten Jahr Markus Weinzierl der letzte Rettungsanker.
Und was will die Führungsspitze in Augsburg denn von einem Trainer? Defensive Stabilität und Augsburger Tugenden? Ausgeprägtes Ballbesitzspiel mit in Ruhe vorgetragenen Angriffen und hoher Torquote? Alles getragen von mindestens 5 Eigengewächsen? Alles zusammen? Zwischen den Wünschen und Ansprüchen und der Realität scheint eine kleine Lücke zu klaffen. Die fehlende Fokussierung auf Kernaspekte führte in den letzten Jahren zur Beliebigkeit. Wir sind zur grauen Maus verkommen. Negativ in diesem Sinne: die Teams kommen gerne nach Augsburg, weil es nicht mehr ganz so ungemütlich ist, gegen uns zu spielen.
Was es jetzt braucht
Der FC Augsburg muss sich endlich klar werden, was er sportlich will. Eindruck in den USA schinden und eine Marke aufbauen, oder sportliche Lücken für den Klassenerhalt stopfen? Ach, die Transferphase ist schon vorbei. Wie schade. (Ich zügle den Sarkasmus gleich wieder). Trotzdem ist es noch nicht zu spät. Auch in dieser Phase der Saison hat der Club noch alles selbst in der Hand. Sobald er denn weiß, was er will. Klarheit diesbezüglich sollte schnellstens geschaffen werden.
Auf Basis dieser Analysen sind schon jetzt die Kernpositionen im Club zu besetzen. Angefangen beim Trainer und seinem Trainerteam. Und mit vollster Überzeugung und breiter Brust muss der FCA dann das letzte Drittel der Saison angehen. Alle in die Pflicht nehmen. Zusammenhalten. Dann habe ich zumindest viel Hoffnung, dass die Leistungen des Teams konstanter werden und wir die Klasse halten. Ab nächster Saison wird es dann vielleicht etwas besser.
(Alternativszenario – die realistische Variante)
Wir dümpeln weiter so vor uns hin. Gegen Dortmund wehren wir uns vor eigenem Publikum und verlieren knapp genau wie gegen Bielefeld auswärts. Ach, vielleicht holen wir sogar 1 oder 2 Punkte. Das Management und auch Klaus Hofmann werden in den nächsten Wochen – wie vor dem Abgang von Heiko Herrlich – medial präsenter werden. Es wird – erneut – die fehlende sportliche Entwicklung kritisiert werden. Klaus Hofmann wird fluchend ins Kameralicht rücken auf den Tribünen der Republik. Am Ende wird man Markus Weinzierl freistellen und versuchen dem Team einen neuen Impuls zu geben, um die Klasse zu halten. Die Konkurrenz ist dieses Jahr deutlich stärker und so reicht es vielleicht ausnahmsweise nicht oder wir müssen in die Relegation. Die Verantwortlichen werden sagen, dass ja klar war, dass es uns irgendwann erwischen hatte müssen. An diesem Punkt, sollten wir an diesen Zeitpunkt in der Saison zurückdenken. Noch ist es vermeidbar. Und die Verantwortung hört längst nicht beim Trainer auf.
Exacte Beschreibung der mehr als tristen Situation. Wir treten wie ein Absteiger auf! Die Spieler sollten großteils ihre berufliche Einstellung in Frage stellen.
Besser kann man die Situation nicht auf den Punkt bringen!