Der Mittelfußanbruch von Niklas Dorsch hat im defensiven Mittelfeld des FC Augsburg eine große Lücke gerissen. Noch ist unklar, wie lange wir auf „Dorschi“ verzichten müssen. Doch eines ist klar: So schnell wird das wohl leider nichts mit einer Rückkehr. Da mit Felix Götze derzeit nur ein Backup in unseren Reihen steht, hat Sportdirektor Stefan Reuter noch einmal auf dem Transfermarkt zugeschlagen und mit Julian Baumgartlinger einen sehr erfahrenen Mann an Bord geholt. Der 34 Jahre alte Österreicher war seit dem 01.07.2022 vereinslos und unterschreibt einen Einjahresvertrag bis zum 30.06.2023. Wir sagen an dieser Stelle herzlich Servus und stellen euch Julian gerne etwas genauer vor.
Pfiat di, liebe Heimat!
Der defensive Mittelfeldspieler wurde am 02. Januar 1988 im wunderschönen Salzburg geboren. Im Alter von fünf Jahren startete er sein Fußballabenteuer beim USC Mattsee. Der Ort ist eine so genannte Marktgemeinde mit 3.446 Einwohnern und liegt in etwa 20 Kilometer nordöstlich von Salzburg. Heute spielt der USC in der österreichischen Landesliga Nord.
Im zarten Alter von gerade einmal 13 Jahren verließ Baumgartlinger jedoch seine Heimat, denn mit dem TSV 1860 München klopfte mit einer der besten Ausbildungsvereine Deutschlands an Julians Tür. Man mag von den Kätzchen halten, was man mag, aber sie haben eine der besten Jugendakademien und bilden regelmäßig die Profis von morgen aus. Kevin Volland, die Bender-Zwillinge, Julian Weigl, Florian Neuhaus und Marius Wolf kommen alle aus der Talentschmiede der blauen Münchener. Und mit Philipp Max, Daniel Baier, Tobias Strobl und Felix Uduokhai standen bzw. stehen auch schon einige ehemalige Jugendspieler des TSV in den Diensten des FCA.
Zurück zu unserem neuen 6er. Vom 2001 bis 2006 durchlief er sämtliche Jugendabteilungen der Kätzchen, bevor er schließlich im Alter von 18 Jahren in den Kader der 2. Mannschaft berufen wurde. Bis 2009 kam er dort auf 37 Einsätze in der Regionalliga Süd. Hierbei erzielte er ein Tor. Falls ihr jetzt stutzt und denkt, ich hätte die Regionalliga Bayern mit der Regionalliga Süd verwechselt, hier ein kleiner Exkurs: Die Regionalliga Bayern entstand erst 2012 mit der Regionalligareform. Hier wurde die vierhöchste Spielklasse auf fünf Ligen aufgestockt. Der FC Augsburg II gehörte im Übrigen auch zu deren Gründungsmitgliedern.
Der Sprung in den Profifußball
Zwar gehörte Julian Baumgartlinger der Profimannschaft noch nicht offiziell an, dennoch durfte er sich am 12. November 2007 über sein Profidebüt freuen. Im Zweitligaduell 1860 München gegen Borussia Mönchengladbach wurde der Mittelfeldspieler in der 82. Minute für Torben Hoffmann eingewechselt. Die Partie endete in einem 0:0-Unentschieden. Im Sommer 2008 rutschte Julian schließlich in den Profikader, für den er bis 2009 13 Mal auf dem Platz stand.
Im Sommer 2009 ging es für den gebürtigen Salzburger schließlich für zwei Jahre zurück in die Heimat. Bei FK Austria Wien unterschrieb er einen Dreijahresvertrag und mauserte sich sehr schnell zum Stammspieler in der österreichischen Bundesliga. Obwohl ihn auch hier schon immer mal wieder kleinere Blessuren heimsuchten, schaffte er es in zwei Spielzeiten doch auf 61 Einsätze für den Hauptstadtclub. Wie auch schon bei unseren blauen Nachbarn kommt er hier auf ein erzieltes Tor.
Deutsche Bundesliga, ich komme!
Seinen Vertrag bei den Österreichern erfüllte Baumgartlinger allerdings nicht, denn Ende Juni 2011 bekam er ein Angebot vom FSV Mainz 05, das er selbstverständlich annahm.
Julian Baumgartlinger passt perfekt zu uns. Er ist ein Mittelfeldspieler für das Zentrum oder die Halbpositionen. Er hat uns mit seiner Power, seiner Aggressivität und Laufbereitschaft beeindruckt, darüber hinaus verfügt er über ein großes strategisches Talent. Er wird mit seinen Fähigkeiten das Niveau unserer Mannschaft weiter anheben.
Der damalige Mainz Trainer und Ex-Augsburger Thomas Tuchel über Julian Baumgartlinger
Für den Club aus Rheinland-Pfalz bestritt der defensive Mittelfeldspieler insgesamt 139 Spiele in fünf Jahren bzw. 10.893 Einsatzminuten. Hierbei konnte er den Mainzern nicht nur immer wieder zum Klassenerhalt verhelfen, sondern steuerte auch selbst drei Tore und neun Torvorlagen bei. Sein erstes Tor in der 1. Bundesliga schoss er dabei am 12. Februar 2012 vor Mainzer Kulisse gegen Schalke 04 zum 2:1-Endstand. Ob man es glaubt oder nicht, aber hier sammelte Baumgartlinger auch erste internationale Erfahrungen, denn mit den Mainzern nahm er zwei Mal an der Europa League Qualifikation teil.
Doch im Sommer 2016 war schließlich trotz Vertrag bis 2019 Schluss und der FSV verlor nicht nur einen hervorragenden Mittelfeldspieler, sondern auch gleichzeitig noch seinen Kapitän. Bereits am 19.05.2016 wurde das Interesse von Bayer Leverkusen an dem damals 28jährigen Nationalspieler bekannt. Dank einer Ausstiegsklausel konnte der Österreicher für ca. vier Millionen Euro zur Werkself wechseln, um sich „mit den besten Vereinen und Spielern Europas zu messen“.
Julian Baumgartlinger passt hervorragend in unser Anforderungsprofil. Ein Charakterspieler mit Führungsqualitäten, ehrgeizig, körperlich stark und mit strategischen Fertigkeiten.
Leverkusen-Geschäftsführer Rudi Völler über Julian Baumgartlinger
Sechs Jahre lang stand Julian Baumgartlinger bei Bayer 04 unter Vertrag und nahm in dieser Zeit alles an Spielerfahrung mit, was ging. Bundesliga, Europa League, Champions League… Insgesamt stand er 152 Mal für Leverkusen auf dem Platz. In dieser Zeit schoss er sechs Tore und steuerte noch sechs Torvorlagen bei. Zunächst hatte der heute 34Jährige nur einen Vertrag bis 2020, den er aber noch einmal bis 2021 und schließlich trotz schwerer Verletzung noch einmal bis 2022 verlängerte.
Verletzungen – immer wieder…
Und da sind wir auch schon bei dem Thema, das viele Augsburger Fans beim Aufkommen der ersten Gerüchte sehr beunruhigt hat und das auch nicht verschwiegen werden darf: Die Verletzungshistorie. Wirft man einen genaueren Blick auf selbige, dann kann einem schon ein klein wenig mulmig zumute werden. Immerhin erinnert diese doch sehr stark an Tobias Strobl, Jan Morávek und Alfred Finnbogason.
In seiner gesamten Karriere verpasste Julian bereits 104 Spiele aufgrund diverser Blessuren. Hier gab es kleinere Verletzungen wie muskuläre Probleme, Sprunggelenksverletzungen oder auch mal ein leichter Infekt. Doch leider findet man hier auch sehr große Verletzungen wie eine Meniskusverletzung zu Mainzer Zeiten oder aber auch einen Kreuzbandschaden, als er bei Bayer Leverkusen unter Vertrag stand. Aufgrund letzterem musste er sich gleich zwei Knie-Operationen unterziehen und verpasste so ganze 29 Spiele der letzten Saison.
Es ist daher verständlich, dass Bayer den Vertrag des Österreichers nicht noch einmal verlängerte. Dennoch wurde ihm seitens Coach Gerardo Seoane eine allerletzte große Ehre zuteil. Am letzten Spieltag der Saison 2021/22 durfte Julian nicht nur von Beginn an gegen den SC Freiburg ran, sondern seine Mannschaft auch noch als Kapitän auf das Feld führen. Bei seiner Auswechslung in der 60. Minute bekam er Standing Ovations, denn er war sechs Jahre lang absoluter Führungsspieler und Vertrauensperson auf und neben dem Platz.
Karriere beim ÖFB
Seit dem Jahr 2003 ist Julian Baumgartlinger fester Bestandteil der österreichischen Nationalmannschaft. Seine dortige Karriere begann in der U16-Auswahl, für die er zwei Mal auflief. Es folgten 24 Partien für alle Jugendmannschaften des ÖFB, bevor er schließlich 2007 in die U21 aufrückte. Im Jahr 2009 durfte er für diese erstmalig die Kapitänsbinde tragen.
Am 09. September 2009 feierte er schließlich sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Es handelte sich hierbei um den Einsatz in einem WM-Qualifikationsspiel der Österreicher gegen Rumänien. Baumgartlinger stand nicht nur in der Startelf, sondern spielte auch noch über die vollen 90 Minuten. Endstand der Partie im Ghencea-Stadion in Bukarest (das 2018 im Übrigen abgerissen wurde) lautete 1:1.
Sein erstes und bisher einziges Tor für sein Heimatland erzielte Julian am 03. April 2014 beim 2:1-Sieg über die tschechische Auswahl in einem Freundschaftsspiel. Insgesamt lief der Mittelfeldspieler bisher 84 Mal für den ÖFB auf.
Nach dem Vorrundenaus bei der EM 2016 wurde unser neuer Spieler zum Mannschaftskapitän der Nationalmannschaft ernannt. Trotz seiner zahlreichen Ausfälle, wurde er bei der EM 2021 in den endgültigen Kader der Europameisterschaft berufen, bei der er auch zu einem Einsatz kam. Bei der kommenden Weltmeisterschaft in Katar ist der ÖFB aber nicht vertreten. Im Halbfinale der Playoffs musste man sich Wales geschlagen geben. Julian Baumgartlinger stand aber hier nicht im Kader der Österreicher.
Erfahrung
Nun ist dieser Wechsel natürlich mit einem gewissen Risiko behaftet. Das wissen wir, denke ich, alle. Hört man sich in den verschiedenen Gruppen in den sozialen Netzwerken um, dann hat schon lange kein Wechsel mehr solch eine Unruhe ausgelöst. Natürlich ist das nicht ganz unverständlich, denn immerhin hat man mit Tobias Strobl, Andreas Ottl, Piotr Trochowski, Stephan Lichtsteiner und Co. schon öfter Spieler dieser Kategorie verpflichtet, die dann allesamt nicht so eingeschlagen sind, wie sie sollten. Zudem muss man immer Angst haben, dass nach einer solchen Verletzung ein Spieler keine hundert Prozent mehr geben kann, auch wenn sich Julian Baumgartlinger den ganzen Sommer über fit gehalten hat. Auch die erneute Verletzungsgefahr darf man natürlich nicht außer Acht lassen.
Trotzdem glaube ich, dass sich die Verantwortlichen etwas dabei gedacht haben und wenn Julian fit bleibt, dann kann er uns auf jeden Fall weiterhelfen. Auf seiner Vita stehen derzeit 460 Spiele auf Vereinsebene: 239 in der 1. Bundesliga, 61 in der 1. Bundesliga Österreichs, 23 im Pokal, 12 in der Champions League, 18 in der Europa League usw. Mehr Erfahrung, die er auf und neben dem Platz mit einbringen kann, geht fast gar nicht. Er kann nicht nur junge Spieler mit hochziehen, sondern er hat auch richtig Bock auf die Aufgabe Augsburg.
Wenn man einen Blick auf seine Leistungsdaten in der Saison 20/21 wirft, dann kann man nur anerkennend nicken. Wenn er es schaffen sollte, diese auch nur ansatzweise auf den Platz zu bringen, dann kann er uns wirklich weiterhelfen. Hier ein paar Beispiele:
Bezeichnung | Wert / Quote | Platzierung aller Spieler innerhalb der Bundesliga |
Passquote | 86,0 % | 33 |
Zweikampfquote | 66,1 % | 4 |
Luftkämpfe | 71,0 % | 11 |
Balleroberungen | 1,57 pro Partie | 14 |
Schussgenauigkeit | 71,4 % | 28 |
Ballverluste | 0,63 | 190 von 221 (je höher die Platzierung umso besser in diesem Fall) |
Wollt ihr meine Meinung zu diesem Transfer wissen? Es ist riskant, ja, aber ich denke, wenn Julian Baumgartlinger das zeigt, was er immer bei Bayer Leverkusen abliefern konnte, dann kann er für unseren Kader eine große Bereicherung sein. Um es mit den Worten Rudi Völlers zu sagen:
Stimmen zum Transfer
Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter: „Wir haben viele junge, entwicklungsfähige Spieler in unserem Kader und gerade durch den langen Ausfall von Niklas Dorsch wollten wir im Mittelfeld noch einen erfahrenen Spieler dazu nehmen, der unserem Team auf und neben dem Platz mit seiner sportlichen Qualität, seiner Mentalität, seiner Persönlichkeit und seiner Erfahrung helfen wird.“
Julian Baumgartlinger: „Ich habe richtig Lust auf den FC Augsburg, denn ich finde es beeindruckend, wie sich der Verein in den letzten elf Jahren in der Bundesliga etabliert hat. Ich bin sicher, dass ich von meiner intensiven Spielweise sehr gut zum Klub und ins Team passe. Ich bin fit und bereit für die Herausforderungen mit der Mannschaft.“
An dieser Stelle wünscht das Team der Rosenau Gazette Julian Baumgartlinger herzlich Willkommen in Augsburg. Wir hoffen sehr, dass er fit und verletzungsfrei bleibt, sodass er uns im Kampf um den Klassenerhalt – und aller weiteren Ziele – aus vollen Kräften unterstützen kann. Alles Gute hier am Lech, lieber Julian!
Ein Gedanke zu „Servus Julian!“