„Für Familien und Kinder ist das ein Paradies“

So eine Fußballmannschaft ist ja schon ein bunter Haufen. Das bleibt er auch in Augsburg. Manche Spieler stechen aus solch einem bunten Haufen ein bisschen mehr heraus als andere. In Augsburg ist das definitiv Rafal Gikiewicz, der polnische Schlussmann des FCA. Ich lerne ja immer wieder gerne etwas zur Heimat unserer Fußballer und so habe ich mich mit Rafal kurzgeschlossen und er hat mir von Polen erzählt. Jetzt möchte ich gerne nach Polen. Wohin genau? Rafal hat es verraten…

Andy: Du kommst ursprünglich aus den Masuren. Ich würde gerne mit einem Text starten, den ich über die Masuren gelesen habe. „Die Legende besagt, dass Gott nachdem er die Erde erschaffen hatte, während er sich nach harter Arbeit ausruhte, ein tiefes Loch entdeckte. Um die Mulde zu füllen, trug er mit seinen Händen Steine und Gebirgsfelsen aus aller Welt und formte daraus die Hügel. Er holte Sand und Lehm aus dem Tiefland, aus dem er den Boden bildete. Mit seinen Händen brachte er Wasser aus den Meeren und Ozeanen und goss es in die Mulden, aus denen sich Seen bildeten. Er teilte die Wildnis in viele Wälder auf und aus den zahlreichen Sümpfen des Landes brachte er Lagerstätten von Eisenerz und Torf. So ist das heutige Masuren aus einem Loch entstanden.“

Rafał: Ich habe das noch nie gehört, aber ich glaube, es stimmt. Wirklich! Olsztyn ist meine Heimatstadt. Allenstein heißt sie auf Deutsch. Alleine in meiner Stadt gibt es 16 oder 17 Seen. Da gibt es in jeder Ecke viel Wasser. Und es ist sehr sauberes Wasser. Das kann man mit den Seen in Augsburg oder München gar nicht vergleichen. Das ist ein großes Privileg. In der Freizeit fährt man mit der Familie, mit einem Kumpel oder der Frau / Freundin an einen See und geht schwimmen und das gute Wetter genießen. Jeder See hat wirklich eine tolle Qualität.

Andy: Das heißt, durch die Seen fährt man am Wochenende gar nicht ans Meer?

Rafał: Genau. Bei uns ist es so: Wenn du am Wochenende ans Meer fahren willst, dann musst du von meiner Stadt aus 2 bis 2,5 Stunden fahren. Da sagen viele Leute: „Jetzt ist das Benzin teuer. Bleiben wir einfach in Olsztyn.“ Die Stadt hat viel Geld investiert – in den Plaża Miejska (Anm. der Red.: Jachthafen). Da gibt es viele Plätze mit Sand zum Volleyball spielen, viele Restaurants, frischen Fisch. Für Familien und Kinder ist das ein Paradies. Leider kann ich nur einmal im Jahr dort sein.

Andy: Olsztyn hat auch eine sehr ähnliche Größe wie Augsburg. Ich finde das eine sehr angenehme Größe der Stadt. Es ist nicht zu groß, man kann schnell überall hinkommen.

Rafał: Genau. Ich muss sagen, ich bin wirklich ein sehr großer Fan von Augsburg. Ich war zwei Jahre in Berlin und wenn du dort zum Beispiel einen Termin bei einem Arzt hast, dann fährst du eine Stunde und dreißig Minuten lang, weil viel Verkehr ist. Dann bist du eine halbe Stunde im Termin und fährst wieder 1,5 Stunden zurück. Da verlierst du vier Stunden, in denen du deine Familie nicht siehst. In Augsburg oder meiner Heimatstadt ist das anders. Jetzt zum Beispiel fahre ich von Neusäß zur WWK-Arena 10 Minuten. In Berlin Köpenick war das brutal 2 Jahre lang, obwohl ich nur 5 Kilometer zum Stadion hatte. So viele Autos habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Und dann musst du Strafe zahlen, wenn Du zu spät kommst, und jede Minute kostet viel Geld. Manchmal war ich mit dem Auto unterwegs, aber alle standen Richtung Stadion. Dann bin ich einfach zurück nach Hause, habe die Vespa genommen und bin mit der Vespa zwischen den Autos durchgefahren.

Giki mit der besten Laune, wenn es läuft. Urlaub mit ihm wäre sicher ein großer Spaß! (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Andy: Das ist dann die Weisheit des Alters irgendwann, dass man nicht mehr die ganz großen Städte braucht.

Rafał: Ich glaube, das kann man auch gar nicht vergleichen. Ich habe zwei Kinder und eine Frau. Mir macht das Spaß, mittags die Kinder abzuholen und mit beiden zum Training zu fahren. Wenn du Papa bist und seit 15 Jahren eine Frau hast, dann hast du andere Prioritäten. Mein Tag ist ein bisschen anders organisiert als der der jüngeren Spieler. Natürlich macht es Spaß, manchmal nach München oder in eine andere große Stadt zu fahren. Aber wir fühlen uns in Augsburg seit fast 2,5 Jahren sehr wohl.

Andy: Die Kurve zurück einmal nach Olsztyn. Da hast du ja auch mit dem Fußballspielen angefangen. Wie würdest du deinen Homeground beschreiben, wo Du mit deinem Bruder zum Fußball gekommen bist?

Rafał: Ich muss sagen, das war eine schwierige Zeit, weil wir zwei Zwillingsbrüder sind und immer zusammen waren. Wir waren laut. Wir hatten viel Energie. Unser Papa hat bei unserem ersten Verein, Stomil Olsztyn, gearbeitet. Wir waren viel unterwegs und konnten nicht bei unserem Heimatverein spielen. Ich bin dann zu unterschiedlichen Vereinen gewechselt. Sokol Ostroda, Drweca Nowe Miasto Lubawskie, DKS Dobre Miasto. Die waren immer so 50 bis 60 Kilometer weit weg und wir mussten immer mit unseren Eltern nach der Schule fahren, trainieren, und wieder zurück, Hausaufgaben machen, schlafen und wieder zur Schule gehen. Es war eine anstrengende Zeit für uns, aber wir hatten einfach einen riesigen Traum. Kein Talent, aber wir hatten Bock, hart zu arbeiten. Und seit ich 11 oder 12 war, weiß ich, dass ich Fußball spielen will. Wir hatten immer eine Philosophie mit unserem Papa. Wir wollten jedes Jahr eine Liga höher wechseln und nicht zu große Schritte nach oben machen und dort dann keine Rolle spielen. Uns systematisch weiterentwickeln. Wir haben immer für ein Jahr einen Vertrag unterschrieben und mit 20 Jahren einfach einen riesigen Schritt in die beste polnische Liga gemacht – die heißt Ekstraklasa – zu Jagiellonia Bialystok. Und dann ging es schnell. Mit Slask Wroclaw sind wir Meister geworden, haben den Pokal gewonnen und den Supercup. Ich habe gegen Hannover Europa League-Quali und auch Champions League-Quali gespielt. Und dann kam es zum Bruch durch eine komplizierte Situation mit meinem Bruder und einem Mitspieler. Ich stand hinter meinem Bruder und durfte dann mit 15, 16 Jahre alten Spielern nur noch laufen und nicht mehr mit der ersten Mannschaft trainieren. Und dann habe ich eine Anfrage von Eintracht Braunschweig bekommen, ob ich zum Probetraining kommen kann. Ich hatte und ich habe nie in meinem Leben Angst. Also habe ich gesagt „Ja, ich kann kommen“. Ich konnte kein einziges deutsches Wort. Wirklich gar nichts! Null! Ich habe mit dem Torwarttrainer mit Händen und Füßen gesprochen und er hat mir gezeigt, was ich machen soll. Nach dem ersten Tag Probetraining hat er gesagt, dass er mich haben will. Und damit hat mir Alex Kunze – so heißt er – eine riesige Chance gegeben. Das ist meine 9. Saison in Deutschland und ich bin wirklich dankbar. Ich glaube, im Leben muss es einfach so sein. In Breslau lief es nicht so gut, dann kam Eintracht Braunschweig. Nach zwei Jahren wechselte ich dann von Braunschweig nach Freiburg und sie haben fast eine Millionen Euro bezahlt. All das auf Grund von harter Arbeit. Ich bin ohne großem Namen nach Deutschland gekommen. Ich musste wirklich hart arbeiten, ohne die Sprache zu können. Das erste Jahr war nicht einfach, aber ich war laut in der Kabine und ich hatte viel Spaß mit den Jungs, auch ohne die Sprache zu können. Ich bin mich einfach reingestürzt.

Andy: Das kann ich mir vorstellen. Lass uns noch mal nach Bialystok zurückspringen. Bialystok liegt ja noch östlicher als Olsztyn.

Rafał: Das liegt an der weißrussischen Grenze. Bis dahin sind es nur 50 bis 60 Kilometer.

Andy: Wie würdest du die Stadt beschreiben? Wie ist es dort? Gibt es Unterschiede zu Olsztyn?

Rafał: Ja, schon. Dort ist es nicht so farbig, es gibt kein Wasser und nicht so viel Natur. Aber ich habe dort meine Frau kennengelernt. Und ich bin immer noch mit ihr zusammen und wir haben zwei Kinder. Ich war drei Monate lang alleine in Bialystok nach meinem Wechsel dorthin und hatte eine Wohnung gemietet. Dann habe ich sie kennengelernt, bin zu ihr gezogen und bis heute mit ihr zusammen geblieben. Wir haben den Pokal gewonnen, hatten aber mit Jagiellonia Bialystok zehn Punkte abgezogen bekommen wegen Korruption. Aber trotzdem haben wir den Klassenerhalt geschafft. Ich glaube, wir waren auf dem 10. oder 11. Platz. Die Familie meiner Frau wohnt dort und wir sind deshalb regelmäßig da. Und egal, wann ich dort hinkomme und in die Stadt gehe, singen die Fans noch immer meinen Namen, weil wir den Pokal gewonnen haben. Das war das erste und letzte Mal bis heute. Das war wirklich eine geile Zeit. Nur zwei Jahre, aber wirklich sehr geil. Die Stadt ist auch schön, viel besser als 2010 oder 2012. Aber Olsztyn und Bialystok kann man eigentlich nicht vergleichen. Beide sind gut, aber Olsztyn ist fast besser.

Andy: Olsztyn klingt aus touristischer Sicht schöner…

Rafał: Ja und nach Bialystok kommen viele Leute aus Weißrussland oder Litauen. Sie kaufen dort Fernseher in den Supermärkten und nehmen sie mit nach Hause, weil die in Bialystok billiger sind als in Weißrussland.

Andy: Gut, dann weiß man, wann man in welche Stadt reisen muss. Nicht ganz zwischen beiden Städten – jetzt kommen wir zu einer polnischen Legende – liegt ein Ort, über den ich auch gelesen habe, als ich mich vorbereitet habe. Und zwar die Nikolaiken (Mikołajki).

Rafał: Die kenne ich zwar nicht, aber erzähl mir davon.

Andy: Der Stintkönig – sagt dir der was? Das ist wohl ein masurischer See, der von einem großen Fisch beherrscht wird. Dieser Fisch ist dort wohl gefesselt und muss den Anglern Glück bringen. Du kennst den Ort nicht?

Rafał: Nein. Vielleicht habe ich davon gehört, aber als ich jung war hatte ich keinen Spaß daran, mir Legenden anzuhören. Ich hatte nur Spaß daran mit meinem Bruder Fußball zu spielen. Ich kenne ein paar andere Legenden, weil es so viele Seen gibt und die Leute Fisch mögen. Es soll Glück bringen, wenn du die Haut eines Fisches in dein Portemonnaie legst. Oder unter den Tisch legst, wenn du mit deiner Familie zu Mittag isst. Oder auch an Weihnachten unter den Tisch legst. Aber das, was du mir jetzt erzählt hast, habe ich noch nie gehört. Aber die Legende gibt es sicher.

Andy: Ich finde es total spannend, mit Dir darüber zu sprechen. Man hat ja bei anderen Ländern – Schottland zum Beispiel – im Blick, dass es dort solche Legenden gibt. Loch Ness kennt ja jeder. Mir kommt es jetzt, wo ich ein bisschen darüber gelesen habe, so vor, als ob es in den Masuren sehr ähnlich ist. Es ist nur nicht so bekannt. Dafür ist es touristisch auch nicht so überlaufen. Ist das vielleicht ein Vorteil, weil man noch in Ruhe Urlaub machen und einfach eine gute Zeit haben kann ?

Rafał: Christian Streich zum Beispiel fährt in die Masuren. Als ich bei Freiburg war, hat er mir erzählt, wo er war und er war da fast jedes Jahr. Ich habe ihm gesagt, ich habe da ein fast 6.000 Quadratmeter großes Grundstück mit privater Seelinie. Die Linie ist 50 Meter entfernt und du hast freien Blick aufs Wasser. Es kommen viele Deutsche dorthin und mieten solche Häuser, weil man dort wirklich Ruhe hat. Dazu sehr gutes Essen. Du kannst dir ein Boot mieten und die Zeit genießen. Fast wie in Kroatien. Klar, man hat nicht so gutes Wetter wie in Kroatien, aber für mich ist es ein Privileg. Du hast fast ein halbes Jahr Urlaubsatmosphäre, weil Du in zwei, drei freien Stunden Zeit, kannst Du alles mögliche machen.

Andy: Kommen wir zum Essen. Du hast gemeint, es gibt sehr, sehr gutes Essen. Davon wirst du wahrscheinlich nicht mehr alles essen, weil Du kein Fleisch mehr isst. Was sollte man in den Masuren essen?

Rafał: Einfach Fisch. Ich esse kein Fleisch, genau, aber man kann – zwar nicht im Zentrum meiner Heimatstadt, aber fünf oder zehn Kilometer entfernt – regionale Produkte wie Eier, Fleisch, Fisch direkt von den Erzeugern kaufen. Und alles schmeckt anders als hier. Wenn du in Augsburg zwei Eier kaufst, dann kannst du die nicht mit denen aus Polen vergleichen. Oder Wurst! Die Leute hier finden deutsche Wurst so toll. Wenn ich polnische Wurst mitbringe, dann essen sie aber eine Woche lang nur polnische Wurst. Die deutsche Wurst ist wirklich Kreisliga. Die polnische Wurst ist 1. Bundesliga. Bei uns verdienen die Leute weniger Geld. Deswegen backen sie zum Beispiel selber Brot. Bei uns schmecken Brot oder Brötchen ein bisschen anders als hier von der Bäckerei und bleiben länger frisch.

Andy: Deine dritte große Station – du hast es ja schon gesagt – war in Polen Breslau. Breslau kann man als Großstadt bezeichnen, oder?

Rafał: Top 3: Warschau, Krakau und Breslau.

Andy: Wie würdest du das Leben dort beschreiben und deine Zeit? Wie war das für dich und würdest du es vielleicht auch mit deutschen Großstädten vergleichen?

Rafał: Zum Leben ist es wirklich eine sehr schöne Stadt. Warschau, Krakau und Breslau bieten zum Leben eine hohe Qualität, für die Leute gibt es Arbeit und für die Kinder gibt es viele internationale Schulen. Es gibt viele große Firmen, da kann man einen guten Job finden. Das ist schon gut. Aber ich war auch in den letzten drei, vier Jahren nur ein oder zwei Mal pro Jahr dort, einerseits durch Covid und andererseits, weil es von München aus keinen guten Flug nach Breslau gibt. Aber wir haben viele Freunde in Breslau, wie wir sie in Bialystok und Olsztyn nicht haben. In Bialystok und Olsztyn haben wir einfach nur Familie und in Breslau haben wir noch viele Kontakte mit Leuten, weil ich da wirklich eine erfolgreiche Zeit mit Slask Wroclaw hatte.

Andy: Man kann sich gar nicht vorstellen, dass ihr euch nach der Karriere entscheiden könntet, an einem einzigen Ort zu leben.

Rafał: Wir schauen, was unsere Kinder machen wollen und ich glaube, das ist das Wichtigste. Auch was meinen nächsten Schritt angeht. Piotr ist aktuell in der 6. Klasse. Und der Kleine geht in die 1. Klasse. Und wenn du zwei Kinder hast, dann kannst du nicht einfach nur deinen Willen durchsetzen.

Andy: Man merkt, wenn man sich mit dir unterhält, dass du eine sehr starke Beziehung zu deiner Heimat hast und familiär und freundschaftlich dort sehr verwurzelt bist und deine Heimat sehr, sehr gerne magst.

Rafał: Aber ich kann gerne in den nächsten 10 Jahren in Augsburg bleiben und ein paar Bälle für junge Torhüter im Nachwuchsleistungszentrum oder in der zweiten Mannschaft schießen. Oder noch besser in der ersten Mannschaft, das ist auch ein großer Traum. Das ist auch kein Problem. Aber weißt du, wenn du noch fit bist, dann denkst du nicht so viel daran.

Andy: Wie hast du durch deinen Umzug nach Deutschland festgestellt, dass du dich als Pole definierst? Wo sagst du „So wie ich bin, das ist typisch polnisch, das ist gut so, das ist nicht so, wie es in Deutschland ist“?

Rafał: Ich kann dir sagen, was in Deutschland ein Skandal ist. In Polen ist jede Wohnung möbliert. Bei uns geht das nicht unmöbliert. Du hast alles, zahlst einfach eine Summe und hast wirklich alles. Und in Deutschland hast du gar nichts, du zahlst Strom auf deinen Namen und musst dich um alles selber kümmern. In meiner ersten Wohnung in Braunschweig im ersten Jahr, da war nicht mal ein Klo in der Wohnung. Ich musste ein Klo kaufen. Ohne Witz, wirklich! Das habe ich in meinem Leben so noch nie gesehen. Du gehst rein und sagst „Topwohnung und Toplage“, aber es gibt keine Küche, eine Toilette gibt es nicht und die sagen „Ja, eine Küche kannst du dir bestellen“, musst aber 5 Wochen darauf warten. Aber ich will ab morgen da wohnen?! Oder WLAN und Internet: Da musst du wieder 6 Wochen darauf warten. Das gibt es nur in Deutschland. Das ist ein Skandal, wirklich.

In Deutschland musst Du selbst mit anpacken und Giki ist nicht begeistert. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Andy: Ich habe selber mal ein Jahr im Ausland gewohnt und man stellt da schnell fest, dass das hier irgendwie anders abläuft.

Rafał: Jedes Land hat eine andere Mentalität, das ist klar. Aber als ich 2014 meinen Vertrag in Braunschweig unterschrieben habe, hat meine Oma gesagt: „Oh, du gehst nach Deutschland?!“ Weißt du, die alte polnische Generation hat noch Adolf Hitler im Kopf. Sie konnten nicht glauben, dass ich nach Deutschland gehe und da mein Leben mit der Familie genießen kann. Sie zahlen mir auch noch deutsches Geld. Wie kann ich das so einfach akzeptieren und dort leben? Weil diese Generation hat einfach noch diese schlechte Zeit für die ganze Welt und das ganze Land im Kopf. Aber die junge Generation, die ist fast international. In jeder Stadt hast du eine Mischung, so wie in der Kabine. Ich sage, du musst im Kopf wirklich offen sein und eine andere Perspektive kennenlernen. So muss man das einfach machen, weil du kannst nicht danach leben, was 1897 zwischen Polen und Deutschland passiert ist.

Andy: Nein, das kann man nicht. Wenn du offen bist, stellt du fest, dass man im Sommer in Olsztyn lebensfreudige Polen erleben und eine sehr gute Zeit haben kann. Das habe ich zumindest gelernt. Wenn man sich darauf einstimmen will: Welche Musik hörst du, die dich mit deiner Heimat verbindet?

Rafał: Nein, polnische Musik nicht. Das höre nicht so oft. Ab und zu polnische Rap-Musik, sonst einfach international. Ich höre vor dem Spiel gerne Andrea Bocelli oder ein bisschen mehr Klassik.

Andy: Klassische Musik ist etwas, was dich vor dem Spiel runter bringt und beruhigt?

Rafał: Ja, ja. Auf dem Weg vom Hotel zum Stadion höre ich klassische Musik und will meine Ruhe haben. In der Kabine wärme ich mich schon ein bisschen auf und auf dem Platz gebe ich 100 Prozent Vollgas und Fokus. Die ruhige Musik gibt mir einfach ein bisschen mehr Power vor dem Spiel.

Andy: Wohin führt uns diese Power dieses Jahr in Augsburg?

Rafał: Wir wollen besser spielen als in den letzten zwei Jahren. Ich habe den Traum, in jedem Spiel volles Haus zu haben in der WWK-Arena. Du kannst ein Spiel verlieren, aber wenn wir attraktiven Fußball spielen, dann haben die Leute Spaß mit ihren Kindern im Stadion. Ich glaube, nur gemeinsam können wir in der Liga bleiben. Das wird eine schwierige Saison aus meiner Sicht, aber ich sehe uns schon auf einem sehr guten Weg mit der Mannschaft und mit dem neuen Cheftrainer Enrico Maaßen. Wir müssen einfach eine starke Mannschaft aufbauen – auf dem Platz und neben dem Platz. Wir wollen den Fans zuhause etwas bieten und aggressiv ab der ersten Minute sein. Egal, wer kommt, dürfen die keinen Bock haben, nach Augsburg zu fliegen, weil wir eine geile und aggressive Truppe sind. Dann kannst du jeden Gegner schlagen. Es ist wirklich ein Traum von mir: zwei oder drei Spiele in Folge zu gewinnen. Wenn du so eine gute Serie hast mit zwei, drei, vier Siegen oder fünf, sechs Spielen ohne Niederlage, die wir ja auch schon hatten, dann kommt das Selbstvertrauen und die jungen Spieler bekommen ein super Gefühl. Dann hast du noch mehr Spaß dabei, zusammen zu trainieren und bei den Spielen. In jeder Woche, egal, wo du spielst, ob in Leverkusen oder in Dortmund. Wir müssen einfach so auf den Platz gehen, dass wir nichts zu verlieren haben. Die anderen haben alles zu verlieren, weil alle sagen, dass Bochum, Augsburg und Schalke die Abstiegskandidaten Nummer 1 sind. Und das muss uns einfach Energie geben und wir müssen einfach allen zeigen, dass wir besser sind als sie glauben Und fertig! Und dann nach dem letzten Spieltag hoffe ich einfach, dass wir die Klasse gehalten haben und die anderen nach unten schauen müssen.

Andy: Das ist ein perfektes Schlusswort. Ich danke dir für deine Zeit.

Rafał: Ich gehe jetzt, weil wirklich gleich das Essen fertig ist. Ciao!

Andy: Danke dir, Rafał!

Wie die Saison ausgehen wird, steht natürlich noch in den Sternen. Bei aller Lautstärke und Redegewandheit ist Rafal Gikiewicz mit Sicherheit jemand, der hart arbeitet und immer vollen Einsatz für den FCA geben wird. Dazu kann ich mich mit ihm persönlich sehr identifizieren. Er ist ein Macher, der die Dinge selbst in die Hand nimmt und dessen Familie eine große Rolle in seinem Leben spielt. Dazu glaube ich, dass man eine Menge Spaß mit ihm haben kann. Gerne würde ich einen Tag in den Masuren mit ihm und seiner Familie an einem See verbringen. Ob ich mehr aushalten würde? Er gibt selbst zu ein lautes Energiebündel zu sein. Vielleicht müsste ich mich danach erstmal erholen von der Anstrengung. Aber auch für die Erholung sollte es dann in der Umgebung beste Möglichkeiten geben und der Tag wäre es mit Sicherheit wert gewesen. Giki ist dann doch jemand, den man schnell ins Herz schließt. Gerade weil er die Dinge frei heraus benennt und sich nicht nur kalkulierend diplomatisch verhält. Möge sein Mut und der Mut der Mannschaft in dieser Saison belohnt werden.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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