3,5 Jahre war Florian Niederlechner Spieler des FC Augsburg. Seine Verpflichtung erfolgte im Sommer 2019. Niederlechner wähnte sich im Herbst seiner Karriere. In Freiburg war er Ergänzungsspieler de Luxe. Nachdem er in der Saison 2016/17 noch alle 34 Partien für die Breisgauer gemacht hatte und dabei zweistellig traf, reichte es in der Saison 2018/19 nur noch für 24 Einsätze und eine deutlich reduzierte Minutenanzahl. In Augsburg winkten größere Einsatzchancen und nach Hause nach Ebersberg zur Familie war es auch näher. Der Wechsel war, gerade weil Johnny Schmid in die Gegenrichtung wollte, schnell eingetütet. Deckel drauf, Neuanfang für Niederlechner am Lech. Und seitdem hatte er für den FCA abgeliefert und war auch mit seiner direkten Art ab und an angeeckt.
Vom Goatlechner zum Ergänzungsspieler
Zu Beginn der Zusammenarbeit sah es nach einem perfekten Match aus. Niederlechner traf in der Saison 2019/20 13mal und legte zudem 8 Buden auf. Er zog die Mannschaft mit und war sofort Leistungsträger. Es hatte so ausgeschaut, als ob die Stadt nur auf ihn gewartet hätte, um erobert zu werden. Mit Spitznamen wurde nicht gespart. Der Goatlechner war geboren.
In der Saison 2020/21 unter Heiko Herrlich veränderte sich seine Rolle. Immer weiter nahmen die Einsatzzeiten ab. Am Ende der Saison versauerte Flo Niederlechner teilweise regelrecht auf der Bank. Die vergangene Saison blieb dann – genau wie der Beginn der Hinrunde unter Enno Maaßen – durchwachsen. Einerseits hatte Niederlechner das ein oder andere Wehwehchen. So musste er sich an der Leiste operieren lassen, hatte Corona als auch eine Prellung und eine Sprunggelenksverletzung. Andererseits war er auch unter Markus Weinzierl nicht mehr gesetzt. Nach seiner genialen Premierensaison kamen so in den beiden Folgejahren noch 10 Tore und 9 Vorlagen vor dieser Saison auf dem Konto dazu. Sehr ordentlich, aber eher doch die Zahlen eines sehr guten Ergänzungsspielers.
Neustart unter Maaßen
Im Alter von 32 Jahren und mit 3 Saisons in Augsburg auf der Habenseite ging Niederlechner in diese Saison. Der Vertrag in Augsburg lief zum 30.06.2023 aus. Mit Enno Maaßen hatte schon wieder ein neuer Trainer am Lech angefangen. In Augsburg war es nach Martin Schmidt, Heiko Herrlich und Markus Weinzierl nun der Vierte für Florian Niederlechner. Konstanz in der sportlichen Leitung war in den letzten Jahren rar.
Und erst sah es nicht so aus, als ob sich an seiner Rolle viel ändern sollte. Doch seit dem 6. Spieltag gegen Werder Bremen ist klar, wie gut Niederlechner in Maaßens System passt. Dies liegt vor allem am großen Defensivvermögen Niederlechners, der sich für keinen Weg zu schade ist. Torchancen ergaben sich dann über die Zeit hinweg auch. Zuerst war allerdings Ladehemmung angesagt, doch danach durfte Flo Niederlechner auch über 4 Tore und einen Assist jubeln. Der Leistungsträger war zurück.
Verständlicher Abschied
Auf der Basis der derzeitigen Situation hatte sich nun anscheinend Hertha BSC um Niederlechner bemüht und ihn ab der kommenden Saison für 2 Jahre verpflichtet. Die Tinte unter den Verträgen war trocken, die Hertha und Niederlechner hatten den Wechsel im Sommer offiziell bestätigt. Niederlechners Interesse daran, Nägel mit Köpfen zu machen, kann ich gut verstehen. Er wird im Oktober 33 Jahre alt. Eine Verletzung in der Rückrunde könnte seine sportliche Karriere deutlich verkürzen. Man schaue sich nur an, wo Alfred Finnbogason im Sommer gelandet ist. Mit diesem wollte der FCA nicht vor Saisonende sprechen, andere Angebote gab es augenscheinlich nicht. Finnbogason spielt nun für Lyngby BK. Von der Bundesliga ist da keine Rede mehr.
Wenn Hertha BSC Niederlechner nun 2 Jahre Vertrag angeboten hat und ihm die Sicherheit ab Sommer geben wollte, so ist es aus Niederlechners Perspektive vollkommen nachvollziehbar, das er nun nicht lange gezögert hat. Gerade weil der FC Augsburg sich wohl nicht in der Lage sah ihm auch ein Vertragsangebot zu machen.
Kaderpolitik des FC Augsburg
Der FC Augsburg entkommt dabei nicht seiner unglücklichen Außendarstellung. Erst in der letzten Saison sah man sich nicht vor dem Saisonende in der Lage mit den Spielern (und Trainer Markus Weinzierl) zu sprechen, deren Verträge ausliefen. Auch in dieser Saison schon hat Rafal Gikiewicz, der unumstrittener Leistungsträger in der Hinrunde war, für sich eingefordert früh Klarheit über seine Zukunft zu erhalten. Und ist abgeprallt. Bzgl. Niederlechner berichtete nun der kicker: „Nun wollte (…) der FCA wiederum vor April noch kein Angebot unterbreiten“.
Das sorgte dann auch umgehend für Unruhe. Ein Wechsel zu einem direkten Konkurrenten im Sommer, sorgt bei Niederlechner selbst natürlich für einen Interessenskonflikt. Der FCA war nun in einer Situation gelandet, die es zu lösen galt. Man verpflichtete zahlreichen Ersatz und Niederlechner durfte nun schon im Winter zur Hertha ziehen.
Und so verlässt uns nun ein Spieler den FCA, der bei weiterhin anhaltender sportlicher Form in dieser Saison erneut zweistellig hätte treffen können und der im Angriff in der Altersstruktur die erfahrenste Kraft war (nächster in der Reihe: Sergio Cordova mit 25 Jahren, der den Club wohl auch verlassen darf). Die Kaderpolitik des FC Augsburg muss man nicht immer verstehen.
Die heutige Vertragsverlängerung mit Freddy Jensen ist dahingegen ein Hoffnungsschimmer. Auch bei ihm wäre der Vertrag zum 30.06.2023 ausgelaufen. Die Verlängerung um 2 Jahre zu diesem frühen Zeitpunkt zeigt: der FC Augsburg ist schon auch bereit manchen Spielern Sicherheit zu geben und frühzeitig Fakten zu schaffen! Warum man das im Falle von Florian Niederlechner nicht machen wollte, wird wohl nie ganz geklärt werden. Florian Niederlechner will ich explizit für seinen Einsatz und seine Leistungen danken. Mir bleiben vor allem die erfolgreichen Pressingsituationen in Erinnerung, wie die Vorlage am 23. Spieltag der Saison 2020/21 gegen Mainz oder sein Treffer gegen (Trommelwirbel!) die Hertha vor ein paar Jahren. Mach es gut und viel Erfolg zusammen mit dem Marco (außer – selbstverständlich – in den Spielen gegen uns).
Ein Gedanke zu „Abschied eines Leistungsträgers“