Der Unterschätzte sagt Adiós

Carlos Gruezo fällt nicht gerne auf. Auf Instagram zeigt sich der Ecuadorianer fast ausschließlich im Fußballtrikot. Kein Posieren in ausgefallenen Klamotten oder mit teuren Autos, kein Zurschaustellen des eigenen Reichtums, keine Skandale. Auch in seinen 75 Spielen für Augsburg blieb Gruezo eher unauffällig. Kein Tor, eine Vorlage, ein paar gelbe Karten. Auf dem Papier scheint sein Wechsel nach San Jose für den FCA verkraftbar. Schließlich bekommt der FCA noch ein paar Millionen für einen Mann, der 2023 noch nicht im Kader stand. Dennoch verliert der Klub einen Spieler, der in der Außenwahrnehmung eher unterschätzt wurde.

Carlos Gruezo ist ein solider Bundesligakicker – und das ist keineswegs negativ gemeint. Der Duden definiert den Begriff als „ohne Ausschweifungen, Extravaganzen und daher nicht zu Kritik, Skepsis Anlass gebend“. Bei Gruezo wusste man, was man bekommt – und was nicht. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld fiel der Ecuadorianer als bissig, lauffreudig und zweikampfstark auf.

Ein Gruezo in Höchstform konnte für den FCA in der Vergangenheit sehr wertvoll sein. Wie beim 1:1 gegen Dortmund gegen Ende der vergangenen Saison. Augsburgs Sechser eroberte leidenschaftlich per Grätsche den Ball von Axel Witsel, der FCA konterte sich über vier Stationen zum Ausgleichstreffer. Seine bisher einzige direkte Torvorlage sicherte in einer sportlich schwierigen Phase einen 1:0-Sieg gegen Mainz. Insgesamt sah man aber zu wenige offensive Akzente vom 27-Jährigen.

In diesen Statistiken überzeugte Gruezo

Gruezos Stärken liegen positionsbedingt im Passspiel sowie in der Zweikampfführung. In beiden Kategorien lieferte der Kapitän seines Heimatlandes in dieser Saison. Laut bundesliga.de brachte Gruezo an den ersten 15 Spieltagen 79,3 Prozent seiner Bälle an: das ist der beste FCA-Wert, ligaweit gleichzeitig aber auch nur Rang 70. Auf den Plätzen 69 und 71 liegen Rani Khedira und Tom Krauß. Der eine spielte jahrelang auf der Sechs in Augsburg, der andere wurde als Neuzugang gehandelt, ging aber zum FC Schalke. Ein guter Marker also.

Zudem gewann Gruezo 55 Prozent seiner Zweikämpfe. Das entspricht teamintern Rang 4 hinter Bauer (61), Gouweleeuw (58) und Rexhbecaj (55,5) und ligaweit Rang 66.

Diese ordentlichen Statistiken zeigen, dass Gruezo in dieser Saison wichtig für den FCA war. Nur fünf Spieler standen bis zur Winterpause öfter auf dem Platz als er (Gouweleeuw, Rexhbecaj, Demirovic, Iago, Bauer).

Ist ein Gruezo-Wechsel sportlich verkraftbar?

12-Mal begann Gruezo in der Startelf. Zu Beginn als zentraler Abräumer hinter den Achtern Rexhbecaj und Maier, nach Maaßens Systemwechsel auf drei Stürmer in der Regel als defensiver Part der Doppelsechs. Dank seiner Zweikampfstärke spielte er anstelle von Maier, aufgrund seiner Fitness startete er vor Baumgartlinger.

Das Mittelfeld in den bisherigen Spielen bildeten Elivs Rexhbecaj und Neuzugang Arne Engels. Eine offensive Ausrichtung, die bisher überzeugte. Außerdem baut der FCA auf Niklas Dorsch. Der Neuzugang von 2021 verpasste die gesamte Saison aufgrund von zwei Mittelfußbrüchen, gegen Gladbach feierte er in der Schlussphase sein Comeback. Ein Dorsch in Topform ist gesetzt. Somit wären auch Gruezos Einsatzzeiten zurückgegangen. Zumal Youngster Engels ebenso ernsthafte Ansprüche auf die Startelf anmeldet. Dass Gruezo den FCA mit Blick auf künftige Einsatzzeiten verlassen will, ist daher nachvollziehbar.

Insgesamt stand Gruezo 75-mal für den FC Augsburg auf dem Platz. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Holt der FCA noch einen Ersatz?

Kann der FC Augsburg in der Rückrunde aus dem Vollen schöpfen, braucht es wohl gar keinen zwingenden Eins-zu-Eins-Ersatz. „Wir haben mit Elvis (Rexhbecaj, d. Red.), Baumi (Julian Baumgartlinger), Dorschi (Niklas Dorsch) und Arne (Maier) vier Spieler für diese Position, wobei ich Arne eher ein bisschen weiter vorne sehe“, sagte Maaßen im Trainingslager dem Kicker. Aber: „Wenn wir Carlos abgeben, wollen wir natürlich Ersatz holen.“ Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht absehbar, wie stark Engels aufspielt.

Als Gruezo-Ersatz wurden die Zweitligaprofis Tim Breithaupt (Karlsruhe) und Ron Schallenberg (Paderborn) genannt. Ihre Klubs wollen die Leistungsträger allerdings nicht abgeben. Der FCA soll jedoch nach wie vor interessiert sein, die Personalien könnten im Sommer interessanter werden. Bis zum nächsten Winter hat der FCA nun erstmal das nächste Talent ausgeliehen. Der portugiesische U20-Kapitän Renato Veiga wird die entstandene Lücke vorerst schließen und ist wohl zumindest zu Beginn mit den geringen Einsatzzeiten zufrieden.

Dass Carlos Gruezo den Verein verlässt, ist daher sportlich verkraftbar und wirtschaftlich sinnvoll. Sein Vertrag wäre nächstes Jahr ausgelaufen. Gruezos Zeit in Augsburg war insgesamt dennoch positiv. Ein sympatischer Typ, der sich im Gespräch mit der Rosenau Gazette sehr bodenständig gezeigt hat – und ein Spieler, der seinen Job ordentlich erledigte.

Adiós, Carlos, hasta pronto.

Autor: Andi

Gebürtiger Rosenheimer, der sich früh vom FC Bayern abwandte und sein Herz an den FC Augsburg verlor - und dies zu keiner Sekunde bereut.

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