Kurskorrekturen

Bittere Niederlagen hat der FCA zuletzt hinnehmen müssen. Gegen Frankfurt ist der FCA genauso in der zweiten Halbzeit eingebrochen wie nun gegen Werder Bremen zu Hause. Das große Ganze ist noch nicht so stabil, wie man sich das als Fan wünschen würde. Es gibt weiterhin die ein oder andere Baustelle im sportlichen Bereich beim FCA. Diese Baustellen treten gerade offen zu Tage. Und mittelfristig ist es mir lieber, diese einmal aufzuräumen, um sportlich besser werden, als sich von der Europapokal-Euphorie blenden zu lassen.

Es ist für Thorup / Jurendic / Ströll der erste gemeinsame Sommer und ich erwarte, dass sie anpacken, ausmisten und für Ordnung sorgen. Und sich auch selbst mal ordentlich die Meinung sagen. Jetzt schon, um für die letzten Spiele noch einmal alle restlichen Energien zu mobilisieren. Für den gemeinsamen positiven Abschluss, der das Fundament für die kommende Saison bilden sollte.

Sportliche Ausrichtung

Auf den Rängen wird ja regelmäßig mit den Augen gerollt, wenn Jess Thorup das System wechselt, gestern wieder geschehen zur zweiten Halbzeit. Ein Mathelehrer von mir hat früher gesagt: „Einmal ist keinmal, zweimal ist einmal zu viel“. Es ist nun in kürzester Zeit das dritte Mal, das die Systemumstellung nichts oder nur negatives hervorgebracht hat. Klar, für Patric Pfeiffers dummen Fehler, als er den Elfmeter verschuldet, kann Thorup nichts. Dass er Pfeiffer eingewechselt und von diesem Wechsel und der Umstellung positives erwartet hat: Thorups Schuld.

Achja, nicht nur wir verstehen es nicht. Mit Tobias Escher versteht es auch ein ausgewiesener Taktik-Experte nicht. Da fehlt mir dann auch die Übernahme von Verantwortung auf Thorups Seite. Mit Enno Maaßen ging es den Berg hinab, als die öffentliche Kritikfähigkeit nicht mehr vorhanden war. Es sind nicht immer nur die Spieler Schuld. Es ist die Aufgabe des Trainers ein Team auf unterschiedliche Spielsituationen vorzubereiten. Ich habe nun nicht erkannt, dass im System mit 3 Innenverteidigern a) defensiv die Stabilität größer wäre b) offensiv dann noch was geht. Thorup wollte nach eigener Aussage mehr defensive Stabilität. In der ersten Halbzeit hat man kein Tor kassiert, in der zweiten 3. Manchmal sagen Zahlen mehr als Worte. Was sich in jedem Fall hier immer wieder debattieren lässt: wie wollen wir sportlich agieren? Es schadet nicht, hier neben eine Grundformation Alternativen zu haben. Sie müssen aber auch funktionieren. Hier ist Jess Thorup in dieser wichtigen Phase der Saison für mich etwas vom Kurs abgekommen.

Jess Thorup und das Offensive Mindset: Wo ist es hin? (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Mutlos

Ein Augsburger Wert ist „Mut“. Auch deswegen will ich noch ein bisschen länger bei der taktischen Umstellung bleiben. Für mich ist diese erneut „mutlos“. Aus meiner Sicht hat sich nach der ersten Halbzeit nicht die Frage gestellt: wie werden wir defensiv stabiler? Mir hat sich die Frage gestellt: wie können wir Kontrolle über das Spiel gewinnen und Bremen angreifen? Ganz provokativ gefragt: Gab es keine sportliche Lösung, die zu mehr Offensive und Spielkontrolle geführt hätte, um so Bremen mehr aus dem Spiel zu nehmen und Gefahr zu sorgen?

Es ist ja an dieser Stelle einfach zu kritisieren, ohne konstruktive Vorschläge zu machen. Aus meiner Perspektive hätte eine Hereinnahme von Niklas Dorsch anstatt von Patric Pfeiffer mehr Sinn gemacht, so Dorsch die Luft für 45 Minuten nach seiner langen Ausfallzeit hatte. Ich hätte so dann auf ein 4-2-3-1 umgestellt, in dem Dorsch und Jakic auf einer Doppel-6 gespielt hätten. Vargas und Engels wären auf die Außen gerutscht. Ob ich Tietz oder Maier runtergenommen hätte? Wahrscheinlich Maier, um Tietz für die Ablage der langen Bälle zu behalten, die dann über Vargas und Engels etwas breitere Ausrichtung für Gefahr gesorgt hätten. Aber das war anscheinend nicht die Idee des Trainers.

Über die konkrete Idee können wir auch lange diskutieren, aber wann ist denn verdammt noch mal unser Mut abhanden kommen? Wo ist das verdammte „Offensive Mindset“? Offensiv war das gegen Bremen ideenlos, genau wie über große Teile der zweiten Halbzeit gegen Frankfurt. Und da sprechen wir über Partien gegen absolute Mittelklasse-Mannschaften. Im Falle von Umstellungen, sollte es immer darum gehen, die Lösung zu finden, wie man gewinnen kann und nicht darum, wie man nicht verliert. Diese Diskussion hatten wir auch unter anderen Trainern schon und es scheint mir hier wichtig, schnell zu reagieren, damit sich Fehler nicht wiederholen.

Leistung des Teams

Und etwas anderes als den Mut wiederzufinden bleibt dem FCA ja gar nicht übrig. Mit einer mutigen Idee und einem mutigen Ansatz muss das Team nächste Woche nach Dortmund fahren und darf sich dort dann auch nicht von der unheimlichen Kulisse des Westfalenstadions vom Kurs abbringen lassen.

Dabei gilt es die Mannschaft richtig einzustellen und die richtigen Spieler für das Unterfangen zu identifizieren. Wer gestern das Spiel gesehen hat, der weiß, dass nicht nur Patric Pfeiffer Fehler gemacht hat. Kevin Mbabu war bei zwei Gegentoren defensiv nicht anwesend. Felix Uduokhai hatte unkonzentrierte Fehlpässe und Ballverluste im Spielaufbau. Mads Pedersen einen Stoppfehler in den Schlussminuten an der Außenlinie. Und Ermedin Demirovic hat mehr mit dem Schiedsrichter diskutiert als Fußball gespielt. Fehler, die nicht passieren, wenn man als Team im Flow ist, und die auch nur beispielhaft und symptomatisch für die Probleme stehen.

Symbolbild: Wo soll es hingehen für Vargas, Demirovic und Co? Die Klarheit fehlt. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Der Impuls kann auch nur aus dem Umfeld des Teams kommen. Es gilt jetzt alle auf das gemeinsame Ziel zu fokussieren. Das Ziel? In jedem einzelnen der letzten Spiele alles zu geben und mutig zu zeigen, zu was man fähig ist. Die Großen zu ärgern. Für die, die den nächsten Schritt machen wollen, um sich ins Rampenlicht zu spielen. Für die Nationalspieler: um den Platz in den EM-Mannschaften zu sichern. Für alle: um eine bestmögliche Ausgangsbasis, für die kommende Saison zu haben und mit einem positiven Gefühl in den Sommer zu gehen. Um zu zeigen, was für eine Saison das ist. Für die nächste Saison gilt es dann wieder: es sollen die bleiben, die bleiben wollen und sportlich helfen. Und es gilt hierbei eine Achse an Spielern zu identifizieren, die langfristig beim FCA zu Stützpfeilern werden können. Thorup hat schon mal zu wenig rotiert. Er ist wieder an diesem Punkt angekommen. Zeit, Bewegung ins Team zu bringen und über Gespräche die einzelnen Spieler abzuholen und mit an Bord zu nehmen für die letzten 3 Partien. Und wer nicht mehr an Bord will: dann halt nicht.

Paul-Renz-Akademie

Wo sich dann im Sommer auch einiges tun muss: bei der Paul-Renz-Akademie. Selbst in einem Spiel gestern, in dem die Situation recht auswegslos war und dann doch Dion Beljo kommt (der zu Ego-Dribblings und Abschlüssen aus 20m ansetzt. Was hier schief läuft, ist ein separates Thema), schafft es kein Spieler aus der Akademie zu Einsatzminuten. Mert Kömür, der zwar sein Debüt in dieser Saison geben durfte, wurde nicht berücksichtigt, als es darum ging offensiv Chancen zu kreieren.

Insgesamt ist das doch enttäuschend, denn es scheint so, als ob sich unten niemand aufdrängt. Neben Kömür und Lubik braucht es Jugendspieler, die nach einer Chance ganz oben verlangen und auch die Perspektive haben, sich bei den Profis durchzusetzen. Das kommt zu wenig, obwohl der FCA ordentlich in die Akademie investiert hat. Hier müssen nun die Strukturen weiter verbessert und Prozesse als auch Personen hinterfragt werden. Auch hier ist schon jetzt die Zeit gekommen, um die Weichen richtig zu stellen.

Zerrissenes Gesamtbild

Insgesamt wird durch die zwei letzten Spiele klar, dass beim FCA im sportlichen Bereich immer noch viel zu tun ist. Die Erfolgsphasen der Saison täuschen über die Probleme hinweg. Die Mannschaft kann taktisch nicht variabel genug agieren und lässt sich durch Rückschläge mal wieder aus dem Konzept bringen. Und das ist nicht falsch zu verstehen: ich bin heilfroh über die aufregenden, erfolgreichen Phasen der Saison. Wir sind immer noch im Rennen um Europa dabei. Das Team kann sich immer noch belohnen. Es wird wohl das drittbeste Jahr der Bundesligageschichte für den FCA werden.

Allerdings wäre es doch eine Schande, wenn diese Saison allzu schlecht endet. Und hier muss sich im sportlichen Bereich dann gerade jeder an die eigene Nase packen! Wie wurde kommuniziert und was? Warum wirkt das Team so mutlos und zurückhaltend? Was ist der Grund für die individuellen Fehler und die Unsicherheiten? Und dann: nur Mut! Das ist weiterhin ein tolles Team. Wir haben schön früher in der Saison Lösungen gefunden. Wie können wir in den kommenden Spielen ein möglichst unangenehmer und gefährlicher Gegner werden? Es ist dann doch Zeit in dieser Saison festzuhalten: Augsburg hält zusammen, und dann ist hier noch nicht aller Tage Abend. Nur dann!

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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