Unter dem Radar

Startelf-Tipps, die in den ersten beiden Saisonspielen Tim Breithaupt auf der 6er Position gesehen haben, kann ich nicht ernst nehmen. Nichts gegen Tim Breithaupt. Allerdings steht in der mannschaftsinternen Hierarchie Kristijan Jakic, den Jess Thorup zum Vize-Kapitän ernannte, vor ihm. Jakic, der auf Grund von Verletzungen passen musste und auch schon durch Visa-Probleme das Trainingslager in Südafrika verpasste, stand allerdings bisher nicht zur Verfügung. Breithaupt tat, was er schon in der Rückrunde tat: er machte verlässlich seinen Job, als es drauf ankam. Gegen Bremen glänzte er zudem mit einem Assist beim 2:1 als er auf Samuel Essendes Kopf flankte. Seine erste Torbeteiligung in der Bundesliga. Und so ist es ein guter Moment, um sich vor dem Auswärtsspiel gegen Heidenheim mit dem Youngster zu unterhalten, der für den FCA eine immer wichtigere Rolle einnimmt:

Andy: Startelf in den ersten beiden Pflichtspielen, im Pokal weitergekommen, Unentschieden in der Bundesliga und ein Tor vorbereitet. Wie ist die Stimmung?

Tim: Bei mir persönlich natürlich gut. Es ist immer gut auf dem Platz zu stehen. Jetzt gerade die ersten beiden Spiele von Anfang an zu spielen ist natürlich toll. Das ist ein guter Saisonstart für mich. Es ist wichtig, dass wir im Pokal weitergekommen sind. Das war eine Pflichtaufgabe, die wir nach anfänglichen Schwierigkeiten gut gelöst haben. Zu Hause gegen Bremen haben wir auch ein ordentliches Spiel abgeliefert und mit ein bisschen Glück bei der Handspielentscheidung nehmen wir auch direkt 3 Punkte mit. Aber da können wir gut drauf aufbauen.

Andy: Wie schwierig war das gegen Bremen für dich persönlich als alleiniger 6er in der Raute, wo Bremen immer wieder versucht hat euch mit Verlagerungen das Leben schwer zu machen?

Tim: Das war nicht einfach. Wir haben aus der Raute heraus versucht anzulaufen, und die ein oder andere Situation muss man dann auch in Kauf nehmen. Im Spiel muss man entscheiden, wann man Verlagerungen zulässt und ob diese gefährlich werden können. Durch die Systemumstellung in der zweiten Halbzeit haben wir mehr Zugriff aufs Spiel gewonnen, aber die beiden Tore haben wir aus der Raute heraus geschossen. Für uns ist die Systemfrage nicht so wichtig. Für uns ist wichtiger, dass wir unser Spiel auf den Platz bekommen. Und daran arbeiten wir in diesen Tagen, um auf die kommenden Aufgaben vorbereitet zu sein.

Andy: Warum war es gerade nach der Halbzeit so schwer für euch, Zugriff aufs Spiel zu bekommen?

Tim: Wir sind einfach nicht gut aus der Halbzeit gekommen. Bremen hat uns direkt in Richtung unser eigenes Tor gedrängt und wir hatten innerhalb von zehn Minuten fünf Abstöße. Das zeigt, wie wenig wir selbst in die Bremer Hälfte gekommen sind. Da müssen wir in Zukunft versuchen mehr Ruhe ins Spiel zu bekommen und den Ball in den eigenen Reihen zu halten, um den Gegner nicht selbst aufzubauen.

Andy: Dir trotzdem Glückwunsch zu deiner ersten Torbeteiligung in der Bundesliga, einer wunderbaren Flanke auf den Kopf von Samuel Essende, der den wuchtig in die Maschen befördert hat. Wie hat sich das für dich angefühlt und hast Du dich selbst gewundert, wie Du soweit vorne aufgetaucht bist?

Tim: Das fühlt sich natürlich schön an. Ich hatte bisher in der Bundesliga noch keine Torbeteiligung und deswegen war das toll, dass es gleich im ersten Saisonspiel geklappt hat. Wir trainieren das auch im Training, dass wir über außen durchbrechen und, wenn wir nicht durchkommen, auf die 6er oder 8er im Rückraum zurücklegen, um den Ball an den zweiten Posten zu bekommen. Und Samu macht ihn dann ziemlich wuchtig rein, wie das auch seine Stärke ist. Aber lieber hätte ich natürlich gewonnen.

Andy: Insgesamt bist Du jetzt ein Jahr in Augsburg. Wie lief das Jahr für dich und hättest Du vermutet, dass Du jetzt da bist, wo Du bist?

Tim: Ein bisschen schon. Meine erste Saison war ja eine Achterbahnfahrt. Ich bin ja unter Enno Maaßen gekommen. Da habe ich mich gut eingefunden und unter ihm auch viel gespielt. Als Jess kam, war es für mich dann erstmal schwieriger. Ich hab mich in der schwierigen Phase aber nicht hängen lassen. Das hat mich aber eher stärker gemacht. Ich kannte das vorher so nicht, weil ich mit Spielzeit immer verwöhnt war. Und dann musste ich erstmal von draußen zuschauen, und das tut jedem Spieler weh. Ich konnte mich dann aber zurückkämpfen und habe am Ende der Saison viele Spiele von Anfang an gemacht, was mir ein gutes Gefühl jetzt für diese Saison gegeben hat und so geht es jetzt gerade weiter.

Oftmals im Hintergrund, aber dennoch dabei: Tim Breithaupt im Bundesliga-Getümmel (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

Andy: Wie transparent war Jess damals in seiner Kommunikation, warum Du erstmal außen vor warst?

Tim: Wir waren bisher immer in einem sehr offenen und ehrlichen Austausch. Wir verstehen uns menschlich auch sehr gut und Jess ist ein Trainer, der versucht alle mit ins Boot zu nehmen und jedem Spieler zu erklären, wie gerade seine Situation ist. Wir haben damals auch Entwicklungsbereiche besprochen und dann hatte ich irgendwann auch das Quäntchen Glück und meine Chance bekommen. Und die muss man dann nutzen. Das ist mir gelungen und ich konnte dem Trainer zeigen, dass er sich auf mich verlassen kann.

Andy: Verlässlichkeit als Kerntugend?

Tim: Schon. Ich bin ja in Hoffenheim nach 5 Minuten reingekommen und da rechnest Du ja nicht damit. Aber genau in solchen Situationen kommt es dann darauf an, die Leistung zu bringen.

Andy: Jetzt warst Du fit und konntest die gesamte Vorbereitung mitmachen. Was war anders im Vergleich zur letzten Saison?

Tim: Ich kannte dieses Jahr die Abläufe schon. Letztes Jahr war alles neu und ich musste mich erst an alles gewöhnen. Jetzt sind das Automatismen geworden. Ich fühle mich sehr wohl in der Mannschaft und nachdem ich jetzt auch ein paar Spiele gemacht habe, habe ich mir auch ein gewisses Standing erarbeitet.

Andy: Welchen Eindruck hat das Trainingslager in Südafrika bei Dir hinterlassen?

Tim: Das war sehr besonders. Angefangen vom Empfang am Flughafen, über Spiele gegen Mannschaften, gegen die man nicht alle Tage spielt, gutes Training, bis zu den vielen weiteren Aktivitäten, vom Schulbesuch bis zur Safari. Insgesamt rundherum gelungen.

Andy: Hat euch das als Mannschaft näher zusammengebracht, durch diese gemeinsamen Erinnerungen?

Tim: Ich glaube schon. Trainingslager sind allgemein dafür sehr gut, weil man sich immer besser kennengelernt. Aber das, was wir dort erlebt haben, hätten wir in Österreich oder der Schweiz wohl nicht erlebt.

Andy: Insgesamt ist ja viel Bewegung durch Transfers in der Mannschaft. Wie nimmst Du das war?

Tim: Wir haben sowohl viel Qualität verloren als auch dazu gewonnen. Es ist dieses Jahr einfach etwas Neues. Wir hatten vier Neuzugänge in der Startelf am Samstag und das schon ganz gut geklappt. Manche Automatismen fehlen noch, aber das war letztes Jahr auch so. Ich sehe das positiv, weil die neuen Jungs viel Qualität mitbringen und die wird uns weiterhelfen.

Andy: Letzte Saison habt ihr euch mit dem Systemwechsel teilweise recht schwer getan, der jetzt am Samstag während des Spiels recht reibungslos geklappt hat. Siehst Du da eine Verbesserung?

Tim: Ja, das sehe ich schon verbessert. Nachdem Jess während der letzten Saison kam, war es erstmal wichtig überhaupt Stabilität reinzubringen. Jetzt hatten wir etwas mehr Zeit, um auch hieran zu arbeiten. Wobei ich das System nicht als ausschlaggebend sehe, wenn alle ihre Aufgaben erfüllen. Dann kann man mit jedem System gegen jeden Gegner spielen.

Andy: Hast Du trotzdem eine persönliche Präferenz?

Tim: Ich fühle mich in der Raute ziemlich wohl, einfach weil ich das System schon aus Jugendzeiten kenne und es auch in Karlsruhe schon gespielt habe. Auch unter Jess haben wir es jetzt am meisten gespielt und hatten unsere erfolgreichste Phase damit. Unserer Mannschaft tut das ganz gut.

Andy: Was hast Du Dir persönlich für die Saison vorgenommen?

Tim: Ich möchte viel spielen, weil es am meisten Spaß macht, und mich weiterentwickeln. Ich bin noch recht jung, habe aber doch schon einige Profispiele auf dem Buckel und will einfach noch dazulernen.

Andy: Mit 22 Jahren schon fast 100 Profispiele und trotzdem fliegst Du ein bisschen unter dem Radar. Vielleicht gerade auch deshalb, weil Du ein ruhigerer Typ bist?

Tim: Ich bin schon eher der ruhigere Typ. Aber wenn ich mich wohl fühle, dann kann ich schon auch den Mund aufmachen.

Andy: Was ist das Ziel für Heidenheim und wie ist der Plan?

Tim: Wir wollen gewinnen. Heidenheim ist auf Augenhöhe und wir sind beide gut in die Saison gekommen. Aber am Sonntag wollen wir unser Spiel auf den Platz bringen und uns im Vergleich zum Bremen-Spiel steigern.

Andy: Inwiefern kann man von den tollen Momenten in Heidenheim in der letzten Saison zehren als ihr in Jess‘ erstem Spiel einen Rückstand eindrucksvoll gedreht habt?

Tim: Das sind sehr schöne Erinnerungen und wir versuchen auch jetzt wieder positive Erinnerungen zu sammeln.

Andy: Dafür und für die weitere Saison viel Glück!

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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