Es war etwas mehr als eine halbe Stunde gespielt, da nahm Jess Thorup erstmals auf der Augsburger Bank Platz und wurde ebenso wie seine Mannschaft zum unbeteiligten Zuschauer der folgenden Freiburger Treffer. Bis dahin hatte der FCA in einem mittelmäßigen Spiel mittelmäßig mit gespielt und den Gegner recht gekonnt vom Tor ferngehalten aber auch ohne große Impulse nach vorne zu setzen. Vom Freiburger Spektakel mit 3 Toren in 10 Minuten schienen dann aber doch allesamt im Stadion bis hin zu Trainer und Mannschaft überrascht. Anders ist der kollektive Aussetzer nicht zu erklären. Der FCA war immer einen Schritt (oder Kopf) zu spät, Freiburg gelang zumindest in dieser Phase fast alles.
Immerhin begann die zweite Hälfte hoffnungsvoll und es war ein wichtiges Zeichen, neben Alexis Claude-Maurice mit Henri Koudossou eine Nachwuchskraft für den indisponierten Marius Wolf zu bringen. Das Spiel wurde deutlich dynamischer, wobei die Meinungen auseinander gingen, ob das am Augsburger Spiel oder an den Freiburger Gastgebern lag. Zumindest gab der FCA keinen Ball verloren, gewann ebenso Zweikämpfe wie zweiten Bälle und hatte sogar die ein oder andere Torannäherung zu verzeichnen. Doch die Hoffnung währe nicht lange, der Anschlusstreffer war dann doch nur der Ehrentreffer.
Augsburger Umwege
Und so gleichen sich am Spieltag und den Tagen danach die mittlerweile eingeübten Mechanismen. Es folgen die Klagen über das eigene Auftreten, die fehlende Konstanz und das auswärtige Auftreten. Eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit und blickt man auf die Artikel der Presse wie in der Gazette in den letzten Wochen, so grüßt mehr als einmal das Augsburger Murmeltier. Aus laienhafter Perspektive fehlen einem nicht nur die Worte sondern der Eindruck verfestigt sich zunehmend, dass dem FCA selbst nicht so ganz klar ist, was er nun sein möchte. Welche Spielidee verfolgt Jess Thorup eigentlich, was ist die (neue) Augsburger Identität?
Das ist vermutlich auch keine reine Systemfrage, denn ob Dreierkette oder Raute mit kippendem Torwart ist da einerlei. Vielmehr verbleibt der grundlegende Ansatz nebulös. Hat man in den vergangenen Jahren noch ausreichend Spiele als Kontermannschaft gewonnen, überkommt einem das Gefühl, dass ein aktiverer und ballsicherer FCA – den ja auch jeder fußballbegeisterter Fan sehen möchte – leider nur nicht die Sache des FCA ist. Und umgekehrt ist nun der Weg zu weit, um wieder eine Kontermannschaft zu werden. Für beide Gesichter des FCA gibt es gerade auswärts ausreichend Belege.
Sexy FCA? Das reicht leider nicht
Dabei hat der FCA in den vergangenen Spielzeiten die unterschiedlichsten Gesichter gezeigt. Das des „Comeback-Königs“ nach einer beeindruckenden Serie von Siegen nach Rückstand, als Scheinriese zeitweise unbesiegbar am Freitagabend (bevorzugt 1-0) und vor grauer Vorzeit schlug man gerne auch mal die ganz Großen und verlor regelmäßig gegen die ganz Kleinen. Mittlerweile ist Augsburg da etwas berechenbarer. Spiele gegen spielstärkere Mannschaften gehen gewöhnlich verloren, gegen Mannschaften auf der vielzitierten Augenhöhe holt man die Punkte. Nur ist das leider derzeit saisonübergreifend – ohne die Statistik zu bemühen – nur mäßig erfolgreich. Und wird dann bedenklich, wenn man dann auch noch in (Heim-)Spielen aus verschiedenen VAR-Gründen Punkte verliert.
Wohin soll es gehen auf dem Spielfeld und darüber hinaus? Die Anspruchshaltung ist nicht nur in den Fanblöcken gestiegen. Die Vereinsoberen selbst haben im Sommer ohne erkennbare Selbstironie die neue Sexyness des Vereins konstatiert. Auf der Mitgliederversammlung bemerkte der Präsident wiederum, dass der „neue, alte FCA“ wieder „in“ sei. Und tatsächlich sind die Zahlen rund um den Verein, und das kann der neuen Vereinsführung hoch angerechnet werden, durchaus beachtlich. Und mittlerweile ist eine ganze Generation an neuen Fans mit der Bundesliga aufgewachsen, was sich wiederum in vollen (und lauten) Gästeblocks zwischen Berlin und Freiburg zeigt.
Wie lange die Reiselust angesichts der eklatanten Auswärtsschwäche noch anhält, ist allerdings eine andere Frage. Die auch eng damit verknüpft ist, welchen Weg der FCA nun weiter geht. Derzeit läuft es etwas unrund. Man vermisst die Überzeugung, ein Spiel auch mal über 90 Minuten souverän gestalten zu können. Es fehlt eine konstante Idee und vielleicht sogar Philosophie, die zum Kader und dem neuen Augsburger Weg passt. Aktiver im Spiel, ambitionierter im Ziel. Auf die Umbrüche wurde schon hingewiesen und es ist in der Tat viel zu früh um abzusehen, wohin die Reise führen wird. Potential ist zweifellos vorhanden. Doch man sollte auch die Frage stellen, ob die Möglichkeiten mit dem neuen Augsburger Hochglanzimage mithalten können.
Down to earth
Momentan ist da einfach zu viel Show und zu wenig Inhalt. Man denke mit Grausen an die „Unleash the wolf“ Kampagne bei der Vorstellung von Marius Wolf – der bislang 1,5 gute Spiele gemacht hat und meilenweit von der ihm angetragenen Führungsrolle weg ist. Oder den Signature Move des durchaus bemühten Samuel Essende, den man als Torjubel eher nach dem 15. Treffer in der Champions League als beim Einnetzen gegen den Regionalligisten Viktoria Berlin erwarten würde. Manchmal wäre etwas Bescheidenheit vor der großen Show ganz gut.
Doch es bleibt die Hoffnung, dass Jess-we-can das schon richten wird. Es ist ja nicht alles schlecht, wie der Augsburger gerne unkt, wenn das dritte Bier über den Tresen des Stadionkiosk geht. Vielleicht braucht es einfach auch mal die klassischen Tugenden und schlicht einen emotionalen Anschieber auf dem Platz, um das Flickenwerk auf dem Rasen in die richtige Richtung zu lenken. Immerhin sind aus dem Umbruch der letzten Jahre neue emotionale Köpfe wie Philipp Tietz oder Elvis Rexhbecaj hervorgegangen und sympathische Größen wie Jeff Gouweleeuw geblieben. Da muss sich noch etwas finden und dann klappt es auch mit einem neuen Gesicht 2024/25 – hoffentlich im positiven Sinne. Wir sind gespannt, welches das sein wird, während wir leise die Champions League Hymne summen.