Durchhaltevermögen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist Hochstimmung beim FC Augsburg. 10 Spiele in Folge ist man mittlerweile ungeschlagen, und hat damit einen neuen Vereinsrekord aufgestellt. Zuletzt hatte man nach 10 Jahren wieder auswärts beim BVB gewonnen und direkt einen Heimsieg gegen Wolfsburg nachgelegt. Mit 38 Punkten wird in Punkto Abstiegskampf keine Sorge mehr aufkommen. Man kann dem Team und den sportlich Verantwortlichen nur Respekt für die Leistungen zollen und zum bisherigen Saisonverlauf gratulieren. Kurz vor Weihnachten hätte das noch kaum jemand für möglich gehalten.

Die Leistungen sind dabei nicht vom Himmel gefallen, sondern basieren auf einem starken Fundament. In den 1,5 Jahren, in denen Marinko Jurendic nun beim Club ist, hat sich etwas getan. Und viele seiner Maßnahmen hatten den gewünschten Effekt und führen nun sportlich zu den gezeigten Ergebnissen.

Der Trainer

Jurendic und Co. hatten sich nach einer ganz schwachen Phase zu Beginn der vorherigen Saison entschieden, Enno Maaßen den Laufpass zu geben. Konzeptionell war seine Art des Fußballs teilweise erfrischend, allerdings war seine Kommunikation am Ende unglücklich und auch sein Umgang mit den erfahrenen Spielern ungeübt. Deshalb entschied man sich in Jess Thorup für einen Trainer mit Erfahrung, dessen Ausstrahlung immer ruhig und professionell ist. Seine Art des Fußballspiels – allem voran das „Offensive Mindset“ – löste direkt von Beginn an Euphorie aus.

Die Honeymoon-Phase zog aber auch bei Jess Thorup vorüber. Gute Auftritte wechselten sich mit schlechten ab. Gerade nach desolaten Auswärtsauftritten wirkte Thorup enttäuscht und auch ein bisschen ratlos. Das Spiel in Kiel kurz vor Weihnachten war besonders denkwürdig. Danach war im Umfeld eher die Frage, wann man sich von Thorup trennt als ob. Es ist dem FCA hoch anzurechnen, dass man dieses Mal in Bezug auf den Trainer sich auch von äußeren Einflüssen nicht zu sehr hat leiten lassen. Im Zweifel zur Konstanz zu tendieren war „früher“ in Augsburg öfter der Fall, teilweise mit sehr positiven Resultaten wie in der ersten Weinzierl-Phase. Thorup könnte den FCA nun zu ähnlichen Erfolgen führen. Und die Geduld hätte sich ausgezahlt.

Der Kaderumbruch

Es war – positiverweise – im Sommer viel Bewegung im Kader. Der FCA hatte sich von vielen Spielern getrennt, die ganz offen schon länger mit einem Abschied vom FCA liebäugelten. Eine Einheit mit gemeinsamen Zielen war so vorher grundsätzlich nur schwerlich zu erreichen. Nachdem im Sommer mit Felix Uduokhai und Ermedin Demirovic zwei Leistungsträger wechselten, deren Absichten lange bekannt waren, zog es im Winter auch Ruben Vargas weg vom FCA.

Cedric Zesiger ist direkt für den FCA zum Leistungsträger geworden. Bemerkenswert! (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Verein ging damit ein hohes Risiko ein. Einerseits musste er viele Spieler sportlich ersetzten. Andererseits wackelte die Mannschaftsstruktur gehörig. Gerade sportlich haben die Verantwortlichen die Situation grundsätzlich sehr überzeugend gelöst. Von Uduokhai spricht man nicht mehr. Zu gut sind Matsima und mittlerweile Zesiger angekommen. Auch Schlotterbeck und Banks liefern regelmäßig ab. Die Erinnerung an Ruben Vargas verblasst sehr deutlich hinter den Leistungen von Alexis Claude-Maurice, den man ablösefrei an Bord nahm. Einzig Ermedin Demirovic‘ Impact im Sturm ist nicht 1:1 zu ersetzen gewesen, aber auch dort hat man im Winter mit der Rückholaktion von Mergim Berisha etwas getan. Eventuell zahlt sich auch hier die Geduld noch aus?

Die Ambition

Eins scheint beim FCA dabei grundsätzlich angekommen zu sein: Nur weil man immer wieder Personen austauscht, ändert sich noch nichts. Trainer um Trainer kamen und gingen in den letzten Jahren. Immer wieder fand man sich im Abstiegskampf wieder. Immer enger wurde es mit dem Klassenerhalt. Unter Enno Maaßen war es dann schieres Unvermögen der Stuttgarter Konkurrenz, das den FCA rettete. Auch letztes Jahr hat sich unter Jess Thorup gezeigt, wie schwer es ist, die Zielsetzung des Teams zu verändern und über die eigene Ambition des Klassenerhalts hinaus Erfolg zu haben.

Gerade nach dem Spiel in Kiel ist im Winter wohl auch viel geredet worden. Über Anspruch und Ambition zum Beispiel. Und über die harte und konstante Arbeit, die es Spiel für Spiel braucht, diese auch zu erreichen. Geändert hat sich der Zungenschlag. In diesen Tagen hört man beim FCA immer noch, dass man von Spiel zu Spiel denkt. Es ist eine der größten Floskeln der Fußballwelt. Auf der anderen Seite klingt es etwas anders. Nach dem Kiel-Spiel bedeutet es eben vor allem, dass man in jedem Spiel eine gute, konstante Leistung abrufen will. Und es gelingt mittlerweile mehr, auch weil im Hintergrund eine solide Ambition, nach oben zu schauen anstatt nach unten, verborgen liegt. Und der identifizierte Weg nach oben liegt eben in wöchentlichen konstanten Leistungen Spiel für Spiel. Manchmal sind die Veränderungen sehr klein, aber trotzdem äußerst bedeutend.

Ausblick

Der weitere Weg ist für den FCA schwer vorherzusehen. Serien reißen über kurz oder lang immer. Das Momentum wird sich verändern und es wird sich zeigen, wie das Team von Jess Thorup damit umgeht. Aber auch, wenn die Kurve etwas abflacht, dann ist doch Hoffnung angebracht. Einerseits hat Jess Thorup erneut gezeigt, dass er lernfähig ist und eine Mannschaft über Strecke führen kann. Andererseits sind die Aktivitäten von Marinko Jurendic im Hintergrund als sehr erfreulich zu werten.

Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt. Der FCA hat im direkten Vergleich der Saisons nicht allzu viele Punkte mehr auf dem Konto als in der Vorsaison. Die Durststrecke zwischendurch war schwierig. Dass dabei einige Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum mitmischten, war zwischenzeitlich das einzig Erfreuliche. Hier geht aber auch immer noch mehr. Warum Mert Kömür gegen Wolfsburg nicht noch kam? Man weiß es nicht. Der mannschaftliche Erfolg überlagert hier doch einiges. Momentan lädt der FCA wieder zu Träumen ein. Jetzt heißt es weiter durchzuhalten, damit sie dieses Jahr in Erfüllung gehen.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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