Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Gefühlt die halbe Rückrunde und seit dem letzten Spieltag hat sich das Trainerkarussell in Augsburg – mal etwas schneller, mal auch wieder langsamer – gedreht. Jetzt ist es zum Stillstand gekommen. Der Wechsel von Markus Weinzierl zu Schalke 04 wurde genauso offiziell bestätigt wie der Wechsel von Dirk Schuster von Darmstadt 98 zu uns. Nach 4 Jahren wird somit Dirk Schuster Markus Weinzierl als Cheftrainer beim FC Augsburg ablösen. Was bedeutet das nun für den FC Augsburg?
Als erstes will ich Markus Weinzierl und seinem Team ausdrücklich für die Arbeit in den letzten 4 Jahren danken. Er hat seine Position in Augsburg angetreten, nachdem wir gerade ein einziges Jahr Bundesliga gespielt hatten, und vor allem durch seine Arbeit sind weitere 4 Jahre dazu gekommen. Wir spielen nächstes Jahr unsere sechste Saison in Folge in der Bundesliga. Das ist immer noch unglaublich und war vor Jahren für mich unvorstellbar. Markus Weinzierl und sein Team sind zu einem großen Teil für diesen sportlichen Höhenflug verantwortlich. Das Trainerteam hat uns unvergessliche Momente beschert, indem es nicht nur immer wieder die Klasse gehalten hat, sondern auch die Großen immer wieder ärgern wollte. 2 Siege gegen die Bayern (wie Baier Weiser den Ball abnimmt, passt und Mölders verwandelt bzw. Bobadilla mit einem Traumabschluss) und etliche gute Spiele und Resultate gegen die weiteren Vereine da oben zeigen auch den Anspruch dieses Trainers. „Nur“ die Klasse zu halten, war ihm schon nach dem ersten Jahr nicht mehr genug und so ist die Qualifikation für die Europa League auch seiner Begeisterung für den sportlichen Wettkampf zuzuschreiben. Umso mehr muss diesen Trainer der Beginn dieser Saison genervt haben. Ich hätte mir gewünscht, dass er weiterhin und langfristig in Augsburg tätig sein will, aber dem ist wohl nicht so. Der FC Augsburg konnte am Ende nicht mit der Entwicklung des Markus Weinzierl Schritt halten. Aber unser Ziel ist weiterhin der langfristige Verbleib in der Bundesliga und ich bin sehr gespannt, wie lange Markus Weinzierl sich bei Schalke 04 halten kann. Am Ende hat Markus Weinzierl wohl auch mit seiner Ablöse einen erneuten Rekord gesetzt, auch wenn die Ablöse in jedem Fall zu gering ausgefallen ist. 4 Jahre sind für eine Trainerstation eine lange Zeit und ich hoffe wir denken nicht schon bald sehnsuchtsvoll an die Kontinuität auf dieser Position zurück.
Mit Dirk Schuster kommt nun einer, der selbst bei seinem letzten Verein mehrere Fußballwunder vollbracht hat. Auch bei ihm scheint der Verein nun aber seine Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, wohingegen Dirk Schuster weiterhin ambitioniert nach oben strebt. Zu uns. Mit uns. Ein ungewohntes Gefühl, das auch mit dem Eindruck verbunden ist, dass Dirk Schuster schnell von uns überzeugt war. Wir sind wer geworden. Angekommen. Etabliert. Dabei hat er in Darmstadt aus sehr wenig sehr viel gemacht und ich bin gespannt, wie er nun zurecht kommt mit einer Mannschaft, die selbst schon über eine Struktur verfügt und mehr Potential besitzt als seine bisherigen Teams. Man konnte allerdings schon in Darmstadt erkennen, dass er sehr gut mit erfahrenen und ausrangierten Profis arbeiten kann, diese weiterentwickelt und einen Zugang findet. Das war über Jahre unser Erfolgsrezept in Augsburg und wird ihm sicher weiterhin einen Vorteil verschaffen. Es wird sich zeigen, ob wir auch in Augsburg den extremen Langballfußball zu sehen bekommen, der in Darmstadt an der Tagesordnung war. Insgesamt scheint mir der Augsburger Kader gut geeignet zu sein, um Dirk Schusters taktische Vorstellungen umzusetzen. Der Transfer eines schnellen Außenbahnspielers wie Georg Teigl passt gut in die konterorientierte Philosophie. Das Dirk Schuster aus den gleichen Gründen wir Markus Weinzierl gewechselt ist und auch er immer höher und weiter strebt, sollte uns zu diesem Zeitpunkt nicht abschrecken. Ich hoffe, wir müssen darüber in 2,5 Jahren nochmals nachdenken.
Nun ist es sehr einfach, Markus Weinzierl vorzuwerfen, dass er auf Grund des Geldes und der sportlichen Perspektive nach Schalke gewechselt ist. Dies wird sicher einen bedeutenden Anteil an der Entscheidung ausgemacht haben. Dazu kommt aber wohl, dass die sportlichen Vorstellungen zwischen Weinzierl auf der einen Seite und dem FC Augsburg auf der anderen Seite in der letzten Saison nicht mehr ganz zusammen gepasst haben. Weinzierl hat zu Beginn der Hinrunde offensiver spielen lassen und es sind postwendend die Ergebnisse ausgeblieben, wobei die Leistungen der Mannschaft nicht schlecht waren. Ich habe zu diesem Zeitpunkt oft von einer Ergebniskrise gesprochen. Allerdings hat man immer wieder Lücken in der Defensive offenbart, die zu Gegentoren führten. Im Laufe der Saison gab es eine Umkehr zu mehr defensiver Stabilität, die sich in positiven Ergebnissen niederschlug. Aus den Interviews von Markus Weinzierl z.B. mit der Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass man sich intern nicht immer uneins war bzgl. der sportlichen Ausrichtung der Mannschaft. Mein Eindruck ist, dass Markus Weinzierl tendenziell einen offensiveren Fußball spielen wollte, der Verein aber nicht von diesem Konzept überzeugt war. Die Trainerwechsel lösen diese Spannung nun auf und beim FC Augsburg ist die sportliche Strategie mit Dirk Schuster nun wieder klar und eindeutig. Stefan Reuter hat den Trainerwechsel ausführlich erläutert. Während der Pressekonferenz führte er zwei wesentliche Gründe für Dirk Schuster an. Zum einen kann Dirk Schuster aus geringen wirtschaftlichen Möglichkeiten viel herausholen und zum anderen will der FC Augsburg zukünftig sehr kompakt stehen und schnell umschalten. Man könnte aus Reuters Antwort auf die folgende Frage die Überzeugung herauslesen, dass mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des FC Augsburg die angedachte Spielphilosophie von Markus Weinzierl oder generell ein etwas offensiverer Fußball nicht erfolgreich umsetzbar ist. Die Verpflichtung von Dirk Schuster ist damit als eine Rückkehr zu einem Konzept des Defensivfußballs zu sehen, welches offensiv auf Konterangriffe setzt.
Der Trainer ist dabei immer ein Vorbild und wenn Markus Weinzierl die Leidenschaft, die wir als Fans von den Spielern erwarten, nicht mehr authentisch vorleben kann, dann ist die Zeit für einen Wechsel wohl gekommen. Mir scheint, dass die Differenzen bzgl. der sportlichen Ausrichtung der Mannschaft am Ende zu groß wurden. Stefan Reuter ist dabei momentan in einer undankbaren Lage. Er ist in der Situation von Eltern, die übermütige Kinder wieder zur Vernunft bringen müssen. (Ich meine damit nicht die lokale Presse) Unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten sind immer noch gering, unsere Jugendabteilung hinkt hinterher und wir investieren weiter in die Infrastruktur. Für den Verein kommt es nicht darauf an, überaus attraktiven Fußball zu spielen, sondern weiter immer wieder die Klasse zu halten. Die letzten Jahre zeigen aus meiner Sicht, dass dieser Weg richtig ist, sonst wären wir nie in Europa gelandet oder hätten die Bayern geschlagen (ja, zweimal).
Spielerisch sollten wir deshalb keine Wunderdinge erwarten, sondern uns wieder auf unsere Wurzeln besinnen. Beißen, kratzen und die Großen ärgern. Mir ist es lieber, es steht dabei jemand an der Seitenlinie der zu 100% Bock hat und mit dem FC Augsburg weit kommen will, als das jemand nur seine Pflicht erfüllt und die sportliche Philosophie nicht mit trägt. Markus Weinzierl ist dabei immer authentisch geblieben und es hat über eine lange Zeit vieles gepasst. Bis zum Ende hat er sehr professionell seinen Job erledigt. Bei Dirk Schuster hoffe ich das auch, habe aber Zweifel. Er polarisiert. Er ist ein Typ. Fünf seiner Spieler haben zufälligerweise eine Gelbsperre bei der Partie gegen die Bayern abgesessen. Darüber ob die Gelbsperren bewusst abgeholt wurden, kann nur spekuliert werden. Darmstadt wurde in der vergangenen Saison allerdings vorgeworfen zu tricksen. Ich kann mich damit anfreunden, nicht den attraktivsten Fußball zu sehen. Ich erwarte aber von einem Trainer, dass er in jedem Spiel die bestmögliche Mannschaft zur Verfügung hat und alles gibt, um alle 34 Spiele der Saison sportlich fair zu gewinnen. Die sportliche Führung geht wohl davon aus, dass Dirk Schuster mit seiner Mentalität zu uns passt. Tricksen und Mätzchen ärgern mich, auch und besonders beim eigenen Team. Bei Markus Weinzierl würde ich behaupten, dass er das sehr ähnlich gesehen hat. Dirk Schuster muss mich überzeugen.
Meine Erwartungen sind für die nächste Saison allerdings grundsätzlich gering. Ich kann mich gut an die erste Halbserie unter Markus Weinzierl erinnern. Wenn wir bald Dirk Schuster beurteilen, sollten wir alle diese Erinnerungen ausgegraben haben. Der Plan in Augsburg war immer langfristig. Die Reise geht weiter. Mit leichter Übelkeit nach zu langer Fahrt im Trainerkarussell sagen wir: Adieu Markus Weinzierl, Servus Dirk Schuster. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an. Auf unsere Art. Die hat uns dahin gebracht, wo wir momentan sind.
Ein Gedanke zu „Jetzt hat das Karussell in Augsburg ausgedreht“