„Die DFL füttert ihr fettestes Kind 15 Mal mehr als ihr kleinstes. Für die FAIR-Teilung der TV-Gelder!“ Dieses Banner platzierten die Fans von Union Berlin im Heimspiel gegen Mainz gut sichtbar an der Gegengerade. Sie kritisierten damit die Verteilung der Medienerlöse, für die die Deutsche Fußball-Liga (DFL) verantwortlich ist. Auch wir wollen nun einen Blick auf die Ausschüttung der Fernseheinnahmen werfen und stellen wenig überraschend fest: Es muss sich etwas ändern – Ansonsten schaufelt sich die Bundesliga ihr eigenes Grab.
Das „fetteste Kind“, der FC Bayern, kassiert laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung 113 Millionen Euro an TV-Einnahmen, das „kleinste“, Zweitligaaufsteiger Würzburg, etwas mehr als 7,5 Millionen Euro. Das entspricht ziemlich genau einem Fünfzehntel des Bayern-Anteils. Bei diesen Angaben handelt es sich um die Vermarktung der nationalen und internationalen TV-Gelder. Der FC Bayern generiert knapp 40 Prozent seiner DFL-Medienerlöse (42,3 Millionen Euro) durch internationale Vermarktung.
Der FCA profitiert noch immer von 2015
Der FC Augsburg bekam dem Kicker zufolge vergangene Saison 6,8 Millionen Euro aus diesem Topf. Entscheidendes Kriterium ist hier die Qualifikation für Europa. Weil der FCA in den letzten zehn Jahren international vertreten war, gibt es einen Zuschuss von der DFL. Union Berlin hingegen bekommt lediglich einen Solidaritätsbeitrag von 3,4 Millionen Euro. Alle Zweitligisten zusammen erhalten in Summe 6,5 Millionen Euro. Ein ziemlich kleines Stück des Europa-Kuchens.
Die internationale Ausschüttung ist also ganz klar an die Leistungen in Champions League und Europa League gekoppelt. Daraus resultiert zwangsläufig, dass die besseren Klubs mehr Geld bekommen. Geld, mit dem sie sich eher wieder für das internationale Geschäft qualifizieren.
Auch beim Blick auf die nationale Verteilung ist sofort ersichtlich, dass Top-Teams bevorzugt werden. Wie der Kicker (Ausgabe vom 26. Juli) berichtet, erhält der FC Bayern von der DFL 70,64 Millionen Euro und Bundesligaaufsteiger Arminia Bielefeld mit 29,80 Millionen Euro weniger als die Hälfte davon. Der FC Augsburg rangiert im unteren Bundesligamittelfeld und kassiert demnach 42,87 Millionen Euro.
Wie kommt diese Verteilung zustande?
Das Konzept der DFL fußt auf vier grundlegenden Säulen. Den größten Teil nimmt der Bestand ein, worunter eine klassische Fünf-Jahres-Wertung zu verstehen ist. Die jüngste Saison wird dabei am höchsten gewichtet. Ähnlich sieht es bei der Nachhaltigkeit aus. Hier werden alle Spielzeiten der letzten 20 Jahre in einen Topf geworfen und gleich gewichtet. In der dritten Säule geht es um die Einsatzminuten von U23-Spielern. Sie hat wie Säule 2 aber nahezu keinen Einfluss auf die Endtabelle. Komplizierter gestaltet sich der Bereich Wettbewerb, der knapp ein Viertel des Gesamtbetrages ausmacht. Dieser Bereich wird grundsätzlich gleich ermittelt wie Säule 1, wendet allerdings einen anderen Verteilungsschlüssel an. Es wird mit einem abweichenden Prozentsatz gearbeitet, sodass etwa die ersten sechs Teams denselben Betrag erhalten. Der FC Bayern kassiert hier also nicht mehr als der Sechstplatzierte. Nichtsdestotrotz thront der Rekordmeister natürlich an der Spitze der TV-Tabelle.
Die TV-Tabelle der 1. und 2. Bundesliga
Beim Betrachten der Grafik kann man den Verteilungsschlüssel mit viel Wohlwollen nachvollziehen. Nur allzu gerne spricht die DFL hier von einer gesunden Verhältnismäßigkeit im Vergleich zwischen dem Erst- und Letztplatzierten. Die Unterschiede seien letztlich mit sportlichem Abschneiden begründbar. Aber sind sie das wirklich? Eigentlich möchte man ja meinen, dass es schlicht fair ist, dass die Topteams mehr Geld bekommen. Sie haben es sich durch Leistung ja auch verdient. Das stimmt und ist gleichzeitig zu kurz gedacht.
Denn wenn die Großen der Liga mehr Geld einnehmen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch in Zukunft oben mitspielen. Folglich kassieren sie wieder mehr Kohle, nur um erneut zu den besten der Liga zu gehören. Ein Teufelskreis, der dazu führt, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander driftet. Das ist schlicht Fakt, wie im Bundesliga-Report der DFL öffentlich nachzulesen ist: Der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzstärksten Bundesligisten ist 200 Millionen Euro höher als der durchschnittliche Umsatz der sechs darauffolgenden Vereine.
Ist das noch fair?
Das Ungleichgewicht betrifft im Übrigen nicht nur die Bundesligisten, sondern zieht sich wie ein Rattenschwanz ins Unterhaus. Der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzschwächsten Bundesligisten ist 30 Millionen Euro höher als der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzstärksten Vereine der 2. Bundesliga. Dass das maßgeblichen Einfluss auf den sportlichen Wettbewerb hat, ist am Beispiel der Relegation eindrucksvoll ersichtlich. Seit Wiedereinführung der Aufstiegsspiele zwischen dem 16. der 1. und dem 3. der 2. Bundesliga im Jahr 2009 hat sich in zwölf Partien neun Mal der Erstligist durchgesetzt. (Im Jahr 2010 scheiterte der FC Augsburg in der Relegation am 1. FC Nürnberg.) Wenn wie vergangene Saison ein Klub fast den siebenfachen Marktwert des Kontrahenten vorzuweisen hat, ist das kaum verwunderlich.
Ungerecht? Na und?!
Ja mei, dann sollen die anderen Klubs halt besser wirtschaften, möchte der gemeine Münchner entgegnen. Wenn man nur auf den eigenen Verein blickt, wirken solche Aussagen nachvollziehbar. Der FC Bayern hat es sich sportlich absolut verdient, die Nummer Eins im Land zu sein, weil er seit Jahrzehnten fantastische Arbeit leistet. Es wäre daher unfair, den FCB die alleinige Verantwortung für das Ungleichgewicht in der Bundesliga aufzuhalsen.
Mittlerweile ist Fußball-Deutschland aber eben an einem Punkt angelangt, an dem der übermächtige Rekordmeister schlicht nicht mehr zu schlagen ist. Selbst ein 9-Punkte-Rückstand scheint kein Problem zu sein für den amtierenden Triple-Sieger. Die Bundesliga avanciert somit immer mehr zur Langweil-Show. Wie etwa in Frankreich ist der Titel quasi schon vor der Saison vergeben. Wenn man sich die beiden letzten Spielzeiten ansieht, kann man fast befürchten, dass dies bald auch für die internationalen Plätze gilt.
Daher muss sich etwas ändern. Die TV-Gelder müssen anders verteilt werden. Eine spannendere, ausgeglichenere Liga kann doch eigentlich nur im Sinne der DFL sein. Und im Sinne des FC Bayern? Sind die Roten überhaupt noch auf die nationale Konkurrenz angewiesen? Der Begriff European Super League geistert seit geraumer Zeit durch die Säbener Straße.
Interessant und erschreckend zugleich ist, dass bei den 113 Millionen Euro Einnahmen des FC Bayern die großzügigen Zuwendungen der UEFA noch gar nicht mitgerechnet sind. Bis zu 135 Millionen Euro (!) erhält der FC Bayern für den Gewinn der Champions League. Derartige millionenschwere Beihilfen sorgen dafür, dass die Größenverhältnisse in den nationalen Ligen zementiert werden. Der Dauerdominanz steht nichts mehr im Wege.
Corona als Brandbeschleuniger
Die Corona-Krise erschütterte ganz Fußball-Deutschland und potenzierte die Probleme in einigen Vereinen gewaltig. 13 der 36 deutschen Profiklubs sollen von einer Insolvenz bedroht gewesen sein, als die Saison im Frühjahr unterbrochen war. Fehlende Zuschauereinnahmen, gesunkene TV-Honorare – zwischenzeitlich sah es wohl ziemlich düster aus für so manche Erst- und Zweitligisten.
Das sagt im Grunde genommen zwei Dinge aus: Erstens, viele Vereine lebten offensichtlich jahrelang über ihren Verhältnissen. Im Januar verkündete die DFL stolz einen Rekordumsatz. Mal wieder. Es war der nächste Rekordumsatz nach zuvor bereits 14 Rekordumsätzen. Finanzielle Liquidität sollte also vorhanden sein. Eigentlich. Es kann nicht sein, dass ein ganzes Fußballunternehmen vor dem Ruin stehen soll, nur weil ein paar Wochen nicht gespielt wird. Es scheint also nicht immer die wirtschaftlich intelligenteste Entscheidung getroffen und der Blick mitunter zusehr auf den kurzfristigen Erfolg geworfen worden zu sein. Das ist am Beispiel FC Schalke 04 auf dramatische Art und Weise ersichtlich.
In Augsburg sorgt Corona derweil ebenso für Kopfzerbrechen. Doch dank vernünftigem Wirtschaften steht Rot-Grün-Weiß auch in Pandemiezeiten auf einem vergleichsweise gesunden Fundament.
Zweitens, Corona fungiert als eine Art Brandbeschleuniger, der die Schere in der 1. und 2. Bundesliga weiter auseinander gehen lässt. Denn es liegt auf der Hand, dass Vereine wie der FC Bayern oder RB Leipzig besser durch die Krise steuern als kleinere Klubs. Beim Branchenprimus in München konnte trotz Corona der Mega-Transfer Leroy Sané eingetütet werden, Leipzigs Hauptsponsor Red Bull stundete den Sachsen mal eben 100 Millionen Euro an Krediten. Somit wurde aus Schulden urplötzlich Eigenkapital. Herzlichen Glückwunsch!
Klein gegen Groß: Ein ungleiches Duell
Die Spitzenteams der Bundesliga werden in den aktuellen Krisenzeiten nicht zugrunde gehen. Womöglich stehen sie aufgrund ihrer vernünftigen Finanzpolitik sogar besser da als die internationale Konkurrenz aus Barcelona oder Turin. Aber den mittelstarken und kleinen Profiklubs wird es immer schwieriger gemacht, langfristig mit „denen da oben“ mitzuhalten. An dieser Stelle sei ausdrücklich erwähnt, wie stolz es einen FCA-Fan machen darf, dass der eigene Klub immer noch in der Bundesliga dabei ist. Denn beim Blick auf die letzten Jahre fällt auf, dass es Aufsteiger eigentlich überhaupt nicht leicht haben.
Seit der FC Augsburg 2011 in die Beletage aufgestiegen ist, haben sich viele Vereine daran versucht, langfristig in der 1. Liga Fuß zu fassen. Das ist auch einigen Klubs wie Hertha BSC, Eintracht Frankfurt, dem SC Freiburg oder RB Leipzig (bei weitem kein klassischer Emporkömmling) gelungen. Gleichzeitig mussten sich aber viele Vereine nach spätestens zwei Spielzeiten wieder verabschieden: Nürnberg, Fürth, Braunschweig, Ingolstadt, Darmstadt, Düsseldorf, Paderborn. Die Liste ist lang. Folgt nun Union Berlin? Ginge es nach den TV-Einnahmen müsste man diese Frage mit einem klaren Ja beantworten, denn dort rangieren die Eisernen auf einem direkten Abstiegsplatz.
Wie nun hoffentlich klar geworden ist, geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander.
Wie könnte man es nun aber besser machen?
Mitte Oktober wurde bekannt, dass insgesamt 14 Klubs der 1. und 2. Bundesliga auf das DFL-Präsidium zugingen, um für eine ausgewogenere Verteilung der Mediengelder ab der Saison 2021/22 zu plädieren. Neben Mainz, Bielefeld und Stuttgart soll den Vorschlag auch der FC Augsburg unterstützen und ein entsprechendes Papier unterschrieben haben. Es ist stark, dass sich der FCA hier so deutlich positioniert – und das nicht erst seit heute. Bereits im Juni meinte Präsident Klaus Hofmann im FCA-Stadionkurier: „Der Fußball muss sich entscheiden, ob er wieder ein sportlicher Wettbewerb werden will oder einfach nur noch Unterhaltungsindustrie sein möchte. Für Ersteres müssen die Parameter geändert werden.“ Die entsprechenden Klubs haben nun Anstoß für ein Umdenken gegeben – nun liegt es an der DFL, sich Gedanken zu machen.
Gleiches Geld für alle?
Jan Lehmann, kaufmännischer Vorstand von Mainz 05 forderte im Sommer, die Medienerlöse komplett einheitlich zu verteilen. Gleiches Geld für alle! Im Kicker (Ausgabe vom 26. Juli) stellte er unmissverständlich klar, dass Erfolge eines Klubs „in ganz großen Teilen auf dem eingesetzten Geld“ beruhen. Für Lehmann ist klar: „Die Argumentation Leistungsprinzip ergibt keinen Sinn mehr, weil die Erträge in den UEFA-Wettbewerben enorm gewachsen sind.“
Man kann die Deutsche Fußball-Liga durchaus für die Verteilung der TV-Gelder kritisieren. Angesichts der millionenschweren Beihilfen des europäischen Fußballverbandes sollte die DFL allerdings nicht als alleiniger Sündenbock für das nationale Ungleichgewicht verantwortlich gemacht werden. Im Gegenteil. Die UEFA ließ die Medienerlöse in den letzten Jahren explodieren – höher, schneller, größer, weiter. Wohl auch mit dem Gedanken an eine European Super League versuchte sie, dass die Königsklasse für Topklubs der Marke FC Bayern oder Paris Saint-Germain attraktiv bleibt. Womit wir wieder beim viel zitierten Teufelskreis angelangt sind.
Eine gleiche Verteilung des TV-Gelder könnte diese Entwicklung stoppen, so Lehmann. „Man müsste die Medienerlöse der Bundesliga, national wie international, komplett gleich verteilen und der 2. Liga wieder mehr Geld zur Verfügung stellen. Auch von den Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb sollten die nicht beteiligten Vereine einen Teil erhalten. Das mag bei manchen Klubs als nicht gerecht empfunden werden, die Frage ist nur: Welche Liga wollen wir?“ Die Zeit, um eine Antwort zu finden, drängt. 2021 wird die Verteilung der TV-Gelder neu geregelt.
2 Gedanken zu „Money, Money: „Welche Liga wollen wir?““