Hinterherlaufen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Jeder hat diese Freunde. Egal welche Uhrzeit man vereinbart, sie kommen immer zu spät. Man müsste ihnen schon fast eine andere Uhrzeit als dem Rest der Truppe nennen, um alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu haben. Und obwohl man weiß, dass diese Kollegen regelmäßig zu spät kommen, so ärgert man sich doch jedes Mal wieder und lässt sich dadurch die Stimmung vermiesen.

Der FCA ist als Fußballteam gerade wie diese Freunde. Das Spiel wird angepfiffen und das Team nur physisch auf dem Platz zu sehen. Während der Gegner schon bei vollem Bewusstsein zuschlägt, hat das Augsburger Team den Spielbeginn verschlafen. Wie immer. Und dennoch schlägt man als Fan die Hände über dem Kopf zusammen, wenn es dann doch wieder passiert und lässt sich den Nachmittag versauen.

Wiederholung unerwünscht

Beispielhaft können wir die Partie gegen den VfL Wolfsburg anführen. Im RoGaz-Redaktionschat wurde vor der Partie festgehalten: „Wenn wir in den ersten 15 Minuten kein Tor kassieren, dann nehmen wir was mit“. Minute 14 im Spielverlauf. Wolfsburg geht zum Angriff über und kommt über die linke Seite. Robert Gumny kann die Flanke nicht entscheidend blocken, Jeff schaut beim Kopfball zu und Rafal Gikiewicz lässt den Ball passieren. Der FCA gerät mal wieder in Rückstand und darf hinterherlaufen.

Nun sollte ich vielleicht nach den Spielen der letzten Wochen an dieser Stelle auch einmal den Fortschritt loben, der zu beobachten ist. Sowohl gegen Bochum, Stuttgart als auch Wolfsburg hat sich das Team durch den Rückstand nicht aus dem Konzept bringen lassen. Der Kritiker in mir mag sarkastisch anmerken, dass man erst durch die Gegentore überhaupt zum Konzept gefunden hat. Wie es auch sei, gegen Bochum konnte man in der regulären Spielzeit noch ausgleichen, gegen Stuttgart die Partie vollends drehen (welch Erleichterung) und gegen Wolfsburg zumindest ein Chancenplus erspielen, wenn es am Ende auch für einen Punkt nicht reichen sollte. Als jemand, der das Spiel gegen Mainz live im Stadion verfolgt hat, bin ich über diese Entwicklung erstmal schon sehr dankbar. Die frühen Rückstände braucht trotzdem niemand.

Besserung notwendig

Insgesamt ist die Situation somit unbefriedigend. Es kann ja wohl nicht sein, dass die Mannschaft bei jedem einzelnem Spiel in den letzten Wochen wie die größten Schlafmützen aus der Kabine kommt. Immer wieder früh in Rückstand gerät und sich dadurch das Leben selbst viel zu schwer macht. Aus dem Wolfsburg-Spiel nehme ich zwei Punkte mit: Erstens wäre das Gegentor gut zu verteidigen gewesen, wenn die Mannschaft hier konzentriert gegen den Ball gearbeitet hätte. Zweitens kann man auf Basis der zweiten Halbzeit dann gegen Wolfsburg auch mal punkten wenn nicht gewinnen.

Frühe Gegentore kassiert und dann bis zur Erschöpfung hinterherlaufen. Es stimmt nachdenklich. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Schade ist, dass es die Mannschaft grundsätzlich kann. Die Kehrtwende gegen Stuttgart macht Mut. Die andauernde Hinterherlauferei wird allerdings dazu führen, dass die Punkteausbeute auch weiterhin mager bleibt. Das liegt auch daran, dass wir in der Schlussviertelstunde nicht mehr viel zu bieten haben. Andere Teams legen bisher besser nach im späten Spielverlauf. Nicht viele Teams lassen einen wie die Stuttgarter ins Spiel zurück. Der Tabellenstand lügt zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht mehr.

Weinzierl ist gefordert

Was Hoffnung macht ist die Historie. Wir Augsburger sind – wenn wir geschlossen bleiben – die besten Hinterherläufer der Liga und bis jetzt hat es immer noch zumindest für den Klassenerhalt gereicht. Dazu sollte dieses Problem „Konzentrierter Spielstart“ doch lösbar sein. Oder nicht? Ein bisschen psychologische Arbeit mit den Spielern, Anpassung von Kern-Routinen, um das Gewohnte zu durchbrechen und Bums, schenken wir den Bayern selbst ein Törchen zu Spielbeginn ein. Aber wahrscheinlich kommt da jetzt wieder der naive Fan in mir durch.

Weinzierls Denkerpose ist noch eine Weile gefragt. Ob er erneut die richtigen Lösungen findet? (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

In jedem Fall ist Markus Weinzierl gefordert. Nachdem er sich gerade erst damit konfrontiert sah nach dem Katastrophenspiel in Mainz für eine grundsätzliche, positive Entwicklung zu sorgen (was durch den Sieg gegen Stuttgart und die Kehrtwende gegen Bochum zumindest grundsätzlich gelang), bleibt diese große Herausforderung bestehen. Die frühen Führungen der Gegner führen auch dazu, dass diese offensiv nicht mehr das große Risiko suchen müssen. Wer somit mehr Tore sehen will, sollte hoffen, dass wir nicht immer hinterherlaufen müssen. Ansonsten wird die Punkteausbeute mau bleiben und die Luft im Verlauf der Hinrunde für die sportliche Führung erneut dünner werden. Das Problem der Fehlstarts zur lösen, wird damit zur Schicksalsaufgabe um dauerhaft sportlich die Wende zu schaffen und in Augsburg auch über Weihnachten Ruhe einkehren zu lassen. Alleine aus persönlichen Gründen würde ich mich freuen, vor Anstoß nicht mehr immer ein mulmiges Gefühl haben zu müssen.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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