Mit Tränen in den Augen

Montag, 20. Juni 2022… Das lange Warten hatte endlich ein Ende, denn es war Trainingsauftakt. Das heißt unsere Jungs starteten – mit Ausnahme der Nationalspieler – in die Vorbereitung für die kommende Saison. Dabei stand natürlich der obligatorische Laktattest auf dem Programm, bei dem alle Spieler ihre Runden in unserer altehrwürdigen Rosenau drehen durften. Aber halt… Alle? Nein, zwei Spieler waren definitiv nicht dabei, denn im Laufe der letzten Woche fällten Sportdirektor Stefan Reuter und Neu-Trainer Enrico Maaßen die Entscheidung, die Verträge von Alfred Finnbogason und Jan Morávek auslaufen zu lassen. Das Team von der RoGaz möchte daher an dieser Stelle den Beiden ihren Dank für ihre jahrelange Treue und ihre Leistungen aussprechen.

Nachvollziehbar

Rein sportlich gesehen kann man den Entschluss der Verantwortlichen natürlich nachvollziehen. Gerade in den letzten Jahren fielen sowohl Jan als auch Alfred immer wieder aufgrund schwerer Verletzungen aus. Sieht man sich nur mal die letzten drei Spielzeiten an, dann kommt unser Finntorgason auf ganze 391 Ausfalltage und 45 verpasste Spiele. Die Art der Verletzung war dabei ziemlich breit gefächert. Mal war es die Schulter, dann das Knie und dann das Sprunggelenk. Auch von muskulären Problemen hat man sehr oft gehört. Daraus resultierte natürlich Trainingsrückstand, denn jede Blessur wirft einen Spieler automatisch zurück.

Bei Jan Morávek sah das Ganze relativ ähnlich aus. In 3 Jahren verpasste er 29 Spiele und fiel für insgesamt 235 Tage aus. Insgesamt betrachtet ist die Verletzungshistorie des gebürtigen Tschechen wahrlich beeindruckend. In seiner kompletten Zeit beim FC Augsburg stand Jan in nur 133 Spielen mit der Zirbelnuss auf der Brust auf dem Platz.

Das sind natürlich Dinge, die ein Trainer und ein Sportdirektor bedenken müssen. Gerade wenn man den Kader verkleinern möchte, wie Stefan Reuter es in seinem Interview mit der Augsburger Allgemeinen bereits angekündigt hat. Dass man mit den beiden Urgesteinen nicht verlängert hat, erklärt er so:

Wir schätzen Jan Morávek und Alfred Finnbogason sehr. Aber sie sind beide schon über 32 Jahre alt, waren häufig verletzt und haben so einen Kaderplatz besetzt, den ein junger Spieler auch einnehmen kann. Daher war auch das ein Grund. Aber wir wollten diese Personalien zuerst mit dem neuen Trainer besprechen. Darum hat es etwas gedauert. Wir wollen unseren Kader tendenziell etwas verkleinern. Während der Corona – Zeit war es wichtig, einen etwas größeren Kader zu haben, aber wir müssen jetzt schauen, dass jeder Spieler eine Wertigkeit und Wichtigkeit bekommt.

Stefan Reuter im Interview mit der Augsburger Allgemeinen

Sieht man jetzt rein das Sportliche oder auch die wirtschaftlichen Aspekte dann kann man die Entscheidung von Stefan Reuter und Enrico Maaßen zu 100 Prozent nachzuvollziehen. Wie unser Geschäftsführer Sport richtig erklärt, sind sowohl Jan als auch Finnbo in einem Alter, wo es leider langsam aber sicher schwieriger für einen Spieler wird, den Spirit vollkommen auf dem Platz zu bringen. Zudem möchte man beim FC Augsburg den Kader nicht nur verkleinern, sondern auch nach und nach noch weiter verjüngen. Vielleicht sogar mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs. Und hier würden die Beiden einen Kaderplatz besetzen. Wenn sie dann noch regelmäßig ausfallen würden, wäre das natürlich ärgerlich.

Starke Leistung trotz Verletzungspech

Trotzdem blutet mir das Fanherz, wenn ich mir vorzustellen versuche, wie es ohne Alfred und Jan sein wird. Die zwei gehören für mich zum FC Augsburg wie der Tipp des Kasperls vor jedem Heimspiel. Unser isländischer Torgarant war immerhin 6,5 Jahre in der Fuggerstadt zuhause und sein tschechischer Mitspieler sogar 10,5 Jahre. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir tut der Abgang trotz allen Verständnisses sehr weh. Daher habe ich mir das zum Anlass genommen, die Geschichte von Finnbo und Jan noch einmal kurz Revue passieren zu lassen.

Beginnen wir mit Jan Morávek. Der Wechsel des in Prag geborenen Mittelfeldspielers wurde bereits Ende Dezember 2011 von Ex-Manager Andreas Rettig eingefädelt. Der damals gerade einmal 21Jährige stand beim FC Schalke 04 unter Vertrag, wo er aber aufgrund der starken Konkurrenz und muskulärer Probleme in der Hinrunde 2011/12 auf gerade einmal 144 Einsatzminuten kam. Und so ließ sich Jan zu unseren Fuggerstädtern ausleihen und auch ohne Kaufoption wurde man sich im Sommer schließlich über eine feste Verpflichtung einig.

Jan Morávek zeigte immer vollen Einsatz
(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Ich denke, wir alle wissen, dass Jan Morávek von diesem Zeitpunkt an vom Pech verfolgt gewesen ist. Niemand verletzt sich mit Absicht, denn Schmerzen zu haben oder auch mal krank zu sein, ist alles andere als toll. Immerhin hat er mehr Spiele verpasst – 136 an der Zahl – als gespielt. Trotzdem fand ich Jan immer einen sehr beständigen und vor allem auch sicheren Spieler, wenn er auf dem Platz stand. Viele mögen mir da widersprechen, da er nicht unbedingt ein auffälliger Spieler ist, der mit vielen Toren oder Torchancen aufwarten kann. In seiner kompletten Augsburger Zeit kommt er nämlich auf 10 Scorer – 2 Tore und 8 Torvorlagen.

Doch zum Fußball gehört so viel mehr als das. Das Spielverständnis, das Teamplaying, die Erfahrung, das Spiel mit und gegen den Ball, die Art und Weise auch mal die Passwege zuzustellen oder einen Ball nach vorne in die Spitze zu befördern. All dies hat Jan verinnerlicht und definitiv auch zeigen können. Ich persönlich halte ihn nicht nur für einen hervorragenden Techniker, sondern auch für einen sehr sympathischen Menschen, der äußerst wichtig für das Team gewesen ist. Auch solche Spielertypen braucht es in einer Mannschaft. Typen, die sozusagen das Bindeglied sein können und für ein ordentliches Teamgefüge sorgen. Oder eben auch Spieler, die ihre Erfahrung an die jüngere Generation weitergeben.

All diese Eigenschaften hat Jan Morávek in sich vereint. Zu gerne hätte ich ihn noch weiterhin bei uns im Verein gesehen. Vielleicht nicht in der Profimannschaft als Spieler, aber vielleicht als Coach, Motivator etc. im Nachwuchsleistungszentrum, der seine Erfahrung mit in die Nachwuchsförderung einbringen kann. Wer weiß, vielleicht geht dieser Wunsch ja irgendwann in Erfüllung. Schließlich sollte man niemals „Nie“ sagen.

Ein Wikinger im Augsburger Schwabenländle

Führungsspieler, Sprachtalent, Torgarant… Das sind die 3 Worte, mit denen ich Alfred Finnbogason beschreiben würde. Natürlich fiel auch er immer wieder verletzungsbedingt aus, doch für die Mannschaft war er aus meiner Sicht immer ein sehr wichtiger Faktor. Gerade für die Bindung zwischen den Spielern untereinander auf und neben dem Platz. Alfred war nicht umsonst Teil des Mannschaftsrats und zuletzt hinter Jeffrey Gouweleeuw zweiter Kapitän. Gerade seine ruhige Art und dabei trotzdem sein sehr sicheres Auftreten fand ich immer sehr beeindruckend.

Wenn Alfred auf dem Platz stand, gab es oft einen Grund zu jubeln
(Photo by Pool/Kai Pfaffenbach/Pool via Getty Images)

Alfreds Vita war schon nicht zu verachten, als ihn der FC Augsburg im Januar 2016 erst einmal per Leihe verpflichtete. International bekannte Vereine wie der SC Heerenveen, Olympiakos Piräus und Real Sociedad San Sebastiàn tauchen dort unter anderem auf. Auch die Erfolge, die der gebürtige Isländer bis dato verbuchen konnte, hatten es in sich. U21-Eredivisie-Sieger, isländischer Meister und Pokalsieger, schwedischer Superpokalsieger, belgischer Pokalsieger, griechischer Meister und zweimaliger Torschützenkönig – einmal in der Besta Deild und einmal in der Eredivisie.

Dass er dann tatsächlich zu uns ins beschauliche Augsburg wechselt, hat mich damals doch ein wenig überrascht, auch wenn wir zum damaligen Zeitpunkt natürlich in der Europa League gespielt haben.

Es ist ein Traum, die Chance zu haben, in der Bundesliga spielen zu können. Ich freue mich unheimlich auf die Herausforderung beim FC Augsburg. Die Gespräche mit den Verantwortlichen haben mir gezeigt, dass der FCA genau der richtige Verein für mich ist.

Alfred Finnbogason über seinen Wechsel nach Augsburg

Bereits in der Rückrunde 2015/16 zeigte er, warum man ihn zurecht verpflichtet hatte. In 14 Auftritten in der deutschen Bundesliga traf unser Wikinger 7 Mal und legte zudem auch noch 3 Tore auf. Man kann sich also vorstellen, dass der Wunsch der Augsburger Fans sehr groß gewesen ist, den in Reykjavík geborenen Alfred Finnbogason zu behalten. Und ihr Bitten sollte von der sportlichen Leitung erhört werden, denn Alfred blieb und wurde zu einer waschechten Identifikationsfigur.

Insgesamt lief unser isländischer Mittelstürmer in 122 Partien für den FCA auf. Dabei schoss er 39 Tore und bereite von selbigen noch 14 vor. Mit 37 Treffern ist er vor André Hahn (30) und Michael Gregoritsch (29) derzeit noch der Augsburger Toptorschütze im deutschen Oberhaus.

Letzte Worte

Ich könnte jetzt noch viel mehr über die Beiden schreiben. Ja, meines Erachtens hätten sie trotz all ihrer Verletzungen wahre Lobeshymnen verdient. Denn seien wir mal ehrlich: Welche Spieler sind heutzutage so sehr mit ihren Vereinen verwurzelt, dass sie ihnen so lange treu bleiben, wie es Alfred und Jan getan haben? Leider sieht man das im europäischen Fußball nur noch selten, da andere Dinge für viele Spieler im Vordergrund stehen. Geld, Ruhm und sportlicher Erfolg wiegen mehr als Vereinstreue, Freundschaft und eine Familie zu sein. Natürlich ist das nichts unnormales, doch es zeigt, dass sich unsere beiden Urgesteine doch sehr mit dem FCA verbunden gefühlt und diesen auch gelebt und geliebt haben.

Bekanntgabe via Twitter

Am Mittwoch, 15.06.2022, gab der Verein schließlich bekannt, dass man die Verträge des Stürmers und des zentralen Mittelfeldspielers nicht verlängern würde. Sportdirektor Stefan Reuter sagt hierzu in der offiziellen Pressemitteilung:

„Wir haben uns diese Entscheidungen alles andere als leicht gemacht, sind mit unserem neuen Cheftrainer aber übereingekommen, einen neuen Weg einschlagen zu wollen und neue Impulse zu setzen. Jan Morávek, der seit 2012 das FCA-Trikot getragen hat, und Alfred Finnbogason haben durch ihre Leistungen auf, aber auch außerhalb des Platzes, einen wichtigen Anteil daran, dass wir nun schon in unser zwölftes Jahr in Serie in der Bundesliga gehen können. Gleiches gilt für Tobias Zellner und Reiner Maurer, auch wenn sie nicht ganz so lange für unseren FCA tätig waren. Für ihren Einsatz bedanken wir uns bei allen recht herzlich und wünschen Ihnen alles erdenklich Gute für ihre sportliche und persönliche Zukunft.“

Ich gebe hiermit offen zu, dass ich ganz schön schlucken musste, als ich das gelesen habe. Wie oben schon, geschrieben kann ich die Entscheidung absolut verstehen. Doch wenn zwei so verdiente Spieler den Verein verlassen, ist das immer schwierig.

Auch Jan Morávek und Alfred Finnbogason meldeten sich noch einmal zu Wort. „Zehn Jahre ununterbrochen bei einem Verein zu spielen, ist in der heutigen Zeit etwas ganz Besonderes. Ich bedanke mich bei allen FCA-Verantwortlichen, meinen Trainern und Teamkollegen sowie allen Fans, dass ich die Möglichkeit hatte, so lange das FCA-Trikot tragen zu dürfen. Meine Familie und ich haben uns in Augsburg und beim FCA sehr wohl gefühlt und werden diese lange Zeit sehr positiv in Erinnerung behalten. Ich wünsche dem FCA nur das Beste und drücke für die weitere Zukunft in der Bundesliga die Daumen“, sagte Jan zu seinem Abschied.

Besonders bewegt hat mich allerdings Finnbos Abschiedspost, den er in den sozialen Medien geteilt hat. Hier schreibt er:

Danke 🔴🟢⚪️!

Für…..

-die 7 Saisonen gemeinsam!

-Die unglaubliche Fans von FCA! Danke für alles!

-alle Mitspieler, Trainer, co-Trainer und staff die ich auf den Platz und die Kabine teilen dürfte!

-Alle Mitarbeiter von FCA! Danke!

-die Unterstützung in die gute Zeiten und auch in die Schwierige Zeiten

-das ich die Toren mit euch feiern dürfte

Ich bin einer von euch geworden und FCA wird immer in meinen Herzen sein und auch von meiner Familie! ❤️

Alfred Finnbogason auf seinem Facebook-Account

Haltet mich für ein Sensibelchen, aber mir kamen dabei die Tränen!

Time to say Goodbye

Doch nun ist es Zeit für uns, das Team der Rosenau Gazette, Auf Wiedersehen zu sagen. Dies hier ist kein Lebwohl, sondern ein Bis bald, denn wir hoffen sehr, dass wir sowohl Jan, als auch Alfred wieder einmal in Augsburg begrüßen dürfen. Sei es nun als Teil des Teams oder einfach nur als Zuschauer in der WWK-Arena. Wir sind uns sicher: Man sieht sich immer zweimal im Leben!

Doch an dieser Stelle möchten wir ein paar persönliche Worte an die beiden richten.

Birgit: Lieber Alfred und lieber Jan! Worte können nicht ausdrücken, wie dankbar ich bin, dass ihr ein Teil der FCA-Familie ward und immer sein werdet! Vielen Dank für euren immerwährenden Einsatz, eure Treue und eure Liebe zu unserem Verein! Ihr werdet für immer in unseren Herzen bleiben und ich hoffe sehr, dass ihr immer mit einem Lächeln auf den Lippen an die wunderschöne Zeit in Augsburg zurückdenken werdet. Bis hoffentlich sehr, sehr bald!

Irina: Aus Fansicht tun mir beide Abgänge sehr weh und machen (wohl nicht nur mich) äußerst wehmütig. Gehen doch die zwei letzten verbliebenen Galionsfiguren der erfolgreichsten Augsburger Bundesligazeit. Aus sportlicher Sicht sind beide natürlich ersetzbar und es war wohl richtig, einigen Jungspunden die freiwerdenden Kaderplätze anzubieten. Aber menschlich werden beide brutal fehlen, beide sind und waren zu jeder Zeit angenehme Zeitgenossen und total bodenständige Mitmenschen. Von Herzen vielen Dank für die Bereicherung unseres Vereins und die geile Zeit gemeinsam, euren Einsatz und eure Leidenschaft für diesen Club und diese Stadt. Ich werde euch beide nie vergessen und sage final nur noch: man sieht sich immer zweimal im Leben! (Vielleicht dann in anderer Rolle hier am Lech)

Andi: Afram Island, pu ert frabaer. Auf geht’s Island, du bist super. Diesen Satz habe ich einmal vor einem FCA-Training gelernt und ihn recht stolz zu Finnbogason gesagt. Er hat etwas auf isländisch zurückgesagt, das ich nicht verstanden habe und wir haben beide gelacht. Mit Finnbogason konnte man eigentlich ja auch auf deutsch sprechen. Nach weniger als einem halben Jahr in Deutschland gab er seine erste Pressekonferenz auf deutsch. Eine Randnotiz, die aber zeigt, wie professionell der Stürmer seine Aufgabe beim FCA verstanden hat. Dasselbe gilt für Jan Moravek. Keiner war so lange da, keiner hat es so gut verstanden, Ruhe in Spiel und Klubumfeld zu bringen. Einer der unterschätzten Spieler der Liga. Ach, wenn er doch nicht so oft verletzt gewesen wäre. Alles Liebe euch beiden. Bleibt fit und lasst es euch gut gehen!

Andy: Jan und Alfred, ihr habt euch in das Geschichtsbuch des FC Augsburg eingetragen. Aber all die Jahre, Partien und auch Tore sind nicht das wichtigste. Ihr seid zwei überaus sympathische und bodenständige Menschen, die auch im persönlichen Kontakt heraus ragten. Danke für alles und hoffentlich auf bald!

2 Gedanken zu „Mit Tränen in den Augen“

  1. Ich wünsche mir, dass der FCA zu den beiden genauso loyal ist, wie sie es immer waren. Sollten ihre aktiven Karrieren (nun) beendet sein, wäre es fein, sie in „anderer Funktion“ weiter im Umfeld unseres FCA zu sehen! Zwei ganz feine Kerle!

  2. Ich will mich dem oberen Kommentar voll und ganz anschließen, denn auch ich hätte mir vorstellen können, zumindest Einen der Beiden in unserem Nachwuchs-Leistungs-Zentrum mit einzubinden, um der Jugend die entsprechenden Tipps zu geben, dass sie auch mal große Fußball-Spieler werden!

    Ich möchte jedoch nicht vergessen,
    auch Danke zu sagen für alle Mitglieder dieses Teams, das die „Rosenau Gazette“ so lesenswert machte.
    Ich freute mich auf jede Ausgabe und stellte Sie in so manche Foren mit ein.

    Euer FCAler
    Franz Wildegger

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