Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Sonntagmorgen nach dem Spiel gegen Union Berlin. Wie viele von uns bin ich morgens mit einem fetten Grinsen aufgewacht. Ich habe mir vorgestellt, wie Enno Maaßen aufgewacht ist und auch erstmal kurz ein kleines Tänzchen vollführt hat. Bei anderen hat vielleicht der ein oder andere Kater-Kopfschmerz das morgendliche Hoch etwas getrübt. Wir alle wussten dennoch, warum wir am Samstagabend gefeiert haben. Doch es war nicht nur der Sieg gegen Union Berlin, der den Glauben an dieses Team bestärkt.
An 1:0 Siege zu Hause in der Arena wird man sich nie ganz gewöhnen. Es ist ein Gefühl, von dem man nicht genug bekommen kann, gerade wenn – wie in den letzten 10 Minuten gegen Union Berlin – das Stadion voll Gespanntheit fast überschwappt, jeder nur noch singt und klatscht um nicht umzukippen, und sich die ganze Spannung am Ende mit dem Schlusspfiff entlädt.
Mit dem Druck umgehen
Nicht oft genug war es der Fall, dass der FC Augsburg Führungen verteidigen konnte. Über 20 Punkte hat man auf dem Weg zum 31. Spieltag in dieser Bundesligasaison liegen lassen. Teilweise auf die bitterste und herzbrecherischste Art und Weise. Ich muss die Partien an dieser Stelle nicht benennen. Jeder erinnert sich an die traumatischen Situationen sowieso sofort. Umso schöner war es, dass das Team gezeigt hat, dass es mit der Situation umgehen kann.
Nun hatten sich in den letzten Wochen die Punktverluste gehäuft. Der FCA war vor der Partie gegen Union Berlin seit sieben Spielen sieglos, auch wenn er in manchen Partien gute Chancen gehabt hätte, zu gewinnen. Auf diesem Wege war man nun gegen Ende der Bundesligasaison wieder unten rein gerutscht. Die Abstände waren zu gering geworden, um als Fan noch ruhig schlafen zu können. Eine Spannung war entstanden, auf die niemand rund um den FCA in dieser Saison Bock hatte. Es ist schön zu sehen, dass der FCA als Spezialist im Abstiegskampf in diese Rolle zurück gefunden hat.
Interne Problemlösung
Dies ist umso erstaunlicher, als dass Enno Maaßen als Trainer in seiner ersten Saison in der Bundesliga sich zum ersten Mal in dieser Situation wiederfindet. Dazu kommt, dass der Kader einem kräftigen Umbau unterworfen war und viele junge Spieler regelmäßig in der ersten Elf stehen. Arne Engels wirkt weiterhin so routiniert wie eh und je. Dion Beljo traf erneut. Die Jugend forscht nicht nur. Die Jugend regelt. Und dass unter schwierigen Bedingungen.
Dabei ist in den letzten Wochen sicher nicht alles glatt gelaufen. Es gab Themen, die man kritisieren konnte. Die Verantwortlichen haben alle Debatten intern gehalten. Präsident Max Krapf hat sich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger in vielen der vergangenen Saisons, vornehm zurück gehalten, genau wie auch Stefan Reuter. Der FCA hat in dieser schwierigen Situation nach außen die Ruhe bewahrt und ist zusammengestanden.
Zurück auf dem Augsburger Weg
Diese besonnene Art der Arbeit war in den ersten Bundesligajahren immer das Augsburger Markenzeichen. Sowohl im ersten Bundesligajahr als auch in der ersten Phase unter Markus Weinzierl hat den Club ausgezeichnet, dass man sportlich nicht an der Ausrichtung gerüttelt hat. In den vergangenen Jahren hat man immer mal wieder kurz vor dem Saisonende ein Zeichen setzen wollen. Diesmal hat man noch nicht mal laut darüber nachgedacht.
Zwei Kern-Personalien sind hier zu beachten. Einerseits hat Enno Maaßen das Herz der Augsburger erobert. Er ist ein Trainer, mit dessen Art man sich identifiziert und dem man sportlich noch mehr zutraut, auch wenn er bisher nicht alles richtig macht (und wer macht das schon). Andererseits hat der Wechsel von Hofmann zu Krapf im Präsidentenamt zu Ruhe geführt. Er ist näher dran am Geschehen, bildet sich eine eigene Meinung und verteidigt den Club mit allem was er hat. Auf öffentliche Auftritte kann er im Zweifel dafür verzichten. Ein Zeichen der Stärke. In der derzeitigen Konstellation funktioniert das gut und gibt Sicherheit.
Ergebnisse
Das alles ist im Fußball nicht viel wert, wenn die Ergebnisse ausbleiben. Als ich am Sonntagnachmittag mit meinen beiden Töchtern in der Eisdiele sitze, geht mir auf, mit was sich dieser Sieg am besten vergleichen lässt: mit der Geschmacksexplosion einer Amarena-Kirsche. Kurz bevor man auf die Kirsche beißt, weiß man nicht, ob sie auch dieses mal genauso geschmacksintensiv im Mund explodieren wird. Nach kleinen Zweifeln in den letzten Wochen den Glauben ins eigene Team und in den Club zurückzugewinnen, weil man von draußen ja nicht rein schauen kann, ist genau eine solche großartige Erfahrung.
Nach sieben sieglosen Spielen ist der FCA nicht etwa unter dem Druck im Abstiegskampf zusammengebrochen, sondern hat mit dem Sieg gegen Union klar gemacht, dass er Top-Teams in der Liga schlagen kann. Er hat in schwierigen Zeiten zusammengehalten und tut das weiterhin. Und bei dem Potential im sportlichen Bereich freut man sich auf mehr.
Das Mehr kommt hoffentlich direkt am nächsten Wochenende. Gegen Bochum gilt es den Sack zu zu machen. Der Klassenerhalt gegen Bochum wäre wie ein Spaghetti-Eis. Kennen wir. Bestellen wir jede Saison immer wieder. Einfach gut und in Ruhe zu genießen. Aber egal was nun kommt, ich glaube wir sind über den Berg. Weil auch wenn wir den Saisonausgang nicht komplett selbst beeinflussen können, so glaube ich doch, dass wir in Augsburg wieder auf unserem Weg angelangt sind. Zurück in der Spur nach einigen schwierigen Jahren. Wohin uns diese auch immer führen wird in nächster Zeit.