Historisch

Sonntagmorgen und es ist immer noch surreal. Der FC Augsburg hat gestern gegen Darmstadt 98 auswärts gespielt – in der ersten Bundesliga – und er hat dieses Pflichtspiel 6:0 gewonnen. Punkt.

Dieser Blog ist nun kein Medium, in dem jedes einzelne Spiel und Detail festgehalten wird. Wir benoten und bewerten nicht jede Kleinigkeit. Ich war gestern in Darmstadt und ich habe vor allem genossen, was uns da allen zusammen passiert ist. Jeden FCA-Fan, der mit einer gewissen Regelmäßigkeit auswärts fährt, hat der gestrige Tag für vieles entschädigt. Diejenigen, die vor 2 Wochen in Mainz waren, hatten noch weniger als alle anderen mit einem solchen Spiel gerechnet. Wir haben gestern miterlebt, wie ein Knoten platzt. Wie sich eine Schleuße öffnet. Wie eine Mannschaft den Flow findet. Wie alles klappt. Es war eines der geilsten Erlebnisse, das ich als Fußballfan je hatte. Es war fantastisch. Und dieses fantastische Erlebnis will ich festhalten und dokumentieren. Ich würde es wohl später sonst bereuen. Wer mag mit mir die Geschehnisse des gestrigen Tages erneut erleben?

Die Umstände

Es gehört auch immer Glück dazu. Gerade, um überhaupt nach Darmstadt zu kommen. Wir haben unsere Tickets im Gästeblock am ersten Tag es Mitgliedervorverkaufs gekauft und durften als eine Gruppe unter 1.500 Augsburger Anhängern dabei sein. Am Tag des Geschehens hätten die Umstände nicht besser sein können. 15 Grad und Sonnenschein am 02.03.2024. Die Anreise lief reibungslos mit der Bahn und den Shuttlebusen und als wir am Stadion ankamen, stellten wir zuerst einmal fest, wie das Stadion am Böllenfalltor umgebaut wurde. Ein Dach über dem Gästeblock. Kein altertümlicher Wall mehr. Mir gefällt es.

Es sei an dieser Stelle auch einmal festgehalten, dass dieser Tag, der nun fest in den FCA-Geschichtsbüchern einen Eintrag finden wird, in Darmstadt stattgefunden hat und nicht vor Ort bei einem der Retortenclubs dieser ersten Bundesliga. Auch dafür bin ich dankbar. Als ich vor dem Spiel meine Bratwurst in mich aufnahm, war ich frohen Mutes. Ich möchte festhalten, dass ich prophezeit hatte, dass es ein sorgloser und guter Tag werden würde. Ich hätte mir nicht erträumen können, was danach kam. Bei aller Träumerei, die Realität überstieg diese bei weitem.

Jubel, Trubel, Heiterkeit. (Photo by Thomas Lohnes/Getty Images)

Für mich persönlich waren es insgesamt glückliche Umstände. Die regelmäßigen Leser:innen dieses Blogs wissen, das ich in Frankfurt wohne. Darmstadt ist quasi ein Heimspiel für mich. Aber manchmal schafft man es trotzdem nicht zu diesen Spielen in unmittelbarer Nähe. Zwei Wochen zuvor gegen Mainz war ich verhindert (und hatte auch schon auf den platzenden Knoten gehofft). Basti, der auch in Mainz war, war vor dem Spiel in Darmstadt natürlicherweise misstrauisch. Zu Recht. Aber wie ich froh bin, dass ich persönlich genau in Darmstadt und nicht in Mainz war. Es gibt diese Fügungen.

Die Rückkehr des Philip Tietz

Den Beginn des Spiels kenne ich nur aus den Highlight-Videos. Wer euch erzählt, dass er dabei war und das erste Tor gesehen hat: es ist wahrscheinlich eine Lüge, zumindest unter denen die sich weiter oben im Gästeblock befanden. Ein Bengalo-Feuerwerk der Extraklasse hüllte uns zu Beginn des Spiels in roten und grünen Rauch. Kurz nach Anpfiff wurde gejubelt. Zack, nach einer Minute stand es schon 1:0. Wenn es läuft, dann läuft es.

Der Torschütze, der immer noch nicht weiß, warum der Ball so bei ihm landete, war, am Tag seiner Rückkehr ans Böllenfalltor, Philip Tietz. Ich möchte Philip Tietz hervorheben, weil er gestern symbolisches geleistet hat. Er hat auch eine Großchance versiebt. Touché. Nein, als der FCA schon deutlich in Führung lag, hat Philip Tietz weiterhin tief in des Gegners Hälfte im Offensivpressing zum Tackling an der Seitenlinie angesetzt. In der 85. Minute war er hellwach und belohnte sich mit einem zweiten Tor, nach schnell ausgeführtem Freistoß, für eine bockstarke Leistung von Anfang bis zum Ende. Eine Rückkehr wie aus dem Bilderbuch. Und symbolisch für das ganze Team am gestrigen Tag.

Darmstadt gebrochen

Insgesamt hat der FC Augsburg die Darmstädter Lilien am Stiel gebrochen gestern in dieser ersten Halbzeit. Darmstadt war irgendwann so verunsichert, dass sie Fehler um Fehler begingen. Der FCA hat sie fast alle eiskalt ausgenutzt. Nach dem Tietzschen 1:0 folgten das 2:0 durch Freddy Jensen nach Chip-Pass von Ruben Vargas, Ermedin Demirovic mit dem 3:0 durch die Beine des Darmstädter Tormanns nach eigener Balleroberung, Ruben Vargas mit dem linken Hammer ins Kreuzeck zum 4:0 nach Vorlage von Demirovic und erneut Demirovic nach Jensens fantastischer getimter Vorlage zum 5:0. Keine 30 Minuten gespielt. 30 Minuten, die wie ein einziger Highlight-Clip daherkommen.

Man könnte nun den ein oder anderen Spieler aus dieser Offensivriege hervorheben. Auch die öffnenden Pässe aus der Innenverteidigung, z.B. vor dem 5:0 durch Jeffrey Gouweleeuw, seien hier nicht unterschlagen. Der FCA machte mit Darmstadt über eine halbe Stunde lang, was er wollte. Demirovic brach im Verlauf der ersten Halbzeit einige Rekorde. Er steht nun bei 14 Saisontoren und stellte damit einen neuen Bundesligarekord für den FCA auf, genau wie seine 23 Scorer-Punkte ein neuer Bestwert sind. Demirovic ist ein Phänomen, dem ich zu gegebener Zeit separat einige Zeilen widmen werde. Aber auch Jensen und Vargas spielten fantastisch. Ach, wer mag da schon überhaupt was zum meckern finden.

Der Weg zum Clean Sheet

Selbst der gerne unkende Augsburger Fan war nach der ersten Halbzeit sicher, dass der FCA diese Partie in Darmstadt nicht mehr verlieren würde. Zumindest nicht mehr allzu hoch. Ja, wir feierten auf den Rängen eine einzige Party. Oh, wie war das wunderschön. Das Team von Jess Thorup wollte an diesem historischen auch die Serie ohne „zu Null“-Spiel beenden. Finn Dahmen wollte endlich einmal in der Bundesliga die Null halten.

Mehr Jubel, Trubel und Heiterkeit. (Photo by Thomas Lohnes/Getty Images)

Die Voraussetzungen in der zweiten Hälfte waren dafür auch sehr gut. Beide Mannschaften nahmen den Fuß vom Gas. Zu klar waren die Verhältnisse. Dennoch kam Darmstadt zu einer sehr guten Gelegenheit und Finn Dahmen war geschlagen. Und nun möchte ich einen weiteren Spieler hervorheben, dessen wieder mal gute Leistung – nach erneuter Einwechslung – an diesem Samstag vielleicht ansonsten im allgemeinen Jubel untergegangen wäre. Kurz vor der Linie klärte Arne Engels für den geschlagenen Dahmen den Ball zur Ecke. Engels sprintete vorher einmal Vollgas über den halben Platz und war sodann zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle. Im Defensivverhalten ist hier ein kleiner Lernerfolg zu erkennen. Dass es zusätzlich auch Engels war, der den Freistoß auf Tietz vor dem 6:0 schnell ausführte und so zu einer weiteren Torbeteiligung kam, alles beim Stande von 5:0, passt da sehr gut ins Bild. Dieses Team ist wahrlich ein funktionierendes Kollektiv.

Ausgelassen

So kam es dann dazu, dass nach dem Spiel viele Mitspieler Finn Dahmen zu seinem ersten „zu Null“-Spiel beglückwünschten. Ich hatte seit Wochen die Überschriftenidee im Kopf: „Ohne Clean Sheet nach Europa“. Von dieser verabschiede ich mich gerne, nicht aber von dem Traum nach mehr. Die Stimmung nach dem Spiel war berechtigterweise sehr ausgelassen und es gab die schönsten Bilder. Die Spieler zwangen das Trainer- und Funktionsteam mit auf die Knie bei der allgemeinen Feierei. Zeugwart Salvatore Belardo kniete Arm in Arm mit Cheftrainer Jess Thorup. Die Mannschaft feierte als Kollektiv und keiner wurde hervorgehoben.

Alle saugten jeden gemeinsamen Moment auf und genossen. Und so ist mir heute auch noch scheißegal, was als nächstes kommt. Als FCA Fans haben wir lange auf so ein richtiges Highlight warten müssen. Für heute zählt schlicht die Erkenntnis: Wie großartig können die Erlebnisse sein, die uns der Fußball beschert. Unglaublich und unfassbar.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

Ein Gedanke zu „Historisch“

  1. Der Vollständigkeit halber muss man ergänzen, dass ich auch zur zweiten Halbzeit auch noch fest mit einem 5:5 gerechnet habe… 😉

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