„Wir halten zusammen und wehren uns“

Das Ende der Saison 2023/24 steht kurz bevor. Nur noch ein Spiel beim designierten Meister Bayer 04 Leverkusen trennt den FC Augsburg vom Ende einer Saison, in der man schon lange – und das ist wohl ungewohnt – mit dem Abstieg nichts mehr zu tun hat. Trotzdem wird es einem auf Grund der vielen verletzten und angeschlagenen Spieler und den Ergebnissen zuletzt etwas mulmig vor dem Spiel bei den Leverkusenern. Warum das Saisonende mit dem der letzten Saison trotz der letzten Ergebnisse wenig zu tun hat? Darüber und über viele andere Themen habe ich in dieser Woche mit Niklas Dorsch gesprochen:

Andy: Was überwiegt vor Samstag: die Freude über eine sportlich gute Saison oder der Frust über die letzten Spiele?

Niklas: Es überwiegt das große Ganze. Ja, in den letzten Partien gegen starke Gegner konnten wir nicht punkten, aber die Entwicklung in der Saison ist insgesamt eine gute. Wir wissen um die Stärke von Leverkusen, glauben aber an unsere Möglichkeiten.

Andy: Ihr habt gegen Leverkusen ja in dieser Saison auch schon fast einen Punkt geholt. Wie sehr kann man auf die vorhergegangene Leistung aufbauen?

Niklas: Das wird ja ein ähnliches Spiel werden. Wir werden wahrscheinlich wenig den Ball haben und viel hinterherlaufen. Aber wir werden uns auch wieder aus einer großen Kompaktheit heraus Umschaltmomente erarbeiten können. Im Hinspiel hat dann vielleicht die letzte Genauigkeit in diesen Momenten gefehlt. Das wollen wir diesmal besser machen und zuschlagen.

Andy: Leverkusen hat jetzt auch nicht jedes Spiel souverän gewonnen. Sind euch Schwachstellen in der Analyse aufgefallen?

Niklas: Was natürlich auffällt: man muss bis zur letzten Sekunde hellwach sein. Sie strahlen eine große Dominanz aus und haben viel den Ball. Sie wollen den Gegner zusammenziehen und wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen. Wir müssen im Zentrum gut aufgestellt sein auch mit dem richtigen Maß an Aggressivität, um den Ball zu gewinnen und Umschaltmomente zu schaffen.

Andy: Wie wichtig wird es in diesem Spiel dann auch, sich Pausen zu verschaffen, in denen man selbst auch mal den Ball hält, um nicht nur hinterherzulaufen?

Niklas: Das ist die Kunst, die Mischung aus schnellen Umschaltmomenten zu schaffen und auch aus Phasen, um Ruhe reinzubringen. Evtl. auch mal eine Standardsituation zu schaffen, um zu entlasten. Das ist auch das, was uns gegen Stuttgart nicht so gut gelungen ist, im Ballbesitz Kräfte zu sammeln.

Andy: Als Zentrumsspieler kommst Du mir da ja direkt in den Sinn, als jemand der hier vielleicht eine besondere Verantwortung trägt. Siehst Du das auch so?

Niklas: Alleine schon positionsbedingt bin ich da mitten im Geschehen und kann es entsprechend beeinflussen. Mit meiner Erfahrung, die ich mittlerweile habe, versuche ich auch jetzt nach meiner Verletzungsphase mein Gespür für die Situation und die Bedürfnisse der Mannschaft in einer Spielphase einzubringen. Da muss ich selber meinen Rhythmus noch ein bisschen mehr finden.

Andy: Hat das Spiel in Leverkusen damit eine doppelte Bedeutung? Einerseits wollt ihr als Mannschaft nochmal positiv auf euch aufmerksam machen, andererseits aber für dich auch, um positiv in den Sommer zu gehen nach dieser für dich persönlich verletzungsgeprägten, frustrierenden Rückrunde?

Niklas: Ja, die Rückrunde für mich persönlich war nicht schön. Ich habe nur zwei Spiele von Beginn an gespielt und war viel verletzt. Mit Sicherheit habe ich mir das anders vorgestellt. Trotzdem ist es schön, wenn man die Saison mit einem Erfolgserlebnis beenden kann. Für mich war es schon ein kleineres Erfolgserlebnis, jetzt wieder zu spielen. Jetzt vor dem letzten Spieltag steht der Mannschaftserfolg über allem und wir alle wollen mit einem positiven Gefühl in die Pause gehen. Und vielleicht sind wir am gefährlichsten, wenn man uns etwas unterschätzt.

Andy: Wie sehr ist das Saisonende aus der letzten Saison eine Warnung?

Niklas: Ich glaube nicht, dass sich da viele aus der Mannschaft bewusst daran erinnern. Wir beschäftigen uns mit der Gegenwart. Und da geht es jetzt auch um die Art und Weise. Wir müssen uns gegen die Dominanz wehren. Wir wollen nach dem Spiel in den Spiegel schauen können mit dem Gefühl, alles gegeben zu haben. Wir kennen unsere Qualitäten und wissen, dass wir es schon einmal gut gemacht haben.

Andy: Du bist jetzt ja auch schon länger in Augsburg und hast die Basics und die Art und Weise schon in früheren Jahren angemahnt. Wie erklärst Du Dir, das dieses Thema euch immer wieder einholt? Klar, das Spiel gegen Stuttgart ist dafür kein Beispiel, aber nehmen wir vielleicht einmal die Partie gegen Bremen her. 

Niklas: Ja, so Spiele dürfen eigentlich nicht passieren. Und das Problem am Ende der letzten Saison war, dass auf einmal ein paar Spiele am Stück so gelaufen sind. Das habe ich damals dann auch öffentlich so adressiert, weil das aus meiner Sicht auch angesprochen werden muss. Aber dieses Thema sehe ich nach dem Stuttgart-Spiel gerade nicht. Uns hat es zuletzt vielleicht eher an der letzten fußballerischen Qualität gefehlt. Daran müssen wir natürlich auch arbeiten. Bzgl. der Art und Weise haben wir aus meiner Sicht schon dazu gelernt und an Erfahrenheit gewonnen.

Das Kollektiv hat in dieser Saison oftmals funktioniert. (Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)

Andy: Würdest Du die Einschätzung teilen, dass es dann in der Gesamtschau ein deutlicher Leistungssprung von der letzten Saison zu dieser war und das sich hier auch in der Mannschaftsstruktur etwas getan hat und an was würdest Du das festmachen?

Niklas: Das Mannschaftsgefüge ist topp. Wir sind ein Team, was oftmals nach Rückständen zurückgekommen ist und das ist doch sehr aussagekräftig. Wir haben das Vertrauen ineinander, dass wir Spiele nicht einfach so laufen lassen. Wir halten zusammen und wehren uns. Wir haben über die gesamte Saison hinweg eine neue Kultur auch in der Kabine entwickelt mit neuen Kapitänen, einem neuen Mannschaftsrat und einer neuen Hierarchie. Das braucht natürlich auch ein bisschen Zeit. Mittlerweile sind wir eine Top-Einheit, wo jeder seine Rolle kennt und jeder, auch Demi, der eine Weltklasse-Saison spielt, weiß, dass er die anderen braucht. Und als Einheit sind wir ein Gegner, der sehr unangenehm ist und gegen den kein Team gerne spielt.

Andy: Die Intensität war ja vor Jess schon gewünscht. Wo siehst Du die konkreten Entwicklungen im fußballerischen Bereich?

Niklas: Die Entwicklung hängt ja sehr von der Philosophie des Trainers ab, sowohl mit als auch ohne Ball. Da passt Jess‘ Philosophie einfach sehr gut zu uns. Wir spielen gegen den Ball sehr gierig und wollen hoch den Ball erobern. Das „Offensive Mindset“ ist ja seit Jess‘ ersten Tagen präsent. Wir wollen kompakt gut stehen und unsere Offensivspieler in Positionen bringen, in denen sie für Gefahr sorgen können. Und gegen den Ball verteidigen wir dann mehr im Kollektiv.  

Andy: Was ist notwendig, damit die Mannschaft in der kommenden Saison den nächsten Schritt macht?

Niklas: Erstmal machen wir alle Urlaub. Und der ein oder andere von uns darf ja auch die EM im Sommer spielen. Es ist ja insgesamt eine lange Pause. In der wird sich Jess ab der kommenden Woche bis zum Beginn der Vorbereitung sehr viele Gedanken machen und Konzepte entwickeln, wie wir uns verbessern können. Und auf diese neuen Impulse freue ich mich jetzt schon.

Andy: Und Du selbst? Bist Du fit oder musst Du nun in der Pause noch Hausaufgaben machen?

Niklas: Ich bin heilfroh, dass ich in der Partie gegen Stuttgart schon von Anfang an spielen konnte. Das war für mich ein wichtiger Test und ich fühle mich gut. Ich bin wieder auf einem guten Niveau und werde mich fit halten, um in der Vorbereitung direkt wieder voll angreifen zu können.

Andy: Niklas, Danke Dir für deine Zeit. Ich wünsche euch den positiven Saisonausklang und dann eine verletzungsfreie Saison 2024/25.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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