Die Woche geht zu Ende. Eine Woche in Augsburg, in der viel passiert ist – mehr als sich die meisten Menschen vorstellen konnten, mich eingeschlossen. Der FC Augsburg hat sich zum ersten Mal seit 2009 von einem Trainer während der Saison getrennt und Dirk Schuster und sein Team freigestellt. Der Club hat diese Entscheidung eine Woche vor der Winterpause getroffen, mit dem Hinweis, dass man das Ganze auch durchziehen sollte, wenn man sowieso schon vollkommen von der Entscheidung überzeugt ist. Das bedeutet, 1) dass die Entscheidung sonst eine Woche später genauso gefallen wäre und 2) die Chancen Punkte zu erzielen, mit Dirk Schuster nicht besser eingeschätzt wurden als mit Manuel Baum, dem installierten Interimstrainer.
Aber was man in Augsburg in diesen Tagen genau gedacht hat, werden wir wohl alle nicht herausbekommen. Nach dem 1:0 Sieg gegen Gladbach zu Hause, will ich trotzdem auf den Vorgang an sich zurückblicken und diesen kurz einordnen. Auf gut deutsch: Wer hat verkackt? Denn die Situation, dass man mit hohem finanziellen Aufwand einen Trainer aus seinem Vertrag herauskauft, öffentlich die Rückkehr zur defensiven Stabilität ausruft, dem Trainer zusieht, wie er genau dies umsetzt, und ihn 5 Monate später wieder an die Luft befördert, setzt voraus, dass doch einiges schief gelaufen ist.
Die Ausgangslage
Aus diversen Gründen kam es im Sommer zur Trennung von Markus Weinzierl. Dieser wechselte mit seinem Team nach Schalke, um sich dort einer neuen Herausforderung zu stellen. Der Abgang ging nicht vollkommen geräuschlos vonstatten. Der FC Augsburg war zum ersten Mal seit 4 Jahren wieder auf der Suche nach einem neuen Trainer. Es wurde Dirk Schuster aus Darmstadt verpflichtet. Der FCA zahlte eine ordentliche Ablöse, um ihn und sein Team aus laufenden Verträgen herauszukaufen. Dirk Schuster wollte selbst eine neue Herausforderung annehmen und die vergleichsweise bessere Infrastruktur in Augsburg für den nächsten Karriereschritt nutzen. Zu diesem Zeitpunkt wurde kommuniziert, dass durch die Verpflichtung Dirk Schusters wieder ein größeres Augenmerk auf defensiver Stabilität liegen sollte. Dirk Schuster hatte mit geringen Ballbesitzwerten in Darmstadt großen Erfolg und das Spiel seiner Mannschaft zeichnete sich durch den hässlichen Aufbau von Abwehrbollwerken aus, an denen sich Gegner zerrieben. Der FC Augsburg wollte zurück zu den Ursprüngen: Zweikämpfe gewinnen und beherzt spielen. Dirk Schuster war zu diesem Zeitpunkt alles andere als eine Notlösung.
Der Verlauf der Saison bisher
Der FCA stand vor der Freistellung von Dirk Schuster mit 14 Punkten auf einem Tabellenplatz im hinteren Mittelfeld der Bundesliga mit einem gewissen Abstand zu den Abstiegsrängen. Die Mannschaft hatte vor dem Spiel in Hamburg vier Spiele nicht verloren und insgesamt wenig Tore kassiert. Leider wurden auch nur wenige Tore erzielt, aber wer sollte das einem Trainer übel nehmen, der neben Caiuby auf Raul Bobadilla und Alfred Finnbogason verzichten musste. Das Ziel der defensiven Stabilität war offensichtlich erreicht. Offensichtlich deshalb, weil sich die Angriffe der Mannschaft auf weite Schläge beschränkten, um nur ja nicht 60 Meter vor dem eigenen Tor den Ball zu verlieren. Mit Blick auf die Tabelle könnte man nun meinen: Alles im grünen Bereich. In Hamburg verlor man gegen eines der schlechtesten Teams der Liga obwohl man eine zeitlang in Überzahl spielte. Es war mehr die Art und Weise als das Ergebnis selbst. Das Spiel wirkte mut- und ideenlos wie so einige andere Spiele offensiv schon ideenlos gewirkt hatten.
Die Freistellung
Wie kann es nun zu dieser Freistellung kommen? Der FCA hat Dirk Schuster verpflichtet, um zur defensiven Stabilität zurückzukehren. Dies hat man erfolgreich geschafft. Wie kann es trotzdem sein, dass „die Verantwortlichen des FC Augsburg zu der Erkenntnis gelangt (sind), dass unterschiedliche Auffassungen über die weitere sportliche Ausrichtung und die Art und Weise, wie der FCA Fußball spielen will, herrschen.“ (Pressemitteilung vom 14.12.2016). Diese Aussage ist so abstrus, dass man sich lange fragt, ob nicht darüber hinaus, noch etwas vorgefallen sein muss. Es tauchten in diesem Zusammenhang Bilder von Dirk Schuster auf, der wohl im Bad zu Hause gestürzt war. Die Informationspolitik des FC Augsburg ist zwar sehr restriktiv, aber mir ist zumindest kein Fall bekannt, in dem der FCA die Öffentlichkeit bewusst falsch informiert hätte. Was nun, wenn diese Aussage also stimmt?
Wer hat verkackt?
Kommen wir zurück zur Ursprungsfrage. Gehen wir dabei davon aus, dass Dirk Schuster ist wie er ist: eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten und einer klaren Vorstellung Fußball spielen zu lassen – erkennbar während seiner Zeit in Darmstadt und in den letzten Monaten in Augsburg. Auch während seiner Zeit in Darmstadt sind Aktionen von ihm in die Öffentlichkeit gedrungen, die zeigen, dass er Spieler auch erniedrigen kann. Dirk Schuster sollte nun eine Mannschaft übernehmen, die unter Markus Weinzierl in den letzten Jahren auch Spiele gestalten und übernehmen sollte. Diese Spieler sollten nun anstatt zu gestalten und zu spielen hauptsächlich verteidigen. Könnte man sich als neutraler Beobachter vorstellen, dass es hier zu Schwierigkeiten kommen kann? Oh, ja. Wobei sich die Spieler wie Profis verhalten und öffentlich in keinster Weise ihrem Unmut Luft gemacht haben. Der Mannschaft will ich keinerlei Schuld in dieser Hinsicht geben.
Aber wie kann es zu trotzdem zu dieser grundlegenden Fehleinschätzung auf Seiten der handelnden Personen beim FC Augsburg kommen? Ich bin ja naiv und stelle mir so ein Gespräch mit einem potentiellen Trainer vor, in dem natürlich gefragt wird, wie denn grundsätzlich die Fußballphilosophie ausschaut. Ich würde zudem vermuten, dass man ihn fragt, wie er die unterschiedlichen Phasen des Spiels angehen will (mit dem Ball, gegen den Ball, umschalten). Dann würde man sich vielleicht darüber unterhalten, wie das mit der Mannschaft zusammenpasst, die der vorfindet und wie er mit Widerwillen auf Seiten der Mannschaft reagieren würde. Zudem würde ich mir aber auch erklären lassen, wie er sein Konzept methodisch in der Trainingsarbeit umsetzen will. Die Trainingsarbeit ist das Herzstück eines Trainers, denn ohne sie wird kein Konzept den Weg auf den Rasen finden. Nun hat Jan-Ingwer Callsen-Bracker einige interessante Dinge gestern im Halbzeitinterview bei Sky gesagt. Für mich schien am interessantesten, dass nun schon in einer Halbzeit unter Manuel Baum Spielzüge und Automatismen beobachtbar gewesen sein sollen. Daraus deute ich, dass Dirk Schuster v.a. im Spiel mit dem Ball weniger auf einstudierte Spielzüge gesetzt hat als dies vorher unter Markus Weinzierl der Fall war oder jetzt unter Manuel Baum der Fall ist. Hätte man so etwas nicht in einem Gespräch mit einem potentiellen Trainer erfahren können? Hielt man es nicht für wichtig?
Für mich führt vieles im Moment zu dem Schluss, dass die Verantwortlichen des FC Augsburg in diesem Fall verkackt haben. Man hätte bei der Auswahl von Dirk Schuster besser analysieren müssen. Es war Stefan Reuters erste Trainerentscheidung für die Profimannschaft in Augsburg. Ich würde mich freuen, wenn von Seiten des FCA sich jemand den Schuh anzieht und die Entscheidungen ordentlich in der Öffentlichkeit vertritt, ohne absurd zu wirken. Was klar werden sollte: Wie konnte das passieren und wie stellen wir sicher, dass es nicht nochmal passiert? Im Moment bin ich mir nicht sicher, warum man daran glauben sollte, dass es beim nächsten Mal besser läuft. Und das, wo doch die nächste Trainerentscheidung direkt ansteht.