Der Weg zurück


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist Anfang Dezember und ich sitze an meiner letzten Kolumne für dieses Jahr. 2020 ist doch irgendwie wieder schnell vergangen. Viel ist passiert. Es wird das Jahr bleiben, dass uns durch Corona in Erinnerung bleiben wird. Viele haben es als ein Horror-Jahr verbucht. Persönlich ist es für mich trotzdem ein positives Jahr. Ich bin erneut Papa geworden. Die Familie ist gesund geblieben. Wirtschaftlich hat es uns nicht getroffen. Glück gehabt. Zumindest bis jetzt.

Was natürlich trotzdem fehlte, waren die Stadionbesuche bei Spielen des FCA. Der spielte zwar, musste allerdings den Klassenerhalt vor leeren Rängen feiern. Manche mögen sagen: schlimm war es nicht, bei dem Fußball, den die Mannschaft zeigte. Ballbesitzfußball ist immer noch nicht unser Ding, auch wenn unser Trainer mittlerweile Heiko Herrlich heißt. Über dessen Missgeschicke ist so langsam Gras gewachsen. Was auch daran liegt, dass Stefan Reuter im Sommer mit Daniel Caligiuri und Rafal Gikiewicz ordentliche Treffer gelandet hat und wir bisher solide gepunktet haben. Daniel Caligiuri ist in diesen Tagen auch Papa geworden. Herzlichen Glückwunsch der jungen Familie und eine schöne erste Zeit zusammen. Genießt es. Zumindest solange bis die ersten Zähne kommen.

Wenn der Last Minute Ausgleich gegen Mönchengladbach nicht dein bester Moment der letzten Wochen war, weil Du Papa geworden bist, dann heißt Du Daniel Caligiuri. (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Die Schlaflosigkeit in der ersten Phase mit Babys schlägt nichts, wenn es um Zermürbung geht. Der Umgang des FCA mit seinen verdienten Spielern kam allerdings in 2020 nahe an diese Erfahrung heran. Daniel Baier hat, nachdem er seinen Vertrag im Februar erneut verlängerte, diesen im Sommer dann aufgelöst. Und seine Karriere beendet. Andreas Luthe wurde zu Union Berlin befördert, nachdem sich Michael Ströll auf einem Fanclubtreffen über den Keeper und andere Spieler ausgelassen hatte. Intern ist dann eben nicht intern geblieben. Die Presse hat die Sau dann gerne durchs Dorf getrieben. Es war die einzige Phase in diesem Jahr, während der der FCA nicht gerade professionell wirkte.

Schade, dass dieser Schatten das Gesamtbild trübt. Denn gerade Michael Ströll war es, der in der Krise vieles richtig machte. Dem FCA war viel daran gelegen, keine Beschäftigen in Kurzarbeit zu schicken und die Krise aus eigener Kraft zu bewältigen. Ein um die andere Aktion wurde gefahren, entweder vom Verein oder der organisierten Fanszene, dem UBT e.V. Bei vielen Aktionen haben Verein und Fans vorbildhaft zusammengearbeitet. In diesem Zusammenhang war auch vereinsseitig immer wieder von Demut die Rede. Und der Dankbarkeit, in diesen Zeiten überhaupt Fußball spielen zu können. Als gegen Dortmund dann doch mal Zuschauer zugelassen waren, wurden alle Karten zum Einheitspreis vergeben. Vorbildlich.

Mit Michael Ströll hatte der FCA im Jahr 2020 einen fähigen Steuermann, der das Schiff auf Kurs gehalten hat. (Foto: Bernd Feil/MIS/Pool via Imago)

Aber was ist der Fußball in diesen Zeiten überhaupt wert? Was nützt der ganze Zirkus, wenn man nicht zusammen mit der eigenen Crew ins Stadion kann? Nicht im 11er die Auswärtsspiele verfolgen kann? Was bringt es schon, wenn man selbst seinem Hobby nicht nachgehen kann und nur die Profis kicken dürfen? Es wird schwer für manchen, sich nach den Restriktionen wieder aufzuraffen und die Playstation in die Ecke zu legen. Die Kinder zu Hause zu lassen und ins Stadion zu gehen. Es werden nicht alle den Weg zurück ins Stadion finden. Und wenn, dann kann man gespannt sein, unter welchen Bedingungen. Werden alle Maßnahmen ausnahmslos zurückgedreht, wenn es z.B. um das alkoholfreie Bier, die personalisierten Tickets oder auch um die Stehplätze geht?

Wer in diesen Tagen Fußball im Fernsehen schaut, so einen dies den überhaupt interessiert, dem geht die Stimmung im Stadion ordentlich ab. Fußball lebt durch das Publikum und verwelkt sonst wie eine Blume, die kein Licht mehr bekommt. Es wird Zeit, dass die Proficlubs die Bedeutung der Fans anerkennen und mehr Mitsprache gewähren. Es wird auch Zeit, dass die Kommerzialisierung in die Breite nicht mehr der Hauptfokus ist, sondern diejenigen, die bei Wind und Wetter jeden Weg auf sich nehmen. Der FCA ist an dieser Stelle immer noch bei weitem keiner der Clubs, die zur Verschärfung der Situation beitragen. Er kann sich den Mechanismen des Geschäfts aber auch nicht entziehen. Gebetsmühlenartige Wiederholungen von Fanseite nutzen nicht und habe bisher zu keinerlei Verbesserung geführt. Eine Initiative wie „Unser Fußball“ verpufft. In riesigen Gremien wird ergebnislos die nächsten Jahre diskutiert. Die Fans, die noch gestern für bedürftige Familien gesammelt haben, schon bald wieder kriminalisiert.

Der Weg zurück wird weit. Ich freue mich auf den Weg zurück ins Stadion in 2021. Auf die gemeinsamen Lieder und die vielen Wiedersehen. Die Auswirkungen der Corona-Krise werden die Clubs noch länger beschäftigen. Die treuen der Fans werden weiter den Weg finden. Zu groß ist die Rolle, die der Fußball in unserem Leben spielt. Unser Fußball! Und bis dahin träume ich weiter, dass uns die Krise den Fußball wieder etwas mehr zurückbringt. Auch wenn der Weg weit bleibt.

2. Advent: Unser Spiel der Hunderttausend

Es ist mir heute eine Ehre, dass Stephan Urban – derzeitiger Host des FC Augsburg Podcasts „Auf die Zirbelnuss“ – seine persönliche Geschichte erzählt, warum er Immer noch Original 1907 ist. Wer seine eigene Geschichte auch teilen und uns damit allen eine Freude machen will, der schreibt gerne eine Email an kontakt@rosenau-gazette.de. Viel Spaß beim Lesen und einen schönen zweiten Advent.

Was ist Original 1907? Für mich ist das der Verein aus den Erzählungen von meinem Vater, wie er Helmut Haller im Rosenaustadion gesehen hat, und wie beim Spiel der Hunderttausend die Leute ins Olympiastadion geströmt sind. Die Flutlichtmasten des Rosenaustadions konnte ich damals noch von meinem Kinderzimmer aus sehen, und auch ein bisschen Träumen dort vielleicht mal Bundesligafußball zu sehen.

In dem immer noch besten Fußballmanager „Anstoss 3“ konnte ich diesen Traum sogar noch ein befeuern, und ein bisschen Walther Seinsch spielen und den FCA in die Bundesliga führen. Natürlich dann noch ein paar Schritte weiter als jetzt, mit Meister-, Pokal- und sogar Champions League Titeln, ebenso wie auch einige Weltmeister aus der eigenen Jugend. Wer damals Anstoss 3 mit User-Files gefüttert hat, konnte den Abstieg vor dem Aufstieg direkt mitverfolgen, in der Originalversion aus dem Jahre 2000 mit leicht veränderten Namen war die Mannschaft, die den FCA repräsentierte noch in der damals viergleisigen Regionalliga. Mit den ersten User-Files, die echte Teams und Spieler einführten, schrumpfte die Regionalliga auf zwei Ligen zusammen und der FCA war auf einmal nicht mehr spielbar.

Vom Dortmund-Fan bis an diesen magischen Ort. Oh, süßer FCA.

Da ich in den Jahren 1996 und 1997 mich begann für Fußball zu interessieren, begann ich meine Fußballfankarriere als BVB-Fan. Mein erstes Spiel im Rosenaustadion war daher auch ein Ligapokalspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern. Und ich hätte wahrscheinlich den FCA komplett aus dem Blick verloren, wenn nicht in der Bayernliga das damals großartige Radio Fantasy nicht große Werbung für den FCA gemacht hätte. Zwar reichte es da noch nicht zum Stadionbesuch, aber ich verfolgte zumindest die Spiele im Radio, der Zeitung und kurze Zeit später stieg der FCA wieder zurück in die Regionalliga auf, mit im Gepäck die einzige Auszeichnung bis heute: Rekordmeister der Bayernliga.

Danach warf ich auch hin und wieder einen Blick auf den großartigen Liveticker. Bis es eines Tages hieß: „Großer Tag, der FC Augsburg kann gegen den SSV Jahn Regensburg den Aufstieg in die 2. Bundesliga klar machen und das auch noch gleich um die Ecke im Rosenaustadion.“ Und für mich war klar, das musste ich sehen. Also überredete ich meinen Vater und meinen damals besten Kumpel (Bayernfan, dessen Vater sogar ein Sechzger) Karten zu besorgen. Und ein paar Tage später war ich auf einmal bei meinem ersten FCA-Spiel. Das Spiel lief so, wie ich den FCA die nächsten Jahre auch kennen lernen würde: Nicht ganz einfach. Der FCA brauchte lange um in Führung zu gehe. Kurz davor hatte sogar ein Spieler von Regensburg Gelb-Rot gesehen. Es schien als würde alles für den FCA laufen, bis Mark Römer ebenfalls Gelb-Rot sah und der FCA das Zittern bekam. Postwendend kassierte das Team von Trainer Hörgl noch zwei Tore und ich saß ziemlich bedröppelt auf der Gegengeraden im ausverkauften Rosenaustadion.

Den Spruch den viele damals schon vor dem Spiel auf den Lippen hatten: „Typisch Augschburg!“. Denn das können einige vielleicht nicht glauben, aber der Aufstieg des FC Augsburg durch die Ligen bis in die Europa League hat die Stadt und seine Augsbürger verändert. Bis dahin war die Erwartungshaltung, dass man als Augschburger nichts geschenkt bekommt. Eher, dass die Stadt alles noch schlimmer macht. Baustelle, wo man gerade fahren will: „Typisch Augschburg!“, Nervige Ampelschaltung: „Typisch Augschburg!“, vergebener Aufstieg: „Typisch Augschburg!“

Die folgende Saison gönnte ich mir noch keine Dauerkarte, aber einige Einzelspiele. Und siehe da: der FCA stieg auf. In der zweiten Liga angekommen entbrannte dann endgültig meine Liebe für den FCA. Sofort eine Dauerkarte gegönnt und nie wieder abgegeben. Es folgte eine fulminante Premierensaison, die kurzzeitig sogar so aus sah, als würde der FCA direkt in die Bundesliga marschieren. Obwohl es, vielleicht sogar zum Glück, nicht gereicht hatte, hatte die Saison zwei große Highlights, die den überregionalen Medien ein wenig entgingen: Die beiden Spiele gegen den TSV aus München. Für mich natürlich auch die Verbindung zum FCA meines Vaters. Und die Spiele hielten was er versprach: „Da ging’s immer hoch her.“ Und wie! Also in der Liste der großartigsten Spiele sind die beiden auf jeden Fall dabei. Das Hinspiel in der gesteckt vollen Rosenau ging 3:0 aus, die Löwenanhänger rissen beinahe den Zaun zum Spielfeld nieder. Die Polizei lief auf der Tartanbahn auf. Das war mein erstes Spiel, wo die Luft wirklich geknistert hatte.

So sieht jemand aus, der noch Stadien mit Tartanbahn kennt.

Und dann kam in der Rückrunde das Spiel in der Allianz Arena. Die Tickets dafür konnte man Monate vorher schon online bestellen ohne Begrenzung für Augsburger. Der chronisch klamme TSV war bestimmt froh über jeden Euro. Was dann passierte, ist absolut einmalig und wird es in dieser Form nie wieder geben: die symbolische Wiederholung des Spiels der Hunderttausend. Gefühlt halb Augsburg machte sich über die A8 oder per Zug auf in die Landeshauptstadt. Mit im rappelvollen Sonderzug schon Polizisten in voller Montur, natürlich noch mit einem Abstecher über das Verhaspelmoor. Wir, ich mit zwei Kumpels im Gepäck, kamen kurz vor Anpfiff erst ins Stadion, am Platz schon eine Fahne. Der Gästeblock und die zwei Ränge darüber waren als Augsburg-Blöcke gedacht und hatten daher jeweils Fahnen in Rot, Grün und Weiß. Aber von Augsburg-Blöcken zu sprechen untertreibt maßlos. Mehr als das halbe Stadion war in Schwabenhand. Durchs ganze Stadion drangen „AUGSBURG! AUGSBURG!“-Wechselgesänge. Die Stimmung war großartig und die Mannschaft tat ihr übriges. Mit dem 3:0 setze der FCA nicht nur ein sportliches Ausrufezeichen. Nein, für mich war das kein schnödes Ergebnis wie jedes andere. Das war für mich wirklich der Moment, wo mir klar wurde, mit diesem Verein ist ganz Großes möglich. Und ein anderer Gedanke den bestimmt viele unterbewusst hatten: „Wir sind wieder wer.“

Das war wirklich der Anfang vom Ende des Spruchs: „Typisch Augschburg!“ Auch wenn das vielleicht noch nicht bei allen Augsburgern angekommen war. Die nächsten Jahre, die auch teilweise grauenhaften Fußball beinhalteten, zeigten es. Und man schafft das, was der Mannschaft um Helmut Haller verwehrt blieb. Man stieg in die Bundesliga auf. Nicht nur das. Man spielte dann sogar nach zwei hart umkämpften Klassenerhalten großartigen Fußball. Schlug sogar zweimal den großen FC Bayern. Und wurde mit der Europa League belohnt, und das sogar an der altehrwürdigen Anfield Road.

Nach dem Spiel in Liverpool hab ich gesagt: „Das ist der Höhepunkt und geiler wird es nicht mehr“. Ich bin trotzdem noch regelmäßig ins Stadion, habe viele Auswärtsfahrten und Abenteuer erlebt. Und zwischenzeitlich wurde der Fußball wieder grauenhaft. Und ich hab mir in den Jahren unter Manuel Baum ernste Sorgen gemacht und überlegt kürzer zu treten. Und jetzt spielen wir zum zehnten Mal in der Bundesliga und es ist Corona und ich bin seit langem nicht mehr im Stadion gewesen. Und genau jetzt merke ich gerade, wie sehr mir das wirklich fehlt. Denn ich liebe zum einen den FCA, aber zum anderen auch die Leute mit denen ich im Stadion bin. Ein paar ehemalige Arbeitskollegen, aber auch einige Leute die ich sonst nie kennen gelernt hätte. Mir kommen jetzt schon die Tränen beim Gedanken, an das Spiel, wenn auf einmal wieder alle da sind. Meinen Vater werde ich übrigens nicht im Stadion treffen. Nicht weil es im irgendwie schlecht geht, oder so. Nein, weil er es schon lange nicht mehr aushält, da er sich zu oft aufregen muss. Schon seit der zweiten Liga: „Typisch Augschburg!“

1. Advent: Augschburgerin im Exil

29.11.2020. Heute ist der erste Advent. Nachdem Andy uns schon grandios dargelegt hat, warum er einst sein Herz an den FCA verloren hat, darf ich – Irina – heute die „Adventsreihe“ der Rosenau-Gazette fortsetzen. Die nächsten drei Sonntage werden dann weitere Fans über ihre Passion für den FCA berichten. Natürlich ganz stilecht im Ugly Christmas Sweater und mit Glühwein in der Hand. Was gibt’s schließlich schöneres als den FCA in Verbindung mit Plätzchen, Kinderpunsch, warmen Gedanken an den Augsburger Christkindlsmarkt und das Schwelgen in Erinnerungen? Stay tuned!

Im Herzen eine Augschburgerin!

Nun, ich sitze jedenfalls grade hier inmitten des ersten Advents und sinnier‘ über meine Leidenschaft für den FC Augsburg. Viele Bilder ziehen vor meinem inneren Auge vorbei. Inmitten dieser unsteten und hochdynamischen Zeit, Corona hat sich längst als Unwort des Jahres 2020 etabliert, gibt es doch nichts erwärmenderes, als sich die schönen Aspekte des Lebens vor Augen zu führen. Und meine Erinnerungen an den FCA zähle ich hier dazu.

Zum FC Augsburg hab ich eine ganz innige Verbindung und doch ist sie gewissermaßen distanziert. Schließlich lebe ich seit 2014 fast 600 Kilometer entfernt – von der schönsten Stadt der Welt. Meiner Geburtsstadt Augsburg. Hier, in meiner ostwestfälisch-lippischen Wahlheimat, weiß keiner so wirklich was über den FCA. Natürlich kommt unweigerlich und oft die Aussage, dass Augsburg doch irgendwo bei München liegt. Wenn die Leute hier überhaupt wissen, wo Augsburg geografisch einzuordnen ist. Ich darf hier jedenfalls viel Aufklärungsarbeit leisten, so viel steht fest.

Es ist doch schon erstaunlich, dass sich Heimweh und „Patriotismus“ erst mit einer gewissen Distanz oder Zeit der Abwesenheit einschleichen. Vor meinem Umzug war ich einfach auf dem Pass geboren in Augsburg. Heute bin ich stolz, Augschburgerin zu sein. Und bin ganz stolz erfüllt, wenn ich im TV was über meine City höre. Das ist meine Stadt. Und dort ist mein Fußball-Club, der sich langsam, aber sicher, vor vielen Jahren mein Herz erschlichen hat.

Ich selbst spiele, seit ich fünf Jahre alt bin, Fußball. Zufällig, weil ich als Kind aus der örtlichen Ballettgruppe geflogen bin und wegen – nennen wir es leichten Bewegungsdrangs – zum Fußball geschickt wurde. Der Fußballplatz liegt auch ganz zufällig direkt neben dem Grundstück meiner Eltern. Ein Katzensprung quasi. Als Mädchen in den 90ern Fußball zu spielen, das war noch was ganz besonderes. Da war man wirklich froh, dass es in der Nähe eine Mädchenmannschaft gab. Einen Luxus, den ich damals direkt vor meiner eigenen Haustür hatte. Und als eine der wenigen Fußballerinnen damals war man schon ein kleines Einhorn, selten und bewundert zwar, aber auch belächelt. Frauen und Fußball? Für mich seit jeher eine geniale Kombination. Für viele andere (teilweise heute noch) schwer erträglich.

Dieser örtliche Fußballverein hat mich jedenfalls, die viele Jahre aus der Ferne dem FC Bayern rund um Lothar Matthäus die Daumen gedrückt hat, gewissermaßen zum FCA geführt. Eines Tages, ein kalter Tag im Frühling 2005, bin ich mit meinen Fußballmädels ins alt-ehrwürdige Rosenaustadion zu einem Regionalliga-Spiel gefahren. Vor diesem Besuch war ich einige wenige Male im Olympiastadion in München gewesen. Die Rosenau – jeder der diese Spielstätte einmal live miterlebt hatte, war direkt in ihrem Bann gefangen. So hat es auch mich mit damals 13 Jahren gepackt – der kleine FCA, dieses charismatische Stadion, das unzählige Geschichten zu erzählen hatte. Und dazu Spieler, die man zwar lokal kannte, aber national niemand. Ich hab’s sofort geliebt. Ein Quasi-Antagonist zum schillernden FC Bayern. Und dem glamourösen Olympiastadion.

Als der FCA dann erst im zweiten Anlauf den Aufstieg geschafft hat, hatte ich mich schon als Stadiongängerin etabliert. Samstag und Sonntag waren bei mir immer für den FCA und die eigenen Fußballspiele reserviert. Dazwischen gab’s nicht mehr viel, bisschen Schule, ein wenig Familie. Und ich hab quasi nur fürs Wochenende gelebt! Trotzdem hab ich erfolgreich mein Abitur bestanden, in dem Jahr, in dem der FCA in die erste Fußballbundesliga aufgestiegen ist. Und es in die großen Stadien der Republik ging, wie beispielsweise nach Dortmund in den Signal Iduna Park. Leider habe ich da oft Probleme mit der Postleitzahl und sitze nicht immer im Gästeblock. 🙁

Früher ging man entweder ins Stadion oder man hat erst Tage später was über den Ausgang der Partie erfahren. Fußball unterhalb der Bundesliga im TV? Fehlanzeige. Für ein Mädel meines Alters und aus dem Augsburger Landkreis kommend ein schwieriges Unterfangen. Ab und an konnte ich meine Eltern zwar nötigen, mich nach Augsburg zu fahren, doch das waren eher die Ausnahmen und nicht die Regel. Erst als ich 16 war, der FCA ist zwei Jahre vorher in die zweite Fußballbundesliga aufgestiegen, bin ich dann häufiger ins Stadion. Und meine erste Dauerkarte gabs dann quasi mit der Volljährigkeit in meinem Abi-Jahr. Fünf Jahre lang war ich quasi jedes Spiel im M-Block. Bei Wind und Wetter, Kälte und Schnee. Das waren mir die liebsten Spiele! Flutlicht, Montagabend, zweite Liga – geiler Scheiß. Das waren die Momente, über die ich heute am liebsten nachdenke. Wenn’s Stadionbier wärmer ist als die Umgebungstemperatur, dann war Fußball angesagt.

Zu diesem Zeitpunkt, es war der 8.5.2011, stand ich im M-Block, als Michael Thurk zur Eckfahne sprintete. Den Eckball in den Fünfmeterraum zirkelte und Stephan Hain den Ball ins Tor spitzelte. Dann brachen alle Dämme. Rettig und Luhukay sprinteten in die Spielertraube, die das vermeintliche Siegtor feierte. Der M-Block außer Rand und Band, Bier schoss in die Höhe, die Fans hüpften und kreischten unnachgiebig. Und ich mittendrin. Wollte es auf Facebook posten, diesen Moment festhalten. 1. Bundesliga in Augsburg – das ist ein denkwürdiger Tag! Aber wie immer in der damaligen Impuls-Arena- kein Empfang. Was soll’s.

Nach Abpfiff des Schiedsrichters wurde es dann hektisch, der Fanpulk drang aufs Spielfeld und breitete sich dort aus. Mittendrin, wieder ich. Die Kleine aus dem Landkreis, total verirrt auf dem grünen Rasen. Die dann in völliger Euphorie Jos Luhukay auf die Schultern sprang, ihn herzte und sich tausendmal bedankte – für diesen Moment. Für die Sensation. Bei der Rückfahrt mit der Tram zum Hauptbahnhof hab ich gelacht wie noch nie und abwechselnd geweint, wie beim ersten Herzschmerz. Das ist halt der FCA. Das ist diese sagenhafte Passion, man weint mit, man lacht. Es kann einem nicht egal sein, was dieser Club macht. Man hängt irgendwie mit drin.

Was ich mit diesem Club, mit diesem Verein und der Familie der Fans so alles erleben durfte – das ist unbeschreiblich. Die ersten zwei Saisons in der Bundesliga, dieses immer ganz knappe „Nicht-Absteigen“. Ein erster Vorgeschmack des Herzinfarkts. Permanent im Krisenmodus zu sein und doch entspannt zu bleiben, das beschrieb damals wie auch heute den FCA. Als wir dann 2014/2015 die Europa League klar machten, war das quasi die Meisterschaft für mich. Der FCA in Europa, da kennt uns #keinesau. Noch schlimmer, als wenn ich hier in Ostwestfalen vom FCA spreche, ich schwör’s.

Jedenfalls hatte ich meine schönste Auswärtsfahrt nach Alkmaar, Holland, im Jahr 2015. Es war der 3. Spieltag der laufenden Europa-League-Saison. Nach verfrühtem Feierabend am Donnerstag, dem 22.10.2015, wurde der örtliche Supermarkt geplündert, meine zwei besten Freunde und eine Arbeitskollegin mit dem Auto abgeholt und die Segel gen Holland gehisst. Von mir, die damals dann schon in Ostwestfalen lebte, ist man schnell in Holland. 3 Stunden, 4 Bier und 2 Staus später sind wir jedenfalls in Alkmaar angekommen. Traum von Amsterdam wurde während des Fußmarsches spontan zu Traum von Alkmaar umgedichtet. Geilstes Feeling, international.

Der FCA hat genialer Weise noch mit 1:0 gewonnen und meine Truppe und ich – wir waren in einer örtlichen Kneipe. Ich habe meinen FCA Schal gegen den Alkmaar Schal des holländischen Kneipen-Wirts getauscht. Heute hängt der FCA Schal in der Fußballkneipe in Alkmaar neben einem AC Mailand und einem FC Barcelona Schal. Das ist Fußball, das ist Europapokal. Das war ein magischer Abend. Und er war noch lange nicht zu Ende, denn es ging am selbigen Abend noch weiter nach Amsterdam, den Sieg feiern. Ich hab’s gefühlt damals, ich fühle es jetzt. Leidenschaft, Nostalgie und ganz viel Sehnsucht. Ob ich nochmal was derartiges erleben darf mit unserem FCA? Ich hab auf jeden Fall den Urenkeln bald mal viel zu erzählen. Und darauf bin ich stolz. Das ist Original 1907!

Heute bin ich älter, weiser und kritischer mit dem FCA. Ihr lest es öfter hier in der Rosenau Gazette. Ich bejubel‘ nicht mehr jede Aktion und laufe nicht blind hinterher. Hinterfrage auf der einen Seite und lobe auf der anderen. Der Verein ist nicht mehr der kleine Underdog irgendwo aus dem Süden der Nation. Sondern ein gestandener Bundesligaverein. 10 Jahre in Folge, das ist kein Scherz – es ist Realität. Es macht mich stolz, damit aufgewachsen zu sein. Ein Teil davon zu sein und so viel miterlebt zu haben. Gute wie auch schlechte Zeiten. Ich freue mich, wenn ich irgendwann meinen Kindern kitschige FCA Strampler anziehen darf. Und mein Kind dafür rügen werde, wenn es kein FCA Fan werden sollte – nicht, dass diese Option überhaupt bestünde 🙂

Warum ausgerechnet ich ein Augschburger Original bin? Ich bin mit Augsburg heute verbundener als früher, als ich vor Ort war. Ich verfolge aufmerksam die Entwicklung der Stadt, des Landkreises und meines Herzensclubs. Freue mich immer noch wie ein Kind auf die Bundesligaspiele meines FCA, das zehnte Jahr in Folge mittlerweile. Das ist so geil, weil es so „unerwartet“ ist. Und immer noch unfassbar. Diese Dankbarkeit erfüllt mich von Zeit zu Zeit, auch das macht mich zum Original, denn jeder der es mit dem FCA schon länger hält, ist absolut dankbar für die Möglichkeit, Jahr für Jahr Bundesliga zu spielen. Beim FC Bayern anstatt bei Wehen-Wiesbaden. Es ist auch mal ganz schön zu wissen, dass viele Vereine gerne mit uns tauschen würden. Und wir in uns – ungeachtet von Corona – sportlich in einer ganz tollen Lage befinden.

Mittlerweile haben wir Fans aus aller Herren Länder. Und ich weiß, ich hab die Augsburg DNA, weil ich viele abwechslungsreiche Zeiten mitgemacht habe und doch dem FCA treu geblieben bin. Ich geh immer noch am liebsten mit Freunden ins Stadion, trink ein gutes Stadionbier und freue mich über jeden Punkt in der Bundesliga. Ich verteidige diesen Club – auch wenn’s manchmal sinnlos ist und mir die Argumente ausgehen. Bin tieftraurig nach Niederlagen. Kann mir ehrlich nicht helfen, das Wochenende ist dann immer versaut. In Diskussionen gebe ich mein Herzblut für den FCA.

Tobi Werner ist immer noch der größte für mich – das Trikot mit der Nummer 13 hängt im Schrank und ich habe diese ultimative Sehnsucht, gerade in kontaktlosen Zeiten wie Corona, nach Menschen im Stadion und nach glorreichen Auswärtsfahrten. Das sind die wirklich magischen Momente. Das sind die Momente, die jetzt euer Herz erfüllen, wenn Corona mal wieder auf die Stimmung drückt. Und die ihr euch im Geiste unter den Weihnachtsbaum legt. Neben Gesundheit für eure Liebsten.

Bleibt gesund, Leute. Folgt den Regeln. Genießt den Advent. Bleibt Originale und lasst euch die Liebe für den FCA nicht nehmen. Nicht durch schlechte Zeiten. Auch nicht durch schlechte Publicity. Und schon gar nicht von Karl-Heinz Rummenigge. Keep calm und support FCA. Ich tu’s.

Ist der Lack ab?

Immer wieder erfreue ich mich über Entwicklungen rund um den FCA. Es entscheiden sich gestandene Bundesligaspieler wie Strobl und Caligiuri sich unserem Verein anzuschließen. Und spielen dann – zusammen mit dem Rest des Teams – während des ersten Saison-Viertels so gut, dass die Abstände nach unten komfortabel sind. Der FCA steht wirtschaftlich auf soliden Füßen und es geht zumeist ruhig zu. Die Fans, die sich im Verein Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V. (UBT) organisiert haben, tuen weiter gutes. Unter anderem haben sie einen Fitnessraum für Ex-Häftlinge mit Sportgeräten ausgestattet. Der FCA ist kein Verein in einem Dauerkrisenmodus (wer würde hier gerade nicht an Schalke 04 denken). Alles toll, oder nicht?

Ich will mal mit einer Meldung zum Engagement der UBT starten. Vorweg: ich halte das Engagement der UBT für vorbildlich und inspirierend. Die UBT zeigt, dass es beim Fußball um mehr geht als nur das Sportliche. Sie zeigt auch, wie Fußballfans in der allergrößten Mehrheit sind: eben keine Krawallmacher und Rowdies. Und nun kommt der FCA ins Spiel, der das Engagement der UBT für die eigene Außendarstellung auf der Webseite nutzt. Bevor dann in der Meldung ein Vertreter der UBT zu Wort kommt, ist es FCA-Geschäftsführer Michael Ströll, der feststellt: „Wir wollen da möglichst im Hintergrund bleiben, aber wir unterstützen die Fans bei diesen Aktionen gerne“. Deswegen musste Ströll wohl auch mit aufs Foto und nimmt dort – im Vordergrund – am meisten Raum ein. Na klar.

Michael Ströll stellt die nächste Marketing-Kampagne vor und es wird weiter das Image poliert. (Foto: kolbert-press/Christian Kolbert)

Diese Aktion und wie sie für die Darstellung nach außen genutzt wird, passt momentan ganz gut in die allgemeine Gemengelage des Vereins. Wir sind im zehnten Jahr in der Bundesliga und der besondere Charme des FC Augsburg ist verflogen. Das „Anfield auf dem Lechfeld“ ist eine Erinnerung. In diesen Zeiten darf niemand ins Stadion und auch vorher waren die Gänsehautmomente weniger geworden. Wenn es um Vereine geht, die öffentlichkeitswirksam an Konzepten arbeiten, um ihre Fans wieder ins Stadion zu bekommen, dann ist vom FCA nichts zu hören. Da mag man vom Vorschlag der Unioner halten, was man will, aber die Absicht dahinter ist sehr deutlich. Fußball ohne Fans ist nicht dasselbe und Union versucht das Problem – zugegeben auf peinliche Art und Weise – zu lösen. Beim FCA herrscht derweil Stille.

Stille ist ein gutes Stichwort. Insgesamt ist die Kommunikation des Vereins mit der Öffentlichkeit weniger geworden. Spieler und Verantwortliche geben gefühlt weniger Interviews. Nachrichten werden zuerst durch den Verein und seine Social Media Kanäle verbreitet, bevor Pressemitteilungen versandt werden. Dazu gibt es Exklusivinterviews und gute Laune Videos auf Youtube. Kritische Fragen sind bei diesen Interviews nicht zu erwarten. Der FCA ist auf diesem Weg kein Einzelfall. Er ist allerdings auch keine positive Ausnahme. Und diese liebenswürdige Authentizität früherer Jahre ist verloren gegangen.

Zdenko Miletic in 2006 als er in der zweiten Bundesliga für den FCA noch aktiv auf dem Rasen war. (Photo by Volker Dziemballa/Bongarts/Getty Images)

Und so geht in diesen Tagen die Suche weiter, nach dem, was unseren Club besonders macht. Der Umgang mit dem eigenen Personal ist es mit Sicherheit nicht. Da gibt es die Personalrochaden auf der Torhüterposition als auch den Umgang mit den langjährigen Führungsspielern. Nun kann von uns niemand die Kompetenzen von Zdenko Miletic beurteilen, da wir das Torwarttraining beim FCA nicht mitbekommen. Über viele, viele Jahre wurde Miles Arbeit allerdings zumindest öffentlich nie in Frage gestellt und auch Stefan Reuter hat bei allen Trainerwechseln immer an ihm festgehalten. Dieser Abschied im Stillen widerspricht nun zum letzten Saisonende dem Gedanken der FCA-Familie, der öffentlich immer gern so hoch gehalten wurde. Wenn Mile nicht Teil dieser Familie ist, wer ist es dann?

Insgesamt bedrückt mich diese Entwicklung. Der FCA stach für mich über viele Jahre heraus aus der grauen Masse des Bundesliga-Kommerzes. Wir waren David im Kampf gegen viele Goliaths. Das sind wir nicht mehr. Die Rolle des Davids haben Armina Bielefeld, der SC Paderborn oder Union Berlin übernommen. Neben der sportlichen Rolle ist allerdings auch neben dem Platz etwas verloren gegangen. Das ist vielleicht auch gar nicht so neu.

Rasen und Beton drum herum. Das Besondere geht mittlerweile ab. (Foto: Marcel Engelbrecht/firo Sportphoto/POOL)

Mehr und mehr scheint diese Entwicklung allerdings vielen bewusst zu werden. Die Kommentare von anderen Fans in den sozialen Medien zeigen doch eine große Ernüchterung. So wird längst nicht mehr nur über Sportliches gemotzt, wenn gegen Gladbach kein Offensivfeuerwerk gezündet wird. Der Lack ist nämlich nicht ab. Das war er in Augsburg lange Jahre. So liebten wir unseren FCA. In der Zwischenzeit wurde das Gefährt grundsätzlich neu lackiert. Es ist nicht mehr alles nur rot-grün-weiß. Auch neongelb als Trikotfarbe und farbangepasste Logos auf den Logos haben sich eingeschlichen. Es verkauft sich besser. Und es wird andauernd poliert. Man schaut, dass man ja nirgends aneckt. Ecken und Kanten und die ein oder andere Macke machen diesen Verein aber doch erst zu dem, was er ist. Machten ihn zumindest zu dem, was er einmal war. Wenn man heute zusammen mit anderen Vereinen von Kalle Rummenigge abgewatscht wird, dann liegt das nicht an den krassen Forderungen, sondern am Irrwitz des Bayern-Verantwortlichen.

Und so kann auch das gute erste Saison-Viertel nicht über die Probleme hinwegtäuschen. Im Gespräch mit der Rosenau Gazette bestätigte Mario Riedel von der Ulrich Biesinger Tribüne e.V., dass viele Fans den Verein gerade in der jetzigen Phase kritisch beurteilen. „Es steht zu sehr das Wirtschaftliche im Vordergrund.“ stellt Riedel fest. „Dazu fehlen im Verein die Mitsprachemöglichkeiten für die Fans.“ Gerade in der jetzigen Phase könnte der Verein Impulse abseits des Platzes setzen. Alleine, wer würde denn noch Kampagnen fahren, wenn keine Fans ins Stadion gelockt werden müssen. Der, der „Ugly Christmas Sweater“ oder Fanartikel in der rot-grün-weißen Woche verkaufen will. Es ist einfach nur schade. Denn es gibt so vieles, was den FCA immer noch toll und besonders macht. Und das sollten wir alle zusammen ausbauen. Ebend „Immer noch Original 1907„.

Immer noch Original 1907

Am letzten Samstag habe ich an dieser Stelle die T-Shirt Aktion 2020 gestartet. Auf dem Shirt steht „Immer noch Original 1907“. „Original 1907“ ist vielen Fans in Augsburg ein Begriff. Jede, die in Augsburg mal im Stadion war, hat das Banner zumindest schon mal unterbewusst wahrgenommen. „Original 1907“ steht auf einem großen Banner, hinter dem sich die gesamte Ulrich Biesinger Tribüne versammelt. Schon so lange, dass „damals“ als man angefangen hat, sich hinter diesem Banner zu versammeln, die Tribüne noch nicht nach Ulrich Biesinger benannt war und der M-Block sich noch im Rosenaustadion befand.

Ungefähr so lang, wie dieses Banner schon am Zaun hängt, ist meine Reise mit dem FCA mittlerweile. Nach sporadischen Besuchen vor dem Sommer 2006 und dem Aufstieg in die zweite Bundesliga, habe ich meinen Spaß am Besuch von Fußballspielen während der WM wiedergefunden. Ich hatte das Vergnügen in München am WM-Spielort zu arbeiten. Die Atmosphäre aufzusaugen. Die verbindende Energie von Fußball zu erkennen. Es war nicht nur ein Slogan. Es war „die Welt zu Gast bei Freunden“. Mit reichlich Bock auf Fußball, war die Dauerkarte im M-Block der logische nächste Schritt. Quasi ein erster Schritt.

Seit vielen Jahren ist „Original 1907“ immer dabei. Zumindest in meinem Leben. (Foto: Imago)

Und so viele weitere erste Schritte sollten für den FCA und für mich folgen. Wenn ich jetzt aus der Erinnerung wüsste, welches das erste Auswärtsspiel war. München wäre logisch. Es könnte aber auch Fürth oder Mainz gewesen sein. Auswärts war immer Abenteuer. In Fürth haben sich Augsburger mit Augsburgern geprügelt. In Mainz habe ich beim ersten Mal nicht mitbekommen, wie nach dem Spiel eine Fahne abhanden kam. Bei den nächsten Malen war dann immer klar, dass es in Mainz „besonders“ war. Marc Prettenthaler hatte dort mal einen guten Tag. Und es war gut, so lange es noch am Bruchweg war. Nicht alles ist besser geworden.

2011 endete dann das Abenteuer 2. Liga und die Sensation Bundesliga begann. Nach einem ersten Jahr, in dem alleine der Klassenerhalt eine Sensation war, haben Stefan Reuter und Markus Weinzierl erst angefangen Träume zu ermöglichen und dann erfüllt. Aber erst nachdem Sascha Mölders mit seinen Toren mit vielen möglichen Körperteilen und ein gehaltener Elfmeter von Manninger das dritte Jahr überhaupt erst ermöglicht hatten. Das war insgesamt die Phase, in der sich viele Neue hinter dem Banner „Original 1907“ einfanden. Die Jahre in denen es sehr einfach war, Fan des FC Augsburg zu sein. Jeder Teil des Spektakels sein wollte. Kaum jemand nach Wolfsburg fuhr, aber alle nach Liverpool wollten. Augsburg wer war in Deutschland. Und Europa. Mehr als #keineSau.

Nach den Höhepunkten kam nun in den letzten Jahren die Ernüchterung. Vom Augsburger Anfield hat man auch vor Corona schon nicht mehr gelesen. Der Zuschauerschnitt ging insgesamt nach unten. Das Team spielte nicht mehr so inspiriert. Trainer kamen und gingen. Wir haben in diesem Bereich immer noch nicht die Frequenz anderer Bundesligaclubs erreicht, aber wir holen auf. Und der FCA an sich ist schlicht die Graue Maus der Bundesliga geworden. Bevor Rummenigge nun den FCA nicht eingeladen hatte, kann ich mich nicht erinnern, wann der Verein das letzte Mal an irgendeiner Stelle angeeckt wäre.

Gerade in diesen Zeiten, in denen Fans ihre Teams nicht im Stadion unterstützen können. Zeiten, in denen man sich manchmal fragt, welche Bedeutung den Fans von Verantwortlichen im Fußballbetrieb zugestanden wird. In diesen Zeiten ist der Slogan auf den T-Shirts ein Zeichen. Es ist das „I’ll be back“ des treuen Fußballfans, der zurückkommt, wenn er wieder darf. Den man auch in diesen Zeiten nicht los wird. Nicht den Jubel. Und auch nicht die Kritik. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass dieser Verein klare Kante gegen rechts setzt. In keinster Weise diskriminierend handelt. Minderheiten unterstützt und nicht ausgrenzt. Bunt ist. Laut ist. Spaß macht. Auf und neben dem Platz.

Insgesamt ist aber auch klar, dass auf Grund der Historie jeder „Original 1907“ anders für sich interpretiert. Meine Identität als Fan besteht aus vielen, vielen Puzzleteilen, die ich hier nur anreißen kann. Ich stelle mir manchmal die Frage: Ab welchem Punkt würde ich mich nicht mehr hinter diesem Banner sehen? Es waren immer die Kontakte mit anderen FCA Fans, die dem ganzen eine besondere Bedeutung gegeben haben. Gemeinsame Besuche von Spielen mit der Familie, das erste Mal mit der Tochter, die Auswärtsfahrten, Telefonate und Podcastaufnahmen. Dabei habe ich versucht seit einiger Zeit etwas zurück zu geben, erst für Simon, dann für den bunten Kreis und das Grandhotel Cosmopolis. Jetzt für Queerbeet e.V.

Taten statt Worte – dieser Beitrag ist ein Versuch in diese Richtung (Foto: Imago)

Indem wir jetzt genau dieses „Original 1907“ auf die Shirts gepackt haben, wollen wir es ehren und weiter hervorheben. Es in seiner Wirkung verstärken. Ich hoffe, dass versteht niemand falsch. Wenn dem so ist, dann tut es mir leid. Falls die Aktion euch taugt, kauft euch im Shop ein Shirt, ansonsten könnt ihr hoffentlich einfach damit leben. Vielleicht ist dieser Blog schlicht der komische Onkel der FCA Familie. Gerade wenn man sich unser Team anschaut, dann haben hier Fans eine Heimat gefunden, die einen weiten Weg nach Augsburg haben. Mit ihren Fantum auf diese Weise umgehen.

Wir grenzen dabei niemanden aus. Indem wir gerade nicht eine Definition vorgeben, sondern jede für sich bestimmen kann, was sie mit „Immer noch Original 1907“ verbindet. Jede hat so eine Möglichkeit eine eigene Auslegung zu finden. Ich habe in der Zwischenzeit andere FCA Fans gebeten, aufzuschreiben, was sie damit verbinden, Fan des FC Augsburg zu sein. Sich als „Immer noch Original 1907“ zu sehen. Ein paar Geschichten werden so in den nächsten Wochen hoffentlich folgen. Wer an dieser Stelle gerne ihre eigene Geschichte teilen will, die schreibt doch gerne eine Email an kontakt@rosenau-gazette.de. Hoffentlich finden sich in Zukunft viele von uns hinter diesem Banner. Und treten für die Werte ein, die wir alle damit verbinden. Tun gemeinsam als Fußballfans manchmal etwas gutes. Ich habe es mit dieser Aktion zumindest mal wieder versucht.

VAR fürn Arsch

Meinem Unmut über das Spiel gegen Hertha und auch die Unzulänglichkeiten des Teams an diesem Tag habe ich ja schon Luft gemacht. Die Abseitsentscheidung, die das Tor von André Hahn anuliert hat, war an diesem Tag trotzdem hervorzuheben. Ein Tor zu diesem Zeitpunkt – der Führungstreffer zum 1:0 5 Minuten vor der Halbzeit – hätte dem Spiel eindeutig eine andere Wendung geben können. Aber so wurde auf abseits entschieden, im Kölner Keller überprüft und dann später pünktlich zur Pause gepfiffen. Insgesamt wird das Spiel so durch den VAR sogar noch ungerechter, als es vorher war. Und das ist Mist.

André Hahn war zurecht enttäuscht während des Spiels gegen Hertha, wurde ihm doch ein Tor wegen einer knappen Abseitsentscheidung aberkannt (Foto:Frank Hoermann / SVEN SIMON / POOL via/EIBNER/Roger Buerke und Imago)

Über den VAR

Der Videobeweis wurde zur Saison 2017/18 eingeführt, um die großen Fehler aus dem Fußball zu eliminieren. Das Spiel gerechter zu machen. Lange führte das schlicht zu Chaos. Zwar sollte der Videoreferee – kurz VAR – nur eingreifen, wenn eine eindeutige Fehlentscheidung vorlag. Daran gehalten hat er sich vielfach nicht. Das hat sich mittlerweile relativiert. Der VAR greift mittlerweile meist nur noch ein, wenn Entscheidungen zu 100% falsch sind. Gerechter wird das Spiel dadurch nicht. Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters ist immer noch die entscheidende, solange sie denn nur im entferntesten vertretbar war. Ein Schiedsrichter hat immer noch die Möglichkeit Teams zu bevorteilen und gerade bei Elfmeterentscheidungen gibt es doch erheblichen Auslegungsspielraum. Regeln wie das Handspiel im Strafraum sind immer noch eine Lotterie in Bezug auf ihre Auslegung. Man kann festhalten, dass es den VAR in den seltensten Fällen braucht. Gut so, möchte man meinen.

VAR im abseits

Wenn da nicht das Abseits wäre. Beim Abseits ist die Regelung beim VAR, dass eindeutig entschieden werden kann, ob es abseits war oder nicht. Kein „im Zweifel für den Angreifer“ mehr, wie wir es von früher noch kannten. Damit war schon vor dem Spiel des FCA gegen Hertha viel Ärger verbunden. Im Kölner Keller wird der Zeitpunkt festgelegt, in dem der Ball den Fuß verlässt. Lässt sich vom VAR wirklich genau einschätzen, wann genau der Ball den Fuß verlässt?Aus einer der vielen Perspektiven? Immer? Dann wird mit dem Lot eine Linie gefällt und auf der Angriffslinie gesehen, welcher Spieler mit welchem Körperteil im Abseits war oder nicht. Grundsätzlich kann ein Spieler nur mit einem Körperteil im abseits sein, mit dem er auch regelkonform den Ball spielen darf. Oder hat sich das schon wieder geändert? Wie ist die Kameraperspektive und verzerrt die nicht? Schnell soll es dazu gehen. Kann der VAR unter diesem Zeitdruck immer perfekt arbeiten?

Der Prozess hakt

Es kommen einem Zweifel, die auch in der Umsetzung des Prozesses begründet liegen. Sky macht sich gar nicht erst die Mühe, während die Situation überprüft wird, mit präzisen Bildern für Klarheit zu sorgen. Kommentator Jonas Friedrich hatte im Einzelspiel klar gesehen, dass André Hahn bei seinem Tor im Abseits stand. Eine Linie wurde während der Übertragung nicht gezogen. In der Halbzeit war dann Michael Ströll beim Interview und hat – dankenswerterweise – kritisch nachgefragt. Mit etwas Verspätung durften die Zuschauer einige Sekunden auf die Linie blicken. Kein Herleiten des Moments der Ballabgabe. Keine unterschiedlichen Perspektiven. Die Situation wurde in etwas so transparent aufgelöst, wie die Stimmenkäufe bei einer WM-Vergabe.

Weg mit dem VAR

Wo uns mehr Klarheit und Fairness versprochen wurde, da haben wir nun Spielunterbrechungen, die keinen Mehrwert bieten. Das Spiel wird zerstückelt und seines Flußes beraubt. War die Situation nicht doof genug für den FCA, indem ein Tor nicht anerkannt wurde, so hat die Überprüfung durch den VAR den Spielfluss an der Stelle nur noch weiter gestört. Hertha konnte etwas Luft holen und kurz nachher selbst in Führung gehen. So stellen schon alleine die Minuten einer VAR-Überprüfung eine Irritation des Spielgeschehens dar. Ein Spielgeschehen, dass es zu schützen gilt, um den Fußball in seiner Form zu erhalten. Ohne Pausen wie beim Eishockey oder Basketball. Auch nach fast 3,5 Jahren lässt sich so feststellen, dass diesen VAR keiner braucht. Der VAR ist damit, wie die letzte Partie gegen Hertha, schlicht fürn Arsch.

Rumpelstilzchen

Da lag er nun der Fehdehandschuh, auf den Münchens Karl Heinz Rummenigge am Frankfurter Flughafen trotzig verwies. Angefangen haben natürlich immer die anderen. Angesichts der strengen Schelte des pater familias nach dem geheimen-und-dann-doch-wieder-nicht-so-geheimen Treffens von 15 Erstligisten und dem HSV könnte man meinen, die dezidiert ausgeladenen Vereine aus Augsburg, Stuttgart, Bielefeld und Mainz sowie das Gros der Zweitligisten hätten in ihrem gemaßregelten Positionspapier gefordert, ab kommender Saison bei Spielen gegen die Top 5 mit einem 3 Tore-Vorsprung zu starten oder den FCB in die Erste Liga Katars zu versetzen. Doch mitnichten. Den Bayern und ihren medial wirksam zusammengetrommelten Fanclubs war es schon Affront genug, dass die kleinen Vereine da unten schlicht eine eine gerechtere Verteilung der Fernsehgelder vorgeschlagen haben. How dare you Augsburg?

Rummenigge ohne Maske vor dem Mund. Leider versteht man dann zu viel von dem, was er sagt. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dass man als Bayerns Vorstand in Fragen des Geldes nicht unbedingt die erste moralische Instanz in diesen Landen ist, war dann aber sogar Kalle bewusst und so bemühte man sich emsig, die Kritik damit zu verknüpfen, dass man sich vor allem eine Einflussnahmen auf das unabhängige und integre DFL Präsidium verbitte. Dass in jenem Präsidium unter anderem auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzchef des FCB sitzt, bleibt dabei erstaunlicherweise unberührt. Sind wir nicht alle Bayern? So mag man es zumindest in München sehen und zaubert zum Beweis der eigenen Grandeur sogleich den armen Thomas Hitzlsperger aus dem Hut, dem man am Vortag glücklicherweise noch erklären konnte, wie es so läuft in der Fußballwelt.

Thomas Hitzlsperger hat sich gestern bei mir gemeldet, wir hatten ein gutes Gespräch. Ich habe auch gefragt, warum er dieses Papier unterschrieben hat, weil ich das von einem traditionsreichen Verein wie dem VfB nicht verstanden habe. Es war immer die Stärke der DFL, dass alle 36 Klubs an einem Strang gezogen haben. Und das haben diese 14 Klubs mit dem Versenden dieses Papiers, in dem es nicht nur um mögliche Veränderungen bei der TV-Gelder-Verteilung ging, sondern auch um eine Konditionierung des DFL-Präsidiums, vorgenommen. Das ist nicht das, was wir uns unter Zusammenarbeit vorstellen. Ich habe das Thomas auch so erklärt. Und ich sage mal, dass in der Vergangenheit aus manchem Saulus auch ein Paulus wurde.

K. H. Rummenigge zum Zustand der Welt (Kicker Online)
Thomas Hitzlsperger tut dem VfB Stuttgart anscheinend nicht nur sportlich gut. Er hat zudem klare Standpunkte, die er abseits des Rasens vertritt. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Und so erwartet der bayerische Vorstandsvorsitzende noch mehr reumütige Rebellen, die in sein Lager zurück kommen werden. Wobei König Karl-Heinz natürlich ostenativ in endloser Redundanz das „wir“ bemühte. Berauscht von der eigenen Größe und Großmütigkeit: die G15, die selbstredend für weitere Vereine offen stehe. Wenn der FCA sein Zimmer aufgeräumt und sich die Hände gewaschen hat, darf er auch beim Abendessen mit am Tisch sitzen, wenn das Familienoberhaupt den Sonntagsbraten anschneidet.

Glücklicherweise gibt es zu Rummenigges Vorstoß nicht nur Kritik von Seiten der Presse sondern auch von ehemaligen Funktionären wie Augsburgs Ex-Manager Andreas Rettig, dem man in fußballmoralischen Fragen derzeit blind vertrauen kann. Unverständlicher ist es allerdings, dass die geladenen Vereine des Club of 15 dieses offensichtliche Bauerntheater freimütig mitmachen und Karls Deutung unkommentiert stehen lassen. Dabei sprechen wir nicht nur von Freiburg oder Frankfurt, die sich eigentlich gerne den Begriff der „Fußballkultur“ auf die Fahnen schreiben, sondern von allen Vereinen, die auf absehbare Zeit ein Interesse an einem ausgeglicheneren Wettbewerb haben und die Wert auf die Meinung Ihrer Fans und Mitglieder legen.

Auch Andreas Rettig schlägt bei Rummenigges Aussagen nur die Hände über dem Kopf zusammen. (Photo by Cathrin Mueller/Bongarts/Getty Images)

Die Verteilung der Fernsehgelder ist ein zentraler Punkt der Kritik von Zuschauern und Fan-Verbänden und sollte damit auch das zentrale Anliegen der Clubs sein. Aber derzeit sieht wieder nicht danach aus, als wird sich hier viel ändern. Das Ungleichgewicht wäre auf Jahre zementiert und dem allzu geläufigen Bild vom Teufel und dem Haufen entsprechen. Verknüpft wird das gerne mit dem Fingerzeig auf den internationalen Wettbewerb und die internationale Wettbewerbsfähigkeit (ergo: das Geld). Aber das Handeln der Liga darf nicht darauf ausgerichtet sein. Kern und Leitbild muss der Samstagnachmittag um 15:30 Uhr bleiben, alles andere ist nachrangig. Und dabei geht es nicht darum, künstlich den Wettbewerb zu verbessern oder den Bayern Steine an die Schuhe zu binden. Auch mit einer gerechten – sprich gleichen – Verteilung der Fernsehgelder werden die Münchener dank beispiellosem Sponsoring und dem schon angeführten Haufenprinzip auf Jahre hinweg Vorteile haben. So ist das eben in einem sportlichen Welt, die allzu lange rein marktwirtschaftlichen Erwägungen gefolgt ist. Aber es würde die gesamte Bundesliga wesentlich attraktiver machen. Und es ist sicherlich nicht zu erwarten, dass ein neuer Schlüssel die Bundesliga im europäischen Vergleich abwerten würde. Ganz im Gegenteil. Dies könnte, einhergehend mit anderen dringend notwendigen Reformen, wie einer Gehaltsobergrenze für Spielergehälter, dafür sorgen, dass die finanziell vollkommen abgehobene Fußballwelt wieder geerdet wird und ein neuer Wettbewerb einzieht. Und hierfür müssen alle Clubs als Vertreter ihrer Mitglieder mit neuem Verve streiten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Rummenigge das Bild der Solidargemeinschaft bemüht, die die opportunen Clubs, mit ihrem Positionspapier verlassen hätten. Denn man könnte nach seinem Auftritt eher den Eindruck bekommen, die Solidargemeinschaft bestehe darin, dass die Liga gefälligst für die Bayern zu spielen und zu zahlen habe. Es ist an der Zeit, dass sich die Erste und Zweite Liga eindeutig im Sinne der Fans positionieren und dieses Machtgefüge zum Wohle aller Vereine und der Ligen als solcher in Frage stellen. Dass der FCA hier eine Vorreiterrolle einnimmt ist ein gutes Zeichen. Nun seid solidarisch.

(Die Ulrich-Biesinger-Tribüne hat dem FCA die volle Rückendeckung ausgesprochen. Die Forderung nach einer gerechteren Verteilung der TV Einnahmen war hier schon vorher oftmals geäußert worden.)

Money, Money: „Welche Liga wollen wir?“

„Die DFL füttert ihr fettestes Kind 15 Mal mehr als ihr kleinstes. Für die FAIR-Teilung der TV-Gelder!“ Dieses Banner platzierten die Fans von Union Berlin im Heimspiel gegen Mainz gut sichtbar an der Gegengerade. Sie kritisierten damit die Verteilung der Medienerlöse, für die die Deutsche Fußball-Liga (DFL) verantwortlich ist. Auch wir wollen nun einen Blick auf die Ausschüttung der Fernseheinnahmen werfen und stellen wenig überraschend fest: Es muss sich etwas ändern – Ansonsten schaufelt sich die Bundesliga ihr eigenes Grab.

Das „fetteste Kind“, der FC Bayern, kassiert laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung 113 Millionen Euro an TV-Einnahmen, das „kleinste“, Zweitligaaufsteiger Würzburg, etwas mehr als 7,5 Millionen Euro. Das entspricht ziemlich genau einem Fünfzehntel des Bayern-Anteils. Bei diesen Angaben handelt es sich um die Vermarktung der nationalen und internationalen TV-Gelder. Der FC Bayern generiert knapp 40 Prozent seiner DFL-Medienerlöse (42,3 Millionen Euro) durch internationale Vermarktung.

Der FCA profitiert noch immer von 2015

Der FC Augsburg bekam dem Kicker zufolge vergangene Saison 6,8 Millionen Euro aus diesem Topf. Entscheidendes Kriterium ist hier die Qualifikation für Europa. Weil der FCA in den letzten zehn Jahren international vertreten war, gibt es einen Zuschuss von der DFL. Union Berlin hingegen bekommt lediglich einen Solidaritätsbeitrag von 3,4 Millionen Euro. Alle Zweitligisten zusammen erhalten in Summe 6,5 Millionen Euro. Ein ziemlich kleines Stück des Europa-Kuchens.

Die internationale Ausschüttung ist also ganz klar an die Leistungen in Champions League und Europa League gekoppelt. Daraus resultiert zwangsläufig, dass die besseren Klubs mehr Geld bekommen. Geld, mit dem sie sich eher wieder für das internationale Geschäft qualifizieren.

Auch beim Blick auf die nationale Verteilung ist sofort ersichtlich, dass Top-Teams bevorzugt werden. Wie der Kicker (Ausgabe vom 26. Juli) berichtet, erhält der FC Bayern von der DFL 70,64 Millionen Euro und Bundesligaaufsteiger Arminia Bielefeld mit 29,80 Millionen Euro weniger als die Hälfte davon. Der FC Augsburg rangiert im unteren Bundesligamittelfeld und kassiert demnach 42,87 Millionen Euro.

Wie kommt diese Verteilung zustande?

So werden die nationalen TV-Gelder derzeit verteilt (Foto: Screenshot dfl.de)

Das Konzept der DFL fußt auf vier grundlegenden Säulen. Den größten Teil nimmt der Bestand ein, worunter eine klassische Fünf-Jahres-Wertung zu verstehen ist. Die jüngste Saison wird dabei am höchsten gewichtet. Ähnlich sieht es bei der Nachhaltigkeit aus. Hier werden alle Spielzeiten der letzten 20 Jahre in einen Topf geworfen und gleich gewichtet. In der dritten Säule geht es um die Einsatzminuten von U23-Spielern. Sie hat wie Säule 2 aber nahezu keinen Einfluss auf die Endtabelle. Komplizierter gestaltet sich der Bereich Wettbewerb, der knapp ein Viertel des Gesamtbetrages ausmacht. Dieser Bereich wird grundsätzlich gleich ermittelt wie Säule 1, wendet allerdings einen anderen Verteilungsschlüssel an. Es wird mit einem abweichenden Prozentsatz gearbeitet, sodass etwa die ersten sechs Teams denselben Betrag erhalten. Der FC Bayern kassiert hier also nicht mehr als der Sechstplatzierte. Nichtsdestotrotz thront der Rekordmeister natürlich an der Spitze der TV-Tabelle.

Die TV-Tabelle der 1. und 2. Bundesliga

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Die Verteilung der TV-Gelder laut Kicker. (Foto: Screenshot Kicker e-magazine).

Beim Betrachten der Grafik kann man den Verteilungsschlüssel mit viel Wohlwollen nachvollziehen. Nur allzu gerne spricht die DFL hier von einer gesunden Verhältnismäßigkeit im Vergleich zwischen dem Erst- und Letztplatzierten. Die Unterschiede seien letztlich mit sportlichem Abschneiden begründbar. Aber sind sie das wirklich? Eigentlich möchte man ja meinen, dass es schlicht fair ist, dass die Topteams mehr Geld bekommen. Sie haben es sich durch Leistung ja auch verdient. Das stimmt und ist gleichzeitig zu kurz gedacht.

Denn wenn die Großen der Liga mehr Geld einnehmen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch in Zukunft oben mitspielen. Folglich kassieren sie wieder mehr Kohle, nur um erneut zu den besten der Liga zu gehören. Ein Teufelskreis, der dazu führt, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander driftet. Das ist schlicht Fakt, wie im Bundesliga-Report der DFL öffentlich nachzulesen ist: Der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzstärksten Bundesligisten ist 200 Millionen Euro höher als der durchschnittliche Umsatz der sechs darauffolgenden Vereine.

Ist das noch fair?

Das Ungleichgewicht betrifft im Übrigen nicht nur die Bundesligisten, sondern zieht sich wie ein Rattenschwanz ins Unterhaus. Der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzschwächsten Bundesligisten ist 30 Millionen Euro höher als der durchschnittliche Umsatz der sechs umsatzstärksten Vereine der 2. Bundesliga. Dass das maßgeblichen Einfluss auf den sportlichen Wettbewerb hat, ist am Beispiel der Relegation eindrucksvoll ersichtlich. Seit Wiedereinführung der Aufstiegsspiele zwischen dem 16. der 1. und dem 3. der 2. Bundesliga im Jahr 2009 hat sich in zwölf Partien neun Mal der Erstligist durchgesetzt. (Im Jahr 2010 scheiterte der FC Augsburg in der Relegation am 1. FC Nürnberg.) Wenn wie vergangene Saison ein Klub fast den siebenfachen Marktwert des Kontrahenten vorzuweisen hat, ist das kaum verwunderlich.

2020 musste sich der FC Heidenheim nur aufgrund der Auswärtstorregel gegen Werder Bremen geschlagen geben. Der Klub, der über 34 Spiele hinweg absoluten Murks auf den Rasen gestolpert hatte, durfte in der Bundesliga bleiben, während der FCH für eine starke Saison nicht belohnt wurde. (Photo by CARMEN JASPERSEN/AFP via Getty Images)

Ungerecht? Na und?!

Ja mei, dann sollen die anderen Klubs halt besser wirtschaften, möchte der gemeine Münchner entgegnen. Wenn man nur auf den eigenen Verein blickt, wirken solche Aussagen nachvollziehbar. Der FC Bayern hat es sich sportlich absolut verdient, die Nummer Eins im Land zu sein, weil er seit Jahrzehnten fantastische Arbeit leistet. Es wäre daher unfair, den FCB die alleinige Verantwortung für das Ungleichgewicht in der Bundesliga aufzuhalsen.

Mittlerweile ist Fußball-Deutschland aber eben an einem Punkt angelangt, an dem der übermächtige Rekordmeister schlicht nicht mehr zu schlagen ist. Selbst ein 9-Punkte-Rückstand scheint kein Problem zu sein für den amtierenden Triple-Sieger. Die Bundesliga avanciert somit immer mehr zur Langweil-Show. Wie etwa in Frankreich ist der Titel quasi schon vor der Saison vergeben. Wenn man sich die beiden letzten Spielzeiten ansieht, kann man fast befürchten, dass dies bald auch für die internationalen Plätze gilt.

Daher muss sich etwas ändern. Die TV-Gelder müssen anders verteilt werden. Eine spannendere, ausgeglichenere Liga kann doch eigentlich nur im Sinne der DFL sein. Und im Sinne des FC Bayern? Sind die Roten überhaupt noch auf die nationale Konkurrenz angewiesen? Der Begriff European Super League geistert seit geraumer Zeit durch die Säbener Straße.

Interessant und erschreckend zugleich ist, dass bei den 113 Millionen Euro Einnahmen des FC Bayern die großzügigen Zuwendungen der UEFA noch gar nicht mitgerechnet sind. Bis zu 135 Millionen Euro (!) erhält der FC Bayern für den Gewinn der Champions League. Derartige millionenschwere Beihilfen sorgen dafür, dass die Größenverhältnisse in den nationalen Ligen zementiert werden. Der Dauerdominanz steht nichts mehr im Wege.

Nicht nur sportlich ein immens wichtiges Tor: Kingsley Comans Siegtreffer im Champions-League-Finale gegen Paris bescherte dem FC Bayern einen Rekordgewinn. Noch nie kassierte eine Mannschaft in der Königsklasse mehr. (Photo by MANU FERNANDEZ/POOL/AFP via Getty Images)

Corona als Brandbeschleuniger

Die Corona-Krise erschütterte ganz Fußball-Deutschland und potenzierte die Probleme in einigen Vereinen gewaltig. 13 der 36 deutschen Profiklubs sollen von einer Insolvenz bedroht gewesen sein, als die Saison im Frühjahr unterbrochen war. Fehlende Zuschauereinnahmen, gesunkene TV-Honorare – zwischenzeitlich sah es wohl ziemlich düster aus für so manche Erst- und Zweitligisten.

Das sagt im Grunde genommen zwei Dinge aus: Erstens, viele Vereine lebten offensichtlich jahrelang über ihren Verhältnissen. Im Januar verkündete die DFL stolz einen Rekordumsatz. Mal wieder. Es war der nächste Rekordumsatz nach zuvor bereits 14 Rekordumsätzen. Finanzielle Liquidität sollte also vorhanden sein. Eigentlich. Es kann nicht sein, dass ein ganzes Fußballunternehmen vor dem Ruin stehen soll, nur weil ein paar Wochen nicht gespielt wird. Es scheint also nicht immer die wirtschaftlich intelligenteste Entscheidung getroffen und der Blick mitunter zusehr auf den kurzfristigen Erfolg geworfen worden zu sein. Das ist am Beispiel FC Schalke 04 auf dramatische Art und Weise ersichtlich.

In Augsburg sorgt Corona derweil ebenso für Kopfzerbrechen. Doch dank vernünftigem Wirtschaften steht Rot-Grün-Weiß auch in Pandemiezeiten auf einem vergleichsweise gesunden Fundament.

Die Corona-Krise traf auch den FC Augsburg. Millionenschwere Transfers der Marke Tomas Koubek waren in diesem Sommer nicht drin. Also lotste Manager Stefan Reuter Rafal Gikiewicz, Tobias Strobl und Daniel Caligiuri ablösefrei an den Lech. (Foto: Martin Meissner / POOL / AFP)

Zweitens, Corona fungiert als eine Art Brandbeschleuniger, der die Schere in der 1. und 2. Bundesliga weiter auseinander gehen lässt. Denn es liegt auf der Hand, dass Vereine wie der FC Bayern oder RB Leipzig besser durch die Krise steuern als kleinere Klubs. Beim Branchenprimus in München konnte trotz Corona der Mega-Transfer Leroy Sané eingetütet werden, Leipzigs Hauptsponsor Red Bull stundete den Sachsen mal eben 100 Millionen Euro an Krediten. Somit wurde aus Schulden urplötzlich Eigenkapital. Herzlichen Glückwunsch!

Klein gegen Groß: Ein ungleiches Duell

Die Spitzenteams der Bundesliga werden in den aktuellen Krisenzeiten nicht zugrunde gehen. Womöglich stehen sie aufgrund ihrer vernünftigen Finanzpolitik sogar besser da als die internationale Konkurrenz aus Barcelona oder Turin. Aber den mittelstarken und kleinen Profiklubs wird es immer schwieriger gemacht, langfristig mit „denen da oben“ mitzuhalten. An dieser Stelle sei ausdrücklich erwähnt, wie stolz es einen FCA-Fan machen darf, dass der eigene Klub immer noch in der Bundesliga dabei ist. Denn beim Blick auf die letzten Jahre fällt auf, dass es Aufsteiger eigentlich überhaupt nicht leicht haben.

Seit der FC Augsburg 2011 in die Beletage aufgestiegen ist, haben sich viele Vereine daran versucht, langfristig in der 1. Liga Fuß zu fassen. Das ist auch einigen Klubs wie Hertha BSC, Eintracht Frankfurt, dem SC Freiburg oder RB Leipzig (bei weitem kein klassischer Emporkömmling) gelungen. Gleichzeitig mussten sich aber viele Vereine nach spätestens zwei Spielzeiten wieder verabschieden: Nürnberg, Fürth, Braunschweig, Ingolstadt, Darmstadt, Düsseldorf, Paderborn. Die Liste ist lang. Folgt nun Union Berlin? Ginge es nach den TV-Einnahmen müsste man diese Frage mit einem klaren Ja beantworten, denn dort rangieren die Eisernen auf einem direkten Abstiegsplatz.

Union Berlin ist 2019 in die Bundesliga aufgestiegen – und konnte sich trotz den zweitwenigsten TV-Einnahmen vergangene Saison im Oberhaus halten. Nur der SC Paderborn kassierte weniger. Können die Köpenicker erneut den Branchengepflogenheiten trotzen? (Foto: Adam Berry/Bongarts/Getty Images)

Wie nun hoffentlich klar geworden ist, geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander.

Wie könnte man es nun aber besser machen?

Mitte Oktober wurde bekannt, dass insgesamt 14 Klubs der 1. und 2. Bundesliga auf das DFL-Präsidium zugingen, um für eine ausgewogenere Verteilung der Mediengelder ab der Saison 2021/22 zu plädieren. Neben Mainz, Bielefeld und Stuttgart soll den Vorschlag auch der FC Augsburg unterstützen und ein entsprechendes Papier unterschrieben haben. Es ist stark, dass sich der FCA hier so deutlich positioniert – und das nicht erst seit heute. Bereits im Juni meinte Präsident Klaus Hofmann im FCA-Stadionkurier: „Der Fußball muss sich entscheiden, ob er wieder ein sportlicher Wettbewerb werden will oder einfach nur noch Unterhaltungsindustrie sein möchte. Für Ersteres müssen die Parameter geändert werden.“ Die entsprechenden Klubs haben nun Anstoß für ein Umdenken gegeben – nun liegt es an der DFL, sich Gedanken zu machen.

„Der Fußball muss sich entscheiden…“ Klaus Hofmann sieht die derzeitigen Entwicklungen äußerst kritisch. (Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images).

Gleiches Geld für alle?

Jan Lehmann, kaufmännischer Vorstand von Mainz 05 forderte im Sommer, die Medienerlöse komplett einheitlich zu verteilen. Gleiches Geld für alle! Im Kicker (Ausgabe vom 26. Juli) stellte er unmissverständlich klar, dass Erfolge eines Klubs „in ganz großen Teilen auf dem eingesetzten Geld“ beruhen. Für Lehmann ist klar: „Die Argumentation Leistungsprinzip ergibt keinen Sinn mehr, weil die Erträge in den UEFA-Wettbewerben enorm gewachsen sind.“

Man kann die Deutsche Fußball-Liga durchaus für die Verteilung der TV-Gelder kritisieren. Angesichts der millionenschweren Beihilfen des europäischen Fußballverbandes sollte die DFL allerdings nicht als alleiniger Sündenbock für das nationale Ungleichgewicht verantwortlich gemacht werden. Im Gegenteil. Die UEFA ließ die Medienerlöse in den letzten Jahren explodieren – höher, schneller, größer, weiter. Wohl auch mit dem Gedanken an eine European Super League versuchte sie, dass die Königsklasse für Topklubs der Marke FC Bayern oder Paris Saint-Germain attraktiv bleibt. Womit wir wieder beim viel zitierten Teufelskreis angelangt sind.

Eine gleiche Verteilung des TV-Gelder könnte diese Entwicklung stoppen, so Lehmann. „Man müsste die Medienerlöse der Bundesliga, national wie international, komplett gleich verteilen und der 2. Liga wieder mehr Geld zur Verfügung stellen. Auch von den Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb sollten die nicht beteiligten Vereine einen Teil erhalten. Das mag bei manchen Klubs als nicht gerecht empfunden werden, die Frage ist nur: Welche Liga wollen wir?“ Die Zeit, um eine Antwort zu finden, drängt. 2021 wird die Verteilung der TV-Gelder neu geregelt.

Oh, wie ist das schön

Das Spiel am Samstag gegen den BVB war nicht nur aus tabellarischer Sicht etwas besonderes. Nach über 6 Monaten durften auch mal wieder Fans ins Stadion auf dem Lechfeld strömen und den FCA unterstützen. Die Öffnung des Spiels sorgte bei einigen für Sorgenfalten. Corona geistert weiter durch die Republik und wie sollte man das Stadionerlebnis sicher gestalten? Gazetten-Freund Tobi berichtet im folgenden Gastbeitrag aus erster Hand.

Als das Hygienekonzept der DFL vorgestellt wurde, habe ich mich zunächst gewehrt. Eine stark reduzierte Anzahl an Fans und keinerlei Stehplätze? Eine Stimmung wie bei einem Freundschaftsspiel gegen den SV Heimstetten an einem lauen Sommernachmittag. Nur, dass es Herbst ist. Und kalt. Außerdem werden die wenigen Sitzplatztickets eh vermutlich recht teuer sein. Und dann immer diese elende Maske aufsetzen. Dazu lass ich mir dann noch ein schales Riegele alkoholfrei schmecken. Kein schönes Leben hier!

Das Hadern

Kurz nachdem dann bekannt gegeben wurde, dass Tickets für das Heimspiel gegen Borussia Dortmund bald in den Vorverkauf gehen und alle DK Inhaber ein exklusives Vorkaufrecht haben würden, fing ich dann an zu grübeln. Alles was es brauchte, war ein überzeugender Sieg des FCA in Berlin zum Saisonauftakt und die Nachricht eines treuen Stadionbegleiters der letzten Jahre: „Morgen gibt’s Karten für das BVB Spiel! Soll ma gehen?“. 

Vielleicht wird das alles ja doch nicht so schlecht. Am Ende wird es vielleicht für lange Zeit das einzige Spiel bleiben, bei dem die Fans dabei sein können. Versuchen können wir‘s ja mal, und wenn dann am Ende alle Karten vergriffen sind soll‘s halt nicht sein.

Die Vorbereitungen sind ungewöhnlich momentan. Besser als kein Stadion dachten sie trotzdem viele. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Ob es derzeit grundsätzlich verantwortungsvoll ist Sportveranstaltungen mit Zuschauern durchzuführen kann dabei durchaus kritisch diskutiert werden. Wenn ich mir die Beschränkungen in anderen Bereichen ansehe, stelle ich jedoch fest, dass vermehrt Veranstaltungen und Konzerte stattfinden (z.B. an der Augsburger Freilichtbühne). Nachdem nun auch der Besuch von Kneipen und Bars unter Auflagen als hinnehmbar eingestuft wird, sehe ich wenig Gründe, warum eine Freiluftveranstaltung mit einem geprüften Hygienekonzept vor leeren Rängen stattfinden sollte – ein ordentliches Konzept und stabile, niedrige Fallzahlen in der Region natürlich vorausgesetzt. Sorgen darum, dass das Ganze zu einem Superspreaderevent ausartet, hatte ich nach den ersten positiven Erfahrungen der anderen Bundesligisten am vorausgegangenen Wochenende ohnehin nicht.

Ticketvorverkauf

Am Dienstagvormittag, einige Stunden vor dem Start des Voverkaufs, informierte Geschäftsführer Michael Ströll uns dann geduldig via Livestream über die Einzelheiten der Kartenvergabe. Die Message: Der FCA hat alles dafür getan das Prozedere so fair und fanfreundlich wie möglich zu gestalten. First come, first serve; gleicher Preis für alle Plätze; Aufteilung der Fans in 2er und 4er Gruppen; Tickets für Freunde und Familien können direkt mitbestellt werden (Dauerkarte vorausgesetzt).

Alle mit Abstand auf ihren Plätzen. Anscheinend hat vieles sehr gut funktioniert am Samstag, auch auf den Tribünen. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Dass die Karten zu einem Einheitspreis von 15€ und somit nicht kostendeckend angeboten werden, ist überdies ein klares Signal, dass es dem FCA mit den Ticketverkäufen nicht darum geht Geld zu verdienen. Es soll vielmehr möglichst vielen Fans die Möglichkeit gegeben werden, den FCA lautstark zu unterstützen. Bravo FCA, ein tolles Zeichen auch an die vielen Dauerkartenbesitzer, die in der letzten Saison freiwillig auf die Rückzahlung der Dauerkarte verzichtet haben. Am Ende des Tages verwundert es dann auch nicht, dass die 6.000 Karten an den Fan gebracht wurden. Unter den Käufern: natürlich mein Mitstreiter und ich. 

Und da wuchs sie dann auch wieder – die Vorfreude. Die Vorfreude auf ein erstes Heimspiel einer Saison, das immer mit der Hoffnung beladen ist, man könne doch mal wieder oben angreifen, wenn – ja wenn doch nur dieses Jahr endlich mal wieder alles passt. Die anfänglichen Vorbehalte gegenüber dem Stadionbesuch sanken. Schlechte Stimmung im Stadion? Dann schrei ich halt noch lauter als sonst. Kälte? Dafür besitze ich genau diese eine lange Unterhose. Maske tragen? Geschenkt.

Augsburg hält Abstand

Dann endlich Samstag, Gameday! Wohl genährt machen wir uns auf den Weg zum Stadion. Was sofort auffällt: kaum ein Fan des FCA ist in der Innenstadt anzutreffen. Auch am Königsplatz ein ähnliches Bild. Lediglich vereinzelte FCA Trikots samt Bierdose kreuzen den Weg. Die Straßenbahn luftig bis leer, was insbesondere daran liegt, dass eine hohe Taktung der Bahnen zum Stadion gewährleistet wird (auch auf dem Rückweg). Unter diesen Bedingungen den gebotenen Abstand einzuhalten ist kein Problem. 

Auf dem Fußmarsch zum Stadion werden wir nochmals dran erinnert: Heute kommt es auch auf uns an, ob des Konzept aufgeht. Maske, Hygieneregeln und Menschenverstand: Augsburg hält Abstand.

Deutlicher kann man nicht darauf hinweisen, dass nicht alles wie immer ist. (Foto: privat)

Am Stadionvorplatz angekommen, werden alle Besucher von der Security aufgefordert Masken aufzusetzen. Weiterhin müssen die Besucher sich auf verschiedene Eingänge aufteilen, um möglichst kontaktfrei an Ihre Plätze zu gelangen. Es fällt auf, dass den Besuchern der Ernst der Lage bewusst zu sein scheint: Wenn wir es heute vermasseln gibt es demnächst vielleicht keine Spiele mehr vor Publikum.  Es wird aufmerksam Abstand gehalten und die Maske vorbildlich über die Nase gezogen. Auch am Platz verhalten sich die Besucher rücksichtsvoll und nehmen in 2er bzw. 4er Gruppen ihre vorgesehenen Plätze ein.

Die Vereinshymne erklingt – die Situation ist zunächst gewöhnungsbedürftig, aber die Atmosphäre ist besser, als ich sie erwartet habe. Ein sehnsuchtsvoller Blick auf die ausgestorbene Ulrich-Biesinger- Tribüne trübt das Bild ein wenig. 

Anstoß – Heja, Heja FCA! Die Fans versuchen alles um das Fehlen der anderen 24.000 (darunter auch die organisierte Fanszene) zu kompensieren. Jedem scheint bewusst zu sein, dass er heute besonders engagiert mitmachen muss um der Mannschaft zu helfen. Hin und wieder verstummen die Gesänge, umgehend ertönt es dann aber aus einem anderen Eck des Stadions. Siegtorschütze Felix Uduokhai wird später von einem „gefühlt ausverkauftem“ Stadion sprechen, das die Mannschaft nach vorne getragen hat. In erster Linie ist es aber auch der Mannschaft zu verdanken, dass die Atmosphäre sich im Verlaufe das Nachmittags stetig steigert. Ein derart leidenschaftliches Team des FCA haben wohl die meisten der 6.000 Anwesenden schon länger nicht mehr bewundern dürfen. „Hier regiert der FCA“. Wir spielen nicht auf Remis, wir wollen hier gewinnen. Da waren sich Mannschaft und Fans einig. 

95. Minute dann der Höhepunkt des Tages: Alle 6.000 Unterstützer erheben sich gemeinsam von Ihren Plätzen und lassen ein schallendes „Oh wie ist das schön“ über dem Lechfeld erklingen. Jedem Anwesenden ist bewusst, dass hier wahrlich nicht nur die Freude über einen unverhofften Punktgewinn besungen wird. „…sooo schöööön, so schön!“

Gänsehaut. Schlusspfiff. LaOla. Heimweg.

Am Ende ziehe ich ein positives Fazit: Ein gutes Hygienekonzept, verantwortungsvolle Besucher und eine tolle Stimmung. So wie es am Wochenende in Augsburg abgelaufen ist, darf es aus meiner Sicht gerne weitergehen. So lange bis wir alle zusammen wieder auf unseren Stammplätzen stehen/sitzen und uns wieder nur auf das Wichtigste konzentrieren dürfen. Danke an alle Beteiligten – wir sehen uns beim nächsten Heimspiel! Bis dahin halten wir noch etwas Abstand – und zwar von den Abstiegsrängen.

Legend of Legends

Es war der Sommer des Daniel Baier. Nicht in dem Sinne, wie wir es uns alle erträumt hätten. Nach der Vertragsauflösung vor einigen Wochen hat Daniel Baier nun auch das Ende seiner aktiven Profikarriere verkündet. Hierfür hat er erneut seinen eigenen Instagram-Kanal genutzt und dazu Sport1 ein großes Interview gegeben. Ende aus, es ist vorbei. Bei den FCA-Fans und bei mir überwiegt mehr die Freude über die Nachricht und weniger die Traurigkeit. Es wäre schwer gewesen, Daniel Baier in einem anderem Trikot zu sehen als dem unseren. Er wollte seine Karriere in rot-grün-weiß beenden. Und das hat er nun auch gemacht.

Daniel Baier zumindest in meiner Erinnerung. Im Augsburger Trikot und sich nie für ein Tackling zu schade gewesen. Hut ab vor der Legende. (Foto by Imago)

Mich freut dabei, wie sehr Daniel Baier im Reinen wirkt. Mit sich selbst und mit seiner Karriere. Ja, es ging nicht so zu Ende, wie er sich das zu Jahresbeginn vorgestellt hatte. 2020 macht wahrlich verrückte Sachen. „Natürlich kam es für mich überraschend, nach der Saison die Entscheidung überbracht zu bekommen, dass man nicht mehr mit mir plant.“ sagte er gegenüber Sport1. Dennoch sieht er sich nicht getrieben aus lauter Geltungssucht und Langeweile für mittelmäßige Drittligisten nochmal die Knochen hinzuhalten. Im Interview wird relativ klar, dass er alleinig über ein kurzes Auslandsengagement nachgedacht hatte.

Und genau so eine Chance hätte ich ihm auch gewünscht. Als erfahrener Back-Up zu einem großen Club. Henke Larsson ist im Alter von 32 Jahren von Celtic Glasgow zum FC Barcelona gewechselt und mit 34 Jahren zum Helden im Champions League Finale aufgestiegen. Die Realität ist derweil eine andere. Daniel Baier ist keine 32 sondern 36 Jahre alt. 17 Jahre Profikarriere sind eine massive Errungenschaft. Seine Leistungen in Augsburg werden für immer (FÜR IMMER) mit als erstes im Zusammenhang mit der sportlichen Geschichte des Vereins genannt werden. Im Detail sind wir hierauf schon oft eingegangen (z.B. hier und hier). Nach Spielern seines Kalibers benennen wir in Augsburg Tribünen oder bauen Ihnen Statuen. Biesinger, Haller, Baier.

Daniel Baier hat sich nach dieser Karriere jeden Applaus verdient. Einen Spieler wie ihn werden wir wohl kaum jemals mehr in Augsburg erleben dürfen. (Foto by Christian Kolbert via Imago)

Es ist bei der ganzen Entwicklung besonders schön, dass Daniel Baier dauerhaft Augsburg erhalten bleiben wird. Gerade mit seiner spitzbübischen Lockerheit ist er eine Bereicherung für diese Stadt, die manchmal doch arg grantelig daher kommt. Als wir nach Anekdoten zu Daniel Baier gefragt haben, sind wir einem Klassiker begegnet. Daniel Baier hat einem Mädel im FCA-Trikot mit „Daniel Baier ich will ein Tor von Dir“-Rückenflock im Kesselhaus gesagt, dass er ihr leichter ein Kind machen könne, als ein Tor. Im Rahmen seines Abschieds posteten viele Fans Fotos zusammen mit Daniel Baier. Auch aus anderen Geschichten geht hervor, dass er sich immer Zeit für den Kontakt mit Fans genommen hat. Ohne Starallüren. Auf Augenhöhe. Und immer mit einem Augenzwinkern.

Und auch wenn sich Daniel Baier zurückziehen will, um sich neu zu sortieren und etwas neues von der Picke auf zu lernen, so hoffen wir doch, dass er einen Weg findet, um den Fußballfans in Augsburg den Fußball etwas mehr zu erklären. Ihnen etwas mehr Spielverständnis zu vermitteln. Bessere Fans aus uns zu machen. Als Fan weiß man manchmal nicht, wie schwierig eine bestimmte Situation zu bewältigen ist. Vor Spielverständnis strotzt Daniel Baier dagegen nur so. Als Spieler, der wie kein anderer den Rhythmus und die Struktur eines Spiels lesen und steuern konnte. Das Format hierfür kann er sich wohl aussuchen (und natürlich wäre er auch mit einer wöchentlichen Beitragsserie auf diesem Blog herzlich willkommen. Ich würde dafür allerdings auch die Neue Szene einsammeln oder einen AZ+ Account anlegen, als auch diverse Podcasts downloaden). Aber beim Gedanken an Daniel Baier als den Tony Romo der Augsburger Fußballanalysten muss ich schmunzeln. Ich glaube er wäre eine große Bereicherung.

Der Ritt in den Sonnenuntergang. Es bleibt zu hoffen, dass Daniel Baier uns auf irgendeine Art und Weise den Fußball erklärt. Wir können alle nur lernen. (Foto via Imago)

Aber auch wenn Daniel Baier wirklich eine lange Pause einlegen und sich nur auf die Familie konzentrieren sollte, so ist es doch schön, dass die letzte Erinnerung an ihn als Spieler immer verbunden bleibt mit rot-grün-weiß. Er hatte seine beste Zeit und sein Karriereende beim FCA. Das kann von den großen Dreien, Biesinger Haller Baier, wahrlich nur Daniel Baier von sich behaupten. Legend of Legends.

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