Bitte Nachlegen!

Der FCA gewinnt nach einer aufopferungsvollen Partie mit einem knappen 1:0 gegen den Champions League Aspiranten Union Berlin. Schütze des goldenen Tores war Stürmer Dion Beljo, der eine präzise Flanke von Ruben Vargas volley verwandeln konnte. Die ausverkaufte WWK-Arena tobte, der FCA hielt das Ergebnis, trotz einer Drangphase der Berliner zum Ende hin. Mit diesen drei Punkten konnte sich die Maaßen-Elf im Abstiegskampf etwas absetzen – doch was bleibt, sind Fragezeichen und Erleichterung?! Der Klassenerhalt, so viel steht fest, ist aber längst noch nicht in trockenen Tüchern.

Verletzungen

Neben dem verletzten Torwart Rafal Gikiewicz und den langzeitverletzten Strobl, Hahn und Oxford gesellte sich zuletzt Julian Baumgartlinger zu dieser illustren Runde. Der Mittelfeldspieler steht wegen einer Menikusverletzung vor dem verfrühten Saisonaus. Fredrik Jensen und Iago plagt seit geraumer Zeit ebenfalls eine hartnäckige Blessur, Mergim Berisha laboriert an Sprunggelenksproblemen. Zu allem Überfluss war Nathaniel Mbuku grippal erkrankt. Man muss sich hier die Frage stellen, wie die Truppe wohl spielen würde, wenn alle Mann mal an Bord wären…. diese Verletzungsmisere zieht sich schon durch die ganze Saison.

Umstellungen

Durch diese Ausfälle ist der Coach zu Umstellungen gezwungen. Eine Personalie, die mittlerweile nicht mehr ganz so heiss diskutiert wird, ist Tomas Koubek. Der Tscheche stand erneut von Beginn an im Kasten, Daniel Klein saß als temporäre Nummer zwei auf der Ersatzbank.

Koubek war am Samstag ein Topp-Rückhalt seines Teams und hielt die Punkte fest. Das braucht es öfter in der Endphase der Saison. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Trainer Enno Maaßen stellte sodann auf nur einer Position um, für Renato Veiga startete Innenverteidiger Maximilian Bauer. Mergim Berisha schaffte es überraschend-unüberraschend in den Spieltagskader, Maaßen prognostizierte schon in der PK vor dem Spiel einen Kurzeinsatz des Stürmers. Der kicker sah in der gewählten Startformation ein 3-4-2-1, Transfermarkt ein flaches 3-4-3. Die defensive Dreierkette bildeten jedefalls die drei etatmäßigen Innenverteidiger Jeff Gouweleeuw, Felix Uduokhai und Bauer vor Torhüter Koubek, das defensive Mittelfeld Engels und Rexbecaj, die defensiven Außenparts bekleideten Pedersen und Maier, die offensiven Flügel Demirovic und Vargas, im Zentrum positionierte sich Dion Beljo als Mittelstürmer.

Sieben Partien sieglos

Ein wenig zitterten mir ja schon die Knie, als ich die Dreierkette als Startformation bildlich vor mir sah. Gemäß Transfermarkt ging der FCA bisher in dieser Saison nur einmal mit einer initialen Dreierkette als Sieger von Platz. Dies am zweiten Spieltag beim Auswärtssieg beim ehemaligen Angstgegner Bayer Leverkusen, der FCA gewann 1:2.

Die Viererkette ist einfach gefühlt irgendwie die „Safety Zone“ der Augsburger, das probate Mittel der Wahl, man weiß die Formation besser umzusetzen. Für eine Viererkette hat der FCA eher das geeignete Personal, denn für die Dreierkette fehlen die passenden Schienenspieler. Zumindest lässt sich dies mit Blick auf die erspielten Punkte mutmaßen.

Vor Spielbeginn waren die Fakten und der Anblick der Tabelle fast erdrückend, der FCA steckte nachweislich im Formtief. Die letzten sieben Partien sieglos, bei vier Unentschieden und drei Niederlagen, darunter das 5:3 gegen den deutschen Rekordmeister. Und natürlich die unglücklichen Partien gegen Schalke und Wolfsburg, in denen der FCA bereits sicher geglaubte Punkte (spät) noch aus der Hand gab.

Sechs Punkte Abstand

Vor der Partie gegen Union Berlin hatte der FCA (31 Punkte) als Tabellen-13. knappe drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsranginhaber VfL Bochum (28 Punkte). Sowohl Schalke (-28) als auch Hertha (-25) und Bochum (-36) weisen nach dem 31. Spieltag weiterhin katastrophale Tordifferenzen auf. Der FCA kann eine Tordifferenz von -15 vorweisen, der 14. Hoffenheim steht bei -10 und der aktuelle Relegationsplatzinhaber VfB Stuttgart ebenfalls bei -15.

Arm raus und die Gegner auf Abstand halten. Dann klappt es mit dem Klassenerhalt gegen Bochum. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Nun hat der FCA wichtige drei Punkte eingefahren, bleibt auf Rang 13 stehen und baut den Abstand auf den 16. sowie 17. Platz auf sechs Punkte aus, bei noch verbleibenden drei Partien und auszuspielenden neun Punkten. Ein gewisses Polster ist zwar vorhanden, aber es ist noch kein Grund, die Klassenerhaltsparty bereits heute freudig zu planen.

Befreiungsschlag

Ja, der Sieg war gewissermaßen ein Befreiungsschlag und kann Sicherheit geben. Der Mannschaft Sicherheit geben, gegen Bochum auswärts am kommenden Spieltag befreiter aufzuspielen und endlich das volle Potenzial zu entfalten. Ich bin mir sicher, das Potenzial steckt irgendwo in den Tiefen der Truppe und wartet nur, endgültig ausbrechen zu dürfen. In der vergangenen Hinrunde haben wir Ansätze davon bereits gesehen.

Dennoch war – trotz des formidablen Ergebnisses – nicht alles rosig in Augsburg, viele Fehler wurden erneut gemacht und den Unionern sehr viele Räume dargeboten. Das gilt es schleunigst abzustellen. Offensiv sind wenige lichte Momente vorhanden gewesen, man muss quasi immer auf einen kaltschnäuzigen Mittelstürmer im Sturmzentrum hoffen, der dann eiskalt scored, wenn beispielsweise ein Ruben Vargas einmal in der Partie erfolgreich über seinen Flügel durchbrechen kann. So gesehen und geschehen gegen Union in Minute 53. Statistisch war dies eine der zwei Flanken, die der FCA in diesem Spiel erfolgreich an den Mann gebracht hat (12% angekommene Flanken bei 17 Flanken insgesamt).

Die Statistiken sprechen jedenfalls pro FCA, auch wenn es auf dem Spielfeld nicht immer danach aussah: Die Laufleistung stimmte, laut Kicker verzeichnete der FCA einen Torschuss mehr als sein Gegner, die Passquote liegt gefühlt im FCA-Durchschnitt bei rund 73 Prozent. Erfreulich die Quote der erfolgreichen Dribblings, diese lag bei etwa 88 Prozent. Der Ballbesitz in der heimischen Arena lag bei 38 Prozent, durchaus erwartbar und die Zweikampfquote bei 52 Prozent. Kann man nicht meckern. Würden bei 13 Torschüssen nur etwas mehr als ein Tor bei herauskommen und manche Offensivszenen besser ausgespielt werden, wäre der geneigte Fan noch zufriedener, als man es bei diesem wichtigen Heimdreier ohnehin schon sein muss.

Stats, Stats, Stats

Gegen Bochum sind sicherlich andere Attribute und Werte gefragt als gegen den Tabellenvierten aus der Hauptstadt. Die Elf von Thomas Letsch spielte im Laufe dieser Saison in mehreren Variationen der Viererkette, ist eine die „lauffaulsten“ Mannschaften der Liga. Die Bochumer können statistisch gesehen genauso wenig mit dem Ball anfangen wie die Augsburger (Stichwort: Ballbesitzquote). Während der FCA die schlechteste Passquote aller Bundesligisten aufweist (72.7%), steht der VfL Bochum nur knapp davor (73,9%) auf Platz 17.

Der VfL Bochum ist eine der zweikampfstärksten Teams der Liga, während der FCA statistisch hingegen eher als zweikampfschwach einzuordnen ist. Eine Vorgabe gegen Bochum wird definitiv das Annehmen der Zweikämpfe sein, sowie eine gewisse Giftigkeit in den Zweikämpfen miteinzubringen. Aufpassen muss der FCA in den Luftduellen: In puncto gewonnener Kopfballduelle ist der VfL Ligaspitze! Der FCA kann dafür intensive Läufe und Sprints, hier ist der FCA in der erweiterten Ligaspitze bzw. im soliden Mittelfeld wiederzufinden, während der VfL Bochum hierbei im Tabellenkeller steht.

Bitte nachlegen!

Ich persönlich wünsche mir, dass der FCA mutiger nach vorne spielt. Seine Chancen in der Offensive sucht, seine flinken Flügelspieler besser in Szene setzen kann und die Zweikämpfe annimmt. Lieber gelbe Karten für eine resolute Zweikampfführung, als für das (unnötige) Meckern. Bochum wird hier eine Herausforderung sein, denn sie wissen, wie man im Abstiegskampf Zweikampfduelle für sich erfolgreich gestaltet.

Mergim Berisha wäre ein wahnsinnig wichtiges Element für die etwas lahmende Offensive, Niklas Dorsch wird gezwungenermaßen den Platz neben „Rex“ bekleiden. Rookie Arne Engels fehlt definitiv wegen der fünften gelben Karte. Ich glaube fast, ein schnörkelloser Spielstil gepaart mit resoluter Zweikampfführung und einer sattelfesten Defensive sollte gegen Bochum das Erfolgsrezept sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Matchball liegt jedenfalls jetzt beim FCA, verwandelt die Mannschaft ihn, ist der Klassenerhalt definitiv sicher. Die Mannschaft muss gegen Bochum aber definitiv noch ihre Hausaufgaben erledigen, denn sicher ist in dieser dynamischen und wilden Bundesliga an Spieltag 32 noch gar nichts.

Nothing Else Matters

Es ist Samstag und der FCA hat gestern schon gegen Stuttgart gespielt. Mit einem 1:1 konnte der Club den Abstand auf den VfB Stuttgart 5 Spieltage vor Saisonende bei 5 Punkten halten. Dennoch können sich die Abstände recht schnell verdünnisieren. Und anstatt sich mit einem 3er aus dem Abstiegskampf weitestgehend rauszuhalten, ist der FCA jetzt erneut mittendrin statt nur dabei. Das Wochenende hätte mit Sicherheit einen entspannteren Start finden können. Dazu bleiben viele Fragen offen, die dazu führen, dass ich dem Spiel in Frankfurt etwas sorgenvoller entgegenblicke.

Wendepunkte während dem Spiel

Der VfB Stuttgart fand in der zweiten Halbzeit effektive Wege, um den Spielaufbau der Augsburger komplett zu unterbinden. Der FCA ließ eine Pressingresistenz vermissen und schlug phasenweise nur noch lange Bälle. Fußballerisch ein Armutszeugnis. Enno Maaßen analysierte das Problem nach dem Spiel sehr treffend. Man wollte ihn an sein Motto von der Spieltags-PK erinnern: „Nicht reden, machen“. Die passende Rückfrage wäre gewesen: „Herr Maaßen, warum ist es ihnen nicht gelungen, während des Spiels über Anweisungen an einzelne Spieler den Spielaufbau wieder anzukurbeln?“.

Enno Maaßens Analysen im Nachgang sind immer treffsicher. Jetzt muss er nur noch direkt im Spiel die richtigen Hebel finden. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Die Phase der Stuttgarter endete bizarrerweise mit ihrem Ausgleichstor. Danach konnte der FCA wieder mehr aufatmen. Die fehlende Möglichkeit, von der Seitenlinie auf die mangelhaften spielerischen Abläufe zu reagieren, erschreckt allerdings nachhaltig. Immer wieder ist es Gegnern nun schon gut gelungen sich über den Spielverlauf auf den FCA einzustellen. Immer wieder konnte der FCA nicht mehr wie nötig reagieren. Mittlerweile haben wir 23 Punkte nach Führung verspielt. Ob wir es in dieser Saison noch lernen, während Spielen angemessen auf Veränderungen zu reagieren?

Personal und Gesundheit

Während andere Teams aus ihrem vollen Kader schöpfen können, muss der FC Augsburg auf mehr und mehr Spieler verzichten. Vor dem Spiel gegen Stuttgart fehlte mit Berisha, Gikiewicz, Gouweleeuw, Jensen, Dorsch, Oxford und Yeboah eine halbe Bundesligastammelf. Laut Maaßens Aussage mussten dann alle 5 Wechsel gegen Stuttgart aus gesundheitlichen Gründen vorgenommen werden. Beljo hatte einen Schlag auf den Knöchel bekommen. Pedersen, Iago, Vargas und Demirovic waren laut des Trainers Aussage alle angeschlagen.

An diesem Samstag mag man einmal nachfragen, woran es denn liegt, dass der FCA hier so große Probleme hat? Warum sind bei uns vergleichsweise so viele Spieler verletzt? Warum geht Spielern wie Vargas und Demirovic die Luft aus, obwohl sie zuletzt nicht allzu viel gespielt haben? Es ist in jedem Fall überaus frustrierend, gerade weil auch Kapitän Jeff Gouweleeuw sich seine zehnte gelbe Karte zur Unzeit abgeholt hat. Meine Wette, dass es diese Phase mit ihm in der zweiten Halbzeit nicht so gegeben hätte, weil die Kommunikation auf dem Platz eine andere gewesen wäre (es ist nicht gesagt, dass wir dann gewonnen hätten, man erinnere sich nur an den von ihm verschuldeten Elfmeter vor ein paar Wochen). Der FCA muss allerdings zügigst sein Personalproblem in den Griff bekommen. Der Trainer will intensiv spielen lassen. Warum können es die Spieler nicht über die komplette Spieldauer umsetzen?

Zufriedenheit mit Spielen und Unentschieden

In der Bundesliga wird man nichts, wenn man sich mit Unentschieden zufrieden gibt. Auch das „gute Spiel“ in Leipzig nützt uns ohne Punkte kurzfristig überhaupt nichts. Die Minimalziele erst Schalke und nun Stuttgart auf Abstand zu halten, haben vielleicht unterbewusst auch die falschen Anreize gesetzt. Auch gestern klang nach der Partie durch, dass man immerhin den Abstand halten konnte. Man könnte es auch anders ausdrücken: Man konnte gegen den Tabellen-16. nicht gewinnen. Nach zwei Niederlagen gegen Hertha in dieser Saison und der Hinrundenniederlage in Stuttgart ein weiteres enttäuschendes Resultat gegen einen direkten Konkurrenten. Scheiße ist das.

Es ist seltsam, dass sich weiterhin der Eindruck hält, dass die absolute Entschlossenheit und der absolute Wille den Spielern etwas abhanden gekommen ist. In der Hinrunde hatte man sich recht dreckig gegen Bremen in die Spur gezogen. Enno Maaßen hatte zuletzt auch festgestellt, dass das Matchglück in letzter Zeit nicht mehr so da war wie vorher. Aber wie sagt man so schön: manchmal muss man sein Glück auch erzwingen. Die Frage ist nun: Ist die Mannschaft hierzu in den nächsten Spielen bereit?

Auf den Support von den Rängen kann sich der FCA verlassen. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Zusammenhalten

Der Weg kann in den letzten fünf Spieltagen nun nur ein einziger sein. Man könnte ihn auch als den Augsburger Weg bezeichnen. Es gilt nun allesamt noch enger zusammen zu rücken. Zusammenzuhalten. Sich gegenseitig zu helfen. Sich aufzuhelfen. Den Rücken zu stärken. Sich in den Arsch zu treten. Und sich auf die wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren (und zum Beispiel keine Mecker-Gelbe Karten mehr zu bekommen).

Absoluter Fokus auf jedes der kommenden Spiele ist angesagt. Wir brauchen eine Top Vorbereitung des Trainerteams auch auf Eventualitäten während des Spiels. Wir brauchen eine Toparbeit der Spieler zusammen mit den Trainern, Physios und dem medizinischen Personal. Wir brauchen 100% in jedem Training und bis 90+X in den Spielen. Wir brauchen volle Ränge und Top Support. Mit dem Vertrauen in den Augsburger Zusammenhalt und 100% Einsatz auf und neben dem Platz werden wir erneut die Klasse halten. Weniger wird – wie immer – nicht reichen. Und alle weiteren Themen sortieren wir nach dem Saisonende. Für die, die es bisher noch nicht verstanden haben: Jetzt zählt – mal wieder – nur der Klassenerhalt. Nothing Else Matters.

P.S.: 40 Jahre Metallica war schon 2021. So viele Jahre wünsche ich mir für den FCA in der Bundesliga auch mindestens.

Nach Köln-Pleite: 4 Mutmacher für die restliche Saison

Chance wieder einmal nicht genutzt. In den vergangenen drei Partien hätte der FC Augsburg einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt gehen können. Gegen Schalke und Wolfsburg verhinderten vermeidbare Gegentore in der Nachspielzeit den Sieg, beim 1:3 gegen Köln ließ die Mannschaft Kreativität und Entschlossenheit vermissen: eine der schlechteren Saisonleistungen, nach der auch aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenz die Luft im Abstiegskampf dünner wird.

Sieben Spieltage vor Saisonende steht der FCA mit 29 Punkten auf Rang 13. Der Relegationsplatz ist sechs, der Abstiegsrang sieben Punkte entfernt. In den verbleibenden Partien geht es gegen Leipzig (A), Stuttgart (H), Frankfurt (A), Union (H), Bochum (A), Dortmund (H) und Gladbach (A). Kein leichtes Programm, zumal in den direkten Duellen gegen VfB und VfL die Gefahr besteht, dass die Konkurrenten näher an die Schwaben heranrücken. Dennoch gibt es einige Dinge, die dem FC Augsburg Mut machen können. Ein Überblick.

Abstiegskampferprobt

Der FCA kann Abstiegskampf. Seit der Europa-League-Saison ist die Mannschaft mal mehr, mal weniger gefährdet. Der Verein weiß eigentlich, mit dem Druck umzugehen. Die aktuelle Stimmung im Club ist ruhig, Chefcoach Enrico Maaßen wirkt auf den Pressekonferenzen bedacht. Und: die Ausgangslage ist immer noch vergleichsweise entspannt. Was auch an Mutmacher Nummer zwei liegt.

Schwache Konkurrenz

Wer dieses Jahr aus der Bundesliga absteigt, lässt sich noch nicht sagen. Stuttgart setzt auf Trainer Nummer Vier, während Hertha BSC trotz Platz 17 an Chefcoach Sandro Schwarz festhält. Am Freitag gehts zum Abstiegsgipfel auf Schalke. Die Knappen schöpfen nach Zwischenspurt trotz Katastrophen-Hinrunde wieder neuen Mut, kommen aber auch nicht wirklich von den Abstiegsplätzen weg. Aktuell drei Punkte vor dem Relegationsrang liegt Bochum, deren Leistungsvermögen normal schlechter als das des FCA sein sollte. Auch Hoffenheim ist schlechter platziert als Augsburg, verschaffte sich nach drei Siegen in Serie aber etwas Luft im Keller.

Fünf Teams hinter Augsburg. Es liegt nahe, dass es auch diese Saison wieder zwei (+1) Teams geben wird, die hinter den Schwaben landen. Das liegt auch an der Qualität des FCA und Mutmacher Nummer drei.

Gegen die direkte Konkurrenz sah der FCA diese Saison nicht immer gut aus: Gegen Hertha etwa setzte es zwei Niederlagen. Dennoch rangieren die Fuggerstädter vergleichsweise komfortabel vor den Berlinern. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

FCA-Kader

Die Chefetage des FCA entschied sich in der Winterpause für einen ungewöhnlichen Umbruch: Sieben Neuzugänge, fünf Abgänge. Zwar haben nicht alle neuen Spieler gleichermaßen eingeschlagen, insgesamt erhöhte sich aber die Qualität im Kader, allen voran durch Toptransfer Arne Engels.

Sperren und Verletzungen dünnen den Kader zuletzt allerdings aus. Immerhin: Nach Reece Oxford kehrt Mitte April auch Ermedin Demirovic von seiner Rotsperre zurück. Er wird im Schlussspurt mit Mergim Berisha den Angriff bilden. Der Neu-Nationalspieler plagte sich zuletzt mit Sprunggelenkproblemen. Er befindet sich aber ebenso vor der Rückkehr zur Mannschaft wie Felix Uduokhai, der gegen Köln sogar im Kader stand.

Sturmduo mit 24 Torbeteiligungen: Ermedin Demirovic und Mergim Berisha. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Auch bei Kelvin Yeboah geht es leicht bergauf. Der Winterneuzugang (Leihe) trainiert nach Außenbandriss derzeit individuell und soll in den letzten Spielen bei der Mission Klassenerhalt helfen. Das erhoffen sich die Verantwortlichen auch von Niklas Dorsch, den zuletzt eine Nasen-OP zurückwarf.

Die Kaderrückkehrer erhöhen in jedem Fall die Qualität der Mannschaft und sind ein zusätzliches Pfund im Abstiegskampf. Zu einem solchen können auch die Fans avancieren.

Unterstützung

Die Augsburger Anhängerschaft hat derzeit Bock auf den FCA. In den jüngsten drei Heimspielen war das Stadion jeweils ausverkauft, auch für die Partien gegen Stuttgart und Dortmund gibt es keine Karten mehr und auswärts stieg der Kartenverkauf ebenso an. Der Verein wirkt attraktiver als noch in Präcorona-Zeiten. Die Unterstützung für den FCA ist also gegeben – und kann in den letzten Spielen noch wichtig werden. Das alles macht Mut für die verbleibenden sieben Bundesligaspiele. Nun muss der FCA seine Chance nur noch nutzen.

Sind denn alle Arne?

In dieser Saison passieren doch einige überraschende Dinge. Siege gegen Leverkusen, Heimspielsiegesserien, Nationalmannschaftsnominierungen. Verrückt. Eine der verwunderlichsten Geschichten in dieser Saison ist wohl die Verpflichtung von Arne Engels im Winter, der direkt im Mittelfeld in die Stammelf rückte und seitdem aus dieser – auch auf Grund seiner überzeugenden Leistungen – nicht mehr wegzudenken war. Derweil ging die Entwicklung eines anderen Spielers seit der Winterpause etwas unter.

Aber gerade heute wird ein großer Fokus auf ihm liegen, nachdem offensiv Ermedin Demirovic gesperrt fehlen wird. Kelvin Yeboah hat sich zudem im Testspiel verletzt und auch mit einer Rückkehr von André Hahn wird es in der Rückrunde verletzungsbedingt nichts werden.

Überraschende Rückkehr in die Startelf

Nach der Winterpause hatte sich die Startelf nicht nur auf einer Position verändert. Rechts in der zweiten 2-er Reihe des 4-2-2-2 fand sich auf einmal ein Spieler wieder, denn man mit Sicherheit vor dieser Phase nicht als „Flügelspieler“ bezeichnet hätte. Er war einer der Verlierer der Systemumstellung vor dem Bremen-Spiel in der Hinrunde. Und irgendwie war er etwas auf dem Abstellgleis gelandet. Nach der Winterpause fand man ihn dann auf einmal auf dem Platz wieder. Und seitdem hat er sich dort festgesetzt durch seine überzeugenden Leistungen. Die Rede ist natürlich von Arne Maier.

Huhu, da bin ich wieder. Arne Maier nervt seine Gegenspieler in vielen Zweikämpfen. Sehr erfreulich. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Und während zumindest ich nach der Winterpause davon ausgegangen war, dass dies eine vorübergehende Maßnahme wäre, bis sich die Neuzugänge eingelebt hätten und die Position übernehmen würden, hat er sich dort nun festgebissen. Festgebissen auch deshalb, weil er in seinen Einsätzen seitdem Qualitäten zeigt, die so bisher nicht vornehmlich mit Arne Maier in Verbindung gebracht worden wären. Hier wäre zuvorderst seine Torgefahr zu nennen. Tore gegen Bremen und Schalke sprechen eine eindeutige Sprache.

Auffällige Leistungssteigerung

Schon vor dem Spiel gegen Schalke wurde Enno Maaßen zu ihm befragt und fand lobende Worte: „Arne ist ein polyvalenter Spieler, der viele Positionen spielen kann, weil er eine hohe Spielintelligenz besitzt. Er hat auch ein hohes Tempo, wie wir zuletzt gesehen haben. Er kann sehr viel laufen. Und ich finde, dass er jetzt in den Halbräumen auf dieser Position im System sehr gut performt. Er hat sehr viele richtig gute Spiele gezeigt und ist in einer sehr guten Verfassung. Ich finde, dass er den nächsten Step gemacht hat. Er wird torgefährlicher und schießt wichtige Tore. Das darf so weiter gehen. „

Andererseits sind die Wege von ganz vorne und hinten teilweise sehr lang. Kurz vor der Halbzeitpause gegen Schalke führte Maier einen Defensivzweikampf, in dem er seinen Gegenspieler über mindestens eine halbe Feldlänge verfolgte. Will sagen: Gerade auch in der Intensität und im Spiel gegen den Ball ist eine Steigerung sichtbar.

Wenn Arne Maier weiter so dran bleibt, dann stößt das auf meine Gegenliebe (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

In der Pressekonferenz nach dem Schalke-Spiel wurde Enno Maaßen explizit nach der Entwicklung von Arne Maier gefragt und hatte folgende Begründung für die Leistungssteigerung: „Es ist Training. Es ist die Position, die offensiver ist. Zwischen den Linien fühlt er sich sehr wohl. Es ist Arbeit im Videobereich, um Dinge aufzuzeigen, wie er torgefährlicher werden kann. Er hat – auch durch die Position – viel mehr Tiefe in seinem Spiel. Er ist auf einem sehr guten Weg.“

Entwicklungen, die Mut machen

Maier bringt an sich eine hohe fußballerische Begabung und auch einen reichhaltigen Erfahrungsschatz in der Bundesliga mit. Er hatte schon in der Vorsaison eine wichtige sportliche Rolle gespielt und wir hatten Lobeshymnen gesungen. Der Trainerwechsel und auch die Prinzipien, die Enno Maaßen von seinen Spielern fordert, kamen ihm anfänglich nicht zu Gute. Er hat die Situation aber formidabel gemeistert, den Weg zurück aufs Feld gefunden und kann der Mannschaft nun enorm helfen. In meiner Gunst ist Arne Maier dadurch weiter gestiegen.

Die Entwicklung zeigt daneben auch die Arbeitsweise von Maaßen auf und , wie er Spielern Lernpfade aufzeigt. Er lässt sich von Spielern durch ihre Leistungen im Training überzeugen und nimmt Wechsel vor, die auch von außen erstmal nicht nachvollziehbar erscheinen. Sein Mut wird dann manchmal auch belohnt. Und mutig soll er weiter sein. Dann werden wir mit Arne Maier, Enno und dem Rest der Truppe auch weiterhin oft Spaß haben. Wir sollten alle öfters ein wenig Arne sein.

Die Geschichte von der „Tretertruppe“

Wenn man sich mit dem Ruf beschäftigen will, den der FC Augsburg aktuell in der Fußballwelt hat, gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt als nach dem Heimspiel gegen Schalke. Für seinen zu hohen Fuß, der Gegenspieler Tom Krauß (unabsichtlich) im Gesicht traf, sah Ermedin Demirović am Samstag Rot. Als Strafe muss er gleich drei Spiele aussetzen. Für viele ein weiteres Indiz, dass die größte „Tretertruppe“ der Liga derzeit aus Augsburg kommt. Aber seit wann ist das eigentlich so? Und warum? Wir haben uns die Kartenstatistik des FCA einmal näher angeschaut und ein paar Thesen aufgestellt.

Die ersten vier Spielzeiten im deutschen Oberhaus verbrachte der FC Augsburg – entsprechend seinem spielerischen Ruf – noch recht unauffällig im Mittelfeld der Tabelle. Von Platz 9 in der Aufstiegssaison bewegten sich unsere Fuggerstädter über die Plätze 8 und 13 zurück auf den 9. Rang der Kartentabelle. Dabei handelte sich der FCA in diesen vier Jahren satte sieben rote Karten ein. So viele wie in so kurzer Zeit nie wieder. Auch weil die Entscheidungen teilweise hart ausfielen, kam damals niemand auf die Idee, den FCA trotz seiner Rolle als kampfbetonter Underdog einer allzu ruppigen Spielweise zu bezichtigen.

Die Summe der Karten ergibt die Punkte, wobei Gelb = 1 Punkt, Gelb-Rot = 3 Punkte und Rot = 5 Punkte (Werte: Kicker; Diagramm: Franzi; Stand: 25. Spieltag 2022/23)

Erster Ausschlag Europa League-Saison

In der Europa League-Saison 2015/16 katapultierte sich der FC Augsburg mit 89 Punkten plötzlich auf den zweiten Rang der Bundesliga-Kartenstatistik. Und auch zwei Saisons später schaffte er es wieder auf den dritten Rang. Warum dieser zwischenzeitliche Peak? Ich will es den „Kohr-Caiuby-Effekt“ nennen. Denn in diese Hochphase fiel die Hauptarbeitszeit der beiden beim FCA. Dominik Kohr heimste in den drei Saisons, die er für Rot-Grün-Weiß spielte (2014 bis 2017), nicht nur vereinsintern jeweils die meisten gelben Karten ein (10/12/12). In der Spielzeit 2016/17 kam noch eine Gelb-Rote dazu, sodass er die (Un-)Fairplaytabelle mit 15 Punkten auch bundesligaweit anführte. Caiuby (2014 bis 2019) landete 2015/16 mit 11 Gelben gleich hinter Kohr, 2017/18 führte er selbst die FCA-interne Wertung (zusammen mit Rani Khedira) an.

Selbstverständlich lässt sich der plötzliche Karten- und Punkteanstieg 2015/16 nicht nur damit erklären, dass eine Neuverpflichtung, wie hier Kohr, recht anfällig für Karten ist. (Das gilt übrigens auch für die nachfolgenden Stationen von „Hard-Kohr“ bei Leverkusen, Frankfurt und Mainz.) Wenn die dann aber auf einen „Fixposten“ wie z.B. Dani Baier trifft, dessen Zahl an (gelben) Karten über Jahre hinweg ziemlich konstant auf mäßigem bis höherem Niveau lag, dann summiert sich das eben. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, dass uns die reine Zahl an Karten in dieser Zeit in der Öffentlichkeit einen unfairen Ruf eingebracht hätte. #KeineSau brachte dem FCA sogar ziemlich viele Sympathiepunkte ein. Baiers „kreative“ Geste in Richtung Leipzigs Hasenhüttl 2017 erregte da kurzzeitig schon mehr Aufmerksamkeit.

Nicht nur in seiner Zeit beim FCA sammelte Dominik Kohr fleißig Karten. (Foto: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Die jungen Wilden

Darauf folgten 2018 und 2019 kartenmäßig die beiden fairsten Saisons des FCA (Platz 12 und 14), um 2020/21 mit insgesamt 79 Punkten wieder hoch auf Platz 3 zu klettern. Ins Gewicht fielen dabei vor allem drei Ampel-Karten und die rote Karte gegen Ruben Vargas am vorletzten, alles entscheidenden Spieltag gegen Bremen, die uns allen wahrscheinlich noch bestens in Erinnerung ist. Die hohe Platzierung erklärt sich aber auch daraus, dass in der Saison die anderen Teams nicht viel öfter verwarnt wurden als der FCA. Zum Vergleich: Während die Spitzenreiter 2018 und 2019, Schalke und Köln, noch auf 94 bzw. 95 Punkte kamen, erreichte Frankfurt, Erstplatzierter 2020/21, nur noch 83 Punkte. Das heißt: Mit seinen 79 Punkten landete der FCA eben nur noch knapp hinter dem Erstplatzierten und rangierte so wieder unter den „unfaireren“ Teams.

Dass Vargas in so einem Knock-Out-Duell wie gegen Bremen damals kurz die Nerven verlor, rechneten ihm, glaube ich, die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. Genauso wenig wie die drei gelb-roten Karten gegen Framberger, Niederlechner und Richter, die man am ehesten noch als Ungeschicklichkeit dieser „jungen Wilden“ sah. (Wobei ich Niederlechner mit seinen damals 30 Jahren da ausnehme.) Niklas Dorsch, der 2021 zum FCA stieß und in seiner ersten Saison gleich 8 gelbe Karten einfuhr, zähle ich ebenfalls in die Kategorie „junger Wilder“, dem für seine manchmal ungestüme Spielweise (noch) niemand so recht böse sein kann.

Dass Ruben Vargas im Knock-Out-Duell gegen Bremen kurz die Nerven verlor, rechneten ihm wohl die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wendepunkt Gikiewicz?

2020/21 kam aber auch Rafał Gikiewicz zu uns an den Lech. Und diesen Wechsel halte ich in Sachen Ruf und Außenwirkung für doch ziemlich bedeutend. Giki ist eine echte Type, wie sie sich der heute oft glatt gebügelte Fußball wünscht, aber auch eine Reizfigur. Allein sein diabolischer Blick, den er manchmal hat, kann einem Angst und Schrecken einjagen. Ich glaube, auf keinen Wechsel wurde ich bisher auch so oft angesprochen: „Also vor eurem Torwart hab’ ich Schiss. Der is’ doch irre“, hat mal jemand gesagt. Das muss aber so, findet auch Kristell. Und dass er „positiv verrückt“ ist, sagt er von sich selber. Und das schließt eben auch ein, dass er kein Problem damit hat, sich für seinen Job mit anderen in die Haare zu kriegen – mit gegnerischen Fans (ich sage nur Bremen) oder auch eigenen Mitspielern.

Im Spiel trifft Gikis Groll nicht selten seine Vorderleute. Und dazu gehört auch Jeff Gouweleeuw, der in Sachen Karten und Charakter – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – auch nicht gerade ein Unschuldslamm ist. 2020/21 z.B. sammelte er mit 9 Gelben mit Abstand die meisten unter seinen Teamkollegen. Das Jahr darauf kam er auf die gleiche Anzahl, wobei er sie heuer schon jetzt geknackt hat. Dass Jeff und sein Keeper sich auf dem Feld nicht immer grün sind, blieb wohl den wenigsten verborgen. Schon gar nicht Medien, Experten oder Fans, die u.a. daran sahen, dass es beim FCA mit Gikiewicz nun hitziger zuging als noch mit seinem Vorgänger. Eine neue, so emotionsgeladene Personalie wie Giki verändert jedenfalls das Mannschaftsgefüge und auch die Sicht darauf. Man guckt jetzt verstärkt auf Augsburg, weil sich da jederzeit etwas entladen kann.

Word von Kristell alias Kristaldo (Quelle: Twitter)

Unnötiger Spitzenreiter 2022/23

Ich muss wieder kurz einlenken: Jemand wie Giki polarisiert, keine Frage. Aber hat das gleich einen Effekt auf den Ruf der gesamten Mannschaft? Ein klares Nein, wenn ruhigere, abgeklärtere Spieler wie früher z.B. ein JICB oder heute Felix Uduokhai neutralisieren können. Auch wenn Udo 2021 lange verletzt war und auch danach immer wieder, machte auch Maxi Bauer ab 2022 diesen Job gut. Ich tendiere aber zu „ja“, wenn weitere Spieler zur Mannschaft stoßen, die ähnlich emotionsgeladen sind. Und wenn diese Spieler schließlich einen erheblichen Anteil in der Mannschaft ausmachen.

Das war beim FCA diese Saison mit den Transfers von Mergim Berisha, Demi und auch Elvis Rexhbecaj so. So stark sie performen, so emsig sammeln sie auch Karten. Und das nicht nur für „herkömmliche“ Fouls, sondern auch für lautstarkes Reklamieren oder andere Unsportlichkeiten. Bei Rex liegt hier die Quote bei satten 4/5. Auch bei Demi liegt sie mit 3/5 über der Hälfte:

Die Spitze der Augsburger Kartentabelle (Werte: Kicker bzw. eigene Rekonstruktion)

Insgesamt haben die Schiedsrichter bis jetzt schon 69 gelbe, 2 gelb-rote und eine rote Karte an unsere Fuggerstädter verteilt, sodass sie den einsamen Spitzenplatz mit 80 Punkten einnehmen. Die TSG Hoffenheim folgt erst 11 Punkte dahinter. Von den gelben Kartons entfällt auch auf Mannschaftsebene ein beträchtlicher Anteil – nämlich mehr als ein Drittel! – auf vermeidbare Vergehen wie Meckern (12) oder andere Unsportlichkeiten (14). Noch nicht mitgerechnet sind da die vier Verwarnungen für die Bank rund um Reuter (2), Maaßen (1) und Videoanalyst Remigius Elert (1), die oft genauso impulsiv ans Werk geht wie das Personal auf dem Feld.

Kämpfen mit Köpfchen

Dass sich Spieler wie Staff mit ihrer Intensität (zu) oft schon über die Grenze des Erlaubten hinweggesetzt haben, ist die eine Sache, die dem FCA verstärkt den Ruf als Tretertruppe eingebracht hat. Die andere Sache ist, dass die vielen Karten, die der FCA schon im Herbst gesammelt hatte, eine Art selbstverstärkenden Effekt auslöst haben. Zum einen bei Schiedsrichtern, weil sie mit frühem, hartem Durchgreifen für Disziplin sorgen wollten. Und für Aktionen dann eben auch mal Gelb gaben, für die sie das sonst nicht getan hätten. Das belegt auch die Foulstatistik, in der der FCA mit 300 Vergehen „nur“ auf dem 6. Platz steht. Zum anderen bei Medien, die nicht müde werden, Augsburgs Kartenstatistik immer wieder einzustreuen und die Story von der „Tretertruppe“ so weiterzuverbreiten. (Wie übrigens auch ich hier.)

Dass der FCA sich durch die vielen, oft überflüssigen Karten selbst Nachteile eingehandelt hat, ärgert mich auf der einen Seite extrem. Ohne die 5. Gelbe gegen Jeff (Rudelbildung) hätten wir nicht ganz ohne etatmäßige Innenverteidigung nach Köln fahren müssen. Ohne die Gelb-Rote gegen Iago (taktisches Foul; Rempler) hätte am Ende wohl ein Sieg gegen Leipzig gestanden. Ohne die Rote jetzt gegen Demi hätten wir das 1:0 gegen Schalke vielleicht über die Zeit gerettet. Und das sind nur einige Beispiele. Da wünsche ich mir von den besonders gefährdeten Akteuren auf und neben dem Platz unbedingt mehr Contenance und Disziplin. Gerade im Interesse der Mannschaft und ihrem lädierten Ruf, der umso schwieriger wieder loszuwerden ist.

Wäre Iago nicht unnötig mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, hätte der FCA gegen Leipzig womöglich 3 Punkte in der WWK-Arena behalten. (Foto: Carsten Harz/Getty Images)

Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass mir das Kämpferische, Bissige und Impulsive, das der FCA im Moment in vielen Varianten präsentiert, ziemlich gefällt. Ich mag es, wenn mein Verein, die sonst graue Maus aus dem unteren Tabellendrittel, nicht mehr allen egal ist. Dafür sorgen die Geschehnisse auf dem Platz, die ich nicht immer gutheiße. Sie bieten uns Fans aber Raum für Diskussionen und noch mehr Emotionen. Aus meiner Sicht mit ein Grund, warum sich wieder mehr von uns ins Stadion begeben.

Vielleicht können wir als Kompromiss ja so verbleiben: Die unnötigen Karten wegen Meckerns und anderer Unsportlichkeiten um mindestens die Hälfte reduzieren, sodass der FCA kartenmäßig wieder Anschluss an die Konkurrenz bekommt und so seinen Tretertruppen-Ruf langsam wieder loswird. Trotzdem aber so sexy wie bisher mit Kampf und Leidenschaft auftreten. Cool wäre Kämpfen mit Köpfchen.

Nicht wegverteidigt


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Ja, der Blick auf die Tabelle macht Spaß nach dem Spiel gegen Bremen. 8 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz sind ein Wort. Schon wieder zu Hause gewonnen. Wer hätte gedacht, dass unser FCA nochmal zu einer Macht zu Hause wird. Der Anschluss nach oben wurde zudem gewahrt. Köln ist punktgleich und die Abstände nach oben grundsätzlich klein. Man könnte sich aus Augsburger Perspektive schon fast gemütlich zurücklehnen, gerade weil mit den Bayern in dieser Woche ein Gegner wartet, der nicht viele Erwartungen zulässt.

Abwehrprobleme

Bei der Fehleranalyse nun nach dem Spiel gegen Bremen gibt es dennoch einiges zu besprechen. Zu groß waren die Lücken im Spiel gegen den Ball, die man auch den Bremern wieder gewährte und auf Grund derer der SV Werder ein deutliches Chancenplus im Spiel gegen den FCA hatte. Einerseits passt der Einsatz auf Seiten der Augsburger, andererseits waren – wieder einmal – viele einfache Fehler dabei, die das Resultat etwas schmeichelhaft aussehen lassen. „Glücklich“ ist der Begriff, den Enno Maaßen in der Pressekonferenz nach dem Spiel verwendete.

Ein großer Unterschied zwischen Bremen und vorhergegangenen Gegnern wie Hertha, Mainz oder Freiburg: die Chancenverwertung. Dazu hatten diesmal wir Augsburger das nötige Quäntchen Glück im Abschluss. Und selbst wenn man sich die großen Böcke wie beim Gegentor und auch den Fehlpass von Renato Veiga kurz wegdenkt, hatten die Bremer viele Räume in und um den 16er gefunden und kamen immer wieder gefährlich vors Augsburger Tor.

Wegverteidigen

Das Thema ist damit klar: es fehlt nun schon eine Weile an der defensiven Stabilität. Obwohl der Fokus klar auf diesem Thema liegen müsste nach den Niederlagen gegen Mainz und Hertha. Enno Maaßen meinte noch auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bremen, dass man gegen Hertha die Situationen nicht sauber wegverteidigt bekommen hätte. Er kann nun feststellen: gegen Bremen auch nicht.

Hier mal konsequent zwischen Gegenspieler und Ball. Das war am Samstag leider nicht immer so. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

„Wir haben den Gegner eingeladen.“ konstatiere Enno Maaßen nach dem Spiel auf der Pressekonferenz. Dort wurde zudem vom Cheftrainer angeführt, wie auch durch Personalausfälle das Mannschaftsgefüge sich immer wieder finden muss. Dies scheint in diesem Zusammenhang ein etwas hilfloser Erklärungsversuch, denn die Schwachstellen bleiben personalunabhängig. Gegen Mainz hatte Felix Uduokhai hilflos an den Gegentoren mitgewirkt. Robert Gumny ist in seiner Zweikampfführung ein steter Wackelkandidat. Als Fan fragt man sich schon, wo hier die Ursachen liegen.

Viel Arbeit im Training

Der erste Schritt wird sein, dass Enno Maaßen in seinem auf wiederkehrenden Routinen basierenden Training ein paar Änderungen vornehmen sollte. Der Fokus in der Trainingsarbeit muss anscheinend noch mehr auf defensive Stabilität gelegt werden. Ansonsten ist man gegen fast jedes Team in der Liga darauf angewiesen, dass der Gegner offensiv selbst nicht viel auf die Kette bringt. Es geht einfach nicht an, dass man sich in jeder Woche auf die mangelnde Chancenverwertung des Gegners verlassen muss. Und es wird weiterhin oft schief gehen.

Dazu fängt die Abwehrarbeit auch nicht erst in der letzten Reihe an. Gerade die Mittelfeldspieler davor, „klicken“ noch nicht ganz so, wie man sich das wünschen würde. Da liegt auch im geschlossenen, mannschaftlichen Verhalten gegen Ball noch in einigen Situationen im Zusammenspiel zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen der Hund begraben.

Personalentscheidungen

Andererseits verstehe ich die ein oder andere Personalentscheidung nicht. Bei Niklas Dorsch mag man argumentieren, dass er genau diese Einsätze braucht, um auf Normalform zu kommen. Andererseits braucht es Dorsch als spielerisches Element seit der Entdeckung von Arne Engels nicht mehr in der gewohnten Form und – ich hätte selbst nicht gedacht, dass dies noch einmal der Fall sein könnte – Julian Baumgartlingers Routine war am Samstag erfrischend. Wieviel Zeit will man Dorschi hier geben?

Maxi Bauer als Fels in der Brandung. Man fragt sich ein bisschen, warum Enno Maaßen auf ihn bewusst verzichtet. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

In der Innenverteidigung bin ich etwas überfragt, was Maxi Bauer verbrochen hat, um sich hinter Renato Veiga einreihen zu müssen. Das Duo Gouweleeuw und Bauer war in der Hinrunde ein starkes. Dazu kommt, dass Bauer der geborene Wegverteidiger ist. Ein Upgrade auf der Rechtsverteidigerposition ist ja nun erst wieder im Sommer möglich. Aber gerade in der Innenverteidigung hat es eine offensichtliche Alternative, die ich – gerade gegen die Bayern – präferieren würde.

Der Kopf bleibt oben

Insgesamt bleibt allerdings das Positive. Enno Maaßen hatte es erwähnt, dass man es in dieser Saison schon auch in einigen Spielen verdient gehabt hätte, mehr mitzunehmen. Diesmal eben nicht. Der 3er lässt einen grinsen zu Wochenbeginn. In dieser Ausgangsposition kann man in Ruhe weiterarbeiten und hoffentlich den ein oder anderen Schritt nach vorne machen. Wenn wir in der Defensive Situationen besser geklärt bekommen, dann wird das mit dem Klassenerhalt in dieser Saison eine einfache Geschichte. Gerade auch mit der Ausgangsbasis nun. Egal, ob sie im Falle des letzten Sieges glücklich ist.

Nicht schon wieder

Auswärts, Samstag 15:30 Uhr, gegen die Hertha aus Berlin. Eine Hertha, die sich dieses Jahr meist schwertat und deutlich hinter dem FCA stand. Und natürlich, wenn man sich die Ergebnisse des FC Augsburg dieses Jahr anschaut, ging es in die Hose. Der FCA verlor 0:2. Recht sang- und klanglos. Ab Minute 55 ließ man sich das Spiel etwas aus der Hand nehmen. Schnee von oben, Gegentore für Giki. Dass Marco Richter das erste besorgte und ausgelassen jubelte, war da nur das schmerzvolle Tüpfelchen auf dem i für Fans der Fuggerstädter. Wie schon in der Hinrunde zeigt die Partie gegen Hertha Mängel der Mannschaft gnadenlos aus. Und man kommt sich vor wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Die ganze Vorstellung, nachdem Enno Maaßen auf der Pressekonferenz vor dem Spiel erklärte, man hätte „alles“ umgestellt. Das Ziel war es neue Reize zu setzen, um sowohl samstags um 15:30 Uhr als auch auswärts wieder in die Spur zu kommen. Besprechungen wurden nicht durchgeführt, Abläufe geändert, und am Ende steht erneut eine ernüchternde Niederlage. Man reibt sich die Augen, wie es auch in dieser Form dazu kommen konnte.

Marco Richter mit dem ersten Stich ins Augsburger Herz. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Die Bedeutung des Spiels

Was Enno Maaßen auf der Pressekonferenz vor dem Spiel auch herausstellte, war die Bedeutung des Spiels. Das Spiel wurde von ihm als wichtig bezeichnet, abseits davon, dass das nächste Spiel immer das Wichtigste ist. Das gegen Hertha war noch etwas wichtiger. Nach dem Spiel sagte Jeffrey Gouweleeuw aus: „Ich weiß nicht, ob jedem die Wichtigkeit des Spiels bewusst war.“ Vielleicht doch, aber es fehlten die Mittel.

Spieler verlieren Spiele ja nun nicht absichtlich. Aber Spieler gehen mit Drucksituationen unterschiedlich um. Die einen spornt Druck zusätzlich an, andere brechen darunter zusammen oder machen Fehler, die sie sonst nicht machen würden. Nicht zuletzt deswegen arbeiten Teams mittlerweile regelmäßig mit Psychologen zusammen, die sie in diesem Bereich unterstützen. Was subjektiv am Samstag beobachtet werden konnte: Es wurde etwas ungemütlicher und fing an zu schneien, Hertha ging in Führung, der FCA konnte nicht dagegen halten. Das gilt es aufzuarbeiten.

Fehlende Torgefahr

Was dabei mittlerweile ins Gewicht fällt: Der FC Augsburg kann aus dem Spiel heraus nicht für genügend Torgefahr sorgen. Hertha, mit kurzfristigem Ausfall in der Innenverteidigung, zeigte, dass es sich bei Ihnen um eines der eher besser verteidigenden Teams in der Liga handelt. Da tut sich der FC Augsburg nun allgemein schon schwer, Torgefahr aus dem eigenen Spiel zu entwickeln. Gegen Hertha ging da nach vorne nicht viel zusammen.

Einerseits ist hier die Erwartungshaltung an Enno Maaßen vielleicht höher, als dies berechtigt ist. Allerdings bezeichnet er sich selbst auch als einen Trainer, der es bisher immer geschafft hat, seinen Teams ein System mit dem Ball zu vermitteln. Andererseits haben die Winterneuzugänge ihre erste Wirkung auch schon wieder verpufft. Beljo saß am Samstag auf der Bank, Mbuku ward noch nicht auf dem Feld gesehen und auch Kelvin Yeboah hatte einen gebrauchten Tag. Weder das System noch die Einzelleistungen sorgten für entscheidende offensive Momente. So wird das dann halt nichts.

Nicht gut genug war die Leistung, um sich gegen engagierte Herthaner durchzusetzen. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Hinten zu löchrig

Und wenn dann nach vorne schon nicht viel geht und vielleicht auch ein bisschen Glück dazu gehört hätte, dann ist das halt hinten manchmal einfach zu löchrig. Richter schließt mit dem zweiten Ball ab. Beim zweiten Gegentor sieht es dann schon wieder arg aus wie gegen Mainz. Man ließ Berlin in der Situation halt einfach machen und verteidigte mehr den freien Raum als den Gegner.

Niklas Dorsch sieht man an, dass er noch nicht bei 100 % ist. Gefährlich waren gegen Hertha vor allem seine Ballverluste im Spielaufbau. Insgesamt leistete sich der FCA zu viele individuelle Fehler, als dass man sich über 90 Minuten beschweren könnte, das Spiel verloren zu haben.

Und jetzt?

Einerseits ist dies überhaupt kein Zeitpunkt, um den Kopf in den Sand zu stecken. Der FCA steht immer noch gut da zu diesem Zeitpunkt in der Saison und ist ein Gegner der ganz grundsätzlich unbequem zu bespielen ist. Nicht jeder Gegner kann sich genügend gut darauf einstellen. Andererseits reicht das halt nicht, um sich mal ins Mittelfeld abzusetzen und durchzuschnaufen. Misslich.

Ich wünsche mir für die nächsten Spiele wieder etwas mehr Unberechenbarkeit, gerade auch im Offensivspiel. Ich bin dafür, die Rotation und den Konkurrenzkampf nochmal anzuheizen. Gibt es rechts offensiv keine Option mit mehr Dynamik als Arne Maier? Ist Niklas Dorsch im defensiven Mittelfeld so weit, wieder von Anfang an zu spielen oder lassen wir vielleicht doch mal das junge Doppel Vieiga/Engels ran? Und haben wir nicht genügend Optionen für links vorne, so dass Ermedin Demirovic in die Spitze rücken könnte? Wenn sich zeigt, dass jemand nicht voll da ist, dann sollte es mittlerweile Alternativen geben. Es liegt nun an Enno Maaßen, die richtige Mischung zu finden. Noch sind wir anscheinend nicht so weit.

Auf leisen Pfoten

Es hatte sich schon länger angekündigt. Jetzt ist es also spruchreif. Sergio Córdova verlässt unseren FC Augsburg. „La Pantera“, der Panther, wie der nunmehr 25-jährige Stürmer in seinem Geburtsland Venezuela genannt wird, macht sich auf leisen Pfoten erneut auf in Richtung Major Soccer League und unterschreibt bei den Vancouver Whitecaps einen Vertrag bis Ende 2025 mit der Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Die Kanadier überweisen für Córdova eine stolze Ablösesumme von angeblich 2,1 Mio. Euro nach Schwaben.

Wir von der Rosenau Gazette wünschen dir, Sergio, für deine neue Station viel Erfolg! Auf dass es – wie zuletzt – wieder aufwärts für dich geht!

Der VfB hat das Nachsehen

Es war im Sommer 2017, als der damals 19-jährige venezolanische U20-Nationalspieler beim FCA anheuerte. (Im Doppelpack übrigens zusammen mit Gregerl, der vom HSV kam.) Ablösefrei (und nicht – wie andere Quellen schreiben – gegen eine Ablösesumme von 1 Mio. €) kam Córdova aus der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, vom Caracas FC, über den großen Teich an den Lech. Während der Junioren-WM in Südkorea hatte er als junger, talentierter Knipser auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem auch die Schwaben vom VfB Stuttgart, die Córdova dann aber zur bayerischen Konkurrenz ziehen lassen mussten. Ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag plante der FC Augsburg langfristig mit ihm.

In der U20-Auswahl seines Landes Venezuela machte Córdova als 19-Jähriger europäische Clubs auf sich aufmerksam. (Photo: FEDERICO PARRA/AFP via Getty Images)

Augsburgs Edel-Joker

Mit großen Erwartungen an sich und seinen neuen Club ging’s für Córdova also nach Europa, Deutschland und in die Bundesliga. Klar, dass das für einen so jungen Mann nicht gleich auf Anhieb klappen kann. Der FCA sicherte seinem Neuzugang im Antrittsstatement daher auch „die nötige Zeit für die Eingewöhnung und Entwicklung“ zu. Aber die Eingewöhnung schien irgendwie nie ein Ende zu nehmen.

In seinen 75 Bundesligaspielen für die Augsburger durfte sich Córdova, der vor allem in der Sturmspitze agierte, nur zwei Mal über die vollen 90 Minuten zeigen. Zum Stamm gehörte er nie. Von den Trainern, unter denen er spielte – Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl – wurde er lieber mit der Joker-Rolle bedacht. Sechs von seinen insgesamt sieben Treffern für den FCA hat Córdova nach Einwechslung erzielt und ist damit in Augsburgs nunmehr elfjähriger Bundesligageschichte Rekord-Joker.

Konkurrenz vor der Nase

Auch in den kommenden Jahren kam Córdova nicht an der teils neu rekrutierten Konkurrenz vorbei, z.B. in Person von Florian Niederlechner, der 2019 zum FCA stieß. Daher war die vorzeitige Vertragsverlängerung im Sommer 2020 auch verbunden mit einer einjährigen Leihe zum Bundesliga-Konkurrenten aus Bielefeld. Dort konnte der bullige Venezolaner sein Torekonto zwar um zwei weitere Treffer aufstocken, es lief aber wegen einer längeren Krankheitspause trotzdem nicht ganz wie erhofft. Beim enttäuschenden 0:0 bei Greuther Fürth am letzten Spieltag der Hinrunde 2021/22 trug Córdova für gut eine halbe Stunde das letzte Mal Rot-Grün-Weiß. Der Joker hatte nicht mehr gestochen.

Nicht ganz optimal lief die Leihe von Sergio Córdova 2020/21 zur Arminia. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Zweiter Frühling in den USA

Spätestens mit dem Pepi-Transfer Anfang Januar 2022 war klar, dass die Zukunft Córdovas nicht (mehr) in Augsburg liegt. Folgerichtig ließ er sich erstmals in die MLS zu Real Salt Lake City ausleihen. Offenbar hatte sich der Club schon vor dem Gang des Nachwuchsstürmers nach Europa das Erstzugriffsrecht auf ihn in den Vereinigten Staaten gesichert. Ob David Blitzer, der Anfang Januar 2022 neuer Mit-Eigentümer von RSL wurde, das Zustandekommen des Leihgeschäfts in irgendeiner Form vorangetrieben hat, ist nicht abschließend geklärt. Ausgeschlossen ist es aber auch nicht.

In Utah blühte der Nationalspieler, der sein Engagement fürs Nationalteam wegen der vielen, beschwerlichen Reisen von Europa nach Südamerika zuvor vorübergehend auch pausiert hatte, jedenfalls nochmal so richtig auf. Er absolvierte in nicht ganz einem Jahr 33 Ligaspiele und erzielte dabei neun Tore – so viele, wie in all seinen insgesamt 98 Bundesligaeinsätzen zusammen! Entsprechend schwer fiel ihm wie auch Salt Lake nach Leihende der Abschied. In den höchsten Tönen schwärmten die beiden Parteien voneinander.

Fürs Durchhalten belohnt

Gerade aus den USA zurückgekehrt und frisch zu seinen Noch-Mannschaftskollegen vom FC Augsburg gestoßen, wirkte Sergio im Trainingslager in Algorfa Anfang des Jahres dann auch so athletisch und agil wie schon lange nicht mehr. Trotzdem ist sein Weggang aus Augsburg wohl das Beste für beide Seiten.

Córdova ist in Vancouver nun das dauernde, beschwerliche Reisen zwischen den Kontinenten und die leidige Konkurrenz los, gegen die er nie richtig ankam. Außerdem kann er dort seiner Partnerin näher sein, ebenfalls Venezolanerin und als Model viel in den USA unterwegs, die er letztes Jahr mit viel Glamour auch heiratete.

Der FCA dagegen verdiente mit Córdova und dessen fünfeinhalbjährigem Engagement dem Vernehmen nach insgesamt 3,5 Mio. Euro und konnte damit ein sattes Transfer-Plus einfahren. Zudem konnte der Verein seinen Radikalumbau in der Offensive weiter vorantreiben und sich – nach Demirovic und Berisha im Sommer – mit weiteren, jungen und hungrigen Kräften wie Beljo, Cardona und Yeboah verstärken. In den Worte Stefan Reuters klingt diese Win-Win-Situation so:

„Sergio Córdova hat frühzeitig signalisiert, dass er gerne weiterhin in der MLS spielen würde. Nachdem wir gerade in der Offensive im Winter viel Qualität verpflichten konnten, wollten wir ihm diese Chance in Vancouver ermöglichen, zumal auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wechsels für uns passen.“

Stefan Reuter zum Córdova-Transfer am 20.02.2023

Dass der Umbau, bei dem Córdova keine Berücksichtigung mehr fand, für Rot-Grün-Weiß aufgeht, zeichnet sich jetzt schon ab. Allerdings wäre dieser Schnitt weit schwieriger gewesen, wenn jemand, der so lange in der zweiten Reihe stand wie Córdova, irgendwann Ansprüche anmeldet und „unbequem“ wird. Das hat er – nach allem, was man als aufmerksamer FCA-Fan beobachten konnte – nicht getan. Danke dafür, Sergio, und für dein Durchhaltevermögen. Es hat sich spätestens jetzt auch für dich ausgezahlt.

Besser


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Der Start in die Rückrunde gleicht dem in die Hinrunde recht genau, wenn man sich nur die Ergebnisse des FC Augsburg anschaut. Erst verlor man gegen Freiburg und dann gewann man gegen Leverkusen. Und jetzt also die Wiederholung. Aber nicht nur der zweite Sieg gegen den vormaligen Angstgegner Bayer 04 Leverkusen führt zu intensivem Augenreiben. Der FCA ist im Vergleich zur Hinrunde kaum wiederzuerkennen. Und das liegt noch nicht mal nur an den vielen Neuzugängen, die noch nicht alle eine Rolle gespielt haben. Ich will nachfolgend einen Blick auf die Gründe werfen

Auf dem Platz

Die Mannschaft hat unter Enno Maaßen im Verlauf der Zeit sichtbar besser Fußball spielen gelernt. Auch wenn, wie gegen Freiburg deutlich zu sehen, die individuellen Fehler nie ganz abgestellt werden können, ist doch eine klare Handschrift zu erkennen. Gegen Freiburg war man lange auf Augenhöhe gegen ein Top-Team der Liga. Wo man in der Hinrunde in der zweiten Halbzeit auseinander brach, war man nah dran am Ausgleich. Gut, am Ende fängt man sich noch eins, aber was soll’s. Die Mannschaft wirkt dazu wie eine Einheit in der jeder seine Rolle annimmt.

Gegen Leverkusen blieb man bei deutlich mehr Ballbesitz geduldig, erarbeitete sich Standards und gewann auf diese Weise. Abgezockt. Die Abgezocktheit fehlt Mergim Berisha in manchen Situationen noch, die sportliche Qualität des Stürmers sticht allerdings momentan hervor. Torbeteiligung um Torbeteiligung machen ihn in dieser Phase zum wichtigsten Augsburger Feldspieler getreu dem Motto: Keine Tore, keine Punkte.

Mit seinen Toren ein Punktegarant: Mergim Berisha. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Transfers

Mit Niederlechner und Gruezo hat man in der Winterpause zwei Stammspieler aus der Hinrunde abgegeben. Bei beiden war nicht klar, wie der Ersatz einschlagen würde. Neben Ersatz hat man aber bewusst in die junge Breite investiert und so eine Basis geschaffen, damit Enno Maaßen bei seinem energieintensiven Spiel auch genügend Wechselalternativen hat. Wer aus dem Stand alle sieben Neuzugänge aufzählen kann, der ist zu bewundern. Zusatzpunkte gibt es für die passenden Rückennummern. Wenn nun noch der ein oder andere wieder gesundet (Iago oder Reece Oxford) bzw. zu Form findet (Niklas Dorsch), dann hat der Trainer auf einmal die Qual der Wahl.

Neben der Breite hat sich – überraschenderweise – auch direkt etwas in der Spitze des Kaders getan. Man of the Match war am Samstag Arne Engels. Der FCA wurde zum Schnäppchenpreis in Belgien fündig und hat – Stand jetzt – ein Juwel aufgetan. Der Trainer vertraut dem Jungen und dieser zahlt es ihm mit Zinsen zurück. Mit solchen Transfertreffern wird alles leichter. Stefan Reuter kann sich beim Lesen ein Grinsen nicht verkneifen.

Mut

Mit dem Selbstvertrauen kehrt dann doch der Mut ein und man zeigt sich lernfähig. Hatte Enno Maaßen gegen RB Leipzig noch gekniffen und Aaron Zehnter in der Schlussphase nicht eingewechselt, war es nun gegen Leverkusen so weit. Wieder war eine knappe Führung zu verteidigen, wieder brauchte es links schlicht eine Alternative. Aaron durfte ran und der FCA hielt die Führung. Mut hat uns in dieser Saison schon immer weiter gebracht (gerade die mutige Umstellung vor dem Spiel in Bremen). Es sollte eine Maaßensche Routine werden: Im Zweifel, sei mutig.

Mutig in die Zweikämpfe und weiter intensiv in der Spielführung, dann bleibt dieses Team auch erfolgreich. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Das wird es nun auch vereinfachen, Rückschläge besser zu verarbeiten. Denn die werden weiterhin kommen. Die Mannschaft ist weiterhin dabei sich zu entwickeln. Der Weg bis hierhin macht allerdings viel Mut.

Euphorie

Schlussendlich ist der FCA momentan ein Team, gegen das sich jeder Gegner Punkte hart erarbeiten muss. Sportlich wissen die Jungs, was sie zu tun haben und können die ambitionierten Pläne ihres Trainers umsetzen. Es macht Spaß den einzelnen Akteuren zuzuschauen, wie sie sich reinhauen und zudem den ein oder anderen sehr gepflegten Ball spielen.

Vielleicht habe ich sie ausgeblendet, die vorherigen euphorisierten Phasen. Für mich persönlich fühlt es sich seit langem an, als ob wir uns wieder in die richtige Richtung bewegen. Der sportliche Stillstand ist dank Maaßen und veränderter Kaderpolitik aufgebrochen. Der FCA gewinnt seine Anziehung zurück. Ich fiebere wieder mehr mit. Und der nächste Gradmesser steht schon bevor. Ich war auch das letzte Mal auswärts in Mainz dabei. Spätestens am Samstag wird dann vielleicht auch der Letzte erkennen, dass diese Mannschaft nicht nur besser geworden, sondern auch, wie gut sie schon ist.

Der Unterschätzte sagt Adiós

Carlos Gruezo fällt nicht gerne auf. Auf Instagram zeigt sich der Ecuadorianer fast ausschließlich im Fußballtrikot. Kein Posieren in ausgefallenen Klamotten oder mit teuren Autos, kein Zurschaustellen des eigenen Reichtums, keine Skandale. Auch in seinen 75 Spielen für Augsburg blieb Gruezo eher unauffällig. Kein Tor, eine Vorlage, ein paar gelbe Karten. Auf dem Papier scheint sein Wechsel nach San Jose für den FCA verkraftbar. Schließlich bekommt der FCA noch ein paar Millionen für einen Mann, der 2023 noch nicht im Kader stand. Dennoch verliert der Klub einen Spieler, der in der Außenwahrnehmung eher unterschätzt wurde.

Carlos Gruezo ist ein solider Bundesligakicker – und das ist keineswegs negativ gemeint. Der Duden definiert den Begriff als „ohne Ausschweifungen, Extravaganzen und daher nicht zu Kritik, Skepsis Anlass gebend“. Bei Gruezo wusste man, was man bekommt – und was nicht. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld fiel der Ecuadorianer als bissig, lauffreudig und zweikampfstark auf.

Ein Gruezo in Höchstform konnte für den FCA in der Vergangenheit sehr wertvoll sein. Wie beim 1:1 gegen Dortmund gegen Ende der vergangenen Saison. Augsburgs Sechser eroberte leidenschaftlich per Grätsche den Ball von Axel Witsel, der FCA konterte sich über vier Stationen zum Ausgleichstreffer. Seine bisher einzige direkte Torvorlage sicherte in einer sportlich schwierigen Phase einen 1:0-Sieg gegen Mainz. Insgesamt sah man aber zu wenige offensive Akzente vom 27-Jährigen.

In diesen Statistiken überzeugte Gruezo

Gruezos Stärken liegen positionsbedingt im Passspiel sowie in der Zweikampfführung. In beiden Kategorien lieferte der Kapitän seines Heimatlandes in dieser Saison. Laut bundesliga.de brachte Gruezo an den ersten 15 Spieltagen 79,3 Prozent seiner Bälle an: das ist der beste FCA-Wert, ligaweit gleichzeitig aber auch nur Rang 70. Auf den Plätzen 69 und 71 liegen Rani Khedira und Tom Krauß. Der eine spielte jahrelang auf der Sechs in Augsburg, der andere wurde als Neuzugang gehandelt, ging aber zum FC Schalke. Ein guter Marker also.

Zudem gewann Gruezo 55 Prozent seiner Zweikämpfe. Das entspricht teamintern Rang 4 hinter Bauer (61), Gouweleeuw (58) und Rexhbecaj (55,5) und ligaweit Rang 66.

Diese ordentlichen Statistiken zeigen, dass Gruezo in dieser Saison wichtig für den FCA war. Nur fünf Spieler standen bis zur Winterpause öfter auf dem Platz als er (Gouweleeuw, Rexhbecaj, Demirovic, Iago, Bauer).

Ist ein Gruezo-Wechsel sportlich verkraftbar?

12-Mal begann Gruezo in der Startelf. Zu Beginn als zentraler Abräumer hinter den Achtern Rexhbecaj und Maier, nach Maaßens Systemwechsel auf drei Stürmer in der Regel als defensiver Part der Doppelsechs. Dank seiner Zweikampfstärke spielte er anstelle von Maier, aufgrund seiner Fitness startete er vor Baumgartlinger.

Das Mittelfeld in den bisherigen Spielen bildeten Elivs Rexhbecaj und Neuzugang Arne Engels. Eine offensive Ausrichtung, die bisher überzeugte. Außerdem baut der FCA auf Niklas Dorsch. Der Neuzugang von 2021 verpasste die gesamte Saison aufgrund von zwei Mittelfußbrüchen, gegen Gladbach feierte er in der Schlussphase sein Comeback. Ein Dorsch in Topform ist gesetzt. Somit wären auch Gruezos Einsatzzeiten zurückgegangen. Zumal Youngster Engels ebenso ernsthafte Ansprüche auf die Startelf anmeldet. Dass Gruezo den FCA mit Blick auf künftige Einsatzzeiten verlassen will, ist daher nachvollziehbar.

Insgesamt stand Gruezo 75-mal für den FC Augsburg auf dem Platz. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Holt der FCA noch einen Ersatz?

Kann der FC Augsburg in der Rückrunde aus dem Vollen schöpfen, braucht es wohl gar keinen zwingenden Eins-zu-Eins-Ersatz. „Wir haben mit Elvis (Rexhbecaj, d. Red.), Baumi (Julian Baumgartlinger), Dorschi (Niklas Dorsch) und Arne (Maier) vier Spieler für diese Position, wobei ich Arne eher ein bisschen weiter vorne sehe“, sagte Maaßen im Trainingslager dem Kicker. Aber: „Wenn wir Carlos abgeben, wollen wir natürlich Ersatz holen.“ Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht absehbar, wie stark Engels aufspielt.

Als Gruezo-Ersatz wurden die Zweitligaprofis Tim Breithaupt (Karlsruhe) und Ron Schallenberg (Paderborn) genannt. Ihre Klubs wollen die Leistungsträger allerdings nicht abgeben. Der FCA soll jedoch nach wie vor interessiert sein, die Personalien könnten im Sommer interessanter werden. Bis zum nächsten Winter hat der FCA nun erstmal das nächste Talent ausgeliehen. Der portugiesische U20-Kapitän Renato Veiga wird die entstandene Lücke vorerst schließen und ist wohl zumindest zu Beginn mit den geringen Einsatzzeiten zufrieden.

Dass Carlos Gruezo den Verein verlässt, ist daher sportlich verkraftbar und wirtschaftlich sinnvoll. Sein Vertrag wäre nächstes Jahr ausgelaufen. Gruezos Zeit in Augsburg war insgesamt dennoch positiv. Ein sympatischer Typ, der sich im Gespräch mit der Rosenau Gazette sehr bodenständig gezeigt hat – und ein Spieler, der seinen Job ordentlich erledigte.

Adiós, Carlos, hasta pronto.

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