Als Masaya Okugawa im Sommer zum FCA gewechselt war, habe ich mich besonders gefreut. Kam doch mit ihm ein japanischer Spieler nach Augsburg. Japan ist eines der Reiseländer, in dem ich zwar noch nie war, das ich aber besonders gerne mal bereisen würde. Nachdem ich schon in der Vergangenheit immer mal wieder gerne mit Spielern über ihre Heimat gesprochen hatte, wollte ich dies gerne mit Okugawa fortsetzen. Und Masaya nahm sich auch die Zeit, sich mit mir zusammen zu setzen und meine neugierigen Fragen zu beantworten. Lest selbst, was ich über Japan gelernt habe:
Andy: Hallo Masaya, du spielst nun schon seit 8 Jahren in Österreich und Deutschland Fußball. Was war die größte Veränderung damals?
Masaya: Da gibt es einiges, das Essen zum Beispiel. Was mich aber immer noch am meisten irritiert – und zwar jedes Mal, wenn ich aus Japan wieder her komme – ist der Rechts-Verkehr. In Japan gibt es wie in England Linksverkehr und ich muss mich immer erst umgewöhnen.
Andy: Du kommst ursprünglich aus Koka. Was kannst Du uns über deine Heimatstadt erzählen?
Masaya: Koka ist keine besonders große Stadt. Das mag ich. Dazu ist es die Stadt der Ninjas und es gibt einige Ninja-Sehenswürdigkeiten. Ninjas sind cool.
Andy: Später hast Du in Kyoto Fußball gespielt. Was magst Du uns über Kyoto erzählen?
Masaya: Kyoto ist eine sehr touristische Stadt und es gibt viele Tempel und Sehenswürdigkeiten. Es ist durch die vielen Touristen immer recht voll. Als ich dort gelebt habe, habe ich das ein oder andere besichtigt an meinen freien Tagen, aber ich bin nicht so der große Tempelgänger. In meiner Freizeit mag ich es lieber Aktivitäten zu unternehmen.
Andy: Japan ist berühmt für seine Kulinarik. Was sind deine Lieblingsgerichte?
Masaya: Ich esse gerne Sushi an Geburtstagen oder bei Feierlichkeiten. Rahmen sind für mich als Sportler nichts. Sie sind zu fett. Aber was ich jeden Tag essen könnte, sind Udon-Nudeln. Die mag ich wirklich gerne.
Andy: Wie steht es an der Dessert-Front? Hast Du dich in der ganzen Zeit auch für Mehlspeisen begeistern können oder magst Du japanische Süßspeisen lieber?
Masaya: Kaiserschmarrn mag ich sehr gerne. Den gab es in Österreich immer als Snack und das war ein Highlight. Aber ich mag auch Mochi.
Andy: Für mich auch typisch japanisch sind Videospiele. Ist das etwas – nachdem Du Aktivitäten magst – was Du in deiner Freizeit gerne spielst?
Masaya: Ich bin da nicht der absolute Crack, aber Zelda und Anime-Spiele wie Dragonball spiele ich ab und zu ganz gerne.
Andy: Wenn wir schon bei japanischen Freizeitaktivitäten sind, wie steht es mit Karaoke?
Masaya: Oh, Karaoke. Das macht ja jeder. Es gibt in Japan Boxen unterschiedlicher Größen, die man mietet. Ich habe das ungefähr 2x im Monat mit Freunden gemacht und man muss auch nicht unbedingt selbst singen. Die Boxen sind sehr günstig zu mieten, weshalb Karaoke schon Schulkinder regelmäßig machen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man wie in Deutschland zum Beispiel beim Einstand bei einem neuen Team, vor dem ganzen Team singen muss. Vor Gruppen aufzutreten ist mir eher unangenehm. Aber japanisches Karaoke im kleinen Kreis mag ich sehr gerne.
Andy: Bleiben wir bei Freizeitaktivitäten. Wie findest Du Onsen? (Anm. d. Red.: Die Japaner nennen ihre heißen Quellen „Onsen“. Die Onsen sind eine der angenehmen Nebenerscheinungen von Japans bewegter Erde, Folge seiner Lage auf dem Pazifischen Feuerring)
Masaya: Onsen sind toll. Sehr entspannt. Man kann sich einmieten wie in Hotels und sich treiben lassen. Das Wasser ist angenehm warm. Das ist genau mein Ding.
Andy: Thermalquellen kennen wir hier auch. Kommen wir auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland und Japan zu sprechen: die Kommunikationskultur. Wie kommst Du mit der unterschiedlichen Art zu kommunizieren mittlerweile zurecht?
Masaya: Das bleibt für mich immer noch ein bisschen befremdlich. In Deutschland wird sich eher auf die Einzelperson konzentriert, während in Japan das Wir im Vordergrund steht. Dazu kommunizieren wir zurückhaltender und sehr demütig. Wir entschuldigen uns immer als Erstes. Ich versuche in Deutschland etwas direkter zu kommunizieren, aber ich kann auch nicht aus meiner Haut.
Andy: Gibt es noch etwas, das du mir über Japan erzählen willst?
Masaya: Ich wollte schon immer wissen, warum es in Deutschland keine Kotatsu gibt. Ein Kotatsu ist ein beheizbarer Tisch. Als Japaner sitzen wir ja mehr auf dem Boden und nicht auf Stühlen und bei diesen Tischen kann man seine Hände und Beine unter eine Decke stecken und das Ganze wird beheizt. Das ist das Beste. Hier sind die Winter noch kälter als in Japan und trotzdem gibt es keine Kotatsu. In Deutschland ist es im Winter einfach zu kalt und ungemütlich.
Andy: Wie feiert ihr denn Weihnachten und den Jahreswechsel?
Masaya: Weihnachten wird bei uns nicht in dem Umfang gefeiert und es gibt auch kein Feuerwerk zum Jahreswechsel. In der Phase des Jahres haben aber alle frei und wir verbringen gemütliche Tage bei Essen und Spielen mit unseren Familien. Es ist eine sehr schöne Zeit. Wenn Du einmal nach Japan reisen willst, dann im Winter. Das ist meine liebste Zeit.
Andy: Das werde ich beherzigen. Auf was freust Du dich denn dann, wenn Du wieder aus Japan nach Augsburg zurück kommst? Was gefällt Dir hier?
Masaya: Ich mag die Augsburger Altstadt mit ihren alten Häusern. Auch auf der Maxstr. bin ich gerne, weil es dort verkehrsberuhigt ist und man entspannt bummeln kann.
Andy: Danke Dir für die vielen Einblicke! Ich wünsche Dir noch eine tolle Zeit in Augsburg!
Die Vorzeichen waren schon einmal schlechter, wenn neue Trainer eine neue Station angetreten haben. Die Zeichen standen sogar recht gut für Jess Thorups erstes Spiel in der Fußballbundesliga. Kommen wir zuerst zu den äußeren Umständen. Es war zwar ein Spiel Ende Oktober, aber das Wetter enttäuschte nicht. Die Sonne schien zu Beginn des Spiels noch ins Stadionrund, auch zu dieser späten Anstoßzeit. Das Wetter war mild und die Konditionen optimal für einen Bundesligaeinstand.
Auch ansonsten gab es schon Trainer, die bei ihrem neuen Club auf kompliziertere Konditionen getroffen haben. Einerseits ist der Kader der Augsburger fast vollständig fit, es fehlten nur wenige Spieler wie Ruben Vargas verletzungsbedingt. Auch steht der Club nicht im Tabellenkeller. Man hat schon gewonnen diese Saison und es ist noch nicht 5 vor 12. Dazu ist die Kulisse in Heidenheim im besten Sinne „beschaulich“. Von den Rängen wird zwar Lärm gemacht, aber es ist kein Vergleich mit Kulissen wie in Frankfurt oder Dortmund. Einschüchternd hätte das heute nicht wirken sollen.
Sportlich wenig Entwicklung
Bei dem, was dann auf dem Rasen zu beobachten war, war dann auch von der gegenüberliegenden Tribüne aus zu erkennen, dass Neutrainer Jess Thorup nicht zufrieden war. Da half dann auch sein Auftreten im blauen Anzug nichts: seine Mannschaft kassierte das 0:1 nach einem Standard, das 0:2 nach einer adretten Heidenheimer Kombination, die von seiner Mannschaft passiv hingenommen wurde. Die Standards waren auch vorher schon gefährlich. Finn Dahmen konnte sich bei einer früheren Ecke mit einem Klasse-Reflex zeigen.
Als Anhänger des FC Augsburg rieb man sich in der Mitte der ersten Hälfte verwundert die Augen. Einerseits hatte sich an der Aufstellung des Teams nur marginal etwas geändert. Thorup schickte das Team erneut in einem 4-2-2-2 auf den Rasen und rotierte nur marginal. Dorsch durfte anstatt Engels ran, Jensen ersetzte den verletzten Vargas. Die Mannschaft spielte nicht nur taktisch wie unter seinem Vorgänger. Auch auf dem Rasen blieb die Passivität und die individuellen Fehler. Der Gästeblock verstummte zeitweise. Der Trainereffekt hatte sich früh abgenutzt. Ernüchterung kehrte ein.
Ungeahnte Wende
Aber Fußball ist eben doch eine unberechenbare Angelegenheit. Es begann erst unscheinbar. Erst stand Tietz nach einer Jensen-Ecke völlig blank und nutzte die Chance. Danach nutzte der FCA einen zweiten Ball nach einem Einwurf und Tietz legte auf Pedersen ab, der eiskalt vom Straftraumrand vollendete. Auf einmal war Heidenheim verunsichert. Unbedacht hatte man den FCA zurück ins Spiel kommen lassen. Kleindiensts gelbe Karte war in dieser Phase symptomatisch. In all diesem Durcheinander eroberte der FCA direkt nach dem Anpfiff erneut den Ball, Jensen legte von rechts herein und Demirovic rutschte den Ball ins Tor. 3:2 für den FCA nach 40 Minuten. Was ein Ritt und Wahnsinn.
Zu Beginn der zweiten Hälfte ist für den FCA alles beim Alten, wenn es darum geht, Konstanz ins eigene Spiel zu bekommen und defensiv sicher zu stehen. Das war auch nach den Gegentoren nicht immer sattelfest. Man mochte allerdings nicht prophezeien, wohin dieses Spiel sich noch entwickeln würde.
Offensives Mindset
Insgesamt wirkte das Ganze dann weiterhin nicht wie aus einem Guss. Der FCA ließ Heidenheimer Spieler auch in der zweiten Halbzeit frei vor Torhüter Dahmen auftauchen. Auch im eigenen 6er Raum war man in manchen Situationen weit weg von den Gegenspielern. Auf der anderen Seite waren die ersten Abweichungen zu den letzten Maaßen-Spielen zu beobachten. Uduokhai wagte sich nach 56 Minuten bei einem Dribbling offensiv mit nach vorne und sorgte für Unruhe. In der Folge hatten dann Tietz und Jensen jeweils gute Chancen um für die Augsburger weiter zu erhöhen. Zur Entscheidung kam es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Unterhaltsamkeit fand dann nach einer Ecke den Augsburger Höhepunkt, als Felix Uduokhai zum 4:2 aus Augsburger Sicht erhöhte. Erwähnenswert weiterhin im Spielverlauf: Arne Engels durfte später auf rechts für Freddy Jensen ran und eben nicht zentral. In der 80. Minute rührte Thorup den Zement an, und verstärkte die Defensive mit Bauer und Breithaupt für Tietz und Dorsch massiv. Das Elfmetertor von Elvis Rexhbecaj war am Ende die Kirsche auf der Sahne eines außergewöhnlichem 5:2 Auswärtssiegs. Dem ersten nach über einem Jahr Auswärts-Durststrecke.
Aussagekraft
Das Spiel des FCA in Heidenheim ist eine Einzelbeobachtung. Sehr unterhaltsam, aber einmalig. Wenig kann man aus diesem einzelnen Spiel ableiten. Einerseits wird kaum ein Gegner den FCA nach Fehlern – wie in der ersten Halbzeit – wieder ins Spiel kommen lassen. Andererseits wird auch kaum eine gegnerische Abwehr sich so löchrig präsentieren, wie die der Heidenheimer.
Einige Fakten bleiben. Zum ersten Mal 5 Auswärtstore. Zum ersten Mal nach 0:2 Rückstand noch gewonnen. Tietz das erste Bundesligator. Zumindest das Selbstbewusstsein sollte gewachsen. Aber wer würde nun eine Prognose abgeben wollen, wie es nach diesem verrückten Debüt weitergeht.
So eine Fußballmannschaft ist ja schon ein bunter Haufen. Das bleibt er auch in Augsburg. Manche Spieler stechen aus solch einem bunten Haufen ein bisschen mehr heraus als andere. In Augsburg ist das definitiv Rafal Gikiewicz, der polnische Schlussmann des FCA. Ich lerne ja immer wieder gerne etwas zur Heimat unserer Fußballer und so habe ich mich mit Rafal kurzgeschlossen und er hat mir von Polen erzählt. Jetzt möchte ich gerne nach Polen. Wohin genau? Rafal hat es verraten…
Andy: Du kommst ursprünglich aus den Masuren. Ich würde gerne mit einem Text starten, den ich über die Masuren gelesen habe. „Die Legende besagt, dass Gott nachdem er die Erde erschaffen hatte, während er sich nach harter Arbeit ausruhte, ein tiefes Loch entdeckte. Um die Mulde zu füllen, trug er mit seinen Händen Steine und Gebirgsfelsen aus aller Welt und formte daraus die Hügel. Er holte Sand und Lehm aus dem Tiefland, aus dem er den Boden bildete. Mit seinen Händen brachte er Wasser aus den Meeren und Ozeanen und goss es in die Mulden, aus denen sich Seen bildeten. Er teilte die Wildnis in viele Wälder auf und aus den zahlreichen Sümpfen des Landes brachte er Lagerstätten von Eisenerz und Torf. So ist das heutige Masuren aus einem Loch entstanden.“
Rafał: Ich habe das noch nie gehört, aber ich glaube, es stimmt. Wirklich! Olsztyn ist meine Heimatstadt. Allenstein heißt sie auf Deutsch. Alleine in meiner Stadt gibt es 16 oder 17 Seen. Da gibt es in jeder Ecke viel Wasser. Und es ist sehr sauberes Wasser. Das kann man mit den Seen in Augsburg oder München gar nicht vergleichen. Das ist ein großes Privileg. In der Freizeit fährt man mit der Familie, mit einem Kumpel oder der Frau / Freundin an einen See und geht schwimmen und das gute Wetter genießen. Jeder See hat wirklich eine tolle Qualität.
Andy: Das heißt, durch die Seen fährt man am Wochenende gar nicht ans Meer?
Rafał: Genau. Bei uns ist es so: Wenn du am Wochenende ans Meer fahren willst, dann musst du von meiner Stadt aus 2 bis 2,5 Stunden fahren. Da sagen viele Leute: „Jetzt ist das Benzin teuer. Bleiben wir einfach in Olsztyn.“ Die Stadt hat viel Geld investiert – in den Plaża Miejska (Anm. der Red.: Jachthafen). Da gibt es viele Plätze mit Sand zum Volleyball spielen, viele Restaurants, frischen Fisch. Für Familien und Kinder ist das ein Paradies. Leider kann ich nur einmal im Jahr dort sein.
Andy: Olsztyn hat auch eine sehr ähnliche Größe wie Augsburg. Ich finde das eine sehr angenehme Größe der Stadt. Es ist nicht zu groß, man kann schnell überall hinkommen.
Rafał: Genau. Ich muss sagen, ich bin wirklich ein sehr großer Fan von Augsburg. Ich war zwei Jahre in Berlin und wenn du dort zum Beispiel einen Termin bei einem Arzt hast, dann fährst du eine Stunde und dreißig Minuten lang, weil viel Verkehr ist. Dann bist du eine halbe Stunde im Termin und fährst wieder 1,5 Stunden zurück. Da verlierst du vier Stunden, in denen du deine Familie nicht siehst. In Augsburg oder meiner Heimatstadt ist das anders. Jetzt zum Beispiel fahre ich von Neusäß zur WWK-Arena 10 Minuten. In Berlin Köpenick war das brutal 2 Jahre lang, obwohl ich nur 5 Kilometer zum Stadion hatte. So viele Autos habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Und dann musst du Strafe zahlen, wenn Du zu spät kommst, und jede Minute kostet viel Geld. Manchmal war ich mit dem Auto unterwegs, aber alle standen Richtung Stadion. Dann bin ich einfach zurück nach Hause, habe die Vespa genommen und bin mit der Vespa zwischen den Autos durchgefahren.
Andy: Das ist dann die Weisheit des Alters irgendwann, dass man nicht mehr die ganz großen Städte braucht.
Rafał: Ich glaube, das kann man auch gar nicht vergleichen. Ich habe zwei Kinder und eine Frau. Mir macht das Spaß, mittags die Kinder abzuholen und mit beiden zum Training zu fahren. Wenn du Papa bist und seit 15 Jahren eine Frau hast, dann hast du andere Prioritäten. Mein Tag ist ein bisschen anders organisiert als der der jüngeren Spieler. Natürlich macht es Spaß, manchmal nach München oder in eine andere große Stadt zu fahren. Aber wir fühlen uns in Augsburg seit fast 2,5 Jahren sehr wohl.
Andy: Die Kurve zurück einmal nach Olsztyn. Da hast du ja auch mit dem Fußballspielen angefangen. Wie würdest du deinen Homeground beschreiben, wo Du mit deinem Bruder zum Fußball gekommen bist?
Rafał: Ich muss sagen, das war eine schwierige Zeit, weil wir zwei Zwillingsbrüder sind und immer zusammen waren. Wir waren laut. Wir hatten viel Energie. Unser Papa hat bei unserem ersten Verein, Stomil Olsztyn, gearbeitet. Wir waren viel unterwegs und konnten nicht bei unserem Heimatverein spielen. Ich bin dann zu unterschiedlichen Vereinen gewechselt. Sokol Ostroda, Drweca Nowe Miasto Lubawskie, DKS Dobre Miasto. Die waren immer so 50 bis 60 Kilometer weit weg und wir mussten immer mit unseren Eltern nach der Schule fahren, trainieren, und wieder zurück, Hausaufgaben machen, schlafen und wieder zur Schule gehen. Es war eine anstrengende Zeit für uns, aber wir hatten einfach einen riesigen Traum. Kein Talent, aber wir hatten Bock, hart zu arbeiten. Und seit ich 11 oder 12 war, weiß ich, dass ich Fußball spielen will. Wir hatten immer eine Philosophie mit unserem Papa. Wir wollten jedes Jahr eine Liga höher wechseln und nicht zu große Schritte nach oben machen und dort dann keine Rolle spielen. Uns systematisch weiterentwickeln. Wir haben immer für ein Jahr einen Vertrag unterschrieben und mit 20 Jahren einfach einen riesigen Schritt in die beste polnische Liga gemacht – die heißt Ekstraklasa – zu Jagiellonia Bialystok. Und dann ging es schnell. Mit Slask Wroclaw sind wir Meister geworden, haben den Pokal gewonnen und den Supercup. Ich habe gegen Hannover Europa League-Quali und auch Champions League-Quali gespielt. Und dann kam es zum Bruch durch eine komplizierte Situation mit meinem Bruder und einem Mitspieler. Ich stand hinter meinem Bruder und durfte dann mit 15, 16 Jahre alten Spielern nur noch laufen und nicht mehr mit der ersten Mannschaft trainieren. Und dann habe ich eine Anfrage von Eintracht Braunschweig bekommen, ob ich zum Probetraining kommen kann. Ich hatte und ich habe nie in meinem Leben Angst. Also habe ich gesagt „Ja, ich kann kommen“. Ich konnte kein einziges deutsches Wort. Wirklich gar nichts! Null! Ich habe mit dem Torwarttrainer mit Händen und Füßen gesprochen und er hat mir gezeigt, was ich machen soll. Nach dem ersten Tag Probetraining hat er gesagt, dass er mich haben will. Und damit hat mir Alex Kunze – so heißt er – eine riesige Chance gegeben. Das ist meine 9. Saison in Deutschland und ich bin wirklich dankbar. Ich glaube, im Leben muss es einfach so sein. In Breslau lief es nicht so gut, dann kam Eintracht Braunschweig. Nach zwei Jahren wechselte ich dann von Braunschweig nach Freiburg und sie haben fast eine Millionen Euro bezahlt. All das auf Grund von harter Arbeit. Ich bin ohne großem Namen nach Deutschland gekommen. Ich musste wirklich hart arbeiten, ohne die Sprache zu können. Das erste Jahr war nicht einfach, aber ich war laut in der Kabine und ich hatte viel Spaß mit den Jungs, auch ohne die Sprache zu können. Ich bin mich einfach reingestürzt.
Andy: Das kann ich mir vorstellen. Lass uns noch mal nach Bialystok zurückspringen. Bialystok liegt ja noch östlicher als Olsztyn.
Rafał: Das liegt an der weißrussischen Grenze. Bis dahin sind es nur 50 bis 60 Kilometer.
Andy: Wie würdest du die Stadt beschreiben? Wie ist es dort? Gibt es Unterschiede zu Olsztyn?
Rafał: Ja, schon. Dort ist es nicht so farbig, es gibt kein Wasser und nicht so viel Natur. Aber ich habe dort meine Frau kennengelernt. Und ich bin immer noch mit ihr zusammen und wir haben zwei Kinder. Ich war drei Monate lang alleine in Bialystok nach meinem Wechsel dorthin und hatte eine Wohnung gemietet. Dann habe ich sie kennengelernt, bin zu ihr gezogen und bis heute mit ihr zusammen geblieben. Wir haben den Pokal gewonnen, hatten aber mit Jagiellonia Bialystok zehn Punkte abgezogen bekommen wegen Korruption. Aber trotzdem haben wir den Klassenerhalt geschafft. Ich glaube, wir waren auf dem 10. oder 11. Platz. Die Familie meiner Frau wohnt dort und wir sind deshalb regelmäßig da. Und egal, wann ich dort hinkomme und in die Stadt gehe, singen die Fans noch immer meinen Namen, weil wir den Pokal gewonnen haben. Das war das erste und letzte Mal bis heute. Das war wirklich eine geile Zeit. Nur zwei Jahre, aber wirklich sehr geil. Die Stadt ist auch schön, viel besser als 2010 oder 2012. Aber Olsztyn und Bialystok kann man eigentlich nicht vergleichen. Beide sind gut, aber Olsztyn ist fast besser.
Andy: Olsztyn klingt aus touristischer Sicht schöner…
Rafał: Ja und nach Bialystok kommen viele Leute aus Weißrussland oder Litauen. Sie kaufen dort Fernseher in den Supermärkten und nehmen sie mit nach Hause, weil die in Bialystok billiger sind als in Weißrussland.
Andy: Gut, dann weiß man, wann man in welche Stadt reisen muss. Nicht ganz zwischen beiden Städten – jetzt kommen wir zu einer polnischen Legende – liegt ein Ort, über den ich auch gelesen habe, als ich mich vorbereitet habe. Und zwar die Nikolaiken (Mikołajki).
Rafał: Die kenne ich zwar nicht, aber erzähl mir davon.
Andy: Der Stintkönig – sagt dir der was? Das ist wohl ein masurischer See, der von einem großen Fisch beherrscht wird. Dieser Fisch ist dort wohl gefesselt und muss den Anglern Glück bringen. Du kennst den Ort nicht?
Rafał: Nein. Vielleicht habe ich davon gehört, aber als ich jung war hatte ich keinen Spaß daran, mir Legenden anzuhören. Ich hatte nur Spaß daran mit meinem Bruder Fußball zu spielen. Ich kenne ein paar andere Legenden, weil es so viele Seen gibt und die Leute Fisch mögen. Es soll Glück bringen, wenn du die Haut eines Fisches in dein Portemonnaie legst. Oder unter den Tisch legst, wenn du mit deiner Familie zu Mittag isst. Oder auch an Weihnachten unter den Tisch legst. Aber das, was du mir jetzt erzählt hast, habe ich noch nie gehört. Aber die Legende gibt es sicher.
Andy: Ich finde es total spannend, mit Dir darüber zu sprechen. Man hat ja bei anderen Ländern – Schottland zum Beispiel – im Blick, dass es dort solche Legenden gibt. Loch Ness kennt ja jeder. Mir kommt es jetzt, wo ich ein bisschen darüber gelesen habe, so vor, als ob es in den Masuren sehr ähnlich ist. Es ist nur nicht so bekannt. Dafür ist es touristisch auch nicht so überlaufen. Ist das vielleicht ein Vorteil, weil man noch in Ruhe Urlaub machen und einfach eine gute Zeit haben kann ?
Rafał: Christian Streich zum Beispiel fährt in die Masuren. Als ich bei Freiburg war, hat er mir erzählt, wo er war und er war da fast jedes Jahr. Ich habe ihm gesagt, ich habe da ein fast 6.000 Quadratmeter großes Grundstück mit privater Seelinie. Die Linie ist 50 Meter entfernt und du hast freien Blick aufs Wasser. Es kommen viele Deutsche dorthin und mieten solche Häuser, weil man dort wirklich Ruhe hat. Dazu sehr gutes Essen. Du kannst dir ein Boot mieten und die Zeit genießen. Fast wie in Kroatien. Klar, man hat nicht so gutes Wetter wie in Kroatien, aber für mich ist es ein Privileg. Du hast fast ein halbes Jahr Urlaubsatmosphäre, weil Du in zwei, drei freien Stunden Zeit, kannst Du alles mögliche machen.
Andy: Kommen wir zum Essen. Du hast gemeint, es gibt sehr, sehr gutes Essen. Davon wirst du wahrscheinlich nicht mehr alles essen, weil Du kein Fleisch mehr isst. Was sollte man in den Masuren essen?
Rafał: Einfach Fisch. Ich esse kein Fleisch, genau, aber man kann – zwar nicht im Zentrum meiner Heimatstadt, aber fünf oder zehn Kilometer entfernt – regionale Produkte wie Eier, Fleisch, Fisch direkt von den Erzeugern kaufen. Und alles schmeckt anders als hier. Wenn du in Augsburg zwei Eier kaufst, dann kannst du die nicht mit denen aus Polen vergleichen. Oder Wurst! Die Leute hier finden deutsche Wurst so toll. Wenn ich polnische Wurst mitbringe, dann essen sie aber eine Woche lang nur polnische Wurst. Die deutsche Wurst ist wirklich Kreisliga. Die polnische Wurst ist 1. Bundesliga. Bei uns verdienen die Leute weniger Geld. Deswegen backen sie zum Beispiel selber Brot. Bei uns schmecken Brot oder Brötchen ein bisschen anders als hier von der Bäckerei und bleiben länger frisch.
Andy: Deine dritte große Station – du hast es ja schon gesagt – war in Polen Breslau. Breslau kann man als Großstadt bezeichnen, oder?
Rafał: Top 3: Warschau, Krakau und Breslau.
Andy: Wie würdest du das Leben dort beschreiben und deine Zeit? Wie war das für dich und würdest du es vielleicht auch mit deutschen Großstädten vergleichen?
Rafał: Zum Leben ist es wirklich eine sehr schöne Stadt. Warschau, Krakau und Breslau bieten zum Leben eine hohe Qualität, für die Leute gibt es Arbeit und für die Kinder gibt es viele internationale Schulen. Es gibt viele große Firmen, da kann man einen guten Job finden. Das ist schon gut. Aber ich war auch in den letzten drei, vier Jahren nur ein oder zwei Mal pro Jahr dort, einerseits durch Covid und andererseits, weil es von München aus keinen guten Flug nach Breslau gibt. Aber wir haben viele Freunde in Breslau, wie wir sie in Bialystok und Olsztyn nicht haben. In Bialystok und Olsztyn haben wir einfach nur Familie und in Breslau haben wir noch viele Kontakte mit Leuten, weil ich da wirklich eine erfolgreiche Zeit mit Slask Wroclaw hatte.
Andy: Man kann sich gar nicht vorstellen, dass ihr euch nach der Karriere entscheiden könntet, an einem einzigen Ort zu leben.
Rafał: Wir schauen, was unsere Kinder machen wollen und ich glaube, das ist das Wichtigste. Auch was meinen nächsten Schritt angeht. Piotr ist aktuell in der 6. Klasse. Und der Kleine geht in die 1. Klasse. Und wenn du zwei Kinder hast, dann kannst du nicht einfach nur deinen Willen durchsetzen.
Andy: Man merkt, wenn man sich mit dir unterhält, dass du eine sehr starke Beziehung zu deiner Heimat hast und familiär und freundschaftlich dort sehr verwurzelt bist und deine Heimat sehr, sehr gerne magst.
Rafał: Aber ich kann gerne in den nächsten 10 Jahren in Augsburg bleiben und ein paar Bälle für junge Torhüter im Nachwuchsleistungszentrum oder in der zweiten Mannschaft schießen. Oder noch besser in der ersten Mannschaft, das ist auch ein großer Traum. Das ist auch kein Problem. Aber weißt du, wenn du noch fit bist, dann denkst du nicht so viel daran.
Andy: Wie hast du durch deinen Umzug nach Deutschland festgestellt, dass du dich als Pole definierst? Wo sagst du „So wie ich bin, das ist typisch polnisch, das ist gut so, das ist nicht so, wie es in Deutschland ist“?
Rafał: Ich kann dir sagen, was in Deutschland ein Skandal ist. In Polen ist jede Wohnung möbliert. Bei uns geht das nicht unmöbliert. Du hast alles, zahlst einfach eine Summe und hast wirklich alles. Und in Deutschland hast du gar nichts, du zahlst Strom auf deinen Namen und musst dich um alles selber kümmern. In meiner ersten Wohnung in Braunschweig im ersten Jahr, da war nicht mal ein Klo in der Wohnung. Ich musste ein Klo kaufen. Ohne Witz, wirklich! Das habe ich in meinem Leben so noch nie gesehen. Du gehst rein und sagst „Topwohnung und Toplage“, aber es gibt keine Küche, eine Toilette gibt es nicht und die sagen „Ja, eine Küche kannst du dir bestellen“, musst aber 5 Wochen darauf warten. Aber ich will ab morgen da wohnen?! Oder WLAN und Internet: Da musst du wieder 6 Wochen darauf warten. Das gibt es nur in Deutschland. Das ist ein Skandal, wirklich.
Andy: Ich habe selber mal ein Jahr im Ausland gewohnt und man stellt da schnell fest, dass das hier irgendwie anders abläuft.
Rafał: Jedes Land hat eine andere Mentalität, das ist klar. Aber als ich 2014 meinen Vertrag in Braunschweig unterschrieben habe, hat meine Oma gesagt: „Oh, du gehst nach Deutschland?!“ Weißt du, die alte polnische Generation hat noch Adolf Hitler im Kopf. Sie konnten nicht glauben, dass ich nach Deutschland gehe und da mein Leben mit der Familie genießen kann. Sie zahlen mir auch noch deutsches Geld. Wie kann ich das so einfach akzeptieren und dort leben? Weil diese Generation hat einfach noch diese schlechte Zeit für die ganze Welt und das ganze Land im Kopf. Aber die junge Generation, die ist fast international. In jeder Stadt hast du eine Mischung, so wie in der Kabine. Ich sage, du musst im Kopf wirklich offen sein und eine andere Perspektive kennenlernen. So muss man das einfach machen, weil du kannst nicht danach leben, was 1897 zwischen Polen und Deutschland passiert ist.
Andy: Nein, das kann man nicht. Wenn du offen bist, stellt du fest, dass man im Sommer in Olsztyn lebensfreudige Polen erleben und eine sehr gute Zeit haben kann. Das habe ich zumindest gelernt. Wenn man sich darauf einstimmen will: Welche Musik hörst du, die dich mit deiner Heimat verbindet?
Rafał: Nein, polnische Musik nicht. Das höre nicht so oft. Ab und zu polnische Rap-Musik, sonst einfach international. Ich höre vor dem Spiel gerne Andrea Bocelli oder ein bisschen mehr Klassik.
Andy: Klassische Musik ist etwas, was dich vor dem Spiel runter bringt und beruhigt?
Rafał: Ja, ja. Auf dem Weg vom Hotel zum Stadion höre ich klassische Musik und will meine Ruhe haben. In der Kabine wärme ich mich schon ein bisschen auf und auf dem Platz gebe ich 100 Prozent Vollgas und Fokus. Die ruhige Musik gibt mir einfach ein bisschen mehr Power vor dem Spiel.
Andy: Wohin führt uns diese Power dieses Jahr in Augsburg?
Rafał: Wir wollen besser spielen als in den letzten zwei Jahren. Ich habe den Traum, in jedem Spiel volles Haus zu haben in der WWK-Arena. Du kannst ein Spiel verlieren, aber wenn wir attraktiven Fußball spielen, dann haben die Leute Spaß mit ihren Kindern im Stadion. Ich glaube, nur gemeinsam können wir in der Liga bleiben. Das wird eine schwierige Saison aus meiner Sicht, aber ich sehe uns schon auf einem sehr guten Weg mit der Mannschaft und mit dem neuen Cheftrainer Enrico Maaßen. Wir müssen einfach eine starke Mannschaft aufbauen – auf dem Platz und neben dem Platz. Wir wollen den Fans zuhause etwas bieten und aggressiv ab der ersten Minute sein. Egal, wer kommt, dürfen die keinen Bock haben, nach Augsburg zu fliegen, weil wir eine geile und aggressive Truppe sind. Dann kannst du jeden Gegner schlagen. Es ist wirklich ein Traum von mir: zwei oder drei Spiele in Folge zu gewinnen. Wenn du so eine gute Serie hast mit zwei, drei, vier Siegen oder fünf, sechs Spielen ohne Niederlage, die wir ja auch schon hatten, dann kommt das Selbstvertrauen und die jungen Spieler bekommen ein super Gefühl. Dann hast du noch mehr Spaß dabei, zusammen zu trainieren und bei den Spielen. In jeder Woche, egal, wo du spielst, ob in Leverkusen oder in Dortmund. Wir müssen einfach so auf den Platz gehen, dass wir nichts zu verlieren haben. Die anderen haben alles zu verlieren, weil alle sagen, dass Bochum, Augsburg und Schalke die Abstiegskandidaten Nummer 1 sind. Und das muss uns einfach Energie geben und wir müssen einfach allen zeigen, dass wir besser sind als sie glauben Und fertig! Und dann nach dem letzten Spieltag hoffe ich einfach, dass wir die Klasse gehalten haben und die anderen nach unten schauen müssen.
Andy: Das ist ein perfektes Schlusswort. Ich danke dir für deine Zeit.
Rafał: Ich gehe jetzt, weil wirklich gleich das Essen fertig ist. Ciao!
Andy: Danke dir, Rafał!
Wie die Saison ausgehen wird, steht natürlich noch in den Sternen. Bei aller Lautstärke und Redegewandheit ist Rafal Gikiewicz mit Sicherheit jemand, der hart arbeitet und immer vollen Einsatz für den FCA geben wird. Dazu kann ich mich mit ihm persönlich sehr identifizieren. Er ist ein Macher, der die Dinge selbst in die Hand nimmt und dessen Familie eine große Rolle in seinem Leben spielt. Dazu glaube ich, dass man eine Menge Spaß mit ihm haben kann. Gerne würde ich einen Tag in den Masuren mit ihm und seiner Familie an einem See verbringen. Ob ich mehr aushalten würde? Er gibt selbst zu ein lautes Energiebündel zu sein. Vielleicht müsste ich mich danach erstmal erholen von der Anstrengung. Aber auch für die Erholung sollte es dann in der Umgebung beste Möglichkeiten geben und der Tag wäre es mit Sicherheit wert gewesen. Giki ist dann doch jemand, den man schnell ins Herz schließt. Gerade weil er die Dinge frei heraus benennt und sich nicht nur kalkulierend diplomatisch verhält. Möge sein Mut und der Mut der Mannschaft in dieser Saison belohnt werden.
Johannes Rydzek gehört zu den erfolgreichsten Nordischen Kombinierern der Welt. Regelmäßig landet der Allgäuer im Weltcup auf dem Podest. Bei den Olympischen Winterspielen 2018 sicherte sich Rydzek Gold im Einzel sowie im Team. Hinzu kommen sechs Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften. Der Sportler des Jahres 2017 ist Fan des FC Augsburg.
Zwischen seinem 31. Geburtstag und dem Weltcup in Ramsau nimmt er sich Zeit für die Rosenau-Gazette. Er erzählt von seinem ersten Stadionbesuch, seinem Lieblingsspieler und zieht Parallelen zwischen Fußball und Nordischer Kombination.
Herr Rydzek, wie kamen Sie zum FC Augsburg?
Ich bin in Oberstdorf aufgewachsen und geboren. Da ist der Bezug zum FCA nicht so weit.
Der FC Augsburg scheint in dieser Region allmählich Fuß fassen zu können. Es gibt zum Beispiel die Fanclubs 1907 Oberallgäu sowie die FCA Freunde Unterallgäu. Wie nehmen Sie den FCA in und um Oberstdorf wahr?
Definitiv hat der FCA immer mehr Fans, auch im Allgäu. Ich halte die Fahne ja schon lange hoch (lacht). Aber ja, es ist definitiv so, dass der FCA auch gerade bei den Jüngeren immer mehr Fans gewinnt.
„Einfach krass, wie lange wir schon in der 1. Liga sind“
Gibt es besondere Erlebnisse mit dem FCA?
Selbstverständlich habe ich beim Aufstieg in die 1. Bundesliga 2011 mitgefiebert. Einfach krass, wie lange wir jetzt schon dort sind.
Wann waren Sie das erste Mal im Stadion?
Das muss 2013 gewesen sein. Meine damalige Freundin – heutige Frau – studierte in Augsburg und wohnte nicht weit weg vom Stadion. Es war ein 3:0 Sieg gegen den VfB Stuttgart.
Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
André Hahn.
Rydzeks Saisonprognose: Der FCA auf Platz 10
Was ist anstrengender und anspruchsvoller? Fußball oder Nordische Kombination?
Das wäre jetzt ungerecht, wenn ich sagen würde, die Nordische Kombination. Ich kann selbstverständlich seriös nur meinen Bereich beurteilen. Unsere Trainingseinheiten sind schon sehr intensiv und oftmals habe ich acht bis zehn Einheiten die Woche, und ich spreche nicht nur von der Saisonvorbereitung.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Sportarten?
Der Ausdauerbereich ist sicherlich eine große Gemeinsamkeit. Ohne eine gute Basis in diesem Bereich kannst Du in beiden Sportarten nichts reißen.
Der FCA ist aktuell 14. Wo landet der Klub zum Saisonende? Ihre Prognose bitte.
Ich hoffe deutlich über den Abstiegs- und Relegationsplätzen. Optimistisch sage ich Platz 10.
Es ist das erste und wahrscheinlich auch für lange Zeit einzige Mal, dass man mit dieser Überschrift zu einem großen Turnier einen Text beginnen kann. Trotz Corona hat die UEFA nicht darauf verzichtet, die Euro 2020 (was ein Wahnsinn, noch nicht einmal die Jahreszahl anzupassen) in vielen Städten über den Kontinent verteilt spielen zu lassen. Es ist Sommerpause, ich habe einen Hang die Nationalmannschaft besser zu finden, als ich sollte (eine typische Fußballfanangewohnheit) und schaue doch ab und an mir Spiele des Turniers an. Dabei kamen mir ein paar Gedanken, die ich gerne festhalten will.
Beste Wünsche für die eigenen Spieler
Drei Spieler, die für nächste Saison vertraglich momentan beim FCA gebunden sind, spielen bei diesem Turnier mit. Die größte Rolle für seine Mannschaft hat dabei wahrscheinlich Michael Gregoritsch. Nach Einwechslung und Treffer in Spiel 1 durfte er in Spiel 2 von Beginn an ran, bevor er in Spiel 3 von außen verfolgte, wie die österreichische Mannschaft ins Achtelfinale des Turniers einzog. Wie wäre es mit einem entscheidendem Treffer in einem K.O.-Spiel? Freddy Jensen und Ruben Vargas wurden beide in Spiel 2 eingewechselt, nachdem es in der ersten Partie nicht zum Debüt gelangt hatte. Ich bin dabei immer hin und her gerissen. Einerseits würde ich die Jungs am liebsten in Watte packen, damit sie sich bei der Nationalmannschaft nicht verletzen. Andererseits wünsche ich Ihnen nur die besten Erfolgsmomente und Erfahrungen.
Gregerl ist zudem eine der spannendsten Personalien in diesem Sommer. Gregerls letzte Saison war eine große Enttäuschung. Herrlich und Gregerl passte nicht so richtig. Gregerl in Topform und mit Selbstvertrauen wäre ein Gewinn fürs Team. Einen ordentlichen Transfererlös würde er jetzt im Sommer wohl nicht einbringen. Evtl. würde er trotzdem gerne eine neue Perspektive bei einem anderen Club suchen. Markus Weinzierl kann auch mit Spielern, um die man sich aktiv kümmern mudd. Caiuby und Raul Bobadilla spielten teilweise übermenschlich. Wenn Weinzierl Gregerl mal nicht auf die rechte Spur zurückführen könnte?
Die Gesamtgemengelage
Dieses große Turnier fühlt sich trotz allem komisch an. Das liegt nun nicht nur an der Zuschauerbegrenzung in vielen Stadien. Das liegt auch daran, dass es keine öffentlichen Events und Public Viewing gibt. Martin Hinteregger hat das vor Turnierbeginn so ausgedrückt:
„Dass das ein großes Turnier ist, ist schwer vorstellbar, aber vielleicht kommt mit dem Anpfiff das Feeling, wenn zumindest ein paar Zuschauer im Stadion sind“
Martin Hinteregger
Auch bei mir lief das ähnlich. Als dann erstmal der Fernseher lief, war die EM-Stimmung dann schon etwas gefunden. Naja, zumindest dann wenn das Spiel denn regulär übertragen wurde. Ein Teil der Spiele ist ja bei Magenta TV gelandet. Und die Server hielten natürlich nicht. Es sollte irgendwo möglich sein, einen EM-Pass zu kaufen und alle Spiele sehen zu können. Mit diesen vielen Quellen verliert doch jeder den Überblick und der Spaß geht verloren. Mit diesen vielen Übertragungspartnern macht sich die UEFA das Produkt langfristig kaputt. Unverständlich, wo man doch eigentlich nur aufs Geld schaut.
Spieler als Helden
Wie mit den Spielern indes umgegangen wird, ist weiterhin überaus kritikwürdig. Während Christian Eriksen Herz still stand, hielten die Kameras der Zentralregie voll drauf und es waren die dänischen Spieler, die eine Sichtbarriere um ihren Mannschaftskameraden bildeten. Es waren auch die Mannschaftskameraden, die am schnellsten zur Stelle waren und Eriksen das Leben retteten.
Die UEFA hatte schon kurz darauf ein Ultimatum für diese Spieler: entweder spielt ihr heute zu Ende oder morgen um 12 Uhr mittags. Ernst jetzt? Aber ja. Und obwohl medizinische Zwischenfälle immer mal wieder vorkommen im Rahmen von Wettbewerbspartien gibt es keine Regelung wie dann verfahren wird. Kein „ab dieser Schwere brechen wir ab und nachgeholt wird nach mindestens X Tag (en) Pause und dem Angebot psychologischer Betreuung“. Derweil zum Beispiel mögliche Werbeaktivitäten von Spielern genau geregelt sind, gibt es für den Fall eines medizinischen Notfalls kein Protokoll (genau wie Spieler nach Kopfverletzungen weiterhin keinem Protokoll unterliegen und geschützt werden).
Spieler finden ihre Vorbildrolle
Spannend ist sehr wohl zu beobachten, wie manch Spieler seine Vorbildrolle findet. Christiano Ronaldo, der Colaflaschen zur Seite stellt und sagt: „Trinkt Wasser“ (und wer Ronaldo sagt, sollte ich bitte auch die Folge 004 FRÜF zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn anhören). Paul Pogba, der die Flasche Heineken entfernt. Auch hierfür wird es jetzt schleunigst eine Regelung geben, die den Spielern das verbietet. Manchmal ist man eben schnell im Regeln. Die UEFA sieht die Spieler noch lange nicht als Partner auf Augenhöhe. Obwohl es weiterhin die Spieler sind, die ihre Knochen hinhalten und die Arbeit auf dem Platz machen. Ohne Spieler keine Spiele. Man fragt sich, wie lange, sie das überhaupt noch mitmachen, dass ein Verband sich auf ihre Kosten die Taschen vollmacht und das Geld irgendwo in der Intransparenz versickert. Dass es noch keine Spielerberater gibt, die Spieler dagegen aufgebracht haben.
Und so kommt es nun, dass ich zwar die UEFA und ihre Haltung in vielen Dingen für schwierig halte, die fortschreitende Kommerzialisierung kritisiere und dennoch mit diesen Spielern fiebere. Mit den Kimmichs und Goretzkas, die es da gibt und die positiv vorangehen in dieser Welt. Mal schauen, wie lange ich das durchhalte und wie sich meine Laune entwickelt. Zumindest momentan bin ich zuversichtlich, dass ich am Mittwoch wieder mit Spannung dabei bin, wenn es gegen die Ungarn geht. Auch, weil man sich bei manchen Spielen etwas mehr wünscht, dass man gewinnt. Und, dass die Arena in München in Regenbogenfarben leuchtet.
„Wenn du nur einmal eine halbe Stunde meinen Kopf hättest, dann würdest du verstehen, warum ich wahnsinnig werde.“ – Vor rund 11 Jahren nahm sich der deutsche Nationaltorhüter Robert Enke selbst das Leben. Er litt lange Zeit unbemerkt an Depressionen. Und verlor – auch durch die Bedingungen in der Fußballwelt – seine Lebenslust. Ganz Fußballdeutschland war und ist immer noch erschüttert. Man muss sich derzeit jedoch unweigerlich die Frage stellen, was der (Profi-)Fußball davon gelernt hat. Die zuletzt geäußerten Rücktritte von großartigen Spielern wie Schürrle und Höwedes haben medial hohe Wellen geschlagen. Und seit Per Mertesacker Anfang 2018 gestand, am Druck im Profilfußballgeschäft fast zerbrochen zu sein, stellt man sich zurecht die Frage nach dem Warum.
„Basti Fantasti“ tritt ab – 2007
Im Jahre 2007 hat Fußballdeutschland erstmalig den Atem angehalten: Sebastian Deisler, Mittelfeldstratege des großen FC Bayern München, hatte gerade vor laufenden Kameras sein Karriereende mit jungen 27 Jahren bekannt gegeben. „Basti Fantasti“, so sein Spitzname aufgrund seiner großartigen Fähigkeiten auf dem Platz, hatte im Laufe seiner Karriere mit vielen Verletzungen zu kämpfen und war das Fußballgeschäft müde geworden.
Der Nationaltorhüter Robert Enke zeigte stets Topleistungen in der deutschen Bundesliga, doch zahlreiche private Schicksalsschläge zeichneten ihn. Lange Jahre litt er unentdeckt an Depressionen. Einst wurde er beim großen FC Barcelona als neue Nummer eins gehandelt. Jedoch wurde wegen Versagensängsten, Selbstzweifeln und Heimweh daraus nichts. Erst 2004 – nach seinem Wechsel zu Hannover 96 – fand Enke nach längerer Auslandsodyssee den sportlich passenden Verein. Dort wurde er auf Anhieb Stammtorhüter und sagte anderen namhaften Clubs aufgrund der Treue zum Verein ab.
Die Menschen in und um Hannover verehrten ihn, auch der Rest Fußballdeutschlands schätzten den so ruhigen Torwart sehr. Enke wollte seine Erkrankung, die schon lange ärztlich bekannt war, selbst nicht öffentlich machen, man fand medial andere Gründe. Enke spielt wegen einer Grippe nicht, hieß es dann. Aus Angst vor beruflichen Konsequenzen zog Enke es vor, seine Krankheit zu verheimlichen und wollte sich nicht in einer Klinik behandeln lassen. Bis zum Schluss hielt er seine Krankheit vor Fans, vor allen geheim und keiner schöpfte je Verdacht. Mit 32 Jahren nahm sich Enke 2009 nach vielen Jahren innerlichem Kampf im Hannoveraner Umland das Leben.
Der Fall Rafati – 2011
Der ehemalige Bundesliga-Schiedrichter versuchte sich Ende 2011 an einem Bundesligaspieltag, das Leben zu nehmen. Er erschien zu Anpfiff der Partie nicht im Stadion, seine Assistenten fanden ihm im Hotelzimmer. Rafati konnte geholfen werden und er bekannte sich öffentlich zu seiner Krankheit.
Per Mertesacker ist mit seinen zwei Metern Körpergröße ein gestandener Mann und lernte vielen Stürmern das Fürchten. „Big Fucking German“ nannten sie ihn fast ehrfürchtig in England. Doch wie oft er sich an schlechten Tagen vor dem Betreten des Spielfeldes und dem damit verbundenen Leistungsdruck fürchtete, das war ihm nicht anzusehen. Mertesacker schilderte der Öffentlichkeit eingehend, „Vor jedem Spiel habe sein Körper mit Brechreiz und Durchfall gestreikt.“
Auch André Schürrle gab zuletzt sein Karriereende bekannt: Mit 29 Jahren hat der Weltmeister von 2014 dem Profifußball nun den Rücken gekehrt. Schürrle, einst ein Ausnahmetalent, teilte seine Entscheidung auf Instagram mit. Er berichtete von Einsamkeit, dass Tiefen zunahmen und die Höhepunkte immer geringer wurden. Und das Ausblenden von Gefühlen bemängelt er: „Man muss ja immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr“. Sein Leben geht nun jenseits der Öffentlichkeit weiter, freut Schürrle sich auf seinem Instagram Account auf die neuen Herausforderungen und einen neuen Lebensabschnitt.
Quo vadis, Profifußball?
Depression zeichnet sich gemäß der WHO durch große Niedergeschlagenheit aus – eine große Leere im Innern ist nicht selten bei den Betroffenen. Weiterhin erfreuen sich Personen an Dingen kaum bis gar nicht mehr, die vor der Krankheit ein Hobby waren oder Spaß machten. Zuletzt ist eine Antriebslosigkeit zu bemerken, die eine innere Müdigkeit aufzeigt. Eine tiefgreifende, seelische Erkrankung, die negativen Gedanken sind an der Tagesordnung. Man kommt aus diesem Teufelskreis selten allein wieder raus.
Depressionen sind das eine große Extrem. Viele Profisportler kommen aber – wie auch Höwedes und Schürrle zuletzt – mit dem enormen Leistungsdruck und dem medialen Umfeld nicht zurecht. Auch ausbleibender Erfolg kann eine große Last sein. Daher muss man sich die Frage stellen, ob der Profifußball nicht doch eine Art Haifischbecken ist. Heute der Held und morgen der Depp. Im Profifußball ist auch heute noch kein Platz für Schwäche. Aber der Weg, aufzuhören, dem Business noch einen Wink mitzugeben und mündig zu sein, das ist respektabel – wie André Schürrle dies zuletzt handhabte. Das ist menschlich und Fußball als schönste Nebensache der Welt muss das sein. Oder besser: werden. Denn hieran ist wirklich noch zu arbeiten. Ein gutes Beispiel ist hier der BVB, der trotz der langen Stoffwechselerkrankung von Mario Götze nie an diesem gezweifelt hat medial und an im festgehalten hat. Und Schürrle zieht jetzt die Notbremse, bevor es zu spät ist, denn das „in sich hineinfressen“, das „stumme Leiden“, macht die Sache nicht besser. Eher im Gegenteil.
Doch sind wir 2020 wirklich weiter als im Jahr 2009? Alle gelobten damals Besserung, man wollte Aufklärungsarbeit leisten. Hier zeigen sich große Defizite in der Umsetzung. Zwar ist das Thema medial nun deutlich präsenter, doch an professioneller psychologischer Betreuung der Spieler und Funktionäre mangelt es heute noch. Ein gutes Vorbild sieht man mit Blick auf die Insel: In England ist es seit mehreren Jahren möglich, sich anonym bei einer Hilfe-Hotline zu melden und psychologische Beratung zu erhalten. Dieses Angebot wird häufig nachgefragt und mit einem Stigmenwechsel in Verbindung gebracht. Über mentale Probleme wird dort heutzutage offener geredet, als hierzulande.
Die großen Ablösesummen, die Gehälter, das mediale Umfeld -all das kann den inneren Druck auf Leistungssportler erhöhen. Auch ein Weltklasse-Spieler wie Gianluigi Buffon berichtete einst davon, als junger Mann unter Depressionen und Panik-Attacken gelitten zu haben. „Es sah für mich so aus, dass sich niemand um mich kümmerte, sondern nur um den Fußballer, den ich darstellte. Alle fragten nur nach Buffon, niemand nach Gigi“, so der Italiener im Jahr 2019. Geholfen hat ihm insbesondere die Hilfe anderer, denn „wenn ich diese Erfahrung nicht gemacht hätte, diese Vernebelungen und Konfusionen mit anderen Menschen nicht geteilt hätte, wäre ich dort vielleicht nicht rausgekommen“.
Wenn Menschen im Profifussball, wie Hannovers Martin Kind, sich zu Aussagen hinreißen lassen – wie „Bei uns wird er keine Chance mehr haben (…) Wir hätten ihn gar nicht verpflichten dürfen damals“– üben sie mehr oder weniger unwissentlich Druck auf andere Personen aus. Wie in dem Falle auf Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler. Spieler, Schiedsrichter, Trainer – keiner soll respektlos an den Pranger gestellt werden. Hier müssen wir lernen. Und daran arbeiten. Das Miteinander rücksichtsvoller gestalten in der Gesellschaft wie im Leistungssport, den Druck von den Spielern/Schiedsrichtern/Trainern nehmen – anstatt dies mit medialen und unbedachten Aussagen noch zu verstärken. Work-Life-Balance und Achtsamkeit sind nicht nur im Alltag eines Büroangestellten wichtig, sondern dies gilt auch für den Profifußball. Denn wo Erfolg ist und so viel Geld fließt, ist auch mentale Stärke gefragter denn je.
Ein nächster Schritt wäre es nun, wenn Leistungssportler sich anvertrauen dürfen, wenn sie schon vor dem Karriereende zugeben dürfen, was sie fühlen und spüren. Und nicht mundtot gemacht werden. Oder schweigen wollen – aus Angst. Dieses Tabu ist eigentlich eins, was eigentlich keines (mehr) sein sollte.
Und wünschen wir den Menschen, die uns so tolle Momente wie André Schürrle im WM Finale 2014 beschert haben, einen tollen Neubeginn. Mit den kleinen Dingen, die einen erfreuen. Mit wenig Rampenlicht. Und ganz vielen Höhen. Denn André Schürrle braucht nun keinen Beifall mehr.
La Decima. 10 Jahre Bundesliga am Stück. Ein Erfolg, der auch bei der Konkurrenz Eindruck gemacht hat. Mehr als zumindest ich vermutet hätte. Effzeh-Trainer Markus Gisdol hat den FC Augsburg zu einem Vorbild für die Kölner ausgerufen. Man wolle so werden wie der FCA. Das kann ich verstehen. Alles in allem sind wir halt doch ganz geil. Nachdem uns Markus Gisdol nur aus der Ferne kennt, wollt ich ihm auf diesem Wege ein paar mehr oder weniger ernst gemeinte Tipps geben, wie seine Kölner so werden können, wie wir.
Dream BIG
Markus Gisdol hat Zurückhaltung gefordert. Bescheidenheit und Bodenständigkeit. Das ist nicht der Augsburger Weg. Träumen ist erlaubt. Walther Seinsch träumte von Augsburg im Europapokal, lange bevor wir das Ziel erreichten. Klaus Hofmann träumte von Spielern aus der eigenen Jugend in der ersten Elf. Wir träumten von der Meisterschaft. Träumen ist Essenz des Fantums und muss erlaubt sein. Nicht nur das. Träumen sollte eine Pflicht sein.
Rückschläge sind einkalkuliert
Und auch wenn wir träumen, sind wir nicht naiv. Rückschläge sind einkalkuliert. Wir haben schon oft damit gerechnet, dass wir absteigen. Es würde kurzfristig unser Herz brechen, wäre jedoch keine langfristige Katastrophe. Unsere Liebe kennt – wie auch die der Kölner Fans – keine Liga. Zumindest in den Fällen, in denen es zählt. Das wir unsere eigene Stärke nicht als gegeben annehmen, ist wahrscheinlich die Grundlage der größten Augsburger Qualität: dem Granteln. Sympathisches Motzen bedingt durch Verlustangst. In Köln müsste gegrantelt werden anstatt geklüngelt. Tiefgreifende Änderungen, die eine gezielte Umerziehung und einen Generationenwechsel voraussetzen würde. Aussichtslos? Wahrscheinlich. Keiner grantelt so gut, wie wir Augsburger.
Ein Investor muss her
Warum es sportlich nichts wird in Köln ist zudem glasklar. Ein Investor müsste in Köln mal für Ruhe sorgen. Als Sofortmaßnahme schlage ich daher einen Verkauf von 99% der Anteile an Klaus Hofmann & Co. vor. Das lassen die Statuten der DFL nicht zu? Was die Leipziger gemacht haben, ja doch auch nicht. Da wird sich schon ein Weg finden.
Wenn wir den Bayern erlauben, dass ihre zweite Mannschaft in die zweite Liga aufsteigen darf, dann haben wir in München sicher einen Verbündeten. Klar, Klaus Hofmann müsste dann auch Präsident des Effzeh werden, aber das sollte ja kein Problem sein. Erfolg in der Bundesliga ist nun mal in den letzten Jahren Investorenclubs vorbehalten. Da muss man durch.
Befreit den Geißbock
Neben den eher nebensächlichen Änderungen struktureller Art, bedarf es weiterer wichtiger Einschnitte um den Effzeh in die Augsburger Erfolgsspur zu hieven. Der Fokus muss auf dem Platz liegen und nicht daneben. In Augsburg ist fest verankert, dass kein Maskottchen vom Geschehen auf dem Rasen ablenken darf.
Um die Kölner nicht andauernd mit ihrem Verlust zu konfrontieren, sollten die Hennese dieser Welt sofort in den Augsburger Zoo überführt werden. Klimabedingt fühlen sie sich dort sowieso viel wohler als in Köln. Wetten, dass über dieses Thema mehr diskutiert würde, als über einen Anteilsverkauf?
Bereit sein, das Notwendige zu tun
Wer wie wir Augsburger sein will, der sollte zudem bereit sein, in den wichtigen Momenten das Notwendige zu tun. Und damit meine ich nicht den Zahnpastakauf von Heiko Herrlich. In Augsburg bedeutet das auch, mal einen Elfmeterpunkt zu zerstören, um sich einen Vorteil zu sichern. Durch eindeutige Gesten einem gegnerischen Trainer zu zeigen, was man von ihm hält. Man kann dem FCA zumindest keine fehlende Identifikation mit seinem Ausrüster Nike vorwerfen, dessen Motto ja lautet: „Just do it“.
Butter bei die Fische
Insgesamt hat der Effzeh noch einen weiten Weg vor sich, um so zu werden, wie der FCA. Aber ist das denn überhaupt erstrebenswert? Der Effzeh ist einer der traditionsreichsten und tollsten Clubs dieses Landes mit vielen tollen Fans. Klar, es läuft nicht alles rund beim Effzeh. Aber bei welchem Club tut es das schon? Der Effzeh sollte immer der Effzeh bleiben. Sich und seinen Werten treu verbunden.
Es ehrt uns trotzdem, dass Markus Gisdol uns als Vorbild sieht. 10 Jahre Bundesliga am Stück sind etwas Besonderes. Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter. Gisdol war noch bei keinem seiner Clubs langfristig sportlich erfolgreich. Eine Gisdol Entlassung in Köln in der nächsten Saison ist daher nicht unwahrscheinlich. Der FCA hält meist länger an Trainern fest, aber wie lange ist das bei Heiko Herrlich möglich? Im Zweifel war die Aussage ein gezielter Versuch von Markus Gisdol, sich beim FCA für eine zukünftiges Engagement zu bewerben. Nachdem wir nichts gegen Trainer mit nur kurzfristigen sportlichen Erfolgsaussichten haben (immerhin!), die auch mal komische Dinge sagen, könnte das sogar klappen. So oder so wird man sich wiedersehen. Hoffentlich bald wieder im Stadion, wenn eine erneute Partie FCA – Effzeh für uns alle eine große Freude darstellt. Dieses Aufeinandertreffen hat ja mittlerweile schon fast Tradition.
Als der FCA am Samstag in Köpenick den Samstag gemütlich ausklingen ließ, boten die Verantwortlichen des anderen Berliner Bundesligavereins bei ihrem Auswärtsspiel in Wolfsburg derweil einmal mehr einen kuriosen Anblick. Ein breites schwäbisches Grinsen zierte das Gesicht des neuen Berliner Hoffnungsträgers und mit ihren überdimensionierten Camouflage Daunenjacken wirkte der Trainerstab wie eine ironische Anspielung auf das aktuell 11Freunde Cover in Bling-Bling Optik. Eine Szene wie aus der Großraumdisko. Nur leider ist die Hertha im Jahr 2020 weit entfernt von jeglicher Selbstironie.
Rhetorische
Blutgrätschen
Die Ankündigung, dass sich ein Investor mit einem dreistelligen Millionenbetrag bei der Hertha einkaufen und den Hauptstadtclub zu einem Spitzenverein in Europa machen wolle, ist mittlerweile auch einige Tage alt. Dem Investorengeld folgte mittlerweile Jürgen Klinsmann als Trainer, der den glücklosen Ante Covic ablöste. Klinsmann wurde bereits vom Investor in den Aufsichtsrat geholt und auch die kurzfristige und kurzzeitige Lösung als Trainer war im Sinne des Mäzen. Jürgen und Lars, das passt.
Seitdem wird in der Hauptstadt Schwäbisch-Denglisch großgeschrieben und in endloser Redundanz auf den ‚Big City Club‘ verwiesen. Alles Dank des ‚Commitments‚ von Lars. „Berlin und Deutschland haben einen ‚Mega Club‘ verdient„. Klingt irgendwie wie eine Strafe für etwas, was man gar nicht getan hat. Auch das neue Berliner Umfeld zeigt sich in diesen Tagen rhetorisch mindestens ebenso stilsicher und besticht durch völlig ironiefreie Beiträge wie dem Bogen, den Klinsmanns Performance Manager Arne Friedrich vom US Militär zum Fußballplatz spannt. Alles mega.
Ein
Windhorst braucht die Stadt
Dem Commitment von Jürgen folgten auch die erwartbaren Reflexe. So ziemlich jeder einigermaßen bekannte Nationalspieler, der im In- und Ausland keine tragende Rolle mehr spielt, wurde schon mit Berlin in Verbindung gebracht. Der eigene Nachwuchs spielt dagegen keine Rolle mehr, auch jüngere Verstärkungen wie Eduard Löwen konnten nach nur wenigen Monaten wieder gehen. Die perspektivische Verpflichtung von Lucas Tousart einmal abgesehen, war der Königstransfer in der Winterpause dann aber nicht ein Mario Götze oder ein Julian Draxler. Sondern Santiago Ascacibar, der vom VFB Stuttgart kam.
Nicht von ungefähr benennt Klinsmann Hoffenheim und Leipzig als Vorbilder, denen noch als Feigenblatt Gladbach quasi im Nachsatz nachgeschoben wird. Ist das der Weg, den man sich kaufen möchte, um als Big City Club auf der europäischen Bühne zu tanzen? Immerhin ist es nicht frei von Risiko. Andere Vereine haben eindrucksvoll vorgemacht, wie man das Geld der Investoren in den norddeutschen und niederbayerischen Sand setzen kann.
Fußballerische
Gentrifizierung
Wer
durch Berlin streift, der erkennt den Charme einer Stadt nicht in
Geld und Größenwahn. Die Hauptstadt besticht durch einen ganz
eigenen Stil. Ein Stil, bei dem der Bänker im Nadelstreifen auf dem
Heimweg im Bus sein billiges Feierabendbier trinkt. Es ist nicht das
hippe Berlin sondern das etwas angesiffte, das große Sympathien
weckt. Trotzdem ist Berlin leider auch die Bühne der Investoren, des
Umbaus und Aushängeschild der Gentrifizierung.
Es wirkt, als wolle die Hertha zum Spiegelbild der Hauptstadt werden. In dem Investoren die Hauptrolle übernehmen, ganze Projekte übernehmen und für ihre Klientel mit großem Geld erneuern. Nur welche Klientel, welches Publikum ist das?
Natürlich
wäre es naiv anzunehmen, dass der Erfolg der großen Clubs ohne Geld
möglich gewesen wäre und gerade zukünftig sein wird. Die
Sponsoreneinnahmen der Bayern übersteigen das Geld des Investors
vermutlich um ein Vielfaches. Und auch in Augsburg hat man in etwas
begrenzterem Umfang Erfahrungen mit Investoren. Es geht auch nicht um
Fragen von Tradition und Erfolg oder den Einfluss Einzelner trotz
50+1 Regel. Es geht vielmehr um das grundsätzliche Verständnis und
das Leitbild, dass sich die Bundesliga geben will. Es hat nichts mit
Fußballromantik zu tun, wenn man den Versuch kritisch beäugt, einen
Koffer voller Geld über einem Verein auszuschütten, um sich Erfolg
– oder besser: Popularität – zu erkaufen. Erfolg kann man sich
vermutlich auf lange Sicht schon kaufen, Popularität eher nicht.
Andere Vereine zeigen in eindrucksvoller Weise, wie man zu einem Aushängeschild einer Stadt werden kann. Man denke an die Frankfurter. Oder die Berliner. An der Alten Försterei.
Dieser Beitrag wird freundlichst präsentiert vom August Gin, denn wenn der August dabei ist, dann ist auswärts wie ein Heimspiel.
14. April 2019. Mein persönlicher Tag der Saison 2018/19. Der Tag an dem auch ich (wieder)entdecke – wie Martin Hinteregger – welch ein toller Ort das Waldstation zu Frankfurt ist. Pickepackevoll fasst es über 50.000 Zuschauer. Die Stimmung kocht gerne und oft. Viel besser wird es nicht, wenn man – wie ich – Stadionatmosphäre zu schätzen weiß. Es gibt kein schöneres Gefühl, als Gästefan zu sein und ein solches Stadion stimmungstechnisch am Boden zu sehen. Alternativ kann ich persönlich als Erwachsener auch gut damit leben, wenn ich (in einem grundsätzlich zivilisierten Rahmen) angepöbelt werde. Beides sind Zeichen dafür, dass das Heimteam nicht besonders viel auf die Reihe bekommt. Tolle Zeichen für eine Gastmannschaft, wenn man im Abstiegskampf mit dem Rücken zur Wand steht, gerade den Trainer gewechselt hat und sich an die letzten Strohhalme klammert. Und in Frankfurt flogen die Bierbecher in den Gästeblock und es wurde von den Seiten gepöbelt. Endlich rieb man sich wieder an uns unbequemen Augsburgern, die wir nicht einfach nur die Punkte vorbei gebracht hatten. In einem Spiel, in dem beide Mannschaften Chancen herausspielten, konnten wir unsere Auswärtsschwäche für einen Tag abstreifen und der Frankfurter Eintracht die erste Niederlage seit langem zufügen. Was ein Befreiungsschlag. Ich grinse immer noch, wenn ich an diesen Tag zurück denke. An diesem Tag haben wir unsere Saison gerettet. Unverhoffte 3 Punkte, die am Ende den Unterschied ausmachten. In einer Phase, in der ich nicht mit einem Auswärtserfolg gerechnet hätte.
Die Hoffnung war in der Vergangenheit gegen die Eintracht schon größer. Seit der FCA in die erste Bundesliga aufgestiegen ist, bewegt er sich mit der Frankfurter Eintracht auf Augenhöhe. Naja, zumindest nachdem die Eintracht einen kurzen Zwischenstopp in der zweiten Liga eingelegt hatte. Seitdem ist am Ende des Jahres mal der eine, mal der andere in der Tabelle vorne. Dies ist ein Zustand, der mich dazu bringt, mir die Augen zu reiben und die Arbeit unserer Verantwortlichen in Relation setzt. Die Frankfurter Eintracht verfügt über eine deutliche größere Fanbasis, einen erheblich höheren Zuschauerschnitt und bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dazu hat sie eine lange Geschichte in der ersten Liga vorzuweisen. Aber bis zuletzt konnte wir die Duelle oft eng gestalten. Trotz Schwächephasen wird in Augsburg dann eben doch sehr konstant und ohne den Ausreißer Abstieg gearbeitet. Und das ist genau einer der Gründe, warum ich die Auswärtsspiele in Frankfurt so mag. Es sind meistens Duelle auf Augenhöhe, oft umkämpft und dreckig. Und nur wer der eigenen Mannschaft in den letzten Jahren öfters nicht zugeschaut hat, beschwert sich ernsthaft darüber. Es ist schlicht meist ehrlicher Fußball, wie ich ihn mag.
Es gibt aber noch andere Gründe, warum ich mittlerweile zur Eintracht aufschaue. Wo der Eintracht Podcast und Fußball2000 echte Vorreiter sind, was die breitenwirksame Begleitung eines Fußballclubs auf moderne Art und Weise angeht, hat es der Club selbst geschafft sich durch eine öffentlich sichtbare Grundhaltung ein neues Markenimage zu verpassen. Fast schon etwas in Vergessenheit geraten sind die Zeiten des Randalemeisters. Peter Fischer als Präsident der Eintracht hat dem Club eine klare Kante gegenüber rechts verpasst und bekräftigt diese immer wieder:
Insofern trifft man auch auswärts bei der Eintracht immer wieder auf vernünftige Menschen, mit denen man sich unterhalten und anstoßen kann, solange der Ball nicht im Spiel ist. Gerade in Zeiten in denen Einzelschicksale frühzeitig für politische Agenden instrumentalisiert werden, anstatt auf Ermittlungsergebnisse zu warten, ist dies erfreulich. Gerade dann bin ich beruhigt, Frankfurt mittlerweile mein zu Hause nennen zu dürfen. Diese bunte und stabile Stadt, die sich nicht so schnell von der täglichen Hektik abhalten lässt und so viele liebenswerte Facetten hat. Mein Herz schlägt dennoch weiterhin für den FCA und die Frankfurter Pöbeleien sind Musik in meinen Ohren, wenn es dann doch unsere Farben sind, dich sich im Kampf für mehr bunt in der Welt durchsetzen. Und während mittlerweile schon mal dazu aufgerufen wird, manche Auswärtsspiele nicht zu besuchen, so will ich gerade betonen: Kommt nach Frankfurt, wenn der FCA hier spielt! Plant genau dieses Auswärtsspiel ein! Frankfurt ist unsere Liga, und die Stadt wird euch nicht enttäuschen.
Dieser Beitrag wird freundlichst präsentiert vom August Gin, denn wenn der August dabei ist, dann ist auswärts wie ein Heimspiel.
Samstag, 26.01.2019, 8 Uhr morgens: Meine kleine Tochter weckt mich aus dem Schlaf, indem sie mir erklärt, dass sie mich noch etwas schlafen lässt. Ich bin gestern erst am Abend von einer Dienstreise aus Berlin wiedergekommen, war aber nicht so ausgelaugt, wie ich vermutet hätte. Die ganze Woche habe ich schon mit dem Gedanken gespielt nach Gladbach zu fahren. Besondere Zeiten erfordern besondere Taten. Zumindest bilde ich mir das aus Fan-Sicht ein. Genau jetzt kommt es darauf an, unsere Mannschaft weiter mit voller Kraft zu unterstützen und evtl. einen winzigen Teil dazu beizutragen, die Wende im Abstiegskampf einzuleiten. Augsburg hält zusammen und so.
11:05 Uhr: Ich sprinte Richtung Bushaltestelle. Nachdem die letze Partie Uno im Familienkreis etwas länger gedauert hat, weil wir unserer Tochter noch erklären mussten, nicht direkt aufzugeben, wenn es mal nicht läuft, habe ich gerade Angst meinen Bus zum Bahnhof zu verpassen. Ich habe keinen Bock ein Taxi zu nehmen und gebe Gas, nur um festzustellen, dass sich im Dezember der Busfahrplan um 2 Minuten zu meinen Gunsten geändert hat. Glück gehabt. Ich hoffe, dass ich nicht mein Glück für diesen Tag jetzt schon aufgebraucht habe. Bei Uno denke ich an die Twitter Geschichte der Woche:
11:55 Uhr: Ich steige in Frankfurt in den ICE Richtung Düsseldorf. Der Zug ist pünktlich und alles läuft nach Plan. Ich sinniere während der Zugfahrt, über die Heimstärke der Gladbacher und die Schwächephase unseres FCA. Ich versuche mich innerlich darauf vorzubereiten, dass wir erneut nicht gewinnen. Warum sollte sich daran etwas ändern? Ohne die Trainingsarbeit zu sehen, glaube ich daran, wenn die Mannschaft auf dem Platz die Leistung abruft. Als Fan kann ich aber nicht verhindern, dass ich stark darauf hoffe, heute Zeuge des dringend notwendigen Befreiungsschlags zu werden. Ich erinnere mich an meinen Besuch in Stuttgart im letztem Jahr und begrabe die Hoffnung schnell wieder. Nicht schon wieder enttäuscht werden. Ich befürchte, dass es sich nicht vermeiden lässt.
13:30 Uhr: Ich steige in Düsseldorf um. Ich bin der einzige Augsburger weit und breit zwischen vielen Gladbachern. Die Stimmung ist insgesamt positiv. Die Menschen scherzen und lachen. Es wird sich über Biersorten unterhalten und vom Europapokal geträumt. Ich muss auffallen, wie ich besorgt vor mich hin schaue.
14:15 Uhr: Ankunft am Stadion. Ich mache mich auf den Weg zum Gästeblock. Obwohl ich schon zweimal hier war, laufe ich erstmal dran vorbei. Ich merke erst, dass ich zu weit bin, als ich vor dem Mannschaftsbus stehe. Ich kehre um und betrete das Stadion.
14:45 Uhr: Ich bin im Gästeblock und der Trip hat sich schon gelohnt. Meine Eltern sehen mich und freuen sich sichtlich. Sie sind mit einem Fanfahrt-Bus aus Augsburg da und wussten nichts von meinen Plänen. Meine kleine Samstagsüberraschung ist gelungen. Wir sehen die Aufstellung und ich bin nicht überrascht, dass Gregoritsch mal eine Pause bekommt. Die Form war zuletzt nicht da und Jan Moravek soll wohl die Defensive absichern. Auch die Kombi Stafylidis/Max hatte Manuel Baum eine Woche zuvor auf der Pressekonferenz erwähnt, aber begraben müssen, nachdem Stafylidis ausgefallen war. Borussia Mönchengladbach äußert sich zudem vor dem Spiel ausführlich zu #Nazisraus und #niewieder und informiert über Bildungsfahrten, die der Verein zu diesem Thema veranstaltet. Wichtig!
15:32 Uhr: Das Spiel läuft gerade erst, aber ich ärgere mich schon über den ersten Gladbacher Angriff. Die Defensive ist unsortiert. Max rückt defensiv zu tief zurück und macht Räume auf. Auch Kevin Danso wirkt stellenweise deplatziert. Die Mannschaft scheint auf dem Platz nicht angekommen. Ich bin konsterniert.
16:17 Uhr: Es steht noch 0:0 und ich weiß nicht warum. Gladbach hatte haufenweise Chancen, konnte allerdings keine nutzen. Wir liefen quasi nur hinterher. Wenn sich Kontermöglichkeiten ergaben, gingen wir verschwenderisch mit ihnen um. Zudem hatte Gregor Kobel einen Elfmeter kurz vor der Halbzeit gehalten. Wenn schon ein Unentschieden zur Pause ein Wunder ist. Heute ist so ein Tag.
16:50 Uhr: Die zweite Halbzeit beginnt überraschend. Wir bekommen Zugriff zum Spiel, kombinieren und das Spiel nimmt damit eine Wendung, die mich nach dieser ersten Halbzeit überrascht. Ich singe und klatsche euphorisch im Gästeblock und will die Gladbacher dafür bestrafen, dass sie aus ihren Chancen nichts gemacht haben. Die Mannschaft hat Hoffnung in mir geweckt. Hoffnung auf einen Auswärtssieg. Vor lauter Hoffnung habe ich ausgeblendet, was in diesen Situationen zuletzt immer passierte.
17:20 Uhr: Das Spiel ist vorbei. Die Endphase war wie gewohnt. Wir haben zuerst ein richtiges Kacktor kassiert, aufgemacht, uns aufgebäumt und gewehrt und dann noch ein zweites Tor kassiert. Verloren. Die Hoffnung ist zerplatzt wie ein Luftballon. Ich habe keinen Bock mehr. Unter mir tritt ein Augsburger Fan energisch gegen die Stahlabsperrung des Blocks. Ich fühle mit.
18:20 Uhr: Rheydt Bahnhof. Ich habe einen Shuttlebus zum Bahnhof genommen, nachdem ich im Nieselregen warten durfte. Um mich herum singen die Menschen und schmieden Pläne für die Europapokalsaison. Ich denke über Fahrten nach Sandhausen nach. Bis ich zu Hause bin werden noch ca. 3 Stunden vergehen und die anderen Augsburger haben noch einen deutlich längeren Weg vor sich. Der Masochismus dieses Trips hat mich voll getroffen.
20:20 Uhr: Letzte Etappe. Der Zug von Köln nach Frankfurt. Was ich heute vom Spiel mit nehme? Der Gästeblock war recht leer. In und um Gladbach nur nette Menschen getroffen, die mir freundlich begegnet sind. Zudem sehr freundliches Personal am Stadion. Eine sehr angenehme Auswärtsfahrt. Da dürften sich ruhig mehr Menschen hintrauen. Sportlich war die erste Halbzeit ernüchternd. Der taktische Plan, so tief zu stehen und spät drauf zu gehen, servierte den Gladbachern das Spiel auf dem Silbertablett. Grob fahrlässig. Das wir danach noch im Spiel waren, war glücklich. In der zweiten Halbzeit hat Manuel Baum die richtigen Anpassungen vorgenommen und auch sinnvoll gewechselt (Teigl für die Geschwindigkeit). Dann ist uns (mal wieder) das Matchglück abhanden gekommen. Insgesamt war das aber offensiv das ganze Spiel nicht genug. Sehr, sehr wenige Strafraumaktionen, weil zu wenig direkt und dynamisch gespielt wird. Das Spiel bringt uns nicht weiter und eine Entwicklung ist weiterhin nicht zu sehen. Der Ausflug war genau so ernüchternd, wie ich befürchtet hatte. Mir schwant nichts gutes.
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