Mehr Demut

Der FC Augsburg besiegt den FC Bayern. Rot-Grün-Weiß kann stolz auf sich sein. © as

„Das ist etwas Besonderes und mit das Highlight im Jahr“, sagte Markus Weinzierl vor dem Heimspiel des FC Augsburg gegen den FC Bayern. FCA-Präsident Klaus Hofmann betont unterdessen gerne, wie beeindruckend es aus Augsburger Sicht sei, jede Saison zwei Mal gegen den Rekordmeister spielen zu dürfen. Auch Manager Stefan Reuter stellt die Wichtigkeit der Erstligazugehörigkeit allzu gerne in den Vordergrund. „Jedes Jahr länger in der 1. Liga macht uns stabiler und gibt uns mehr Kraft.“ Nur wohlklingende Worte, um vielleicht auch die sportliche Erwartungshaltung herunterzuschrauben? Keineswegs. Jeder FCA-Fan sollte tatsächlich dankbar sein, dass der eigene Verein seit nunmehr elf Jahren ununterbrochen gegen den FC Bayern spielt. Das habe ich persönlich erst am Wochenende gemerkt.

Nie mehr 2. Liga: das können nur wenige Teams von sich behaupten

Ich war am Freitagabend im Stadion. Was für ein Spiel! Viele Beobachter fühlten sich im Nachgang der Partie zurückerinnert an die wahre DNA des FC Augsburg. Leidenschaft und Kampfgeist statt spielerischer Finesse. Effizientes Umschaltspiel statt minutenlangem Ballbesitzgeschiebe. Der Auftritt der Schwaben kaschiert die bisher überwiegend mauen Auftritte dieser Saison zwar, macht gleichzeitig allerdings auch Mut. Mut, dass es auch diesmal mit dem Klassenerhalt klappt. Zwar würde auch ich mir wünschen, dass der Blick nach zuletzt eher schwachen Spielzeiten mal wieder in obere Tabellengefilden geht. Man sollte allerdings verstehen, dass die Erstligazugehörigkeit keine Selbstverständlichkeit ist. Seit dem Aufstieg 2011 ist der FC Augsburg ununterbrochen im Oberhaus vertreten. Nur sechs weitere Klubs sind noch nie aus der Bundesliga abgestiegen (Bayern, Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim, Leipzig und Union Berlin).

Nach dem Freitagabendspiel ging es für mich nach Norddeutschland zu Teams, die gerne mit dem FCA tauschen würden. Ich war bei den Spielen Hamburger SV gegen Jahn Regensburg (4:1) und Werder Bremen gegen Schalke 04 (1:1) im Stadion. Viel Tradition, aber eben auch Liga zwei statt Beletage.

Zu Gast im Weserstadion. Bremen und Schalke liegen aktuell ebenso wenig auf einem Aufstiegsplatz wie der HSV. © as

Abstieg in Liga zwei – und dann?

Hamburg, Bremen und Schalke gehören zu den Aufstiegsfavoriten. Dass alle drei in die Bundesliga zurückkehren, gilt jedoch zumindest als fraglich. Dass Vereine nach dem Abstieg direkt wieder in die Bundesliga aufsteigen, ist ein nahezu utopisches Wunschdenken. Das zeigt der Blick auf die aktuellen Teams im Unterhaus. 13 der 18 Klubs spielten bereits in der Bundesliga. Am längsten wartet Dynamo Dresden auf die Rückkehr.

Verein(Letzter) Abstieg in die 2. Bundesliga
Werder Bremen2021
Schalke 042021
SC Paderborn2020
Fortuna Düsseldorf2020
1. FC Nürnberg2019
Hannover 962019
Hamburger SV2018
FC Ingolstadt2017
SV Darmstadt 982017
FC St. Pauli2011
Karlsruher SC2009
FC Hansa Rostock2008
Dynamo Dresden1995

Wir wollen so schnell wie möglich wieder in die Bundesliga zurück. So oder so ähnlich äußerten sich in der Vergangenheit nahezu alle Absteiger. Bremen und Schalke etwa, die jüngsten Betroffenen. Aber auch der HSV, der seit nunmehr vier Jahren gegen Sandhausen und Aue statt Bayern und Dortmund spielt. Für dieses Trio ist der Druck in puncto Wiederaufstieg gewiss am größten. Sie werden schlicht in der Bundesliga erwartet. Aber auch Klubs wie Hannover, Düsseldorf oder Nürnberg wollen wieder zurück. Einfach ist das jedoch nicht. Die aktuellen Aufsteiger Fürth und Bochum mussten acht beziehungsweise elf Jahre warten.

FCA kontert Seinsch-Prognose

„Mir kommen immer die Worte von Walther Seinsch in den Kopf“, sagte Reuter nach dem Klassenerhalt 2020 und zitierte aus einem Gespräch mit dem früheren Präsidenten. „Er sagte mir: Herr Reuter, so groß ist der Druck nicht. Wir werden in den nächsten fünf Jahren definitiv zweimal absteigen. Das ist gar nicht zu verhindern, wenn man sich die Budgets in der Liga anschaut.“ Der FCA konnte es verhindern. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Klassenerhalt auch in Zukunft gelingt. Die Bundesliga gibt es nicht im Dauer-Abo. Erst recht nicht für kleine Vereine wie dem FC Augsburg.

Sollte Rot-Grün-Weiß in die 2. Bundesliga absteigen, stünde der Verein gewiss nicht vor dem sportlichen Ruin. Aus dem Corona-Jahr ging der FCA finanziell deutlich gefestigter als andere Klubs hervor. Trotz Einbußen habe der FCA weiterhin ein positives Eigenkapital von 53 Millionen Euro, sagte Hofmann auf der Mitgliederversammlung. „Unsere Eigenkapitalbasis hat nicht nachgegeben. Außer Bayern und Freiburg kann das kein anderer Verein behaupten.“

Darf der FC Augsburg auch in Zukunft in der Bundesliga jubeln? © Sebastian Widmann/Getty Images)

Die Bundesliga ist noch immer etwas Besonderes

Zudem gelten nach unserem Kenntnisstand nahezu alle Verträge auch für die 2. Bundesliga. Viele, gerade junge Spieler würden den Verein im Abstiegsfall zwar verlassen. Ein Ausverkauf zum Spottpreis ist jedoch nicht zu erwarten.

Dennoch wäre ein Abstieg freilich ein Rückschritt. In der 2. Liga gibt es viele Teams mit Aufstiegsambitionen. Mit der unmittelbaren Bundesligarückkehr kann Augsburg daher nicht planen. Nun wollen wir keine Schreckensszenarien verbreiten. Noch spielt der FC Augsburg schließlich in Liga eins. Die Mannschaft hat die Qualität, auch in der nächsten Saison zu den besten 18 Teams in Deutschland zu gehören. Das würde bedeuten, dass auch in Zukunft regelmäßige Spiele gegen den FC Bayern auf dem Programm stehen. Das ist in der Tat noch immer etwas Besonderes. Es lohnt sich, sich die Bedeutung der Erstligazugehörigkeit immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Andere Klubs wären froh, wenn sie an der Stelle des FCA wären – und in der Bundesliga spielen würden.

Fußballereignisse

Der FCA tritt über das ganze Spiel als Team gegen München auf, belohnt sich für diese Leistung, und Trainer Weinzierl kann Bayern. Bemerkenswert das die Mannschaft in ihrer wieder gewonnenen Spielweise fast ohne Verwarnungen auskam, und die beiden schönen Tore von zwei Spielern erzielt wurden, die bei ihren Auftritten immer auch durch kämpferischen Einsatz auffallen.

Das sind die Namen der Spieler, die mit ersten Vorrundensieg gegen München in der Bundesliga verbunden sind – dazu der Trainer, Markus Weinzierl:

Gikiewicz – Iago, Oxford, Gouweleeuw, Gumny – Pedersen, Dorsch, Maier, Caligiuri – Zeqiri, Hahn – sowie Framberger, Gruezo, Morávek, Córdova, Jensen.

Nach zwölf Spielen hat der FCA nun 12 Punkte. Welche Punktzahl könnte in der Vorrunde noch erreicht werden. Neben dem Spiel gegen Leipzig spielt der FCA bei Hertha, in Köln und in Fürth sowie zuhause noch gegen Bochum.

Auch wenn das Auftreten gegen München ein Highlight war muss die Leistung Spieltag für Spieltag wieder bestätigt werden. Mit weiteren sieben Punkten hätte der FCA den gleichen Punktestand wie im Vorjahr.

Viel entscheidender aber ist die Konstanz in der Entwicklung als Mannschaft, und ein verbundenes Auftreten, das weitere Hoffnungen weckt.

Nach dem 14. Platz in der vergangenen Spielzeit, mit Klassenerhalt am vorletzten Spieltag, sollte diese Saison für die Hertha etwas stabiler laufen. Das Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz, sowie der perspektivische Aufbau einer Mannschaft mit dem Geschäftsführer Sport Fredi Bobic.

Nach einer guten Vorbereitung gab es zu Beginn der Saison drei Niederlagen. Nach wechselnden Ergebnissen steht die Hertha mit der zweithöchsten Anzahl an Gegentreffern aktuell mit 13 Punkten auf Platz 14.

Zuletzt gab es eine Niederlage bei Union, gegen die die Hertha im Januar in der 3. Runde des DFB-Pokal das nächste Mal antritt. Überhaupt scheint der Konkurrenzkampf mit den Köpenickern, die aktuell auf Platz 5 stehen, eines der zentralen Themen der Charlottenburger.

Ein Wiedersehen wird es im Olympiastadion mit Marco Richter geben, der in 102 Spielen 13 Tore für den FCA erzielte, und bisher in allen Spielen der Berliner zum Einsatz kam. Gegen Mönchengladbach gelang ihm dabei der Siegtreffer.

Was gehört eigentlich zum Fußball? Fairplay – beispielsweise die Aktion von Vincenzo Grifo, der beim Stand von 0 : 2 für die gegnerische Mannschaft darauf hinwies das kein Foul gegen ihn im Strafraum vorlag.

Was gehört so nicht zum Fußball? Der Videobeweis. Nicht nur die Umsetzung, sondern die Existenz könnte das Problem sein. Auch die Leitung der Elite-Schiedsrichter des DFB räumte nach dem letzten Wochenende Fehler im Umgang ein. Wohl möglich gibt es keine kalibrierte Form der Gerechtigkeit – weder außerhalb noch auf dem Platz.

Corona beeinflusst weiterhin auch das Geschehen in den Stadien. Nicht nur bei der Belegung der Tribünen und bei der Besetzung der Mannschaften, sondern – neu – auch bei der einer Trainerbank. Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft bedingt auch, dass sich alle alltäglichen Gegebenheiten irgendwie im Sport zeigen.

Auch ohne Fingerzeigen oder vermeintliche Vorbildfunktionen lassen sich alle gesellschaftlichen Diskussionen, Zweifel wie Ängste, in diesen Zusammenhängen gut erkennen. Verständlich auch, wenn dies einige vom Stadionbesuch oder Business as usual abhält. Es mag, auch trotz des Heimerfolgs gegen München, aktuell wichtigere Dinge geben als Fußball.

Am Samstag nun aber der Auftritt des FCA beim Tabellennachbarn. Einer so, auch aufgrund zu geringer Datenmengen, in keinem Fall bestätigbaren These, das nach Erfolgen gegen München immer ein Negativerlebnis folgen müsse, trotzend, bestehen auch hier wieder alle Chancen.

Weiter als Mannschaft auftreten, und vorhandene Stärken zeigen – auch in Berlin geht es wieder um drei Punkte. Gutes Spiel!

Nur der FCA!

Derbysieger gegen Bayern!!!

Auch wenn auf den Tribünen 2G Pflicht herrschte, rief der FC Augsburg für das Spiel gegen den Rekordmeister aus München das Motto „3F“ aus. Freitagabend, Flutlicht, Fight! Ca. 26.000 Fans bekamen in der Augsburger Nebelsuppe eben jenen Kampf zu sehen, den sich viele von uns schon lange gewünscht haben. Und das über volle 90 Minuten! Zu verlieren hatte man ja nichts, da eine Niederlage gegen den FC Bayern München ja gerne einmal in der Punkterechnung eingeplant wird. Doch wir sollten uns alle täuschen, denn unser heißgeliebter FCA überraschte und ging als in meinen Augen verdienter Derbysieger vom Platz.

Zahlreiche Ausfälle auf beiden Seiten

Bereits vor der Partie war auf Augsburger Seiten klar, dass Felix Uduokhai aufgrund eines Sehnenrisses im Oberschenkel noch nicht wieder einsatzfähig ist. Auch Tobi Strobl fiel wegen seines Kreuzbandrisses natürlich aus. Doch als schließlich die Aufstellung der Fuggerstädter bekannt gegeben wurde, kam der Schock. Ruben Vargas fehlte, da er positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Ebenfalls schmerzlich vermisst wurden Florian Niederlechner (Mittelfußprellung) und Alfred Finnbogason (muskuläre Probleme).

Und so schickte Coach Markus Weinzierl folgende Elf in den Kampf gegen Bayern München:

Gikiewicz – Iago, Oxford, Gouweleeuw, Gumny – Pedersen, Dorsch, Maier, Caligiuri – Zeqiri, Hahn

Auf der Ersatzbank nahmen Koubek, Gruezo, Córdova, Gregoritsch, Morávek, Jensen, Winther, Günther und Framberger Platz.

Auch der amtierende Deutsche Meister kam mit einigen Männern weniger in die Fuggerstadt. Neben den positiv getesteten Spielern Niklas Süle und Josip Stanisic, fehlten zusätzlich Rechtsaußen Kingsley Coman (muskuläre Probleme) und 6er Joshua Kimmich. Der 26jährige Mittelfeldchef musste aufgrund Kontakt zu einem Covidpatienten zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit in Quarantäne.

So bekamen es unsere Augsburger Jungs mit der folgenden Startelf zu tun:

Neuer – O. Richards, Hernandez, Upamecano, Pavard – Goretzka, Sabitzer – Sané, Müller, Gnabry – Lewandowski

Die Bank der Münchener konnte sich mit Früchtl, Chuopo-Moting, Cuisance, Davies, Sarr, Roca, Nianzou, Tolisso und Musiala ebenfalls sehen lassen.

Wir sind ein Team!

Es war also angerichtet. Die Fans auf den Rängen waren gemäß den Vorgaben mit Masken ausgestattet, unter denen es laut Coach Markus Weinzierl ordentlich warm werden sollte.

Wir müssen am Feld Vollgas geben und da haben wir keine Maske auf. Da gilt’s eben, dass der Funke überspringt und dass es dann unter der Maske warm wird.

Trainer Markus Weinzierl über die Maskenpflicht

Um kurz vor halb 9 betraten die beiden Mannschaften unter den Klängen von „Wir müssen siegen“ das Grün der Augsburger WWK Arena. Und auch wenn es draußen wirklich kalt war, dürfte es jedem FCA Fan warm ums Herz geworden sein, als unsere Jungs die Bühne betraten. Durch die Bank weg trugen alle Spieler ein Shirt mit der Nummer 5 – verkehrt herum, sodass es auch ein Jeder sehen konnte.

In guten wie in schlechten Zeiten – der FCA ist ein TEAM!

Die Aussage war klar: „Wir sind ein Team und spielen für unseren verletzten Freund Tobias Strobl“. Eben jenem Tobi Strobl, dessen Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses vorzeitig beendet ist. Ich selbst saß zuhause vor dem Fernseher und war mehr als gerührt ob dieser Aktion, die definitiv zu meinenHighlights dieser Partie zählte.

Kampf, Leidenschaft, Wille von Beginn an

Pünktlich um 20:30 Uhr pfiff Schiedsrichter Daniel Siebert die Partie vor 26.000 Fans an. Von Beginn an gingen die Augsburger Jungs früh drauf und zeigten sich aggressiv. Etwas, das die Fans in den letzten Wochen doch schwerlich vermisst haben. Doch nicht so gegen die Bayern. Das Team war ein ekliger Gegner und ließ erst nach 7 Minuten die erste kleine Chance durch Omar Richards zu, die aber weit über das Tor ging.

Selbst wagte man auch den einen oder anderen Vorstoß. Da man gleichzeitig mit zwei Viererketten die Räume sehr eng machte, schafften es unsere Fuggerstädter, die gefürchtete Anfangsviertelstunde ohne Gegentreffer zu überstehen. Wir von der RoGaz, die jedes Spiel in unserem Gruppenchat diskutieren, waren uns sicher. „Vielleicht bedeutet das Brechen des Fluchs ja, dass ein Punkt drin ist.“ An ein Wunder wagten wir bis dato aber nicht zu glauben.

Doch eben jene Überraschung passierte. In der

In der 23. Spielminute warf Bayern-Kapitän Neuer die Kugel ab zu Gnabry auf der linken Außenbahn, der von Daniel Caligiuri leicht angerempelt wurde. Schiri Siebert entschied auf Vorteil, was die Bayern im Anschluss monierten. Ihr Mann mit der Nummer 7 verlor im anschließenden Zweikampf den Ball nämlich an unseren Abwehr-Jeff. Die Pille landete bei Cali, der weiter zu Pedersen passte. Der kleine dänische Wirbelwind nahm an der Seite Iago mit, der auf Zeqiri flankte, welcher im 16er auf eine Gelegenheit lauerte. Allerdings wurde unser Schweizer Stürmer hart von Hernandez bedrängt, sodass er die Kugel lediglich ablegen konnte. Auf Mads Pedersen, der von etwa von der Strafraumkante aus volle Kanne mit Links abzog und erfolgreich ins rechte untere Ecke zu seinem ersten Bundesliga-Treffer einnetzte.

Alle Augsburger Fans: So!

Jubel auf den Tribünen und natürlich auch zuhause. Unfassbar… Der FCA führte gegen den deutschen Rekordmeister! Damit hätten wohl die Wenigsten gerechnet. Ich erwartete schon mit einem Aufbäumen der Bayern, doch überraschenderweise kamen in der Folge keine 300.000 Torschüsse. Zwar machten die Münchener etwas Druck, doch die Augsburger Defensive stand bombensicher und ließ nicht wirklich viel zu.

In der 35. Minute machte man stattdessen einen großen Schritt in Richtung „Wunder“. Wieder war es Andi Zeqiri, der sich nun gegen Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer durch setzte und den Ball auf auf Iago abgab, der an der Seitenlinie nach vorne zog. Unser Linksverteidiger flankte in den 16er, wo André Hahn höher stieg als Hernandez und die Führung per Kopf zum 2:0 ausbaute. Dazu kann ich auch heute nur eines sagen: Der HAHNsinn!!!

Kein Grund, sich auszuruhen. Weiter, immer weiter! (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Der Jubel auf den Rängen war jedoch noch gar nicht richtig abgeklungen, als der FC Bayern zur Antwort ansetzte. Am rechten Strafraum-Eck ließ man Pavard ungestört in die Mitte auf Müller flanken, der stark mit der Hacke auf Lewandowski verlängerte. Unser Beton Rafal Gikiewicz war zwar noch mit den Fingerspitzen dran, schaffte es aber leider nicht, die Kugel ins Seitenaus abzulenken. Und so ging man mit einem zwischenzeitlichen Spielstand von 2:1 in die Pause.

Bibbern bis zum Schluss

Natürlich war die Freude über die Führung zur Halbzeit riesengroß, aber ich war doch noch etwas vorsichtig. Immerhin spielte man gegen den FC Bayern München, dessen Qualität so gewaltig ist, dass sie einen Rückstand auch mal ganz schnell drehen können. Hat man ja gegen Mainz in der vergangenen Saison gesehen. Die lagen zur Pause sogar mit zwei Toren in Führung und in Hälfte zwei schenkte Bayern ihnen noch satte 5 Tore ein.

Das wollten unsere Augsburger aber in jedem Fall verhindern und so stellte Coach Markus auf eine 5er-Kette um. Mauern bis zum Abwinken lautete die Devise. Und das machten die Fuggerstädter wirklich gut. Man ließ auch nicht wirklich zwingende Torchancen zu, denn in der gesamten Partie weißt die Partie gerade einmal 4 direkte Schüsse aufs Tor durch die Bayern auf. Auf Augsburger Seiten waren es im Übrigen 3 direkte Torschüsse.

Um jetzt nicht jede Torchance der Münchener ausformulieren zu müssen, möchte ich das Wort gerne unserem Torwart überlassen, der seinen 50. Einsatz für den FC Augsburg im Interview mit dem FCA TV folgendermaßen beschrieb:

„Wir haben das Herz auf dem Platz gelassen und in der ersten Halbzeit schießen wir einfach ein Tor mehr wie Bayern. In der zweiten Halbzeit – super Arbeit gegen den Ball. Kompliment an die Mitspieler und jeden Feldspieler. Und Bayern hatte auch nicht so viele Möglichkeiten in der zweiten Halbzeit. Sie haben Qualität, jeder weiß das schon vor dem Spiel… Ich habe schon gelesen, sie schießen 3 Tore pro Spiel. Heute haben sie nur eins geschossen. Geile Arbeit, auch von Reece und Jeff. Wir haben heute einen kleinen Bus in unserem Strafraum geparkt, aber es hat gereicht.“

Rafal Gikiewicz nach der Partie im FCA TV

Also als klein würde ich den Bus nicht bezeichnen (ein Doppeldecker war es mindestens), aber das ist im Nachhinein auch echt egal. Fakt ist, dass unsere Jungs es über die Zeit brachten und keinen Geringeren als den Rekordmeister FC Bayern München ohne Punkte nach Hause schickte. Denn diese bleiben schön da, wo sie hin gehören und dringend gebraucht werden: In Augsburg!!!

Eskalation und Freude pur! (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Des einen Freud’…

Auch heute ist die Freude über diesen doch unerwarteten Sieg immer noch gewaltig. Mit Kampf, Wille, Leidenschaft und Mut belohnten sich die Jungs am Ende selbst und zeigten über die gesamte Partie hinweg, was wirklich in ihnen steckt. Einen großen Anteil daran trug sicherlich die richtige Einstellung durch Markus Weinzierl und sein Trainerteam. Immerhin kann Weinzierl Bayern, denn mit ihm an der Linie haben es die Fuggerstädter bereits nun zum dritten Mal geschafft, den überlegenen Nachbarn zu schlagen. Dieser sagte nach dem Sieg und der anschließenden Feier auf dem Platz in der Pressekonferenz folgendes:

Wir haben einen tollen Fight abgeliefert über 90 Minuten, haben zwei Tore erzielt jeweils wunderbar über die linke Seite. Und wenn du 2:0 in Führung bist, dann gibt das natürlich irgendwann den Glauben, dass du das wirklich auch schaffen kannst. Der Anschlusstreffer hat mich geärgert, weil es war eigentlich keine hundertprozentige Chance. In der zweiten Halbzeit war es dann so, dass wir natürlich gemerkt haben, dass Bayern immer stärker wird und auch gut gewechselt hat mit Musiala und mit Davies auf der linken Seite. Aber wir haben es mit allem Geschick und mit sehr viel Willen und einer guten Systematik dann auch verteidigt. Und dann brauchst du auch das notwendige Glück. Aber im Großen und Ganzen glaube ich schon, dass wir aufgrund der ersten Hälfte auch verdient gewonnen haben. Und das zu sagen gegen Bayern München macht mich unheimlich stolz. Da können die Jungs auch wirklich stolz drauf sein.“

Bayern kann er!

Auch Mads Pedersen trat nach der Partie noch immer breit grinsend vor das Mikrofon des FCA TV. Der flinke Flitzer durfte zurecht stolz auf sich sein, hat er doch gegen die großen Bayern sein erstes Bundesliga-Tor geschossen. Und was für eins – Vollspann und eiskalt. Wir gratulieren ihm sehr herzlich dazu.

Mads Pedersen: „Heute war brutal! So ein gutes Gefühl, das ist brutal! Mit der ganzen Mannschaft haben wir so gut zusammen gespielt und in der ganzen Woche brutal gut trainiert. Und dann heute auf dem Platz standen nicht nur 11 Mann zusammen, sondern auch der Trainer, die Spieler auf der Bank und auf der Tribüne. Alle zusammen! Und ohne die Fans und ohne alle hätten wir diesen Sieg nicht bekommen. Das ist brutal gut! … Das mit dem Tor war brutal gut! Ich habe auch ein bisschen Glück, dass der Ball zu mir kommt, aber ja, es war so, so, so gut!“

Auch Hahno, unser zweiter Torschütze, stellte sich danach den Fragen des Reporters und wirkte dabei sichtlich gelöst und stellenweise auch erleichtert.

André Hahn: „So stellt man sich den Freitagabend vor, so erträumt man ihn sich und es ist schön, dass es wahr geworden ist. Wir sind wirklich riesig glücklich darüber, dass wir den Sieg geholt haben. So können wir entspannt ins Wochenende starten und die Spiele auch entspannt verfolgen. … Ich denke, dass wir uns jetzt schon von Woche zu Woche gesteigert haben. Wenn ich jetzt das Stuttgartspiel nehme, haben wir auch schon eine gute Leistung gezeigt. Aber heute haben wir uns wirklich übertroffen. Wir haben wirklich mit den Fans im Rücken alles raus gehauen und haben endlich das gezeigt, was den FC Augsburg auszeichnet, mit Herz, Leidenschaft und Kampf dagegen gehalten und so konnten wir das Spiel gewinnen.“

Aber nicht nur deswegen, wenn es nach unserem Beton geht. Der hatte nämlich bei seinem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk seine ganz eigene Theorie.

Rafal Gikiewicz: „Heute war meine Mama auch da. Sie war jetzt bei fünf Spielen in der Bundesliga und wir haben 5 Siege eingefahren. Ich verliere nie, wenn meine Mama im Stadion sitzt. Sie bleibt jetzt bei uns und ich hoffe, dass die Heimserie jetzt weitergeht.“

Egal, was es auch war, aber die Augsburger Jungs sollen genau so weitermachen und auch in den kommenden Spielen ein solches Feuerwerk auf dem Platz zeigen. Und Mama Gikiewicz ist natürlich bei jedem Spiel herzlich willkommen, wenn danach drei Punkte auf dem Konto der Rot-Grün-Weißen landen.

… ist des anderen Leid

Während beim FCA natürlich Freude und Harmonie vorherrschten, sahen die Bayern die Niederlage natürlich sehr kritisch an. So monierte Stürmer Thomas Müller nach der Partie im Interview nach DAZN:

„Wir hatten ein wenig Pech mit dem Schiedsrichter. Das ist eigentlich ein Foul (Anm. vor dem 1:0). Einen Vorteil sehe ich hier nicht wirklich. Im ersten Moment kann ich den Schiedsrichter verstehen, er will den Vorteil geben, aber durch diesen Rempler ist es absolut keine Vorteilssituation, das haben wir auch schon auf dem Feld besprochen, aber der Schiedsrichter wollte bei seiner Meinung bleiben.“

Bayern-Kapitän Manuel Neuer kritisierte hingegen nicht nur die mangelhafte Defensiv- sondern auch die Offensivarbeit seiner Münchner.

„Was mir Sorgen macht, ist einfach, dass wir zu wenig Torchancen hatten. Normalerweise haben wir gegen so eine Mannschaft, ich glaube, im letzten Jahr fünf Tore erzielt, hatten Chancen en masse. Heute leider nicht.“

Anmerkung der Rosenau Gazette. Ja, in München waren es 5 Treffer, aber in der WWK Arena sah das auch immer wieder anders aus. Da gewann der FC Bayern zwar mit 0:1 durch Lewandowski, aber sie kamen auch gerade einmal auf 13 Torschüsse auf und neben das Tor. Im Jahr zuvor reichte es für den Rekordmeister lediglich zu einem 2:2-Unentschieden. Also bitte fair bleiben. Es ist immer ein Unterschied, ob man zuhause oder auswärts spielt.

Bayern-Trainer und Ex-Augsburger Julian Nagelsmann sah das nämlich ähnlich wie wir, als er sich in der anschließenden Pressekonferenz den Fragen der Journalisten stellte.

„Ja, zuallererst Mal, Glückwunsch Markus an dich und an Augsburg zu dem Sieg. In meinen Augen ist er auch nicht unverdient. Das mal vorne weg. Ich finde, dass wir in der ersten Halbzeit eigentlich extrem viel Platz hatten und den unglaublich schlecht genutzt haben. Wir haben sehr zurück gerichtet gespielt im eigenen Ballbesitz, sehr viele Rückpässe, hatten eigentlich im zentralen Mittelfeld eine große Überzahl, die wir ganz, ganz selten gut und zielgerichtet ausgenutzt haben. Wir haben dann eigentlich kaum Durchbrüche gehabt auf dem Flügel, die eigentlich sehr häufig möglich waren. Und dann waren wir relativ schnell 2:0 hinten. Auf sehr identische Art und Weise, wie wir auch im Pokal gegen Gladbach auch drei Tore gekriegt haben. Eine sehr ähnliche Art und Weise, wie wir dann auch gegen Freiburg dann am Ende ein Tor kriegen. Wie wir auch in der Champions League auch schon ein Tor gekriegt haben zuletzt gegen Benfica.“

Sichtlich angefressen lobte der gebürtige Landsberger auch unseren FCA.

„… Aber wenn du einem 2:0 hinterher läufst und Augsburg dann sehr körperbetont, leidenschaftlich und auch abgezockt spielt… Muss man auch sagen. Ich ärgere mich nicht über irgendwelche Zeitspiele, sondern ich finde, das muss so sein im Profifußball. Das ist einfach so, das gehört dazu. Das haben sie clever gemacht und am Ende auch nicht unverdient gewonnen.“

Ooooh wie ist das schön!

Nun sind ja doch schon ein paar Tage vergangen und doch fühlt sich dieser Sieg immer noch so „brutal gut“ an, wie Mads so schön gesagt hat. Einfach weil die Wenigsten wohl damit gerechnet hat, dass man die übermächtigen Bayern schlagen könnte. Natürlich ist im Fußball alles möglich. Aber man darf nicht vergessen, dass der Rekordmeister bereits 40 Tore geschossen hatte, bevor sie zu uns in die WWK Arena kamen. Das ist halt schon mal eine Ansage.

Aber an dieser Partie hat man sehr gut gesehen, dass Ballbesitz, Überlegenheit und auch der Kaderwert nicht alles ist, worauf es im Fußball ankommt. Mit einer überragenden Defensive kann man eine Offensivmacht auch mal schnell an den Rande der Verzweiflung bringen. Hinzu kommt, dass am Freitag eine Einheit auf und neben dem Platz vorherrschte. Jeder Spieler hat für den anderen geackert und die Fans haben sie getragen.

Die 3 Punkte, mit denen niemand gerechnet hat, sind auch tabellarisch unwahrscheinlich wichtig. Durch die Niederlage in Leverkusen, konnte der FCA den VfB Stuttgart hinter sich lassen. Und da die Arminia aus Bielefeld nur unentschieden gegen Wolfsburg spielte, konnte man den Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz auf 3 Punkte ausbauen. An Bochum und Hertha bleibt man dran, da auch diese beiden Vereine verloren haben. Sprich, mit einem Sieg gegen den Hauptstadtclub könnte man in der Tabelle weiter nach oben klettern. Ich bin der Meinung, dass Gikies Ziel vor ein paar Wochen – 20 Punkte am Ende der Hinrunde – durchaus realistisch einzuschätzen ist. Und wer weiß, vielleicht werden es ja auch ein paar mehr.

Fakt ist, dass dieser Sieg der Mannschaft richtig gut getan hat. Ich hoffe sehr, dass sie eine Menge Selbstbewusstsein daraus ziehen können. Wenn man diesen Mut und diese Leidenschaft mit in die nächsten Partien nimmt, kann nur wenig schief gehen. Ich vertraue auf die Jungs, dass sie das packen und am Samstag bei der „Alten Dame“ aus Berlin endlich mal den ersten Sieg im Olympiastadion einfahren. Dieser ist nämlich längst überfällig. Und wenn uns dieses Derby eines gezeigt hat, dann ja wohl, dass auch das Unmögliche möglich ist!

Hinterherlaufen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Jeder hat diese Freunde. Egal welche Uhrzeit man vereinbart, sie kommen immer zu spät. Man müsste ihnen schon fast eine andere Uhrzeit als dem Rest der Truppe nennen, um alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu haben. Und obwohl man weiß, dass diese Kollegen regelmäßig zu spät kommen, so ärgert man sich doch jedes Mal wieder und lässt sich dadurch die Stimmung vermiesen.

Der FCA ist als Fußballteam gerade wie diese Freunde. Das Spiel wird angepfiffen und das Team nur physisch auf dem Platz zu sehen. Während der Gegner schon bei vollem Bewusstsein zuschlägt, hat das Augsburger Team den Spielbeginn verschlafen. Wie immer. Und dennoch schlägt man als Fan die Hände über dem Kopf zusammen, wenn es dann doch wieder passiert und lässt sich den Nachmittag versauen.

Wiederholung unerwünscht

Beispielhaft können wir die Partie gegen den VfL Wolfsburg anführen. Im RoGaz-Redaktionschat wurde vor der Partie festgehalten: „Wenn wir in den ersten 15 Minuten kein Tor kassieren, dann nehmen wir was mit“. Minute 14 im Spielverlauf. Wolfsburg geht zum Angriff über und kommt über die linke Seite. Robert Gumny kann die Flanke nicht entscheidend blocken, Jeff schaut beim Kopfball zu und Rafal Gikiewicz lässt den Ball passieren. Der FCA gerät mal wieder in Rückstand und darf hinterherlaufen.

Nun sollte ich vielleicht nach den Spielen der letzten Wochen an dieser Stelle auch einmal den Fortschritt loben, der zu beobachten ist. Sowohl gegen Bochum, Stuttgart als auch Wolfsburg hat sich das Team durch den Rückstand nicht aus dem Konzept bringen lassen. Der Kritiker in mir mag sarkastisch anmerken, dass man erst durch die Gegentore überhaupt zum Konzept gefunden hat. Wie es auch sei, gegen Bochum konnte man in der regulären Spielzeit noch ausgleichen, gegen Stuttgart die Partie vollends drehen (welch Erleichterung) und gegen Wolfsburg zumindest ein Chancenplus erspielen, wenn es am Ende auch für einen Punkt nicht reichen sollte. Als jemand, der das Spiel gegen Mainz live im Stadion verfolgt hat, bin ich über diese Entwicklung erstmal schon sehr dankbar. Die frühen Rückstände braucht trotzdem niemand.

Besserung notwendig

Insgesamt ist die Situation somit unbefriedigend. Es kann ja wohl nicht sein, dass die Mannschaft bei jedem einzelnem Spiel in den letzten Wochen wie die größten Schlafmützen aus der Kabine kommt. Immer wieder früh in Rückstand gerät und sich dadurch das Leben selbst viel zu schwer macht. Aus dem Wolfsburg-Spiel nehme ich zwei Punkte mit: Erstens wäre das Gegentor gut zu verteidigen gewesen, wenn die Mannschaft hier konzentriert gegen den Ball gearbeitet hätte. Zweitens kann man auf Basis der zweiten Halbzeit dann gegen Wolfsburg auch mal punkten wenn nicht gewinnen.

Frühe Gegentore kassiert und dann bis zur Erschöpfung hinterherlaufen. Es stimmt nachdenklich. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Schade ist, dass es die Mannschaft grundsätzlich kann. Die Kehrtwende gegen Stuttgart macht Mut. Die andauernde Hinterherlauferei wird allerdings dazu führen, dass die Punkteausbeute auch weiterhin mager bleibt. Das liegt auch daran, dass wir in der Schlussviertelstunde nicht mehr viel zu bieten haben. Andere Teams legen bisher besser nach im späten Spielverlauf. Nicht viele Teams lassen einen wie die Stuttgarter ins Spiel zurück. Der Tabellenstand lügt zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht mehr.

Weinzierl ist gefordert

Was Hoffnung macht ist die Historie. Wir Augsburger sind – wenn wir geschlossen bleiben – die besten Hinterherläufer der Liga und bis jetzt hat es immer noch zumindest für den Klassenerhalt gereicht. Dazu sollte dieses Problem „Konzentrierter Spielstart“ doch lösbar sein. Oder nicht? Ein bisschen psychologische Arbeit mit den Spielern, Anpassung von Kern-Routinen, um das Gewohnte zu durchbrechen und Bums, schenken wir den Bayern selbst ein Törchen zu Spielbeginn ein. Aber wahrscheinlich kommt da jetzt wieder der naive Fan in mir durch.

Weinzierls Denkerpose ist noch eine Weile gefragt. Ob er erneut die richtigen Lösungen findet? (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

In jedem Fall ist Markus Weinzierl gefordert. Nachdem er sich gerade erst damit konfrontiert sah nach dem Katastrophenspiel in Mainz für eine grundsätzliche, positive Entwicklung zu sorgen (was durch den Sieg gegen Stuttgart und die Kehrtwende gegen Bochum zumindest grundsätzlich gelang), bleibt diese große Herausforderung bestehen. Die frühen Führungen der Gegner führen auch dazu, dass diese offensiv nicht mehr das große Risiko suchen müssen. Wer somit mehr Tore sehen will, sollte hoffen, dass wir nicht immer hinterherlaufen müssen. Ansonsten wird die Punkteausbeute mau bleiben und die Luft im Verlauf der Hinrunde für die sportliche Führung erneut dünner werden. Das Problem der Fehlstarts zur lösen, wird damit zur Schicksalsaufgabe um dauerhaft sportlich die Wende zu schaffen und in Augsburg auch über Weihnachten Ruhe einkehren zu lassen. Alleine aus persönlichen Gründen würde ich mich freuen, vor Anstoß nicht mehr immer ein mulmiges Gefühl haben zu müssen.

Freitagabends

Weiter gute Ansätze, der FCA kann zweite Halbzeit, und doch hat wieder etwas gefehlt. Nach dem Spiel in Wolfsburg und einem Drittel der Saison zeigt sich die Mannschaft als intakt. Zu den immer wieder vorhandenen spielerischen Ansätzen sollten sich nun langsam auch die Ergebnisse einstellen. Die nächste Gelegenheit dazu am Freitagabend.

Vergleiche gegen München sind keine Bonusspiele. Und wenn der Punkteunterschied am Ende der Spielzeit noch so groß sein mag, besteht bei jedem Aufeinandertreffen die Chance zu punkten. Im letzten Vergleich, der in Augsburg, im Oktober 2019 vor Zuschauern stattfand, gelang Alfreð Finnbogason kurz vor Schluss der Ausgleich.

Nach 11 Spieltagen mit 28 Punkten auf dem Spitzenplatz verloren die Münchener erst ein Spiel in der Liga. Neben dem Remis zum Rundenstart kam auch im Pokal das frühe Aus gegen Mönchengladbach, das vor allem in der Art des Zustandekommens sehr überraschte. Zu dominant war bisher das Auftreten des Teams, das in der Champions-League bisher noch kein Gegentor erhalten hat.

Dazu die höchste Torquote, die eine Bundesligamannschaft bisher nach 11 Spieltagen erreicht hat, der Übergang zu Trainer Nagelsmann scheint auch dadurch gelungen.

Ganz andere Zielsetzungen demgegenüber beim FCA, der sich langsam als Mannschaft findet. und in den bisherigen Bundesligavergleichen gegen München zumeist nicht schlecht aussah. Auch wenn an den nachfolgenden fünf Spieltagen vier Gegner auf Augenhöhe anstehen, gilt es für den FCA in jedem Spiel die Chance zu suchen.

Aktuell mit 9 Punkten auf Platz 16, beträgt der Vorsprung zu Arminia Bielefeld, die zuletzt in Stuttgart gewinnen konnte, nur noch einen Punkt. Auch wenn die Saison nicht in der Vorrunde entschieden werden wird, gilt es den Anschluss zu erreichen, ergebnisbezogen wie auch in der Entwicklung der vorhandenen Potentiale.

Die Bilanz bei bisher 29 Bundesligaauftritten an diesem Zeitpunkt ist bisher nicht überwältigend, und doch gab es auch Freitagabendspiele, in denen der FCA überzeugen konnte. Der erste Freitagabendsieg gelang im Oktober 2013 gegen Werder Bremen. Nach der Führung von Tobias Werner und zwischenzeitlichem Ausgleich waren Stephan Hain und Daniel Baier per Freistoß für den Endstand von 3 : 1 verantwortlich.

Am 01.03.2019 gewann der FCA gegen den damaligen Tabellenführer, Borussia Dortmund, mit 2 : 1. Zweifacher Torschütze war der Spieler mit den mit meisten Toren bei FCA-Spielen an einem Freitagabend, Dong-won Ji.

Der erste Bundesligasieg in Sinsheim war auch freitagabends. Beim 4 : 2 im Dezember 2019 waren zweimal Max, Jensen und Iago die Torschützen. Der letzte Sieg an einem Freitagabend gelang durch Tore von Vargas, Richter und Hahn im März diesen Jahres gegen Mönchengladbach.

Unabhängig allgemeiner Fragen zu Spieltag und Anstoßzeiten hat der Freitag seinen eigenen Reiz. Zu Beginn des Wochenendes, Flutlichtatmosphäre und zumindest gefühlt der Eindruck von etwas eigenem.

Seit den 70er-Jahren gibt es regelmäßig Spiele, die freitagabends stattfinden. Das erste Bundesligaspiel an einem Freitagabend gewann am 14.05.1965 der Meidericher SV im Wedaustadion mit 3 : 0 gegen 1860 München, die in der nachfolgenden Woche im Finale des Europapokals der Pokalsieger in Wembley antraten. Und auch sonst einige Spiele und Vereine, wie Kaiserslautern, die über einen längeren Zeitraum gefühlt ständig die Heimspiele zu diesem Zeitpunkt absolvierten.

Jedoch wird es aufgrund der allgemeinen Situation diese Woche etwas anders sein: Ein ausverkauftes Stadion, 2-G und Maskenpflicht – dabei auch Verständnis für viele die in dieser Zeit nicht zu einer Großveranstaltung gehen möchten.

Aber Freitagabend, der FCA spielt gegen den Tabellenführer, und kann dabei nur gewinnen. Nach der immer mehr als nervend empfundenen Länderspielpause, gemeinsam als Mannschaft auftreten und spielerisch überzeugen. Gutes Spiel!

Nur der FCA!

Immer Ärger mit dem Knie

Es gibt wohl kaum einen FCA-Profi, der die Fangemeide so sehr spaltet wie Tobias Strobl. Für meinen Geschmack kritisieren zu viele „Fans“ Woche für Woche seine Leistungen, allein schon wenn sie seinen Namen in der Startelf lesen. Dabei scheinen sie gerne zu vergessen, dass sich jeder Spieler seinen Platz im Team durch seinen Auftritt in den Trainingseinheiten erst verdienen muss. Doch leider werden wir den gebürtigen Münchener in den nächsten Monaten nicht auf dem Platz zu sehen bekommen. In der Bundesligapartie gegen den VfL Wolfsburg zog sich Strobl einen Kreuzbandriss im rechten Knie zu. Aus gegebenem Anlass – und weil ich finde, dass auch der so stark kritisierte Mittelfeldspieler einmal einen Artikel verdient hat – möchte ich daher mal einen genaueren Blick auf seinen bisherigen Karriereverlauf, aber auch auf seine Verletzungshistorie werfen.

Vom Jugendspieler zum Profifußballer

Seine Jugendausbildung bestritt der heute 31jährige beim SV Aubing im Münchener Westen, bevor er schließlich im Sommer 2000 zum TSV 1860 München wechselte. Viele von euch verdrehen nun sicherlich die Augen, denn die „Kätzchen“ mögen nur wenige Augsburger Fans. Dennoch muss man sagen, dass dieser Verein eine hervorragende Ausbildung an den Tag legt. Viele der heutigen und auch ehemaligen Profis sind der blauen Jugend entsprungen. Kevin Volland, die Bender-Zwillinge, Florian Neuhaus, Julian Baumgartlinger, Fabian Johnson zum Beispiel. Und auch Philipp Max, Florian Niederlechner, Felix Uduokhai und Daniel Baier wurden vom TSV ausgebildet und schafften den Sprung in den Profifußball.

Bei den 60ern durchlief Tobi Strobl sämtliche Jugendabteilungen von der E-Jugend bis rauf zur zweiten Brigade. Doch bevor er sich voll und ganz auf den Fußball fokussierte, entdeckte der Münchener noch eine andere Leidenschaft für sich – den Golfsport. Hier wurde er als 15jähriger sogar bayerischer Meister seiner Altersklasse. Aber das nur so am Rande bemerkt.

Im Jahr 2009 rückte Strobl in die zweite Mannschaft der „Kätzchen“ auf und spielte für sie in der Regionalliga Süd. Seinen ersten Einsatz bekam er am 23.05.2009 gegen den KSV Hessen Kassel. Nur wenige Wochen später durfte er auch schon teilweise mit der Profimannschaft trainieren, die zum damaligen Zeitpunkt noch in der 2. Liga verweilte. Dort kam er allerdings nie zum Einsatz. Für die Zweitvertretung der 60er hatte er in drei Spielzeiten 62 Partien bestritten und hierbei ein Tor und acht Torvorlagen zu verbuchen. Nach einem geplatzten Wechsel zu Unterhaching im Jahr 2010, ließ Tobias Strobl seinen Vertrag im Jahr 2011 auslaufen und ging anschließend zur TSG Hoffenheim II.

Bei den Sinsheimern mauserte sich der gebürtige Münchener recht schnell zum Stammspieler. In 26 Spielen in der Regionalliga Süd steuerte er 5 Tore und zwei Vorlagen bei. Aber nicht nur das, denn gleich in seinem ersten Jahr bei der TSG durfte er bereits sein Profidebüt feiern. Am 11.02.2012 wechselte ihn Coach Markus Babbel in der Partie gegen den SV Werder Bremen ein. Strobl kam zwar erst in der 83. Minute für Sebastian Rudy, aber jeder weiß, dass ein Bundesligaauftritt für einen jungen Spieler das Allergrößte ist.

Profizeit

Das Tor zum Profi war für Tobias Strobl nun also geöffnet worden und so verlängerte er seinen Vertrag bei Hoffenheim bis 2014. In der Saison 2012/13 ließ er sich ein Jahr lang zum 1. FC Köln verleihen. Am 31.08.2012 gab er hier sein Debüt in der Zweitligapartie gegen Energie Cottbus. Sein erstes Tor für die Domstädter schoss der defensive Mittelfeldspieler nur wenige Wochen später am 7. Spieltag gegen FSV Frankfurt. Beim 2:1-Heimsieg der Kölner steuerte Strobl das 1:0 bei, das kurz nach Wiederanpfiff zur 2. Hälfte fiel. In Köln stand Tobias Strobl insgesamt 24 Mal auf dem Platz – in 21 Zweitligapartien und 3 Mal im Pokal. Das Tor gegen FSV Frankfurt blieb sein einziges, aber er konnte noch drei Torvorlagen beisteuern.

Nach seiner Zeit in Köln blieb Strobl noch für drei weitere Spielzeiten bei der TSG. In dieser Zeit wurde er nicht nur zum gesetzten Stammspieler, sondern durfte auch noch sein erstes Bundesligator feiern, das er am 3. Spieltag der Saison 2013/14 gegen den SC Freiburg schoss.

Im Sommer 2016 wechselte der heute 31jährige zu Borussia Mönchengladbach, wo er bis zum Sommer 2020 unter Vertrag stand. Bei den Fohlen konnte er sich nicht nur seinen Platz in der Stammelf erarbeiten, sondern wurde auch gleichzeitig zu einem gestandenen Profi mit internationaler Erfahrung. In den 4 Spielzeiten, in denen Tobi Strobl für die Borussia auflief, bestritt er insgesamt 83 Partien über 5.778 Einsatzminuten. Dabei durfte er auch in der Champions League Qualifikation, der Champions League Vorrunde und in der Europa League ran. Und das sogar in seiner ersten Saison dort. Hier schaffte es Gladbach zwar nicht über die Gruppenphase hinaus, aber kam anschließend in der Europa League doch noch bis ins Achtelfinale. Hier sollte aber gegen Ligakonkurrent Schalke 04 Schluss sein. Trainer der Königsblauen damals: Markus Weinzierl. Doch ein 1:1 auf Schalke und ein 2:2 in Gladbach reichte einfach nicht für die Fohlen.

Für die Borussia erzielte der defensive Mittelfeldspieler nicht ein einziges Tor und konnte lediglich 8 Vorlagen beisteuern. Ein Grund dafür: Strobls schwerwiegende Verletzung in der Saison 2017/18. Doch wie genau Tobis Verletzungshistorie aussieht, das schauen wir uns jetzt genauer an.

Das verflixte Knie

Zu Beginn seiner Profikarriere war der gebürtige Münchener eigentlich kaum bis gar nicht verletzt. Beim 1. FC Köln fiel er nicht für ein einziges Spiel aus und auch bei der TSG Hoffenheim verpasste er in 3 Spielzeiten lediglich 6 Partien. Das waren aber alles nur kleinere Verletzungen und Wehwehchen, die eigentlich kaum der Rede wert waren bzw. jeden Profi einmal treffen können. Mal eine leichte Gehirnerschütterung, Oberschenkelprobleme, Adduktorenbeschwerden oder auch schon das erste Mal Kniebeschwerden. Insgesamt musste Tobi 51 Tage lang pausieren. In 3 Jahren ist das nicht unbedingt viel.

Bei Gladbach jedoch verpasste er in seiner ersten Spielzeit dort gleich einmal 7 Partien. Den ersten Ausfall über 21 Tage verdankte er einem Muskelfaserriss, den er in der Partie gegen RB Leipzig am 4. Spieltag erlitt. Nachdem er im Oktober wieder fit war, holte er sich nur 4 Wochen später eine Gehirnerschütterung ab, bevor er sich im Januar 2017 einen Sehnenriss zuzog und erneut für 4 Spiele ausfiel. Diesen hatte er im Februar überstanden und nahm sich vor, in der neuen Saison so richtig anzugreifen.

Das ist nicht das erste Mal, dass sich Strobl das Kreuzband reißt… (Photo by Ross Kinnaird/Getty Images)

Leider sollte aber alles ganz anders kommen. Am 04.08.2017 bestritten die Borussen ein Testspiel gegen Premier League – Meister der Saison 2015/16 Leicester City. Hierbei wurde Tobias Strobl in der Halbzeit eingewechselt, blieb aber nach nur zwei Minuten unglücklich im Rasen hängen. Die traurige Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbands sowie des Außenmeniskus im rechten Knie. Ganze 220 Tage und 29 Partien kostete es an Zeit, bis Tobi wieder auf den Platz zurückkehren konnte. Seinen Einstand feierte er gegen Bayern München am 30. Spieltag. Die Partie ging aber mit 5:1 an den deutschen Rekordmeister.

Die folgende Saison überstand der defensive Mittelfeldspieler jedoch unbeschadet und konnte in insgesamt 30 Partien für die Fohlen auflaufen. Doch zu Beginn der Saison 2019/20 ging es gleich wieder schlecht los. Wieder war es das Knie, das Strobl außer Gefecht setzte. 65 Tage und somit 11 Partien musste er pausieren, auch weil er erneut einen Meniskusschaden erlitt. So kam er in dieser Spielzeit auf gerade einmal 12 Einsätze.

Augsburger Zeiten

Da Tobias Strobl mit Denis Zakaria, Christoph Kramer und Florian Neuhaus eine sehr starke Konkurrenz auf seiner Position hatte, beschloss er, seinen auslaufenden Vertrag bei den Fohlen nicht zu verlängern. Somit kam er im Sommer 2020 schließlich ablösefrei zu uns nach Augsburg. Einer der Gründe, die für den FCA sprach: Strobls Familie wohnt in der Nähe von unserer schönen Fuggerstadt.

Der FC Augsburg hat in den letzten Jahren eine tolle Entwicklung genommen. Das habe ich immer sehr interessiert verfolgt. Daher freue ich mich, dass ich nun selbst das FCA-Trikot überziehen und mithelfen kann, dass diese Entwicklung mindestens genauso erfolgreich fortgesetzt wird.

Tobias Strobl über den Wechsel nach Augsburg

Tobi kam mit einem Muskelfaserriss zu uns an den Lech, hatte aber das Glück, dass die Saison erst am 12.09.2020 mit der Pokalpartie gegen den MTV Eintracht Celle startete. Hier kam Strobl gleich mal zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz im Augsburger Trikot, wenn auch nur über 33 Minuten.

Seit seinem Wechsel stand der 31jährige bisher 37 Mal für unser Team auf dem Platz. In der vergangenen Spielzeit bestritt er insgesamt 31 Spiele und wurde nicht von einer einzigen Verletzung geplagt. Wie oben schon erwähnt, sehen viele Fans den gebürtigen Münchener trotzdem eher als eine kritische Figur an. Strobl ist nicht der schnellste Spieler und er leistete sich – wie jeder Mensch auf diesem Planeten – den einen oder anderen Patzer. Dennoch muss man sagen, dass der gelernte 6er ein recht gutes Spielverständnis mitbringt. Sowohl mit seiner Passquote von 81,4 Prozent als auch mit geblockten Bällen landete er in den Top 100 aller betrachteten Spieler der Bundesliga der Saison 2020/21.

Saison beendet

Am 09.11.2021 kam schließlich die Horrornachricht für jeden Fußballprofi. Vorzeitiges Saison-Aus nach gerade einmal 11 Bundesligaspieltagen für Tobias Strobl. Die Diagnose: Erneut ein Kreuzbandriss im rechten Knie. Und das, obwohl er gerade erst eine Sprunggelenksverletzung überstanden hatte.

Doch was genau ist eigentlich passiert? Es lief gerade die 37. Minute der vergangenen Partie gegen den VfL Wolfsburg, als Strobl gegen Renato Steffen zu spät und dabei selbst zu Fall kam. Unser 6er blieb am Boden sitzen und zeigte sofort an, dass er ausgewechselt werden muss.

Ich habe in der Aktion gleich gemerkt, dass im Knie etwas kaputt gegangen ist. Daher habe ich auch sofort die Auswechslung angezeigt. Letztlich hofft man aber immer, dass es doch nicht so schlimm ist. Die MRT-Untersuchungen haben aber meinen Verdacht bestätigt.

Tobias Strobl über seine Verletzung im Spiel gegen Wolfsburg

Besonders bitter ist die Verletzung vor allem, da der defensive Mittelfeldspieler gerade wirklich einen aufsteigenden Trend an den Tag gelegt hat. Viele von euch mögen mir da jetzt widersprechen, aber spätestens seit der Pokalpartie gegen Bochum hat Strobl sehr ordentliche Leistungen gezeigt. Sicherheit, Spielverständnis und auch den Überblick über das Geschehen auf dem Platz zu haben, gehört genauso zum Fußball wie Geschwindigkeit. Zudem ist auch hervorzuheben, dass Strobl bei jenem Elfmeterschießen mit großem Beispiel voran ging und ebenfalls einen Penalty schoss.

Allein ein Blick auf seine bisherigen Leistungen während der aktuellen Spielzeit zeigen insgesamt betrachtet eine klare Steigerung im Vergleich zur letzten Saison. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass der 6er bis Mitte September verletzt ausfiel. So konnte Strobl beispielsweise 63,6 Prozent all seiner Luftkämpfe gewinnen. Das bedeutet vereinsintern Rang 3 hinter Daniel Caligiuri und Reece Oxford. Bei allen betrachteten Spielern landet er auf Position 44. Auch in Sachen abgefangene Bälle kann sich sein Wert durchaus sehen lassen. 1,87 sind es im Durchschnitt pro Spiel und damit Rang 36 in der Liga. Besser ist innerhalb des FCA nur Reece Oxford auf Platz 8 und durchschnittlich 2,6 abgefangene Bällen pro Spiel.

Die Bedeutung einer solchen Verletzung

Was kann eine solche schwerwiegende Insultation für Folgen nach sich ziehen? Für Tobias Strobl bedeutet das in erster Linie Schmerzen, eine Operation und eine sehr lange Rehabilitationsphase. Wie der FC Augsburg bereits verkündete fällt der defensive Mittelfeldspieler auf jeden Fall für den Rest der Saison aus. Doch selbst dann ist es noch nicht sicher, ob der Münchener dann erneut Fuß fassen kann. In seinem Alter und auch mit seiner Vorgeschichte, kann ein zweiter Kreuzbandriss durchaus auch das Karriereende bedeuten. Was ich persönlich nicht hoffe.

Bei so einem Pech kann man sich nur an den Kopf langen! Gute Besserung, Tobi!
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Doch am Beispiel von Jan-Ingwer Callsen-Bracker sieht man schon, dass eine schwere Verletzung alles verändern kann. Nach dem Wadenbeinbruch und einer Sprunggelenksverletzung, die er sich in der Partie gegen Partizan Belgrad zuzog, spielte der Innenverteidiger gerade noch 6 Minuten für die A-Mannschaft des FC Augsburg. Für die „Zwote“ und den 1. FC Kaiserslautern, an den man ihn verlieh, waren es immerhin zusammen 20 Partien über 1.750 Einsatzminuten. Dennoch kann man sagen, dass seine Profikarriere mehr oder weniger vorbei war.

Natürlich wünscht das Tobias Strobl niemand, aber dennoch zeigt diese Geschichte, wie schnell so etwas gehen kann, denn der Verein muss sich seine Gedanken über eventuellen Ersatz machen. So leid es mir tut, das sagen zu müssen, aber so ist nun einmal das Geschäft.

Stand jetzt hat der FCA schon ein kleines Problem. Mit Niklas Dorsch, Arne Maier und Carlos Gruezo hat man gerade einmal 3 fitte Spieler im Kader, die auf dieser Position ausgebildet wurden. Jan Morávek fällt aufgrund von Adduktorenproblemen ebenfalls noch für unbestimmte Zeit aus. Und da Trainer Markus Weinzierl gerne mit einer Doppel 6 auflaufen lässt, darf absolut nichts passieren, da man momentan kein wirkliches Backup auf der 6 hat. Natürlich könnte man eventuell Raphael Framberger ins defensive Mittelfeld ziehen. Oder auch Mads Pedersen, falls Iago wieder spielen kann. Doch was ist, wenn sich dann ein Robert Gumny oder ein Iago verletzten würden? Dann braucht man auf den Außen einen Ersatz. Auch Jeff oder Reece Oxford vorzuziehen macht keinen Sinn, solange Felix Uduokhai noch nicht wieder auf dem Platz steht.

Ich wollte eigentlich gar nicht so sehr den Teufel an die Wand malen, aber das sind nun einmal meine Gedanken, die mir seit der Diagnose durch den Kopf gehen. Doch ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Verantwortlichen hierfür eine Lösung parat haben, wie man zumindest bis zum Wintertransferfenster übersteht.

Genesungswünsche

An dieser Stelle möchte ich im Namen des kompletten RoGaz-Teams Tobias Strobl unsere allerherzlichsten Genesungswünsche aussprechen. Wir wünschen ihm viel Kraft für diese schwierige Zeit und hoffen, dass alles gut ausgeht. Hoffentlich schafft er es, sich mit Mut und Willen zurück zu kämpfen, um in der nächsten Saison wieder das Augsburger Trikot überstreifen zu können.

Alles Gute, Tobi!

Zusammenspiel

Im 350. Bundesligaspiel der 50. Sieg von Markus Weinzierl – der FCA ist in der Saison angekommen. Standards, Ecke – Tor! Auch dieses Stück hat seine Helden: Gouweleeuw, Niederlechner, Finnbogason und zuvorderst Reece Oxford. Der FCA kann wieder 1. Liga!

Bei herrlichen Fußballwetter am letzten Tag im Oktober eine kollektive Feierstimmung, wie gefühlt so schon lange nicht mehr. Ein Spiel mit einer eigenen Geschichte, an dessen Ende vieles, das vorher war, ganz anders wirkt. Und vielleicht der nächste Schritt einer viel größeren Inszenierung.

Waren es die wieder gewonnenen Grundtugenden, hat sich die Mannschaft wieder gefunden, und schließt an eine zurückliegende Spielweise an. Einige Situationen und Einzelleistungen, die diese Annahme auslösen, und mit Fortgang des Spiels immer stärker zum Vorschein kamen.

Nach zwischenzeitlicher Leere sind die Stadien wieder voller. Durch den Abgleich und mit Abstand nicht die Frage was das Spiel, sondern den Stadionbesuch ausmacht. Und welche Rolle spielen volle Ränge in der medialen Darstellung des Fußballs und der Bundesliga.

Identifikation mit eigener Mannschaft und Farben, kleine Heldengeschichten im eigenen Stadion, gemeinsames Erleben, und ein Gefühl auch abseits eigener Wahrnehmung unverzichtbarer Bestandteil zu sein. Was hat sich am Stadionerlebnis und Fußballerleben zwischenzeitlich geändert?

Über eine Saison die Erkenntnis das keine Übertragungstechnik das individuelle Gefühl der Anwesenheit im Stadion ersetzen kann. Viele Zweifel in den Zeiten der Pandemie was die Relevanz des Profisports betrifft. Und ein langsames Wiederentdecken lang vertrauter Riten. Viele Zweifel, die weiter bestehen, und doch irgendwie auch wieder ein Gefühl des Dabeiseins.

Vielleicht lässt sich auch alles anders herum sehen. Wohl möglich ist das gemeinschaftliche Erleben das eigentlich Entscheidende, und das Spiel das Rahmenprogramm. Es mag hier viele, viele Möglichkeiten des Erkennens und der individuellen Wahrnehmung geben, und doch sind es eben manche kollektive Ereignisse, die, nicht nur am letzten Sonntag bewusst, als solche in Erinnerung bleiben.

Und wenn sich die Tabelle auch wieder besser liest gibt es für den FCA noch viel zu erreichen. Am kommenden Samstag trifft der FCA in Wolfsburg an, wo auch ganz unterschiedliche Geschichten mit verbunden sind, und trotz zwischenzeitlicher Rekordniederlage die FCA-Bilanz positiv ist.

Nach einem siebten und einem vierten Platz unter Trainer Oliver Glasner wollte der VfL in dieser Spielzeit ganz oben mitspielen, und stand nach 9 Spieltagen mit 13 Punkten auf Platz 9. Zu wenig für die Ambitionen des Vereins, und das Aus für Trainer van Bommel.

Im ersten Spiel unter Florian Kohfeldt gelang dann nach acht sieglosen Pflichtspielen ein 2 : 0 in Leverkusen und in der CL haben die Wolfsburger nach dem 2 : 1 gegen Salzburg auch noch die Chance aufs Vorrücken.

Was könnte zuletzt in der Welt des Fußball noch wichtig gewesen sein. Ob nun alle möglichen Prozesse im Hintergrund laufen, die die Häufung internationaler Turniere zum Ziel haben, und manche Verbände mit Austritt drohen, oder ob es nun doch zeitnah zu einem neuen Super-League-Szenario kommt – Fußball ist zunächst lokal, und der eigene Verein. Das wichtigste Spiel ist immer das nächste der eigenen Mannschaft.

Und eigene Erfolge schaffen Verbundenheit. Dazu gehört auch auf, und neben dem Platz miteinander zu sprechen. Unruhe liefert nirgends etwas hinzu, und manches, nicht nur sportliches, ließe sich vielleicht auch schneller klären als gedacht – Zusammenhalten ist das Ziel.

Zu Gast beim ersten Heimauftritt des neuen Trainers sollte der FCA in Wolfsburg genau dort weitermachen, wo gegen Stuttgart aufgehört wurde, und weiter an seiner eigenen Geschichte schreiben. Mit weiter gewachsener Aufmerksamkeit, und dem Bewusstsein in der Liga immer und überall punkten zu können ist auch am Samstag vieles möglich. Gutes Spiel!

Nur der FCA!

Das lässt mich heimisch fühlen

Es ist zwischen Union und Freiburg. Nachdem ich schon früher mit Jan Moravek und Alfred Finnbogason über ihre Heimat gesprochen hatte, bin ich heute mit Michael Gregoritsch verabredet, um virtuell über seine österreichischen Wurzeln zu reden. Gregerl ist stolzer österreichischer Nationalteamspieler und konnte sich im Sommer bei der EM ins Geschichtsbuch seiner Fußballnation eintragen. Das alles hat uns während unseres Gesprächs derweil gar nicht interessiert. Aber lest selbst, was ich gelernt habe, außer wie man am besten von Augsburg nach Graz kommt.

Andy: Es ist Sonntagmittag, 11 Uhr. Der FCA hat am Samstag um 15:30 Uhr gespielt, gewonnen und ich weiß nicht, irgendein Österreicher wird das Siegtor geschossen haben. Ich hatsch‘ relativ zerknautscht vor der Arena rum, weil ich mein Handy verloren habe beim Spiel und ich eben am Suchen bin, wo es denn rumliegt. Dann laufen wir ineinander und kommen so ein bisschen ins Quatschen. Dann sagst du: „Ach weißt was, Andy? Jetzt machen wir mal was ganz anderes. Ich fahre jetzt in die Heimat. Kommst du mit?“ Und jetzt hoffe ich, dass du nicht mit der Vespa unterwegs bist…

Gregerl:  An einem sonnigen Sonntag schwer, aber okay. Erstmal fahren wir nach Graz. Wir fahren über die A8 über München, bleiben noch in Dachau kurz beim McDonald’s stehen und holen uns was zum Essen und Trinken. Dann weiter auf der A8 nach Salzburg. Walserberg, nochmal in die Tankstelle, eine Kleinigkeit zum Trinken holen, ein Eis vielleicht, und natürlich eine Vignette kaufen. Und dann geht die Phase los, wo wir ein bisschen österreichische Musik anmachen. Wir fahren entweder über Schladming oder über Oberösterreich. Und sind, wenn wir um 11:00 Uhr wegfahren um gut 15:30 Uhr daheim in Thal bei Graz bei meinen Eltern und setzen uns da erst einmal in den Garten und machen uns was zum Essen.

Andy: Gegessen wird viel, gell?

Gregerl: Gegessen wird viel.

Andy: Eins hast du schon erwähnt: Dass wir irgendwann mal Musik an machen. Österreichische Musik, um uns ein bisschen einzustimmen. Was machst du genau an?

Gregerl: Da gibt’s auf Spotify eine super Austropop-Playlist. Die höre ich öfter, wenn ich Heimweh habe oder wenn ich das Gefühl habe, ich würde jetzt gerne zuhause sein. Das ist dann entweder Austropop Klassiker oder normaler Austropop. Die Playlist ist ganz einfach zu finden, weil Albert Einstein die Zunge auf dem Foto bei Spotify rausstreckt. Es laufen die Klassiker von Fendrich, S.T.S, Danzer, Ambros, auch Wanda mittlerweile und Seiler und Speer.

Andy: Wird mitgesungen oder bist du still?

Gregerl: Zumindest wenn ich alleine bin, wird laut mit geschrien. Und wenn du dabei bist, wird mit gesummt.

Andy: Vielleicht würden wir gemeinsam laut mitschreien. Bei McDonalds: Ein-Euro-Cheeseburger oder komplettes Menü?

Gregerl: Big Mac-Menü, Pommes, Cola, Fish Mac, zwei Cheeseburger, 6 Chicken Nuggets und Currysoße. Das sollte für uns beide reichen. Ich lade dich ein.

Andy: Großartig. Und dann im Garten: Was gibt’s daheim zu Essen, wenn du nach Hause kommst? Was weiß die Mama schon, dass sie das auf den Tisch stellen muss?

Gregerl: Zu Hause gibt es einen Klassiker. Das gibt’s gefühlt, seit ich auf der Welt bin: Hähnchenbrust mit einer etwas schärferen Rama Cremefine-Paprika-Soße mit Lauch. Dazu Reis und einen Himbeersirup. Das war’s. Ganz einfach. Ganz leicht zum Nachkochen auch in Deutschland. Das kriegt man überall her.

Andy: Das machst du dir auch selber?

Gregerl: Ja, natürlich mache ich mir das selbst. Das war, glaub ich, das erste Essen, was ich mir jemals selbst gekocht habe. Hähnchenfleisch anbraten, ein bisschen gewürzt mit Paprikapulver, ein bisschen Chili dazu. Hähnchen raus, Rama Cremefine dazu mit dem Öl und mit dem Hähnchensaft vermengen und ein bisschen Paprika, Lauchzwiebeln rein und fertig ist das Ding.

Andy: Mega. Und ich denk mir so, irgendein schöner Strudel oder…?

Gregerl: NA! Meine Mama kann einen Kuchen sensationell. Den Rest kriegen wir von Nachbarn oder sonst woher. Aber einen Kuchen gibt’s. Das ist ein ganz leichter Joghurt – Becherkuchen mit ein paar Aprikosen dabei. Marillen sagen wir in Österreich. Das ist der einzige Kuchen, den es bei uns gibt. Oder ein Erdbeertiramisu. Aber das ist ein Rezept von Rani Khediras Mama.

Andy: Gut, dann sind wir angekommen, haben gegessen. Dann sitzen wir da und sind in sehr positiver Laune, weil es lief ja am Samstag super und der Trainer hat euch länger frei gegeben. Bleiben wir sitzen oder ziehen wir nochmal in die Grazer Innenstadt?

Gregerl: Gut, am Sonntag ist in der Grazer Innenstadt noch weniger los als in Augsburg. Wenn es ein Samstag wäre, dann ja, ziehen wir ein bisschen rein und treffen meine Jungs, gehen wieder was Schönes essen und bleiben dort auch sitzen und trinken ein bisschen was. Und dann geht’s entweder ab ins Univiertel oder man bleibt dort im Restaurant oder in der Bar sitzen.

Andy: Aber ganz geschmeidig.

Gregerl: Ja, ganz gemütlich. Das ist völlig unaufgeregt in Graz. Da gibt’s keinen Riesenclub. Es gibt ein paar Lokale, da kennt man sich und da geht man auch gerne rein.

Andy: Das ist jetzt – da musst du mir weiterhelfen – von der Größe her schon einen Ticken größer als Augsburg?

Gregerl: Alles sehr vergleichbar. Die Innenstädte sind sehr vergleichbar. In Graz ist die Uni sehr nahe an der Innenstadt. Vom Hauptplatz zu Fuß zu erreichen. Dort spielt sich eigentlich das meiste ab im Univiertel. Die ganzen Lokale und Bars sind da. In der Innenstadt kannst du aber auch gut essen gehen. Und es hat eine Hauptstraße, vergleichbar mit der Maxstraße. Die ist aber bei uns eine reine Fußgängerzone. Da gibt’s ein riesiges Shoppinghaus, so eine Art Galeria Kaufhof. Das ist der Kastner. Da gibt’s ganz oben eine super Dachterrasse, wo man wunderschöne Fotos machen kann mit dem Uhrturm, weil der Kastner direkt am Fuße des Schlossbergs steht, unserem Wahrzeichen. Und ja, es ist sehr vergleichbar.

Ausgelassenster Jubler im fragwürdigsten Kit – fast so schlimm wie der FCA in neongelb (Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

Andy: Das passt jetzt super, weil jetzt haben wir ja den Sonntag abgeschlossen. Jetzt haben wir den Montag beide frei. Und jetzt sagst du: „Andy ein paar Sachen muss ich dir jetzt noch zeigen, damit du hier die offizielle Tour bekommen hast.“

Gregerl: Ich zeige dir den Schlossberg. Auf jeden Fall hoch, entweder mit der Gondel – also mit der Schlossbergbahn – oder eben zu Fuß. Wobei zu Fuß hoch, wenn ich gespielt habe, eher nicht. Aber wenn du möchtest, können wir auch zu Fuß hoch gehen. Dann gehen wir an der Mur entlang, die Murinsel anschauen. Das Kunsthaus. Das reicht aber teilweise, wenn man das von außen sieht. Und die Altstadt zeige ich dir und die Spargasse. Und dann sind wir in Graz nach gut drei Stunden durch und gehen am Hauptplatz zum Würstelstand und essen ein Käsekrainer-Hotdog.

Andy: Das klingt ganz nach meinem Geschmack. Jetzt bin ich ja so ein bisschen ein Fußballnerd. Jetzt möchte ich eigentlich schon gerne mal den Platz sehen, wo du dich wirklich zuhause fühlst, beim Grazer AK.

Gregerl: Dann müssen wir wieder in Richtung meiner Eltern rausfahren und kommen dann zum 2004 damals größten Trainingsgelände Europas. Das war damals wirklich unfassbar. Es ist auch heute immer noch unfassbar riesig mit, glaub ich, 6 Rasenplätzen, einem Kunstrasenplatz, einem Sprinthügel und einem Basketballplatz. Aber eigentlich noch wichtiger: Ich zeig ich dir den Platz, an dem jetzt leider Wohnungen stehen, wo ich immer mit meinem besten Kumpel gekickt habe. Da haben wir wirklich Stunden verbracht – morgens bis abends – und haben Gas gegeben. In Graz waren in meiner Jugendzeit auch Trainingslagermannschaften zu Gast und haben Testspiele im neuen Stadion, das dann damals gebaut wurde, ausgetragen. Da hat zum Beispiel mal Schalke gegen die Nationalmannschaft aus Bahrain gespielt. Im Jahr 2008. Und da sind dann halt auch Bälle geklaut worden. Wenn da ein Ball drüber geflogen ist, dann war der halt weg.

Andy: Der ist ja nicht geklaut worden. Der ist einfach verloren gegangen.

Gregerl: Der ist verloren gegangen. Also ich weiß jetzt mittlerweile, wo unsere Bälle landen. Oder ich hoffe es zumindest, dass viele Kinder sich daran dann erfreuen.

Andy: Wenn man sich deine fußballerische Reise anguckt, dann bist du aber ja trotzdem dann von Graz weg gegangen. Du hast ja nicht beim Grazer AK den Sprung zu den Herren gemacht, sondern du bist mit dem Papa mit gegangen. Nach Kapfenberg, das mir überhaupt nichts sagte. Was ja aber gar nicht weit weg ist.

Gregerl: Das ist circa 60 Kilometer nördlich.

Andy: Genau. Und das ist ja auch immer noch alles Steiermark. Also bist du sehr lange in der Steiermark verhaftet geblieben.

Gregerl: Ja, ja. Also bis ich 18 war. Ich bin ja mit 14 vom GAK nur weg, weil die in Konkurs gegangen sind und die Akademie kurz davon war, sich aufzulösen. Und dann sind wir nach Kapfenberg. Sechs, sieben Spieler aus der steierischen Auswahl, die eigentlich zum GAK hätten gehen sollen. Wir haben eine super Mannschaft gehabt. Es sind aus den Jahrgängen einige Bundesligaspieler geworden. Der Prietl ist ja ein bisschen älter, aber der war da. Der spielt jetzt in Bielefeld. Dann gab’s Ylli Sallahi, der hat bei Bayern gespielt. Das einzige Spiel, das der gute Pep Guardiola damals verloren hat hier in Augsburg. Dann Albert Vallci, das ist einer meiner besten Freunde bis heute noch, der in Salzburg spielt. Bei Red Bull Salzburg. Und das war damals eine ganz unscheinbare Akademie. Aber wir haben damals slowenische und kroatische Jugendtrainer gehabt. Die haben uns ein technisches Spiel beigebracht, wie das damals Ajax Amsterdam gespielt hat. Ein Kontakt und mit 3 Stürmern und einem offensiven Mittelfeldspieler dazu. Und dann war das für mich damals so sicher die beste Ausbildung. Zusätzlich dazu natürlich, dass mein Papa (Anm.: Werner Gregoritsch) dort gearbeitet hat. Aber mit dem hatte ich eigentlich die ersten zwei Jahre kaum was zu tun. Außer wir haben zufällig gleichzeitig trainiert, dann habe ich ihn halt gesehen. Ich war im Internat wie alle anderen. Doch ich durfte relativ früh mit 2, 3 anderen oben mit trainieren. Und dann gab’s ja irgendwann den Tag, an dem sich meine Karriere komplett verändert hat.

Andy: Ja faszinierend. Der Internatsweg wurde in Österreich teilweise extrem früh eingeschlagen.

Gregerl: Ich musste ja die Schule wechseln. Ich konnte nicht in der 9. Schulklasse – bei uns ist es die Fünfte – sagen: „Okay, ich bleibe jetzt noch zwei Jahre in Graz und gehe dann erst in eine andere Schule.“ Ich musste zur 9. Klasse in eine andere Schule gehen. Ich hatte im ersten halben Jahr Heimweh deluxe. Ich bin jeden Mittwoch nach Hause gefahren und am Donnerstag in der Früh wieder hoch. Aber es war die mit Abstand beste Zeit, die ich hatte.

Andy: Ja, Endphase Schule. Wenn man da die richtige Gruppe hat, dann ist es eine super Phase.

Gregerl: Ja, Wahnsinn. Von 14 bis 18 waren dort gut 60 verrückte Jugendliche. Und ich habe sicher noch ungeschaut – also in Österreich sagt man ungeschaut – mit 10 regelmäßig Kontakt so alle zwei Wochen. Mit 20 zumindest alle drei Monate. Mit 50 Prozent von der Gruppe habe ich mit Sicherheit noch Kontakt. Die waren ja teilweise 4 Jahre älter und am Ende dann 3 Jahre jünger. Und das ist schön. Kürzlich haben wir gesagt, wir müssen jetzt mal ein Internatstreffen haben. Und mein Abitur jährt sich auch zum zehnten Mal, das heißt, da stehen demnächst einige Treffen an für mich.

Andy:  Eine Frage so zur kulturellen österreichischen Verhaftung. Skifahren?

Gregerl: Seitdem ich 14 bin, bin ich nicht mehr gefahren.

Andy: Das ist ja mal was außergewöhnliches. Darf man das in Österreich laut sagen?

Gregerl: Ja, dort wo ich herkomme – in Graz – sind nicht so viele Berge. Ich fahre eineinhalb Stunden bis zum nächsten Skigebiet. Aber das hab ich mit 14 abgeschlossen. Erstmal sind mir die alle um die Ohren gefahren, meine Jungs. Die sind ja dann, als ich eben ins Internat gegangen bin, weil sie aus der Obersteiermark kommen, quasi mit den Skiern in die Schule gefahren. Da hatte ich überhaupt keine Chance mehr mitzuhalten. Und es war mir zu gefährlich. Ich wollte mir nie vorwerfen lassen, ich falle ein halbes Jahr oder 3 Monate aus, weil ich beim Skifahren blöd gestürzt bin.

Andy: Und du hast dich nicht einfach nur auf die Hütte mitnehmen lassen, ne?

Gregerl: Nein, nein, nein. Da bin ich lieber nach London Boxing Day – Spiele anschauen gegangen.

Andy: Nach der Schule ging es dann weg aus der Steiermark. Nach Hoffenheim. Wie ging es dir da so? Wie bist du da angekommen?

Gregerl: Heidelberg war ein Kulturschock, als ich mir beim allerersten Mal, nachdem ich eine Wohnung hatte, raus gegangen bin und ein Schnitzel bestellt habe und die mir eine Jägersoße gebracht hat. Das war ein Kulturschock! Ich war ein Landei. Ich war einfach unerfahren,. Für mich gab’s bis ich 18 war nur Kürbiskernöl zum Salat. Ich wusste nicht, dass man zum Salat theoretisch auch ein Joghurtdressing essen kann. Das hat mich nicht interessiert. Und dann hab ich mit 18 das erste Mal alleine gelebt und bin auch wirklich teilweise richtig einsam gewesen.

Zusammen mit Takashi Usami einer der Neuen bei Hoffenheim damals (Photo by Thomas Niedermueller/Getty Images)

Andy: Ja, Anschluss finden und…

Gregerl: Das war brutal schwer. Da hab ich auch gelebt, wie es nicht mit Fußball zusammen passt. Bis 04:00 Uhr morgens mit den Leuten geskypt und geschrieben und PlayStation gespielt. Dann bis 08:00 Uhr geschlafen. In Hoffenheim im Trainingsgelände gefrühstückt und trainiert und Mittag gegessen und dann wieder heim und 5, 6 Stunden Mittagsschlaf gemacht. Und dann wieder bis 2, 3, 4 Uhr nachts wach gewesen. Ich war– vielleicht war’s auch gut – schlecht vorbereitet. Ich habe das einfach auf mich zukommen lassen. Ich bin nach Heidelberg und einfach naiv gewesen. Und dann habe ich irgendwie Glück gehabt. Die erste Wohnung, die ich gesehen habe, ist im Nachhinein eine Weltklasse–Wohnung gewesen. Direkt auf den Rhein geschaut und auf die alte Brücke in Heidelberg.  Es waren nur drei Minuten zu Fuß in die Fußgängerzone. Und 15, 20 Minuten zum Trainingsgelände nach Hoffenheim, wo ich dann die ganzen 20 Minuten Weg telefonieren konnte mit meinen Eltern oder sonst jemandem. Ich dachte auch, ich komm da raus und spiele hier mal das Spiel in der Bundesliga. Da war ich fest überzeugt davon, da gab’s für mich keine andere Möglichkeit. Und dann bin ich da hin und dann sind die mir um die Ohren gelaufen wie vom anderen Stern. Ich war schwerst überfordert. Im Nachhinein gesehen muss ich „Danke“ sagen an Markus Babbel und Andy Müller, den Sportdirektor damals, dass die mich überhaupt so lange bei den Profis trainieren haben lassen.

Andy: Und dann geht ja die Geschichte weiter. Dann bist du nach St. Pauli und von St. Pauli aus nach Bochum.

Gregerl: Genau. Bochum war dann so, dass ich gesagt habe „Gut, das ist jetzt fürs Erste einmal meine letzte Chance in Deutschland und wenn nicht, dann müsste ich eigentlich zurück nach Österreich gehen.“ Zu irgendeinem mittelmäßigen Club in Österreich. Weil die Guten hätten mich ja damals auch noch nicht direkt geholt. Doch dann hat es funktioniert. Peter Neururer war mit Christian Hochstätter zusammen in Bochum verantwortlich. Christian Hochstätter ist ja ein gebürtiger Augsburger. Die waren wie Ziehväter für mich. Christian Hochstätter hatte auch einen Sohn, der in meinem Alter war. Die haben mich auch so ein bisschen bei sich aufgenommen. Auch Peter Neururer hat mir richtig geholfen.

Andy: Oder hast du über deine Karriere entdeckt, wie Routinen vieles erleichtern?

Gregerl: Ja, ich glaube, man entwickelt sich einfach immer wieder weiter. So ist das halt und da muss man echt sagen, auch Profi sein muss man lernen. Mal behandeln lassen, mal länger da bleiben, dann nachmittags nochmal zum Training zu gehen, ohne dass Training ist. Das lernt man dann im Laufe der Zeit und ich hatte immer gute Hilfe.

Andy: Jetzt bist du ja quasi nach dieser ganzen Reise und mit Unterbrechung auf Schalke wieder in Augsburg zurück. Was ist in Augsburg so, dass du dich daheim fühlst und dass du mittlerweile sagst nach der ganzen Zeit, dass es jetzt erst einmal nicht weg geht und dass du die Chance nochmal suchst? Was löst das in Augsburg bei dir aus?

Gregerl: Also erst einmal muss man sagen, meine Freundin ist dabei eine Riesenunterstützung. Dazu habe ich in Augsburg alles. Also wenn jetzt ein neuer Spieler nach Augsburg kommt, dem könnte ich eine Stunde lang erzählen, was und wo er wie machen könnte. Jetzt hab ich einen kleinen Hund – einen Welpen –  und dadurch weiß ich sogar, welche Wälder schön sind und an welche Seen ich kann und wo man mit dem Fahrrad hin kommt. Zusätzlich weiß ich, wo kann man gut essen gehen kann. Ich kenne mich einfach aus. Ich habe jetzt schon ein paar Mal gesagt, Augsburg ist eine zweite Heimat geworden für mich. Ich kenne mich in Augsburg teilweise besser aus als in Graz. Einfach weil sich in Graz ja auch Dinge verändern, wenn man dann wieder hin fährt und ich fahre in Augsburg weniger mit Navi als in Graz.

Andy: Definitiv. Kann ich sehr gut nachvollziehen.

Gregerl: Wie schon gesagt, Augsburg und Graz sind ähnlich, das lässt mich heimisch fühlen. Und da haben wir noch nicht über Fußball geredet. Hier beim FCA begleiten mich ja auch viele Personen schon über Jahre. Also Dominik ist ja seit Beginn weg hier, Marlene, Salva, Martin Miller, ein Physio ebenfalls. Dazu viele Kollegen der Geschäftsstelle wie Evi. Das ist ein tolles Umfeld und sind Leute, mit dem man mal ein bisschen quatschen kann und auch mal fragt „Wie läuft es zuhause?“ und „Wie geht es daheim?“ oder „Wie läuft es da“. Das macht es ebenfalls wertvoll und sorgt dafür, dich heimisch zu fühlen.

Andy: Dir scheint es ja gut zu gehen und Du scheinst da deinen Platz gefunden zu haben und bist ja auch jemand, der dann zurück gibt mit deinem Spendenverein. Ich möchte da gerne mal drauf aufmerksam machen. Was hat dich dazu bewogen, das zu machen und da deine Zeit rein zu stecken?

Gregerl:Erst einmal war Andi Luthe ein Riesenvorbild mit „In safe hands“. Als damals „Common Goal“ startete begannen ja einige Spieler 1 Prozent ihres Jahresgehaltes zu spenden. Und ich wollte dann auch bei „Common Goal“ spenden. Doch dann sagt Andi „Du, pass mal auf, ich frag dich jetzt ganz blöd: Warum spendest du das nicht bei mir? Wäre doch cool, wenn wir da ein bisschen was zusammen kriegen.“ Dann hab ich gesagt: „Alles klar, finde ich super.“ 5 Tage später war Weihnachten, ich sitze mit meinem Bruder abends zusammen – ein, zwei Wein getrunken gehabt – und dann sagen wir: „Was könnten wir machen?“ Die Idee war immer, wir bringen ins Kinderkrankenhaus Spielzeuge und Bälle. Es ist aber nicht so einfach, dass du zum Sportgeschäft gehst und ein paar Bälle und Spielzeuge kaufst und fertig. Aber an dem Abend haben wir beschlossen selbst etwas für sozial benachteiligte Kinder in Graz auf die Beine zu stellen. Und dann haben wir das irgendwann ausgeweitet auf Kinder mit Down-Syndrom, weil in meinem Bekanntenkreis jemand ein Kind mit Down-Syndrom hat. Und der Vater des Kindes hatte erzählt, dass es zum Beispiel keinen Schwimmkurs für Kinder mit Down-Syndrom gibt. Die können das aber eigentlich nur unter sich lernen. Wir haben dann eine Woche Camp innerhalb von zwei Wochen organisiert, weil die Sommerferien ja dann schon vor der Tür standen. Und da waren wir auch wieder völlig naiv. Wir haben geglaubt, drei Betreuer reichen für 12 Kinder. Reicht halt nicht, sechs brauchst Du mindestens. Das hat sich jetzt auch weiterentwickelt. Ich war letztes Jahr da. Sonst geht es sich leider nie zeitlich aus, dass ich da sein kann. Es war einer der besten Tage, die ich in meinem Leben je hatte. So viel Liebe, die sie einem Menschen zurück geben, so bedingungslos. Da läuft man mit ihnen eine Runde und dann nehmen die dich bei der Hand und sagen „Komm, wir laufen noch eine“ oder man quatscht mit denen. Da haben wir uns jetzt weiterentwickelt und versuchen das auszuweiten, und gleichzeitig weiter familiär zu bleiben. Wir wollen das so machen, dass es allen Spaß macht. Wenn ich sehe, wie viele Leute sich da mittlerweile beteiligen, das ist schon was besonderes. Viele Spieler unterstützen uns mit ihren Trikots oder spenden auch selbst. Das ist schon eine Hausnummer. Ein großes Dankeschön an alle, die uns unterstützen.

Andy: Ja, das ist doch super und es ist, glaube ich, auf einer ganz anderen Ebene befriedigend zu sehen, dass man eine positive Auswirkung selbst schaffen kann. Wenn man Sachen anpackt und versucht, in die richtige Richtung zu lenken. Einerseits, wenn Leute spenden und unterstützen, dann ist das auch wichtig. Selbst sich einfach auch zu trauen, Projekte umzusetzen Jahr um Jahr konstant, nicht einfach aus einer Laune heraus, weil man denkt, das ist wichtig, halte ich für sehr beeindruckend und sehr toll!

Gregerl: Dankeschön! 

Ich glaube, dem Gregerl und mir wäre auf der Fahrt nach Graz nicht langweilig im Auto geworden und vielleicht kommt irgendwann die Gelegenheit. Insgesamt habe ich mich einfach irrsinnig gerne mit ihm unterhalten und jegliche Debatten über Körpersprache auf dem Platz hin oder her, muss man diesen Kerl einfach gerne haben. Er hat eine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, für seine Karriere hart gearbeitet und seine Lektionen gelernt. Dazu trägt er ein großes Herz am rechten Fleck. Wenn er morgen hier vor meiner Tür steht und mir zuruft: „Andy, steig ein.“ dann mache ich genau das.

Randnotizen:

  • Wer die Spotify Playlist gefunden hat und an so etwas gefallen findet, der sollte direkt auch bei Roy Bianco und die Abbrunzati Boys rein hören. Mitsingen garantiert.
  • Bei der passenden Gelegenheit einen Ball mitgehen zu lassen hat ja Tradition bei Augsburger Spielern. Ihr wisst, was ich meine.
  • Wer den Cliffhanger nicht aushält, welcher Tag Gregerls Karriere verändert hat, der findet dies und einiges mehr in diesem tollen Interview von Jochen Tittmar mit ihm bei Spox.
  • Wäre es zu viel verlangt gewesen, auf Herausgabe des Erdbeertiramisu-Rezepts von Rani Khediras Mama zu pochen?
  • Wenn wir schon dabei sind: Gregerls Top3 Lieferdienste und Restaurants würde ich auch nehmen.
  • Im Gegenzug sollte der FCA die Erlöse aus Gregerls Flock direkt seinem Spendenverein zukommen lassen. Ich würde mir sofort ein Heimtrikot kaufen. Und warum sollte sich nicht jeder Spieler eine Charity raussuchen, für die er die Saison über spielt? Das hätte mal Vorbildcharakter und gibt es so ähnlich in der NFL an einem Spieltag der Saison.

Da ist die Führung

Fußballerisch konnte das der FC Augsburg weder in Mainz noch in Bochum von sich behaupten. In dem Satz verbirgt sich aber noch etwas anderes. Das Thema Führung. Mannschaftsführung, Vereinsführung, Führung des Teams durch den Trainer. In diesen Punkten hat der FCA in der letzten Woche wertvolle Fortschritte gemacht, finde ich. Warum, versuche ich im Folgenden näher zu klären. Außerdem müssen wir uns natürlich auch mit dem kommenden Gegner, dem VfB Stuttgart, beschäftigen. Weil gegen ihn gilt es jetzt, den Anflug neu erlangter bzw. wiederentdeckter Führungskraft nicht gleich wieder entwischen zu lassen.

Tiefpunkt in Mainz

Über das Spiel des FCA am vergangenen Freitag in und gegen Mainz ist schon viel gesagt und geschrieben worden. In der Presse, in den sozialen Medien und auch wir von der Rosenau Gazette haben uns dazu geäußert. Andy verfasste z.B. einen Katastrophenbericht aus Mainz, Kicker und Augsburger Allgemeine schrieben von „Debakel“ und „Desaster“ und auch bei Facebook, Twitter und Co. regten sich die FCA-Fans – angesichts der blutleeren Spielweise der Mannschaft – völlig zu Recht auf. (Ob das so ausfällig und beleidigend hat passieren müssen, wie es teilweise eben passiert ist, sei einmal dahingestellt.)

Komplett am Boden – und später an der Decke – war unser Gikie, nachdem er in Mainz zum vierten Mal hinter sich greifen musste. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Natürlich hat sich auch der Club zu Wort gemeldet. Melden müssen. Weil auch er wusste, dass mit der neuerlichen klaren Niederlage gegen einen vermeintlich schlagbaren Gegner ein neuer Tiefpunkt erreicht war. (Von den ganzen Negativrekorden, die der FCA gerade einen nach dem anderen bricht, einmal ganz zu schweigen.) Gleich nach dem Spiel gab es die bis dahin explosivste Wutrede von Betonmischer Rafal Gikiewicz. Auch Trainer Markus Weinzierl fand die Mannschaftsleistung, eher nüchtern ausgedrückt, „nicht akzeptabel“. Nur die Führungsetage ließ mit einem Statement – eine gefühlte Ewigkeit! – auf sich warten. Wir alle wollten schließlich schnellstens wissen, ob es stimmt, dass die Luft für Sportdirektor Stefan Reuter wirklich dünner wird, was mit Weinzierl passiert oder wer womöglich schon in der Warteschlange steht.

Klartext in der Führungsetage

Am Dienstagabend war es dann soweit. In einem Interview ließ Vereinspräsident Klaus Hofmann verlauten, dass es keine Personaldiskussion gibt auf Führungsebene. Die sportlich Verantwortlichen, allen voran Reuter und Weinzierl, bleiben also (vorerst). Das wird diejenigen enttäuscht haben, die sich Armin Veh oder zumindest jemand anderen als neuen Sportdirektor gewünscht hatten. Hofmann machte aber auch klar, dass es nach Mainz mal (wieder) so richtig Krach gegeben hat:

„Wir haben in den vergangenen Tagen alles hinterfragt. Das fängt bei mir an. So eine Phase hilft auch, dass mal alle Dinge, die über einen längeren Zeitraum unausgesprochen waren, auf den Tisch kommen. Und zwar auf allen Ebenen und in alle Richtungen.“

Präsident Klaus Hofmann am 26.10.2021 in der Augsburger Allgemeinen

Hofmann ist jemand, an dem sich die Geister scheiden. Gerade in letzter Zeit rückte auch er immer wieder in den Fokus der Kritik. Zu impulsiv, zu despotisch und zugleich zu ahnungslos in Bezug auf Fußball sei er. Die von ihm beschriebene Aussprache, dass unter allen Beteiligten Klartext geredet wurde, und zwar über alles und jeden (ihn eingeschlossen!), halte ich aber für eine ausgesprochen gute und wichtige Sache. Schließlich macht es doch auch außerhalb des Fußballs eine gute Führung aus, wenn sie ihrem Personal die Möglichkeit gibt, auch unangenehme, schon länger schwelende Dinge anzusprechen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sich dabei auch selbst nicht auszunehmen. Das hat Hofmann getan und somit – zumindest nach außen hin – Führungsqualität bewiesen.

Nach Mainz hat sich Klaus Hofmann mit seinem Personal ausgesprochen. Wie es gute Chefs tun. (Foto: Stefan Puchner – Pool/Getty Images)

Klar ist natürlich auch, dass Hofmanns Führungskräfte genauestens „unter Beobachtung“ stehen. Seine Kooperationsbereitschaft und sein Rückhalt sind nicht bedingungslos. Das wissen die Betroffenen nur zu gut. Schauen wir mal, wie lange die Schonfrist ist, die ihnen eingeräumt wurde. Sprechen wir in ein bis zwei Wochen nochmal…

Weckruf vor Bochum

Den ersten Test hatte das Personal des FCA dann am Mittwoch in der 2. DFB-Pokal-Runde in Bochum zu bestehen. Zum Spiel selber mag ich wieder gar nicht so viel sagen. (Das hat Irina schon vortrefflich gemacht.) Zu einzelnen Eindrücken vor und während der Partie aber schon.

Einen ersten Schlüsselmoment hat aus meiner bzw. unserer Sicht die Pressekonferenz mit Markus Weinzierl und dem wiedergenesenen Alfred Finnbogason am Vortag hergegeben. Von Beginn an betonte der Trainer, dass nicht nur, aber vor allem die Führungsspieler in der Pflicht stehen, auf und neben dem Platz Verantwortung zu übernehmen. Er reagierte damit auf die Kritik von Kapitän Jeff Gouweleeuw nach dem Mainz-Spiel, es werde im Team manchmal zu wenig untereinander geredet. „Dann soll er reden!“, entfuhr es Weinzierl sichtlich gereizt. Auf die Frage nach der Stimmung im Team (eigentlich an Finnbo gerichtet), war es ihm später wichtig, noch Folgendes loszuwerden:

„Die Stimmung in der Mannschaft ist gut. Und unser Verhältnis ist auch gut. Und ich hab auch vollstes Vertrauen in die Führungsspieler. Aber nochmal, in solchen Phasen, wenn’s nicht läuft, dann müssen die auch die Verantwortung in der Mannschaft übernehmen und die gute Stimmung und die Trainingsleistung dann auf dem Platz auch rüberbringen. Ich erwart dann einfach auch, wenn wir Dinge nicht 100%ig gut machen, dass die Führungsspieler dann das Ganze auch in die Hand nehmen und da auch meine Verantwortung, ja, ich ihnen übergebe.“  

Markus Weinzierl auf der PK am 26.10.2021 auf FCA TV

Wendepunkt in Bochum?

Klarer als Weinzierl hier kann man eine Erwartung, einen Auftrag kaum formulieren. Die Führungsspieler – das sind neben Kapitän Gouweleeuw auch Finnbogason sowie die restlichen Spieler des fünfköpfigen Mannschaftsrats, Flo Niederlechner, Daniel Caligiuri und Rafal Gikiewicz. Sie sollen den Auftrag also vor allen anderen entgegennehmen. Dass er sogleich beherzigt und in die Tat umgesetzt wurde, hat man am Mittwochabend im Ruhrstadion vor allem beim Elfmeterschießen gesehen.

Die Riege der Führungsspieler hat sich zunächst einmal vergrößert. Michael Gregoritsch, der in dieser Saison die meiste Zeit auf der Bank verbracht hat, schwor das Team auf den kommenden Showdown ein. Dann trat Jeff, der Kapitän, zum ersten Elfmeter an. Es folgte Finnbo, der dem Augsburger Spiel schon mit seiner Einwechslung neuen Aufwind verliehen hatte. Als Drittes voran ging Tobias Strobl, wohl derjenige, dem die wenigsten zugetraut hätten, dass er (so sicher) verwandelt. Den vierten legte sich dann Gregerl bereit, Mister Motivator. Dass Arne Maier, der 22-jährige, am Ende vergab, ist bitter. Dass er aber antrat, um – wie die anderen – Verantwortung fürs Team zu übernehmen, spricht wiederum für ihn. (Eine Überlegung wäre es aber durchaus wert gewesen, die Reihenfolge der Schützen zu ändern, sodass am Anfang UND am Ende einer der geforderten Führungsspieler gestanden hätte…)

Hoffen und Bangen als Team. Das haben die Spieler des FCA in Bochum beim Elfmeterschießen (wieder) erfahren. (Quelle: Twitter @FC Augsburg)

Vielleicht ist das nur meine Sicht, aber ich finde, das Bochumer Elfmeterschießen war die ideale Plattform für die Spieler im Allgemeinen, um näher zusammenzuwachsen, und für die Führungsspieler im Besonderen, um ihre Aufgabe neu und verstärkt wahrzunehmen. Und vielleicht hat genau das nun einen entscheidenden, nachhaltigen Effekt – (auch) auf Ebene der Spieler.

Stuttgart auf die Pelle rücken

Und wie empfangen wir nach diesem Pokalaus, das es trotz allem ja immer noch ist, am Sonntag den VfB Stuttgart in der Liga? Wie der FCA hat es der VfB am Mittwoch nicht ins Achtelfinale des DFB-Pokals geschafft. Allerdings war es bei den Schwaben weit weniger knapp als bei uns. Sie haben daheim doch recht klar mit 0:2 gegen den 1. FC Köln verloren. Allerdings hatte das Spiel bei ihnen keine Überlänge. Physisch könnte das ein leichter Vorteil für die Elf von Trainer Pellegrino Matarazzo sein.  

Aktuell stehen die Stuttgarter mit vier Punkten Vorsprung vor dem FCA auf Tabellenplatz 13 (FCA: Platz 16, 6 Punkte). In den letzten beiden Spielen gegen Union Berlin und Borussia Mönchengladbach hat der VfB nur zwei Punkte mitnehmen können.

Prinzipiell haben die Fuggerstädter in ihrer Bilanz leicht die Nase vorn. Von bisher 16 Bundesligapartien haben sie 8 gewinnen können, während der VfB – bei einem Unentschieden – nur 7 Begegnungen für sich entscheiden konnte. Uns Augsburgern ist natürlich noch wärmstens das 6:0 vom 30. Spieltag der Saison 2018/19 in Erinnerung. Das bedeutete für den FCA nicht nur den höchsten Bundesligasieg seiner Vereinsgeschichte. Damit besiegelte er auch das Ende von Markus Weinzierls 7-monatigem Engagement als Stuttgarter Trainer.

Unvergessen: Das 6:0 des FCA am 20.04.2019 gegen den VfB Stuttgart. (Foto: xemx via Imago)

Für ihn, als heutiger Augsburger Übungsleiter, habe diese Zeit keine Bedeutung mehr, sagte Weinzierl auf der Pressekonferenz am Freitag. Vielmehr stimme ihn die Leistung aus der zweiten Hälfte in Bochum sehr positiv, um genau daran anzuknüpfen. Das Team hat „die Handbremse rausgenommen, auch im Kopf“. Der FCA will versuchen, in der Tabelle näher an den VfB „ranzurücken“. Auch der Mann an Stuttgarts Seitenlinie traut den Augsburgern einiges zu:

„Wir erwarten einen Gegner, der mit viel Energie auftreten wird. Nach einem 0:2-Rückstand am Mittwochabend im DFB-Pokal hat sich der FC Augsburg zwischenzeitlich auf ein Remis zurückgekämpft.“

Stuttgarts Trainer Matarazzo am 29.10.2021 auf VFB.de

Das Personal

Sicher nicht mit dabei am Sonntag um 15:30 Uhr in der WWK Arena ist für den FCA erneut Felix Uduokhai. Wie Weinzierl auf der PK erklärte, sei zu seinen muskulären Problemen nun noch eine Sehnenbeteiligung gekommen. Höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen werden nach Mittwoch auch die beiden Angeschlagenen Noah Sarenren Bazee (Außenbanddehnung im Knie) und Iago (Probleme an der Hand). Zumindest wieder im Kader stehen nach mehrwöchiger Verletzung bzw. Krankheit wohl Niklas Dorsch, Flo Niederlechner und Freddy Jensen. Wie genau deren Einsatzfähigkeit aussehen wird, ließ Markus Weinzierl aber noch offen. Mads Pedersen ist für Sonntag wohl wieder einsatzbereit. Dementsprechend könnte die Aufstellung folgendermaßen aussehen:

Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Oxford, Pedersen – Strobl, Maier – Hahn, Caligiuri, Vargas – Zeqiri 

Beim VfB Stuttgart ist aktuell die Offensive personell recht stark ausgedünnt. Z.B. fehlt Stürmer Sasa Kalajdzic verletzungsbedingt schon längere Zeit. Genauso wie Silas Katompa Mvumpa auf der rechten Außenbahn. Auch für Linksaußen Erik Thommy, beim FCA ausgebildet, fällt ein Wiedersehen mit seinem früheren Verein flach.  

Zum Abschluss

Mir ist mehr als bewusst, dass die aktuelle Lage beim FCA ernst ist. Sehr ernst. Und dass sein 350. Bundesligaspiel, das er gegen den VfB Stuttgart absolvieren darf, zum Schlüsselspiel werden könnte bzw. schon längst ist. Ich bin aber keine Freundin von Schwarzmalerei. Lieber will ich den Blick auch mal auf andere Dimensionen lenken, die vielleicht nicht gleich so ins Auge stechen wie die „harten“ (für uns natürlich wenig schmeichelhaften) Fakten wie Tore und Punkte. Das wollte ich mit der Perspektive auf die „Führung“ erreichen, bei der sich in der letzten Woche, so zumindest mein Eindruck, etwas zum Positiven verändert hat.

Denn oft ist es ja so, dass es erst das kleine Rädchen braucht, damit das große wieder läuft. Und vielleicht muss(te) so auch erst die Führungsfrage geklärt werden, damit es dann auch wieder zahlen- und faktenmäßig heißt: „Da ist die Füüühruuung!“ Am liebsten wäre mir das natürlich gleich am Sonntag.

Ligapunkt

Erst einmal dabei weitergekommen verliert der FCA zum dritten Mal im DFB-Pokal ein Elfmeterschießen, und lässt doch wieder positive Ansätze erkennen. In einem spannenden Pokalspiel zeigte die Mannschaft ab der zweiten Halbzeit nicht nur, dass sie gegen den Tabellennachbarn aus der Liga mindestens mithalten kann, sondern kämpferische und auch spielerische Fortschritte.

Auch ohne Betrachtung einzelner Aktionen und Akteure ist dies zunächst die wichtigste Erkenntnis vor dem nächsten Spieltag.

Spätestens nach dem zweiten Tor der Bochumer war es ein hin und her, in dem es auch aus Augsburger Sicht Möglichkeiten für eine Entscheidung in den ersten 120 Minuten gab.

Das Elfmeterschießen gleicht einer Lotterie, bei der die Erwartungshaltung beim Schützen liegt, und eben irgendwann ein Schuss nicht den Weg ins Tor findet. Und einige Schützen haben sich durch ihre sicheren Abschlüsse für vergleichbare Aufgaben empfohlen.

Nun gilt es diese wieder gewonnene Einstellung, und das Gefühl in jeder Situation wieder ins Spiel kommen zu können, in den nächsten Ligaauftritt mitzunehmen. Mit dieser Motivation und mehr Konstanz über die gesamte Spielzeit sollte die Mannschaft sich auch in der Meisterschaft wieder behaupten können.

Mit vier Punkten Vorsprung auf Augsburg steht der VfB, der im Pokal zuhause gegen Köln ausgeschieden ist, auf Platz 13.

Auch aus der Erfahrung des letzten Wiederaufstiegs, als zwei Spielzeiten später wieder die Rückstufung in die zweite Liga erfolgte, haben die Stuttgarter offiziell den Klassenerhalt als Ziel ausgerufen.

Die Mannschaft von Trainer Matarazzo trat aufgrund verschiedener Ausfälle bisher sehr unterschiedlich auf, und doch könnte es in dieser Spielzeit, zum gleichen Zeitpunkt hatte der VfB letztes Jahr einen Punkt mehr, auch wieder weiter gehen.

Die Stadien füllen sich langsam wieder, und das Thema Corona nähert sich in anderer Form dem Platz. Auch in der mittlerweile medial anders inszenierten Blase bestehen noch die Erinnerungen an lange zurückliegende Interviews mit manchen Spielern.

Nach dem Wechselfehler im Pokal folgten vier Siege und die Tabellenführung in der Liga. Im Anschluss dann ein Unentschieden und vier Niederlagen, dazu erst zwei Punkte in der Champions-League – das Engagement von Mark van Bommel beim VfL Wolfsburg ist beendet. Und Nachfolger beim übernächsten FCA-Gegner wird Florian Kohfeldt.

Der FC Bayern verliert im Pokal so hoch wie seit 23 Jahren nicht mehr, und doch ist nicht mit einem spannenderen Titelkampf in der Liga zu rechnen. Mit Freiburg und Union zwei Mannschaften eher überraschend unter den ersten fünf, ansonsten fast alles wie üblich.

Mit Bernd Nickel verstarb in der letzten Woche einer der prägenden Spieler, nicht nur der Eintracht, der 70er-Jahre. Auf Platz 29 der Spieler mit den meisten Bundesligaeinsätzen, hat Bernd Nickel 141 Tore geschossen, mehr als jeder andere Mittelfeldspieler. Der Meister des direkt verwandelten Eckstoßes bestach auch durch seine aus dem Stand verwandelten Elfmeter.

Die Bundesliga-Soap hat sich seit dieser Zeit immer weiter entwickelt, und schreibt immer neue Geschichten, die sich auch mehr vom eigentlichen Sport wegbewegt haben.

Für den FCA gilt es gegnerunabhängig sich von Spiel zu Spiel weiter zu entwickeln. Die einzelnen Spieler haben das Potential. Aufbauend aus den Erfahrungen vom Spiel am Mittwoch, mit weiter verringerter Fehlerquote, ist der erste Schritt das Spiel am Sonntag.

Und nach den letzten beiden Vergleichen eine neue Gelegenheit gegen den ehemaligen Lieblingsgegner im 350. Bundesligaspiel mit einem Erfolgserlebnis wieder den Anschluss zu finden. Gutes Spiel!

Nur der FCA!

Custom App
WhatsApp
WhatsApp
Custom App

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen