Gleich vorweg: #TeamMarktwert ist eine schwierige Geschichte für mich. Als überzeugter Augsburger, ist mir bewusst, dass die Idee der „Traditionsclubs“ dazu führen würde, dass der FC Augsburg bei gleichbleibender sportlicher Leistung einen geringeren Anteil aus den TV Erlösen zugeordnet bekommt (in 2015/16 waren wir bzgl. der Zuweisungen auf Platz 8 in der Bundesliga, vor allen Vereinen, die #TeamMarktwert begründet haben). Ganz objektiv werde ich das Thema daher nicht betrachten können. Allerdings besteht ein wesentlicher Teil meiner beruflichen Arbeit daraus, Markenwerte zur ermitteln und angemessene Preissysteme zu bestimmen. Wenn eine solche Diskussion wie die um #TeamMarktwert aufkommt, dann schaue ich mit zwei Brillen auf die Thematik. Es ist ein bisschen wie 3D. Ich werde euch im Folgenden versuchen zu beschreiben, was ich sehe. Mal schauen, wie weit wir kommen.
Was will #TeamMarktwert?
Im Moment werden die Fernsehgelder der Bundesligisten (80% des Gesamttopfs) nach zwei Schlüsseln aufgeteilt. Ungefähr 65% der Fernsehgelder werden gleichmäßig aufgeteilt und bilden einen einheitlichen Sockelbetrag. Die restlichen ca. 35% werden abhängig vom sportlichen Erfolg verteilt, wobei die letzten 5 Jahre zu Grunde gelegt werden und die Jahre abhängig von der vergangenen Zeit linear gewichtet werden (letztes Jahr 5x, fünftletztes Jahr 1x).
Zusätzlich zu diesen zwei Verteilungskriterien soll laut #TeamMarktwert in einer dritten Säule der „Marktwert“ der Clubs berücksichtigt werden. Genannt werden hierzu Kennzahlen wie Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media. Die Neuverteilung soll zusammen mit dem neuen Fernsehvertrag ab der Saison 2017/18 gelten. Ob die prozentualen Anteile der dritten Säule von der ersten oder zweiten Säule abgeschnitten werden sollen, wurde meiner Kenntnis nach nicht präzisiert.
Wie begründet sich der vorgebrachte Anspruch von #TeamMarktwert?
Die beteiligten Clubs argumentieren, dass ihre „Attraktivität“ (ihr sog. Marktwert) dazu führt, dass mehr Menschen Bundesliga im Fernsehen schauen. Ein möglichst großes Interesse am Produkt Bundesliga führt z.B. über Abonnentenzahlen oder Werbeerlöse zu einem höheren Wert der Fernsehrechte und damit zu einer größeren Zahlungsbereitschaft von Sky und eventueller Konkurrenz. Diesen Beitrag zum Wert der Bundesliga wollen sich die Clubs entlohnen lassen. Dieser Gedanke ist nicht nur von mir noch sehr gut nachvollziehbar.
Wie ist die Interessenslage der einzelnen Clubs. außerhalb #TeamMarktwert?
Ich habe auf Grund unterschiedlicher Reaktionen (nicht von offiziellen Vertretern, aber von Fans auf Twitter, etc.) 3 Gruppen neben #TeamMarktwert identifiziert. Die Einteilung ist etwas vereinfacht, also seid mir bitte nicht böse, wenn euer Club aus eurer Sicht in der falschen Gruppe gelandet ist (ich schaue hier v.a. nach Gladbach und Hannover, wo die Einteilung schwierig ist).
Vorneweg marschieren mit den Bayern, Dortmund, Schalke und Gladbach vier Clubs, bei denen man zuerst vermutet hätte, die Diskussion kann ihnen doch recht egal sein, denn ihre Anteile an den Fernsehtöpfen, werden sich durch eine breite Fanbasis und nachhaltigen sportlichen Erfolg wohl auch im neuen System nicht ändern. Allerdings sind diese Clubs darauf aus, die Fernsehgelder insgesamt zu maximieren. Der Gesamttopf wächst aus ihrer Sicht am meisten, wenn „attraktive“ Clubs wie der HSV oder Stuttgart, weiter in der Bundesliga spielen und Fans anlocken. Sie wollen so v.a. ihre Wettbewerbsfähigkeit in Europa sicherstellen bzw. verbessern.
In einer zweiten Gruppe tummeln sich Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim und Ingolstadt. Von Großkonzernen getragen und aufgebaut, steht immer im Zweifel, ob der Hauptzweck des Unternehmens der Sport ist (bei RBL gibt es keinen Zweifel, aber das nur am Rande). Sie würden im neuen Verteilungssystem einen geringeren Anteil an Fernsehgeldern erhalten, könnten dies aber evtl. durch erhöhte Zuschüsse der Konzerne im Hintergrund wieder ausgleichen.
In der letzten Gruppe sammeln sich die Clubs um Mainz, Augsburg, Darmstadt und Hannover. Es fehlt die traditionsreiche Bundesligahistorie der Clubs um #TeamMarktwert (Plätze 15,25, 33 und 41 im Vergleich zu den Plätzen 2,4,5,9,10 und 12 in der ewigen Tabelle der Bundesliga), die wohl zum sog. Marktwert der entsprechenden Teams erheblich beigetragen hat. Allerdings haben alle diese Vereine mit sportlichen Ergebnissen aufhorchen lassen, die über ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten lagen. Wenn die sportlichen Ergebnisse nun einen geringeren Anteil der Verteilung ausmachen bzw. der Sockelbetrag sinkt, so wird dies zu einem geringeren Anteil an Fernsehgeldern führen, der die Wettbewerbsposition im Vergleich zum Rest der Liga deutlich verschlechtert. Nachdem diese Vereine die sinkenden Einnahmen nicht durch Großunternehmen im Hintergrund ausgleichen können, besteht hier wohl die größte Gefahr, dass ein veränderter Verteilungsschlüssel im Sinne des #TeamMarktwert zu Einschnitten und damit schlechteren sportlichen Ergebnissen bzw. Abstieg führt.
Was sollte das Interesse der DFL sein und wie sollten die Fernsehgelder verteilt werden?
Die DFL sollte ihr eigenes Produkt nicht nur schützen, sondern dessen Wert langfristig maximieren. Dieses Produkt sind die ersten beiden Fußballligen, wobei der Hauptteil des Werts mit Sicherheit auf der ersten Bundesliga liegt. Nachdem diese Diskussion insgesamt kommerziell geprägt ist, habe ich kein Problem damit, für diese langfristige Wertmaximierung ein rein wirtschaftliches Vorgehen zu wählen. Die DFL muss ihren Gewinn maximieren. Ob die Traditionsclubs „gerecht“ entlohnt werden, sollte dabei nicht das Hauptziel sein. Wie das geht, kann man beim FC Bayern (erste Grafik im Link) gut sehen. Der Club spielt dauerhaft in der europäischen Spitze mit. Er ist das einzige deutsche Fußballunternehmen auf diesem Niveau. Dabei spielen Fernseheinnahmen eine wichtige Rolle (allerdings sowohl im In- als auch im Ausland, wo die DFL noch deutlich hinterherhinkt), denn sie machen insgesamt ca. 30% der Einnahmen der Clubs aus. Gewinn zu erwirtschaften ist dabei dauerhaft wichtig, da nur so weitere Investitionen in Stadien bzw. Spieler möglich werden, ohne von 50+1 abweichen zu müssen und auf Kapital von Investoren angewiesen zu sein. Die Vereine der Liga müssen daher jeder für sich wirtschaftlich sinnvoll handeln und versuchen, ihre Erträge zu maximieren.
Die DFL ist einer schwierigen Situation, denn sie hat nicht viele direkte Einflussmöglichkeiten, um die Vereine in diese Richtung zu lenken. Die Verteilung der Fernsehgelder ist wohl ihre effektivste Möglichkeit, um das Handeln der Clubs zu beeinflussen. Dabei ist der derzeitige Ansatz schon nicht vollkommen. Manche Standorte haben per se bessere Möglichkeiten, da der Wirtschaftsraum mehr Menschen und Unternehmen und daher mehr Sponsoren- bzw. Zuschauerpotential beheimatet. Die Vereine des #TeamMarktwert sind in solchen Gegenden zu Hause. Diese besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sollten schon jetzt bei kompetentem Management zu besseren sportlichen Ergebnissen führen. Diese Vereine sollten schon jetzt mehr Fernsehgelder kassieren als z.B. der FC Augsburg. Im genauen Gegensatz dazu hat z.B. der HSV (Gründungsmitglied #TeamMarktwert) dieses Jahr einen Rekordverlust von 16,9 Mio. EUR verkündet. Auch die anderen Vereine haben Probleme. Hertha hat in 9 Jahren gerade zweimal Gewinn erwirtschaftet. Als Verantwortlicher bei der DFL würde mich das stutzig machen.
Wer selbst ein Aktiendepot hat, denkt sehr genau darüber nach, welche Einzelwerte er kauft oder verkauft. Wenn es sich bei den Mitgliedern des #TeamMarktwert um Aktien handeln würde, so wären zumindest 4 von 6 in den letzten Jahren stetig gesunken. Köln und Hertha haben sich gerade wieder etwas erholt, aber wer will dieser Erholung dauerhaft trauen? Die Liga soll in genau diese Werte investieren, in dem Sie ihnen mehr Fernsehgelder zuweist? Ich würde es nicht machen. Wenn Werte sinken und ich keine Strategie sehe, wie die Entwicklung umgekehrt werden kann, verkaufe ich diese Werte. Stoße sie ab, um meine Verluste gering zu halten. Denn nur mit Gewinnen kann ich noch mehr investieren und meinen Wert ausbauen. Die schwammigen und undefinierten Merkmale (Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media) sind nicht dazu geeignet, Clubs in diesem Zusammenhang zu beurteilen. Diese Merkmale müssen sich im wirtschaftlichen Ergebnis niederschlagen, sonst sind sie „brotlose Kunst“.
Von mir gibt es kein „Weiter so“. Der jetzige Verteilungsschlüssel hat Fehler. Ein Sockelbetrag bietet keine Anreize und schafft es nicht, die Lücke zwischen unterschiedlich potenten Vereinsstandorten zu schließen. Sportlicher Erfolg hängt schon jetzt langfristig stark von den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Vereins ab. Der Vorschlag von #TeamMarktwert ist keine Lösung. Wenn profitable Vereine einen Verlust von 17 Mio. EUR in Kauf nehmen würden, so könnten Sie mit diesem Geld viele Sky-Abos oder Clicks in Social Media kaufen bzw. Fans zu Auswärtsspielen fahren. Durch die Umverteilung der Fernsehgelder würde das Produkt Bundesliga langfristig nicht besser. Falsche Anreize würden gesetzt. Der Fußball ist marktwirtschaftlichen Realitäten unterworfen, ob es einem gefällt oder nicht. Marktwert ensteht, wenn ich mit meiner Marke Gewinn erwirtschaften kann. Der HSV würde nicht einmal mit den nationalen Fernseheinnahmen des FC Bayern Gewinn erwirtschaften. Wenn wir über neue Verteilungsschlüssel nachdenken, dann doch über harte betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie die EBIT-Marge. Von Wirtschaftsprüfern geprüft und so leicht zu manipulieren, wie die Endtabelle der Bundesliga. Es geht nicht darum, das Produkt Bundesliga kurzfristig interessant zu halten sondern langfristig im Vergleich mit dem Wettbewerb zu verbessern. Ich traue das #TeamMarktwert nicht zu. Ich will das die Bundesliga ein lebendiges Produkt bleibt, das sich ändert und anpasst. #TeamMarktwert hat daran kein Interesse.