Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Es ist Sommer 2020 in Augsburg und der Aufsichtsrat der FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA wird weiter am Verein vorbei besetzt. Vorausgegangen war die Berufung von Jan-Ingwer Callsen-Bracker in den genau diesen Aufsichtsrat im Dezember. Meine Kritik hat auch nur bedingt mit der Person Callsen-Brackers zu tun, der sportlich lange ein Leistungsträger, ein Musterprofi und ein Vorbild war.
Aber in diesem Sommer ist es in Augsburg nicht mehr viel wert, wenn man Musterprofi, Leistungsträger oder gar Kapitän ist. Daniel Baier wurde gerade erst vom Hof gejagt. Anderen Spielern und darunter auch Andreas Luthe als Keeper, der den Klassenerhalt sicherte, wurde vom Verein wohl ein Abschied nahegelegt. Luthe entschied sich dann zu Union Berlin zu wechseln. Dafür gibt der FCA auch in Zeiten von Corona Geld aus. Mit Daniel Caliguiri kam ein neuer Topverdiener. Die Kaufoption von Felix Uduokhai war auch teuer. Zurückhaltung in Krisenzeiten ist in Augsburg nicht angesagt. Die Gründe für all diese Entwicklungen müssen die Verantwortlichem dem Aufsichtsrat der KGaA erklären. Fans findet man in diesem Gremium genau wie Frauen bisher keine.
Die Hintergründe
Die FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA (nachfolgend: „KGaA“) ist die Gesellschaft, in die der FC Augsburg 1907 e.V. (nachfolgend: „e.V.“) den Profibereich ausgegliedert hat. An der KGaA hält die Hofmann Investoren GmbH 99% der Anteile und der e.V. 1%. Die Stimmrechte liegen allerdings nur zu 49% bei der Hofmann Investoren GmbH und zu 51% beim e.V. Grund hierfür ist, dass die ominöse 50+1 Regel dafür sorgt, dass weiterhin die Mehrheit der Stimmrechte bei den Vereinsmitgliedern und nicht bei einem Investor liegen sollte. Entsprechend sollte eigentlich nach Maßgabe von 50+1 der Verein alle wesentlichen Entscheidungen bzgl. der KGaA treffen. In Augsburg ist das dennoch nicht so.
Ich habe an dieser Stelle schon früher über die Problematik in Bezug auf die Rolle der Person Klauf Hofmann geschrieben. Auf Wikipedia kann man gut nachlesen, welche Einzelpersonen an der Hofmann Investoren GmbH beteiligt sind und Google hilft dabei, etwas über die Lebensläufe und Hintergründe der einzelnen Personen herauszufinden. Ich will an dieser Stelle keine Einzelpersonen an den Pranger stellen, sondern mir geht es um die Struktur dem Grunde nach. Fakt ist: Von den Einzelinvestoren an der Hofmann Investoren GmbH finden sich fast alle im Aufsichtsrat der KGaA wieder. Hofmann selbst vertritt den e.V. als Präsident und in Personalunion als größter Anteilseigner die Hofmann Investoren GmbH. Einen Posten in der Geschäftsführung des FCA hat er zudem inne.
Die Funktion des Aufsichtsrats
Laut Wikipedia ist es Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung der KGaA zu überwachen (§ 111 AktG). Hierzu kann der Aufsichtsrat Geschäftsführungsmaßnahmen von seiner Zustimmung abhängig machen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Im Endeffekt ist der Aufsichtsrat der KGaA dazu da, die Geschäftsführung der KGaA zu kontrollieren und die Interessen des Vereins, der 51% der Stimmrechte hält, durchzusetzen.
Hierfür sind regelmäßige Sitzungen notwendig und es ist notwendig, dass der Aufsichtsrat über die wichtigsten Entscheidungen in der KGaA informiert wird bzw. diese freigibt. Um diese Funktion entsprechend der Statuten der Liga „50+1“-konform erfüllen zu können, müsste der Aufsichtsrat mit einem Anteil von 50+1 % mit Mitgliedern besetzt sein, die vom e.V. ausgewählt wurden und dessen Interessen vertreten. Dies ist in Augsburg nicht der Fall. Auch nach der Benennung von Jan-Ingwer Callsen-Bracker setzt sich der Aufsichtsrat mehrheitlich aus Mitgliedern zusammen, die in die Hofmann Investoren GmbH investiert haben und bzgl. Ihrer Interessen dort zugehörig sind. 50+1 wird dadurch auf Ebene des Aufsichtsrats der KGaA in Augsburg aktiv untergraben.
Unabhängig von der Person Callsen-Bracker
Callsen-Bracker ist ein Sympathieträger in Augsburg. Er hat sich immer für den Club auf und neben dem Rasen aufgeopfert und professionell verhalten. Ich war selbst in Mainz als er den Elfmeter zum ersten Bundesligasieg des FCA verwandelte. Callsen-Bracker sagte, dass er „auch (s)eine langjährige Erfahrung als Profi-Fußballer in das Gremium einbringen“ werde. Dies ist nicht verkehrt, bei all den Vertretern der Finanzindustrie im Gremium.
Dazu bringt er doch eine weitere Perspektive ein, heuerte Callsen-Bracker doch erst unlängst bei der DFB Akademie im Bereich Neuro-Athletik an. Callsen-Bracker denkt mit und kann sicher inhaltliche Impulse geben, gerade auch was das Nachswuchsleistungszentrum angeht, das aber eben auch in den Beritt des e.V. und nicht der KGaA fällt. Nicht umsonst unterstützt jedes Vereinsmitglied mit ihren Beiträgen den Nachwuchs.
Was weiterhin fehlt
Und so wird genau an dieser Stelle klar, was allen Führungsgremien des FCA weiterhin fehlt: Frauen. Beruflich lehne ich mittlerweile Einladungen zu Veranstaltungen ab, wenn dort nur Männer als Referenten auftreten. Callsen-Bracker sorgt zwar für Verjüngung in den Gremien des FCA, aber es bleibt insgesamt ein Altherrenclub mit 100% Männeranteil. Dem e.V. fehlen zudem mittlerweile sechs Vertreter im Aufsichtsrat der KGaA, die die Vereinsinteressen der „50+1“-Regel vertreten. Auf die Lizenz wird das auch für die nächste Saison keine Auswirkungen haben. Aber das mit der Lizenzierung nimmt die DFL ja nicht so ernst. Klaus Hofmann prangert das bei anderen Vereinen gerne an. Und trickst selbst beim FCA.
Insgesamt haben die Vereinsmitglieder lange zugeschaut. Wie lange schauen sie noch zu? Spieler werden gegangen, weil sie mündig sind und ihre Interessen vertreten. Klaus Hofmann hatte noch öffentlich Konsequenzen angedroht. „Augsburg hält zusammen“ und so. Die Mannschaftsstruktur passt allerdings bedingt durch die Transfers und Trainerentscheidungen der Führungsriege schon eine Weile nicht. Wann erkennt nun noch der Letzte, dass wir mindestens zwei verlorene Jahre in der Bundesliga hinter uns haben und es Zeit für Veränderungen ist. Eine erste wäre, im Rahmen der nächsten Mitgliederversammlung die Besetzung des Aufsichtsrats der KGaA auf die Tagesordnung zu heben und die eigenen Rechte endlich wahrzunehmen. Zeit wird’s!