Stabil genug?


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de.

Wenn man den Saisonstart des FC Augsburg betrachtet, dann kommen gemischte Gefühle auf. Einerseits hat der FCA sieben Punkte gesammelt und zumindest zweimal gewonnen. Das war in der letzten Saison schlechter. Auch im Pokal ist man weitergekommen. Dennoch ist die sportliche Situation unbefriedigend. Es hätten auf Grund der komischen Heimspiele gegen Bremen und Mainz auch mehr Punkte sein können. Auf der anderen Seite sind die bisherigen Auswärtsspiele gegen Heidenheim und Leipzig absolute Stimmungskiller. Zweimal 0:4 und viel zu wenig abgeliefert.

Eine Statistik haut aber über den Saisonstart hinweg gesehen ganz besonders rein: 15 Gegentore hat der FCA in den ersten 6 Bundesligapartien bisher kassiert. Das sind 2,5 Gegentore im Schnitt. Schlechter sind in dieser Kategorie bis dato nur Holstein Kiel und die TSG Hoffenheim. Wenn es nur darum ginge, dann wäre der FCA abstiegsreif. Nach einem stabilen Team sieht das in der Gesamtschau bisher nicht aus. Es gibt Anzeichen, die meiner Meinung nach allerdings auf eine nachhaltige Verbesserung hindeuten:

Nicht eingebrochen

Gegen Gladbach hat man zwar ein Gegentor kassiert. Tim Kleindienst ließ es sich nicht nehmen, eine Ecke einzuköpfen. Das verminderte den Vorsprung der Augsburger auf einen Treffer. Die Mannschaft fand aber in diesem Falle schnell wieder zu ihrem Spiel zurück und ließ kaum Unsicherheit aufkommen. So sollte es sein, wenn man ein Spiel an sich gut gespielt hatte bis zu diesem Zeitpunkt. Der FC Augsburg glänzte allerdings in den letzten Wochen auch dadurch, dass er Treffer gerne mal im Doppelpack kassierte. Gegen Mainz zu Hause oder gegen Leipzig auswärts. Aber nicht gegen Gladbach. Man ist einmal ausgerutscht, aber nicht gefallen. Ein Schritt nach vorne.

Stabilität auch in den Randphasen

Das Team hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Probleme in den ersten 15 Minuten beider Halbzeiten. Es hat schlicht gedauert, bis man als Team im Spiel war und Mannschaften wussten das auszunutzen. Gegen Gladbach begann man in der ersten Halbzeit bewusst zurückhaltend. Aber man fand dann eben auch den eigenen Rhythmus und konnte sich immer mehr die Oberhand erarbeiten. Auch nach der Halbzeit gelang den Gladbachern nicht direkt der Ausgleich. Es ist noch nicht alles Gold was glänzt, und Freiburg wird gerade mit Blick auf einen schnellen Start ins Spiel den FCA testen. Erstmal sieht es so aus, als ob Jess Thorups mentale Sensibilisierungen angeschlagen wären.

Der X-Faktor ist da

Wenn Jess Thorup über seine Spieler spricht, dann hebt er manchmal den ein oder anderen hervor, der den X-Faktor hat. Spieler mit X-Faktor erlauben es einem Club, geduldig sein und im Spiel mit dem Ball sich auf deren Qualität verlassen zu können. Ermedin Demirovic hat in der letzten Saison gezeigt, dass er den X-Faktor hat. Ruben Vargas kann ein Spieler sein, der solche Momente kreiert. Demirovic ist allerdings weg und Vargas momentan verletzt. Da kam die Frage auf, wer diese Momente nun liefern kann. Und wenn die erste Antwort ein Innenverteidiger ist (Schlottis Abschluss sei an dieser Stelle trotzdem besonders hervorgehoben), dann muss man sich um ein Team Sorgen machen.

Wenn Neuzugänge wie Chrislain Matsima immer mehr ankommen, dann wird das Augsburger Team eventuell noch besser (Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

In Augsburg haben sie aber im Sommer mehr als nur einen Spieler gefunden, der den X-Faktor auf den Rasen bringt. Frank Onyeka sorgt immer wieder für große Unruhe, wenn er aus dem Mittelfeld nach vorne stößt. Gegen Gladbach war dann auf einmal Alexis Claude-Maurice da, der eine gehörige Portion offensiver X-Faktor Ideen mit auf den Rasen brachte. Und man mag nicht vergessen, dass Samuel Essende recht mühelos in den ersten Wochen der Saison seine Wucht und Torgefährlichkeit unter Beweis gestellt hat.

Zusammenfinden

Diese vielen unterschiedlichen Charaktere müssen weiter zusammenfinden. Bei so manchem ist da noch deutlich Luft nach oben. Steve Mounié agierte bisher eher unglücklich. Auch Marius Wolf darf nun gerne mal 90+X Minuten voll überzeugen und in der Innenverteidigung kehrt keine Ruhe ein, weil sich Schlotti den Oberschenkel gezerrt hat. An dieser Stelle wird es aber weiter voran gehen, gerade vor dem Hintergrund zwischenzeitlicher Erfolgserlebnisse. Siege führen zu Vertrauen und stärken die Gemeinschaft, weil der Glaube an die gemeinsame Perspektive neue Luft erhält.

Nur die Ruhe

Wenn ich mir die Mannschaft des FCA anschaue, dann kommen mir regelmäßig Fragen. Warum wechselt der Trainer schon wieder das System? Wie kann man nur so leichte Tore kassieren? Auswärts so spielen? Und überhaupt, warum passt das nicht zu Beginn der Halbzeiten? Es läuft wahrlich noch nicht alles rund. Auf der anderen Seite hatte ich prognostiziert, dass es eine Übergangssaison für den FCA werden würde, alleine schon wegen des großen Kaderumbruchs. An die TOP10 mag ich da gar nicht denken. Dafür läuft es gar nicht so schlecht. Und es sind immer wieder positive Anzeichen zu erkennen, die weitere Hoffnung geben. Wichtig waren da vor allem die 3 Punkte gegen Gladbach, weil dadurch etwas Ruhe einkehrt. Fußball bleibt ein Ergebnissport und der FCA hat sich durch seine Ergebnisse erarbeitet, dass er seine Entwicklung weiter vorantreiben kann. Bei mir mittlerweile wieder mit mehr Hoffnung. Aber das nächste Auswärtsspiel kommt bestimmt. Oh…

Kurz vor der Ratlosigkeit

Wer FCA-Cheftrainer in diesen Tagen beobachtet, der wird erkennen, dass sich das ein oder andere wiederholt. Hatte man vor dem Spiel in Leipzig noch gehofft, dass die Leistung in Heidenheim ein einmaliger Ausrutscher war, so wurde man durch die erneute 0:4 Klatsche eines Besseren belehrt. Wenn man sich die Abwehr als einzelnen Mannschaftsteil nimmt, dann wurden Probleme nun über mehrere Wochen nicht gelöst.

Der FCA kassiert einfach zu viele Gegentore. Und immer wieder ist man zu Beginn des Spiels und nach der Halbzeitpause nicht voll da. War es Thorup nach seiner Ankunft noch gelungen, der Mannschaft wieder Selbstvertrauen einzuhauchen, so gelingt es seinem Team nun mehr nicht mal mehr Flanken ordentlich zu verteidigen. Oder konzentriert zu Beginn einer Spielperiode auf dem Platz zu stehen. Trübsal ist in Augsburg angekommen.

Einfache Fehler

Was dabei besonders auffällt: die Mannschaft scheitert nicht an komplexen Themen. Es sind die kleinen Dinge, die jeder Profi auf einem gewissen Niveau beherrscht, die momentan nicht abgerufen werden. Die zuvor genannten Flanken resultieren z.B. aus Einwurfsituationen, die schlecht verteidigt werden. Der FCA ist insgesamt im letzten Drittel zu passiv. Vom Thorupschen „Offensive Mindset“ ist ein Jahr nach seiner Ankunft nicht mehr viel zu sehen.

Als Ausrede lässt sich momentan noch verwenden, dass die Mannschaft sehr stark durcheinander gewürfelt wurde. 40 Transferbewegungen gab es auf dem Papier in diesem Sommer. Die halbe Stammelf wurde getauscht. Von den 5 Spielern in Abwehr und Tor sind 4 neu. Man kann also schon nachvollziehen, warum noch nicht alles perfekt läuft. Warum es trotzdem so viele einfache Fehler gibt, die leicht abstellbar sein sollten, verstehe ich persönlich nicht mehr. Wenn man die schlechte Schlussphase der letzten Saison noch zusätzlich mit beachtet, wird es Zeit den Kreislauf der negativen Ergebnisse langsam aber sicher mit einer kleinen Serie zu durchbrechen.

Konkurrenzkampf vs. Vertrauen

Dafür müssen Fehler aber auch Konsequenzen haben. Einerseits hat Jess Thorup in den letzten Wochen immer mal wieder darauf hingewiesen, dass er im Kader eine gewisse qualitative Breite zur Verfügung hat. Auf der anderen Seite hat er nun in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Gladbach betont, wie jeder seiner Spieler seine Rolle im Kader kennt und weiß, was von ihm erwartet wird. Über die Woche will er den Spielern das notwendige positive Gefühl und Vertrauen geben, so dass sie ihre Leistung abrufen können.

Einerseits bin ich kein Freund von erratischen Kaderreaktionen. Nur weil mal ein Fehler passiert, heißt das nicht, dass es ein Spieler grundsätzlich schlecht macht. Wenn nun aber eine personelle Konstellation, wie die in der Abwehr des FCA, über Wochen keine guten Leistungen abliefert und anscheinend nicht dazu führt, dass Spieler ihr Leistungsmaximum erreichen, muss sich etwas ändern. Es liegt dann am Trainer auch mal zu wechseln und nicht immer wieder die gleichen Spieler von Anfang an spielen zu lassen. Darauf warte ich bei Jess Thorup gerade. Oder seine Mannschaft straft uns alle, in dem sie nun endlich mal konstant ihre Leistung abruft.

Jeffrey Gouweleeuw fällt momentan – wie die gesamte Abwehr – mehr durch Schiedsrichterdiskussionen auf als durch gelungene Klärungen. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Systemfrage

Was bis dahin auch nicht verschwinden wird: die Systemfrage. Thorup wechselt bei den Grundformationen von 4er Kette auf 3er Kette und wieder zurück, Immer wieder stellt er um, ohne dass sich die Leistung dauerhaft verändert. In der Pressekonferenz wurde er nun diese Tage gefragt, wohin das führen soll und was sein langfristiger sportlicher Plan an dieser Stelle ist. Leider konnte er die Frage nicht so beantworten, dass ich verstanden hätte, wohin er langfristig will. Kurzfristig soll wohl die beste Elf spielen unabhängig vom System. Das kann ja im Umkehrschluss nur bedeuten, dass er entweder kein Wunschsystem hat, von dem er überzeugt ist, oder hierfür nicht die richtigen Spieler.

Alles in allem führt die Systemwechselei aus meiner Perspektive nur zu mehr Problemen. Ich hatte schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass bei diesen vielen Transferbewegungen zu viele taktische Variabilität jetzt am Anfang nicht sinnvoll ist.

Welche Impulse kommen?

Thorup hat weiterhin ein Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung, um der Mannschaft einen Schubs zu geben. Er könnte sich auf ein taktisches System festlegen, um schneller Automatismen zu schaffen und hierdurch vielleicht schneller Ergebnisse zu erzielen. Er könnt aber auch schlicht Spieler wechseln und anders einsetzen, so dass es besser klappt. Muss Jeffrey Gouweleeuw in der 3er Kette die mittlere Innenverteidiger-Position besetzen oder wäre Keven Schlotterbeck hierfür evtl. besser geeignet?

Es wird auf jeden Fall Zeit, dass der FCA aus der Passivität erwacht. Es muss ein Ende haben mit den schlechten Starts in die Halbzeiten. Das Team muss zeigen, dass es hellwach und bereit ist für die Aufgabe. Ansonsten wird der FCA nicht drum herum kommen – auch wenn Thorups Vertrag gerade erst verlängert wurde – die jährliche Trainerdebatte intern zu führen, ob die Impulse nicht von jemand anders kommen müssten. Das Geschäft ist an dieser Stelle sehr vorhersehbar. Im Gegensatz zum letzten Jahr bin ich in diesem Jahr noch nicht überzeugt, dass der Zeitpunkt schon gekommen ist. Enno Maaßen hatte 5 Punkte gesammelt bis zu seinem Abschied. Thorup hat momentan 4 Punkte auf dem Konto. Die weiteren Berechnungen dürft ihr selbst unternehmen.

Kaderanalyse Defensive: Wie sieht die finale Innenverteidigung aus?

Vor einem Jahr noch stand Jeffrey Gouweleeuw beim FC Augsburg auf dem Abstellgleis. Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter wollte damals eine neue Hierarchie schaffen, in der der Niederländer, bis dato sieben Jahre lang beim FCA, keine Rolle mehr spielte. Nach Auslaufen seines Vertrages 2024 sollte er den Verein verlassen. Das Kapitänsamt, das er 2020 von Daniel Baier übernommen hatte, legte Jeff dann von sich aus nieder.

Inzwischen hat sich Stefan Reuter aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Der damalige Trainer Enrico Maaßen steht mittlerweile in Diensten des FC St. Gallen. Und Jeffrey Gouweleeuw? Der stellte in der abgelaufenen Saison unter Jess Thorup mehr denn je unter Beweis, dass er in der Innenverteidigung immer noch eine wichtige Stütze ist. Dementsprechend wurde sein Vertrag dann doch noch verlängert. Auch die Kapitänsbinde vertraute ihm der Chefcoach kürzlich wieder an. Der „Abwehr-Jeff“ ist also back und damit als Nr. 1 gesetzt. In der Viererkette auf der rechten Innenverteidiger-Position, in der Dreierkette als zentraler Innenverteidiger. Aber wer kommt auf den Positionen neben ihm zum Zug?

Fester Partner gesucht

Auf der linken Innenverteidigerposition hatte sich Felix Uduokhai vor allem in der letzten Saison einen Stammplatz erarbeitet. Vor vier Jahren fest zum FCA gekommen, absolvierte der 26-Jährige 33 von 34 Partien, fast alle über die komplette Spielzeit. Nur in Köln fehlte er wegen einer Gelb-Rot-Sperre. Mit und gegen den Ball hatte er zu alter Stärke zurückgefunden. Allerdings hatte „Udo“ schon letztes Jahr einen Wechselwunsch hinterlegt, Gladbach und der SSC Neapel sollen interessiert am Ex-Wolfsburger gewesen sein. Diesen Wunsch bekräftigte er kürzlich nochmals. Einen fast sicher geglaubten Transfer zu Beşiktaş Istanbul sagte er aber in letzter Minute ab. Inzwischen soll die Frankfurter Eintracht Interesse angemeldet haben.

Noch trainiert Uduokhai in Augsburg. Trotzdem stehen bei entsprechenden Angeboten die Zeichen auf Abschied. Daher hat sich der FCA schon mit Keven Schlotterbeck vom SC Freiburg verstärkt. Der 27-Jährige, der letzte Saison an den VfL Bochum ausgeliehen war, wird derzeit als Nachfolger von Udo aufgebaut bzw. – bei dessen Verbleib – als direkter Konkurrent. Im Testspiel gegen Leicester City blitzte z.B. schon „Schlottis“ Kopfballstärke auf. Per Kopf erzielte er den 1:0-Siegteffer. Bekannt ist er zudem für seine Zweikampfstärke. Mit 63% gewonnenen Zweikämpfen in der letzten Saison liegt er sogar noch vor Udo (61%) und Jeff (56%). Auch beim Spielaufbau ist der große Bruder von Nico Schlotterbeck eine Hilfe für defensive Mittelfeld. Trotzdem muss er sich wohl zunächst mit der Nr. 3 in der Innenverteidigung begnügen, sollte Udo wider Erwarten doch noch eine weitere Saison beim FCA verbringen. Sollte Udo gehen, ist er die Nr. 2.

Für Felix Uduokhai könnten die letzten Tage in Augsburg angebrochen sein. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Ringen um die Ersatzplätze

Beim FCA war man sehr stolz, als man letztes Jahr schon recht früh Patric Pfeiffer vom Aufsteiger SV Darmstadt 98 verpflichten und sich dabei gegen durchaus namhafte Konkurrenz durchsetzen konnte. Nach den ersten Spieltagen machte sich allerdings Ernüchterung breit. Der gebürtige Hamburger tat sich in der Bundesliga noch schwer, ihm unterliefen einige Fehler beim Passspiel und bei der Ballannahme. Nur viermal stand der 1,96 m-Mann in der Startelf, nur zweimal spielte er über die vollen 90 Minuten. Und das auch nur, weil Gouweleeuw zu Beginn der Saison wegen einer OP fehlte und Pfeiffer ihn zusammen mit Maxi Bauer in der Dreierkette ersetzen musste. Das war dem 24-Jährigen zu wenig, jüngst ließ auch er Wechselabsichten verlauten und eine Leihe für ein Jahr steht wohl kurz bevor.

Das ist nachvollziehbar, denn Maximilian Bauer scheint als Backup auf der rechten Innenverteidiger-Position in der Rangfolge noch vor Pfeiffer zu liegen. Zumindest durfte immer der 24-Jährige, der bereits ein Jahr eher aus Fürth nach Augsburg gekommen war, starten, wenn sich Jess Thorup für die (von vielen Fans inklusive mir ziemlich ungeliebte) Dreierkette entschieden hatte. Zudem machte Bauer gleich in seiner ersten Saison beim FCA mit starken Leistungen (Kicker-Note: 3,89) von sich reden. Eigentlich als klassischer Ersatzmann geholt, wurde der gebürtige Vilshofener ab August 2022 zwangsläufig zur Stammkraft, weil er für den wochenlang verletzten Uduokhai (Kicker-Note: 3,76) einspringen musste. An diese Leistung kam er bis dato nicht mehr heran, steht unter Thorup aber dennoch vor Pfeiffer.

Rückkehrer vs. Youngster

Auch Reece Oxford fiel in besagtem Sommer 2022 wegen einer Knie-OP in der Verteidigung aus. Im Fußball soweit nichts Ungewöhnliches. Das sollte aber nur der Anfang einer Leidensgeschichte sein, die bis heute andauert.

In der Saison 2021/22 hatte sich der damals 22-Jährige an der Seite von Gouweleeuw zum heimlichen Augsburger Shootingstar aufgeschwungen. Die Rosenau Gazette widmete ihm damals eine kleine Lobeshymne. Doch dann wurde „Ox“ vom Pech verfolgt: Erst obige OP, dann muskuläre Probleme, danach eine Corona-Infektion und als Folge schließlich Long Covid. Das machte eine langwierige Reha in London notwendig. Lange wusste man nicht, ob und wann der Engländer wieder nach Augsburg zurückkehren kann. Zum diesjährigen Trainingsstart sagte Jess Thorup im Augsburg Journal:

„Wir sind in engem Kontakt mit ihm. Er war bereits für Tests in München, ist jetzt wieder zurück in London. Ich hoffe, er kommt bald wieder zurück zu uns. Entweder vor oder nach dem Trainingslager, das hängt von den Testergebnissen ab.“

Vor Kurzem postete der heute 25-Jährige jetzt eine Instagram-Story, die ihn im FCA-Trainingsshirt auf dem Rad im Augsburger Fitnessraum zeigte. Reece ist also zurück! Offen ist zwar noch, ob und wann er wieder eine echte Alternative auf der linken Abwehrseite sein kann. Aber schon der eine oder andere Kurzeinsatz wäre ein riesiger Erfolg! Welcome back, Ox!       

Ein paar Kurzeinsätze sind auch dem 17-jährigen Noahkai Banks zu wünschen. Im Juli bekam der Deutsch-Amerikaner seinen ersten Profivertrag vorgelegt. Er spielt seit der U10 für den FCA und gilt auf der rechten Abwehrseite, ggf. auch als Außenverteidiger, als großes Talent. Über diesen Status wird er in der kommenden Saison aber nicht hinauskommen. Wahrscheinlicher sind Einsätze in der zweiten Mannschaft.

Konstanz in der Außenverteidigung?

Im Grunde seit dem Weggang von Paul Verhaegh vor sieben Jahren gilt die rechte Außenverteidigung als Problemkind beim FCA. Weder Raphael „Frami“ Framberger noch Stephan Lichtsteiner konnten die Position dauerhaft ausfüllen. Auch Robert Gumny, 2020 vom polnischen Club Lech Posen geholt, hatte bis zu seinem Kreuzbandriss im Frühjahr oftmals so seine Probleme. Kevin Mbabu hatte seinen Job letzte Saison gerade in der Vorwärtsbewegung sehr ordentlich gemacht und sich auch sofort gut mit seinen Teamkollegen verstanden. Jedoch hatte sein Club, der FC Fulham, keine Kaufoption vorgesehen und so ging der Schweizer Nationalspieler nach einjähriger Leihe zurück nach England.

Marius Wolf ist jemand, der sich immer voll reinhängt. Ab jetzt beim FCA. (Foto: Michael Regan/Getty Images)

Auch wenn trotzdem Gespräche über eine mögliche Mbabu-Ablöse geführt wurden, arbeitete der FCA parallel an einem anderem Transfer: an dem von Marius Wolf, der inzwischen auch vollzogen wurde. Der 29-Jährige kommt nach Leihen zum FC Köln und zur Hertha ablösefrei von Borussia Dortmund, hatte aber 2017/18 in Frankfurt seinen Durchbruch. Dort bestach er auf der Außenbahn vor allem mit seiner Schnelligkeit, seinem Umschaltspiel und seinen guten Hereingaben. Seine Stärken liegen also, wie schon bei Mbabu, im Offensivspiel, das der gebürtige Coburger beim FCA auf der rechten Seite beleben soll. Auf dem Platz dürfte Wolf, ganz nach seinem Hashtag #UNLEASHTHEWOLF, immer alles in die Waageschale werfen. Am Familientag saß er aber noch auf der Tribüne.

Mehrere Alternativen

Hinter Wolf ist aktuell Mads Pedersen einsatzbereit. Eigentlich ist der quirlige Däne, der seit fünf Jahren beim FCA spielt, mehr auf der linken (defensiven) Außenbahn zu Hause. Wenn Not am Mann ist (und das ist/war gerade der Fall), kann „Mini“ aber auch auf Rechts. Enno Maaßen war es, der den Linksfuß dort erstmals ausprobierte. Pedersen ist einer, der sich voll und ganz mit dem FCA und seinen Fans identifiziert. Nicht umsonst wurde er kürzlich auch wieder in den Mannschaftsrat berufen. Auch wenn er manchmal ein wenig übermotiviert über den Platz fegt (ein Beispiel ist sein grobes Foul letzte Saison in Mainz, für das er glatt Rot sah), so kann er als wieselflinker Backup rechts oder links durchaus frischen Wind auf die Außenbahn bringen.

Stärker defensiv veranlagt ist dagegen Robert Gumny. Der Pole hat sich noch nicht wieder ganz von seinem Kreuzbandriss erholt, den er im März im Training erlitten hatte. Inzwischen ist er aber nach Augsburg zurückgekehrt und trainiert schon wieder individuell. Je nachdem, wie schnell „RoGu“ sein Comeback feiern kann, wollen die Verantwortlichen nach Informationen der Rosenau Gazette kurz vor Ende der Transferperiode auf der RAV-Position nochmal tätig werden. Ob Gumny (oder der potentielle Neuzugang) dann Stellvertretung oder Konkurrenz sein werden, wird abhängig von der Leistung sein, die Wolf als designierte Nr. 1 in den nächsten Wochen zeigt.

Leicester City, den Testspielgegner, kennt Dimitrios Giannoulis noch aus der Liga (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Ziel: Einsatzminuten vs. Stammplatz

Ähnlich wie bei Banks reicht es bei Henri Koudossou noch nicht dauerhaft für die erste Mannschaft. Der 24-Jährige, der 2022 beim FCA seinen ersten Profivertrag unterschrieb und für Spielpraxis die letzten beiden Jahre nach Österreich (Lustenau: damals 1. Liga) und Holland (Den Haag: 2. Liga) ausgeliehen war, ist auf der rechten wie linken Seite flexibel einsetzbar. Der FCA dürfte seinen 2025 auslaufenden Vertrag daher am ehesten verlängern, um ihn erneut verleihen oder mit Spielminuten weiter an die FCA-Profis heranführen zu können. Für Arne Engels oder Maxi Bauer, vereinzelt schon als RAV eingesetzt, sollte das die Ausnahme (!) bleiben.   

Was die Besetzung der linken Abwehrseite angeht, bestehen weniger Wenns und Abers. Denn mit dem Transfer von Dimitrios Giannoulis aus der englischen Championship wurde letztlich der Abgang von Iago nach Brasilien kompensiert. Der 28-jährige Grieche, der für sein Land auch in der Nationalmannschaft aufläuft, hat ein ähnliches Profil wie sein Vorgänger. Er spielt mit viel Offensivdrang, um nach Ballgewinn seine Mitspieler mit Pässen und Hereingaben zu versorgen. Gerade in der ersten Saisonhälfte war Giannoulis bei Norwich gesetzt. Damit sollte er auch in Augsburg vor Pedersen einen Stammplatz sicher haben.

Alles in allem ist die Besetzung der Außenverteidigung schon weiter vorangeschritten als die Innenverteidigung. Sollte Wolf rechts einschlagen und Gumny zum Saisonstart fit werden, ist dort keine Veränderung mehr geplant. Auf der LAV-Position ohnehin nicht. Wie die Innenverteidigung künftig aussieht, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Die große Frage ist, ob Udo geht oder nicht und inwiefern man dann noch nachlegen kann oder muss.

Nicht wegverteidigt


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Ja, der Blick auf die Tabelle macht Spaß nach dem Spiel gegen Bremen. 8 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz sind ein Wort. Schon wieder zu Hause gewonnen. Wer hätte gedacht, dass unser FCA nochmal zu einer Macht zu Hause wird. Der Anschluss nach oben wurde zudem gewahrt. Köln ist punktgleich und die Abstände nach oben grundsätzlich klein. Man könnte sich aus Augsburger Perspektive schon fast gemütlich zurücklehnen, gerade weil mit den Bayern in dieser Woche ein Gegner wartet, der nicht viele Erwartungen zulässt.

Abwehrprobleme

Bei der Fehleranalyse nun nach dem Spiel gegen Bremen gibt es dennoch einiges zu besprechen. Zu groß waren die Lücken im Spiel gegen den Ball, die man auch den Bremern wieder gewährte und auf Grund derer der SV Werder ein deutliches Chancenplus im Spiel gegen den FCA hatte. Einerseits passt der Einsatz auf Seiten der Augsburger, andererseits waren – wieder einmal – viele einfache Fehler dabei, die das Resultat etwas schmeichelhaft aussehen lassen. „Glücklich“ ist der Begriff, den Enno Maaßen in der Pressekonferenz nach dem Spiel verwendete.

Ein großer Unterschied zwischen Bremen und vorhergegangenen Gegnern wie Hertha, Mainz oder Freiburg: die Chancenverwertung. Dazu hatten diesmal wir Augsburger das nötige Quäntchen Glück im Abschluss. Und selbst wenn man sich die großen Böcke wie beim Gegentor und auch den Fehlpass von Renato Veiga kurz wegdenkt, hatten die Bremer viele Räume in und um den 16er gefunden und kamen immer wieder gefährlich vors Augsburger Tor.

Wegverteidigen

Das Thema ist damit klar: es fehlt nun schon eine Weile an der defensiven Stabilität. Obwohl der Fokus klar auf diesem Thema liegen müsste nach den Niederlagen gegen Mainz und Hertha. Enno Maaßen meinte noch auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bremen, dass man gegen Hertha die Situationen nicht sauber wegverteidigt bekommen hätte. Er kann nun feststellen: gegen Bremen auch nicht.

Hier mal konsequent zwischen Gegenspieler und Ball. Das war am Samstag leider nicht immer so. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

„Wir haben den Gegner eingeladen.“ konstatiere Enno Maaßen nach dem Spiel auf der Pressekonferenz. Dort wurde zudem vom Cheftrainer angeführt, wie auch durch Personalausfälle das Mannschaftsgefüge sich immer wieder finden muss. Dies scheint in diesem Zusammenhang ein etwas hilfloser Erklärungsversuch, denn die Schwachstellen bleiben personalunabhängig. Gegen Mainz hatte Felix Uduokhai hilflos an den Gegentoren mitgewirkt. Robert Gumny ist in seiner Zweikampfführung ein steter Wackelkandidat. Als Fan fragt man sich schon, wo hier die Ursachen liegen.

Viel Arbeit im Training

Der erste Schritt wird sein, dass Enno Maaßen in seinem auf wiederkehrenden Routinen basierenden Training ein paar Änderungen vornehmen sollte. Der Fokus in der Trainingsarbeit muss anscheinend noch mehr auf defensive Stabilität gelegt werden. Ansonsten ist man gegen fast jedes Team in der Liga darauf angewiesen, dass der Gegner offensiv selbst nicht viel auf die Kette bringt. Es geht einfach nicht an, dass man sich in jeder Woche auf die mangelnde Chancenverwertung des Gegners verlassen muss. Und es wird weiterhin oft schief gehen.

Dazu fängt die Abwehrarbeit auch nicht erst in der letzten Reihe an. Gerade die Mittelfeldspieler davor, „klicken“ noch nicht ganz so, wie man sich das wünschen würde. Da liegt auch im geschlossenen, mannschaftlichen Verhalten gegen Ball noch in einigen Situationen im Zusammenspiel zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen der Hund begraben.

Personalentscheidungen

Andererseits verstehe ich die ein oder andere Personalentscheidung nicht. Bei Niklas Dorsch mag man argumentieren, dass er genau diese Einsätze braucht, um auf Normalform zu kommen. Andererseits braucht es Dorsch als spielerisches Element seit der Entdeckung von Arne Engels nicht mehr in der gewohnten Form und – ich hätte selbst nicht gedacht, dass dies noch einmal der Fall sein könnte – Julian Baumgartlingers Routine war am Samstag erfrischend. Wieviel Zeit will man Dorschi hier geben?

Maxi Bauer als Fels in der Brandung. Man fragt sich ein bisschen, warum Enno Maaßen auf ihn bewusst verzichtet. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

In der Innenverteidigung bin ich etwas überfragt, was Maxi Bauer verbrochen hat, um sich hinter Renato Veiga einreihen zu müssen. Das Duo Gouweleeuw und Bauer war in der Hinrunde ein starkes. Dazu kommt, dass Bauer der geborene Wegverteidiger ist. Ein Upgrade auf der Rechtsverteidigerposition ist ja nun erst wieder im Sommer möglich. Aber gerade in der Innenverteidigung hat es eine offensichtliche Alternative, die ich – gerade gegen die Bayern – präferieren würde.

Der Kopf bleibt oben

Insgesamt bleibt allerdings das Positive. Enno Maaßen hatte es erwähnt, dass man es in dieser Saison schon auch in einigen Spielen verdient gehabt hätte, mehr mitzunehmen. Diesmal eben nicht. Der 3er lässt einen grinsen zu Wochenbeginn. In dieser Ausgangsposition kann man in Ruhe weiterarbeiten und hoffentlich den ein oder anderen Schritt nach vorne machen. Wenn wir in der Defensive Situationen besser geklärt bekommen, dann wird das mit dem Klassenerhalt in dieser Saison eine einfache Geschichte. Gerade auch mit der Ausgangsbasis nun. Egal, ob sie im Falle des letzten Sieges glücklich ist.

Datenbrille: Dani, du fehlst

Eigentlich war Teil 3 unserer kleinen Daten-Serie in Zusammenarbeit mit Createfootball schon früher geplant. Aber dann ging es nach dem bitteren 2:3 gegen Köln (31. Spieltag) beim FCA plötzlich hoch her: Trainerwechsel, verlorenes Schlüsselspiel in Stuttgart (32. Spieltag; 2:1) und damit mitten reingeschlittert in den Abstiegskampf, der am Samstag zu Hause gegen den ebenfalls abstiegsgefährdeten SV Werder Bremen (33. Spieltag; 2:0) in einem nervenaufreibenden Fight endgültig vom Tisch war. Da hieß es auch für die Rosenau Gazette: Business as usual is erstmal nich. Der Verein gibt manchmal einfach die Themen vor.

Trotz alledem kann ein kleiner datenbasierter Kadercheck auch jetzt noch zeigen, an welchen Stellen im Mannschaftsgefüge es in dieser so merkwürdigen Saison mehr oder weniger gelaufen ist. Und auch ein wenig erklären helfen, warum der FC Augsburg sich gerade in den letzten, prä-weinzierlschen Spielen so unglaublich schwer getan hat. Eine Frage, die uns dabei auch umgetrieben hat, ist, ob Carlos Gruezo und Tobias Strobl im Mittelfeld den Weggang unseres Capitanos Daniel Baier kompensieren konnten. Was sagen die Daten dazu?

Teil 3 von 3, unser „Daten-Finale“, jetzt also nach dem großen (gottseidank geglückten!) FCA-Saison-Finale.

Offensive: ausbleibende Torgefahr

Dauerbaustelle war in dieser Saison sicherlich die Offensive. Wer die Spiele unserer Jungs in den letzten Monaten verfolgt hat, für den oder die ist das nichts sonderlich Neues. Aber einige Mannschaftsdaten belegen die Probleme im Offensivspiel und die dadurch ausbleibende Torgefahr nochmal ganz eindrücklich.

Der FCA erzielte bisher* die viertwenigsten Tor pro Spiel. Nur die (immer noch) abstiegsgefährdeten Köln und Bielefeld sowie Schalke, seit dem 30. Spieltag erster feststehender Absteiger, schnitten noch schlechter ab. Zudem kamen pro 90 Minuten nur 2.78 Schüsse aufs Tor. Zum Vergleich: In der Saison 19/20, die bis auf die letzten neun Spieltage unter Trainer Martin Schmidt absolviert wurde, waren es noch 3.69. In der Saison 18/19, in der Manuel Baum bis auf die letzten sechs Spiele auf der Trainerbank gesessen hatte, sogar 4.38 Torschüsse.

Personifizierte Torflaute: Flo Niederlechner

Diese Tor- und Torschussflaute verkörperte Flo Niederlechner wie keine andere Offensivkraft in dieser Saison. Bei 24 Einsätzen kam er auf magere 3 Tore. Seine Chancenverwertung ist im Vergleich zur letzten Saison drastisch abgefallen (von 30% auf 17%).

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass er unter Herrlich nicht so oft die Chance bekommen hat, sich zu beweisen. Unter Vorgänger Schmidt stand der Mittelstürmer in allen Spielen (25) in der Startelf und durfte fast immer die vollen 90 Minuten durchspielen. Unter Herrlich (40 Spiele) durfte Niederlechner dagegen nur 24-mal von Beginn ran, wurde oft aus- oder erst eingewechselt (18- bzw. 9-mal) und stand 3-mal – ohne Verletzungsgrund – gar nicht im Kader. Im Rückblick sagte er dazu: „Das war keine leichte Zeit für mich in den letzten Wochen, ich hab‘s auch nullkommanull verstanden“.

Dani Baier hat sich beim FCA vor allem durch seine vorwärts gerichteten Pässe fast unersetzlich gemacht. Flo Niederlechner durch seine Buden. (Foto via Imago)

Defensive: innen hui, außen pfui

Die Abwehr zählte in dieser Spielzeit zu den stabileren Mannschaftsteilen. Vor allem die Innenverteidigung spielte eine solide Saison. Zwar ließ man mit 12.42 Schüssen pro Spiel die drittmeisten aller Bundesliga-Teams zu, steht aber mit 1.41 Gegentoren pro Spiel im oberen Liga-Mittelfeld (Platz 8).

Umso schmerzlicher ist da die Sehnenverletzung und -OP von Felix Udoukhai, die ihn jetzt für das Saisonfinale und auch die EM außer Gefecht gesetzt hat. Wie gut er und Abwehr-Jeff Gouweleeuw aufeinander abgestimmt waren, sah man z.B. auch gegen Stuttgart. Denn genau diese Abstimmung zwischen Gouweleeuw und Reece Oxford als Udo-Ersatz war da eben mehrmals nicht geglückt. So hatte der Gegner bei seinen zwei Treffern viel zu leichtes Spiel.

Ausbleibender Support fürs Angriffsspiel

Anders sieht es in der Außenverteidigung aus. Createfootball hat uns hier detaillierte Daten zu Rechtsverteidiger Raphael Framberger, Robert Gumny (rechts/links) und Linksverteidiger Iago im Vergleich zu 46 anderen Außenverteidigern in der Liga zur Verfügung gestellt. Mit einer sehr schwachen Zweikampfführung sticht hier unser Frambo auf der rechten Seite heraus (nur 57.14% erfolgreiche Defensivzweikämpfe und damit ligaweit Platz 41 von 49). Gumny dagegen schneidet hier hervorragend ab (68.49%; Platz 2), auch Iago hat einen überdurchschnittlichen Wert bzw. Rang bei erfolgreichen Defensivzweikämpfen (63.16%; Platz 14). Bei den Luftduellen machen alle drei keine sonderlich gute Figur (Iago: Platz 24, Gumny: Platz 34, Frami: Platz 38).

Das Problem in der Augsburger Außenverteidigung war aber nicht zwingend das Defensivverhalten, sondern die Unterstützung für die Offensive. Das unterstreichen vor allem zwei Werte. In puncto Passgenauigkeit tut sich erneut unser Augsburger Eigengewächs negativ hervor (mit 62.75% angekommener Pässe besetzt Frami den wenig ruhmreichen letzten Platz in der Liga). Und auch Iago (Platz 36) und Gumny (Platz 30) haben sich in diesem Punkt nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Bei Frami lief es besser bei Flanken (39.13% angekommene machen Platz 13). Dagegen nimmt hier der Pole mit nur 7.14% (!) pro Spiel den letzten Platz ein. Zum Vergleich: Herthas Peter Pekarik steht hier mit 62.5% erfolgreichen Flanken pro Spiel ganz oben auf dem Treppchen.

Mittelfeld: Schaltung ausbaufähig

Eine Frage, die die RoGaz beim Daten-Kadercheck vor allem mit Blick aufs defensive Mittelfeld beschäftigt hat, war auch: Wie haben sich Tobias Strobl und Carlos Gruezo auf dieser Position in der Nachfolge von Daniel Baier geschlagen? Unser Mittelfeldchef war nach Ankunft Herrlichs in Augsburg im März 2020 bekanntlich mehr und mehr auf die Ersatzbank verbannt worden. Bis sein Vertrag – nach noch zuvor erfolgter Verlängerung – schließlich vorzeitig aufgelöst wurde. Carlos Gruezo, zur Saison 19/20 zum FCA gekommen, hatte Baier bereits so manches Mal auf der Doppelsechs (neben Rani Khedira) ersetzt. Tobias Strobl war dann zur Saison 20/21 – und als möglicher Baier-Nachfolger – neu verpflichtet worden.        

Im statistischen Vergleich zwischen den dreien zeigt sich zunächst das. Alle haben in etwa gleich viele Pässe pro Spiel empfangen (Spanne reicht hier von 18.77 bis 21.97). Bieten sich als Anspielstation im Zentrum also gleichermaßen an. Dasselbe gilt für Zweikämpfe: Strobl, Gruezo und Baier haben hier erneut ziemlich ähnliche Werte (Spanne: 7.69 bis 8.10).

Worin Baier seine Nachfolger allerdings eindeutig aussticht, ist zum einen sein überragendes Abwehrverhalten. Noch in seiner letzten Saison eroberte der 36-Jährige pro Spiel 11.02 Bälle (Strobl: 8.10, Gruezo: 7.78), fing 6.11 Bälle ab (Strobl: 5.01, Gruezo: 4.06) und gestaltete 1.41 Luftduelle erfolgreich (Strobl: 1.05, Gruezo: 0.48). Dani rackerte also, was das Zeug hielt.

Bei Tobias Strobl und Carlos Gruezo, die als Nachfolger unseres Capitanos ins Team rückten bzw. aufgebaut wurden, ist die Vorwärtsschaltung noch ein wenig gehemmt. (Foto: Tim Rehbein/RHR-FOTO/Pool)

Vorwärts mit dem Capitano

Zum anderen lassen sich Baiers Vorzüge aber vor allem in den vorwärts gerichteten Pässen ausdrücken. Mit 14.7 solcher Pässe pro Spiel (Strobl: 12; Gruezo: 9.6) brachte sich der Capitano viel mehr in das Spiel nach vorne ein. Zwar haben seine Nachfolger die leicht bessere Passquote (Strobl: 83.7%; Gruezo: 82.2%; Baier: 79.6%). Aber ihr Spiel war dabei viel eher auf Sicherheits- als auf Risikopässe ausgelegt, die Baier aus seinem Schaltzentrum vor der Abwehr auf die Außen und in die Spitze verteilte.

Kombiniert man jetzt die fehlenden Impulse aus dem Mittelfeld in die Offensive mit den teils schwachen Pass- und Flankenwerten der Außenverteidigung, lässt sich die Torflaute in dieser Saison – auch ganz unabhängig vom glücklosen Niederlechner – vielleicht ein wenig erklären. Ungefähr so: Kein Baier, der die Bälle auf die Außenbahnen oder nach vorne schiebt, plus wenige und unpräzise Pässe in die Gefahrenzone macht eben: ausbleibende Torgefahr.

Durch die Datenbrille haben wir gesehen, dass es an mindestens drei Stellen im Kader in dieser Saison mehr oder weniger große Baustellen gegeben hat. Torflaute in der Offensive, wenig Mithilfe für den Angriff aus der Außenverteidigung und ein kaum aufbauendes defensives Mittelfeld (im doppelten Sinn) wie noch zu Zeiten von Dani Baier. Sie alle hängen – wie in einem Zirkel – miteinander zusammen und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass sich der FCA plötzlich in einem Abstiegsszenario wiedergefunden hat, das „die Tabelle bis zuletzt verschwiegen hat“.

„Bauarbeiter“ Weinzierl

Rückkehrer Markus Weinzierl hat sich dieser offenen, durch die Daten sehr ersichtlichen Baustellen jetzt angenommen. Gleich im ersten Spiel gegen seinen früheren Verein VfB Stuttgart zitierte er Flo Niederlechner wieder in die Startelf, der es seinem Trainer auch prompt mit dem zeitweiligen 1:1-Ausgleich dankte. Im Showdown gegen Bremen warf sich Niederlechner nur so in die Zweikämpfe, wobei der wichtigste dann auch in der Ampel-Karte gegen die Bremer resultierte (was für eine Erlösung!). Und auch ganz allgemein sprach Weinzierl dem FCA-Torjäger Nr. 1 der letzten Saison sein Vertrauen aus.

Auch auf die Baustelle Außenverteidigung begab sich Weinzierl sofort. Gegen die Schwaben hatte es sich vor allem Iago – ganz anders als noch im Spiel gegen Köln – in der gegnerischen Hälfte regelrecht gemütlich gemacht. Das zeigen die beiden Heatmaps. Dort machte er 75% seiner ohnehin starken 93% Pässe und flankte auch doppelt so oft wie noch in Köln. Wenn da mal die Baustelle nicht ein gehöriges Stück vorangekommen ist!

Die helle Stelle links vor dem gegnerischen Sechzehner war Iagos Lieblingsplatz gegen Stuttgart. Quelle: Whoscored.com
Gegen Köln hielt sich Iage vor allem in der eigenen Hälfte vor der Grundlinie auf. Quelle: Whoscored.com

Und im (defensiven) Mittelfeld ließ Weinzierl anstatt Strobl neben Rani Khedira, den es nach der Saison bekanntlich zu den Eisernen nach Berlin zieht, nun schon zweimal Routinier Jan Morávek auflaufen. Der 31-jährige Tscheche hatte unter Herrlich zuletzt ersatzweise gegen Frankfurt gespielt, da die beiden Stammspieler für das Match gegen Köln geschont werden sollten. Allerdings hatte sich schon da gezeigt, wie wertvoll Morávek besonders bei der Ballverteilung aus dem (etwas offensiveren) Zentrum nach vorne ist. Und damit vielleicht die Baier’sche Lücke im Schaltkreis besser schließen kann als so manch anderer Spieler…

Bedenkt man jetzt, wie schnell „Bauarbeiter“ Weinzierl mit dem vorhandenen Kader-„Material“ mit ein paar „Umbauten“ passable Ergebnisse erzielen konnte (trotz 1:2 gegen Stuttgart frischer Zug nach vorn; Kampf pur beim 2:0 gegen Bremen), lässt sich jetzt vielleicht auch eine andere Frage besser beantworten. Sie ist in den letzten Wochen unter uns Fans heiß diskutiert worden. Vor allem, als noch Heiko Herrlich die Trainerbank drückte. Nämlich, ob im Augsburger Kader mehr Potential steckt, er es aber (womöglich aus taktischen Gründen) nicht entfalten „darf“. Oder, ob der aktuelle Kader einfach nicht mehr entfalten „kann“, er schlichtweg zu schwach ist. Max vom Rasenfunk hatte dazu eine ziemlich eindeutige Haltung:

Bei denen geht NICHTS, aber auch wirklich NICHTS spielerisch zusammen. Und es KANN nicht sein, dass diese Mannschaft das nicht kann. Sondern diese Mannschaft SOLL halt so spielen, das IS auch ok, aber ich finds megaSCHEIßE.“

Max in der Schlusskonferenz vom 5.4.2021 zum Spiel des FCA gegen die TSG Hoffenheim

Ich finde, angesichts der kürzlich geleisteten Sofort-Arbeiten von Weinzierl kann man Max da durchaus zustimmen. Der Kader kann offenbar mehr, wenn er denn darf. Zudem bin ich zuversichtlich, dass der Trainer Ideen hat, wie er die Lücke schließen kann, die Dani Baier – nun auch datenbasiert bestätigt – offensichtlich im Mittelfeld hinterlassen hat. Spannend wird z.B. auch, wie mit dem Abgang von Khedira umgegangen wird. Das soll hier aber nicht mehr Thema sein. Um Transferangelegenheiten kümmert sich die Rosenau Gazette bald an anderer Stelle. Word!

Danke für den Datensupport

Mit diesem Text geht nun also auch die kleine Daten-Serie zu Ende, die in Kooperation mit den Jungs von Createfootball entstanden ist. Dadurch haben wir Gelegenheit bekommen, zu erfahren, was man sich unter dem (im Fußball nach wie vor noch nicht ganz geläufigen) Beruf des „Datenscouts“ vorstellen kann (Teil 1). Zudem haben wir den 2:1-Sieg des „FC Effizienz“ gegen die TSG aus Hoffenheim datenbasiert besprochen (Teil 2). Und zum Schluss haben wir jetzt eben einzelne Mannschaftsteile durch die Datenbrille inspiziert und dabei festgestellt, dass Dani fehlt (Teil 3). Markus Weinzierl aber schon gute Ideen zum Lückenfüllen gezeigt hat. Danke für euren Support, Mats und Quirin!

Heja!

* Die Saisonwerte stammen vom 26. April, d.h. sie geben den Stand nach 31 Spieltagen wider. So können sie auch für eine vorläufige „Bilanz“ unter Heiko Herrlich stehen, der ja genau nach diesem 31. Spieltag von seinem Trainerposten beim FCA entbunden wurde. Zwar sind die Vergleichswerte aus den Vorsaisons auf der Basis von 34 Spielen zustande gekommen, sodass die Berechnungsgrundlage um 3 Spiele größer ist als bei den Werten für die laufende Saison. Trotzdem lassen sich gerade bei weit auseinanderliegenden Werten – trotz ihrer nicht ganz exakten Vergleichbarkeit – interessante Tendenzen aufzeigen.  

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