Mittendrin statt nur dabei


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Schon vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart war klar, dass die Tabellensituation für den FCA weiterhin recht komfortabel ist. 19 Punkte hatte die Mannschaft schon vor dem Spiel gesammelt und die Hinrunde ist noch nicht vorbei. Das Soll ist mehr als erfüllt, auch wenn die Niederlage gegen die Stuttgarter schmerzt. Gerade deswegen sind noch längst nicht alle Anhänger in Augsburg zufrieden. In der Offensive, im Spiel mit dem Ball, kann die Mannschaft sich zu wenige Möglichkeiten erspielen. Die Torausbeute ist mau. Und gegen den VfB hat sah man zudem gegen eine gute Offensive auch defensiv nicht immer sattelfest aus. Und mit einer gewissen Ironie mag man feststellen: es ist dann doch noch ein weiter Weg, bis wir in die Champions League einziehen.

Dabei will ich die Kritik an der Spielweise der Mannschaft gar nicht entkräften. Selbst Heiko Herrlich war in der Spieltagspressekonferenz vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart so kritisch wie selten. Es ist auch den Verantwortlichen klar, dass diese Mannschaft noch besser spielen können sollte. Jetzt kommt es darauf an, dieses Potential abzurufen. Was Heiko Herrlich dabei sehen will und welchen Fußball er sich von der Mannschaft auf dem Platz wünscht, ist ein Thema für ein anderes mal. Aber Zufriedenheit rein auf Basis der erzielten Ergebnisse gibt es seinerseits nicht.

Auch Heiko Herrlich ist nicht mit allem zufrieden, was seine Mannschaft so abliefert, auch wenn die Punktausbeute prinzipiell stimmt (Foto via Imago)

Allerdings habe ich mich in den letzten Wochen dann doch etwas gewundert. Denn obwohl noch Verbesserungspotential vorhanden ist, klingt es an manchen Stellen fast schon so, als ob unter Heiko Herrlich keine Verbesserungen zu erkennen wären. Nun könnte ich hier über Gegenpressing-Momente anfangen zu philosophieren, die deutlich zu erkennen sind, aber darum geht es mir nicht. Gegen den VfB war man in der zweiten Halbzeit dran und hatte beim Stande von 1:2 Möglichkeiten wieder ins Spiel zu kommen. Sich aus der Situation des 0:2 wieder ins Geschehen reinzuarbeiten ist eine Leistung für sich, auch wenn sie dieses Mal nicht von Erfolg gekrönt war.

Als Heiko Herrlich den FC Augsburg letztes Jahr übernommen hat, waren aus meiner Sicht die sportlichen Fähigkeiten der Mannschaft nicht das Hauptproblem. Was mich am allermeisten ärgerte, waren die unfassbaren Zusammenbrüche des Teams. Zum Saisonende gegen Wolfsburg, auswärts in Gladbach, man könnte diese Reihe noch etwas fortsetzen. Spiele zum Schämen. Unserer Farben nicht würdig. So schlimm war keine der Niederlagen in diesem Jahr. Auch nicht erfreulich, aber bei weitem nicht so erniedrigend.

Und vielleicht betrachten wir uns dann mal das Mannschaftsgerüst und die mentale Stabilität des Teams in dieser Saison. Klar haben wir auch Spiele verloren. Gegen Hertha sah es gar nicht gut aus. Aber keine dieser Leistungen kommt auch nur annähernd in den Bereich der Negativ-Leistungen noch aus der Vorsaison, die Martin Schmidt nie abgestellt bekam trotz aller Wanderungen durch die Schweizer Berge. Ganz im Gegensatz: In den engen Spielen, wenn es in die Endphase geht, dann würde ich im Moment blind auf unser Team wetten.

Gerade am Ende konnten wir dieses Jahr noch oft jubeln. Viel wahres steckt bis dato in „Unverhofft kommt oft“. (Foto: Bernd Feil/M.i.S/Pool via Imago)

Anstatt, dass uns am Ende der Spiele die Puste ausgeht und wir die Punkte verschenken wie in der Vergangenheit, können wir noch einen Gang zulegen. Wer mag deutliche Siege nicht? Aber mehr und mehr Partien in der Bundesliga sind eng und werden durch wenige individuelle Fehler oder Einzelleistungen entschieden. Das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben, für diese Momente sorgen zu können, wenn es darauf ankommt ist viel wert. Und Heiko Herrlich gebührt mein vollster Respekt dafür, dies mit der Mannschaft zusammen erarbeitet zu haben.

Und so sitze ich als FCA Fan in der Schlussphase nun öfters vor dem Bildschirm und habe Dominic Torreto aus der Filmserie „The Fast & the Furious“ vor mir, wie er am Ende des Rennens im ersten Teil überholt und sinngemäß sagt: „nicht zu früh beschleunigen“. Dabei hat er diese süffisante Lächeln auf den Lippen, weil er weiß, wie gut er ist. Diese Siege gegen Köln und Bielefeld sind aus dieser Hinsicht einfach großartig. Big Points.

Dieses Selbstbewusstsein, dass Dominic Torreto, gespielt von Vin Diesel, in den „The Fast and the Furious“ Filmen verkörpert, steht unserem Team sehr gut (Photo by Elsa/Getty Images)

Und mit dieser Entwicklung im Hintergrund fällt es mir einfach, Heiko Herrlich nun erstmal zu vertrauen. Ich, der Herrlich auch sehr offen für sein Verhalten am Anfang seiner Zeit beim FCA kritisiert hat. Ich sehe, dass es voran geht. Er redet die momentanen Leistungen nicht schön und hat an Kernpunkten, die Mannschaft in die richtige Richtung gelenkt. Es ist das erste Mal seit längerem, dass ich wieder an die sportliche Entwicklung glaube. Und ich bin immer noch ein Verfechter davon, Trainer langfristig arbeiten zu lassen. Schnelle Wunderentwicklungen sind so gut wie nie zu erwarten. Wer weiß, ob wir dieses Team noch wiedererkennen, wenn wir wieder ins Stadion dürfen. Heiko Herrlich ist zumindest in meinen Augen mittendrin mit dieser Mannschaft weiter an seiner Vorstellung von Fußball zu erarbeiten. Auf die so bekannten Einbrüche, warten wir hoffentlich weiterhin vergeblich.

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