Es war etwas ruhiger hier an dieser Stelle über den Sommer. Manchmal muss man sich etwas zurückziehen, um wieder Kraft zu schöpfen und Orientierung zu finden. Dazu konnte ich mir über einige Dinge so meine Gedanken machen. Während sportlich die letzte Saison mehr als zufriedenstellend abgeschlossen wurde, ist beim FCA weiterhin nicht alles Gold was glänzt. Auch nach 111 Jahren nicht. Aber langfristig sind auch nicht alle mit der sportlichen Situation zufrieden. Sportliches Mittelmaß und schon liest man die ersten Kommentare, ob das für den FCA dauerhaft genug ist. Derweil der Club die wirtschaftliche Vernunft nicht verliert, werden von außen die Erwartungen schon wieder nach oben getrieben. Woher die Mittel für die weitere Entwicklung kommen sollen, bleibt dabei gerne unbeantwortet. Wir laufen immer noch gegen Windräder (wirtschaftliche Möglichkeiten z.B. in Stuttgart) an und gewinnen Jahr um Jahr unseren eigenen Titel des Nichtabsteigers.
Das Sommerpause ist, erkennt man auch daran, dass auf einmal Themen aufgewärmt werden, die gerade in Augsburg keine Aktualität haben. So kommentierte der geneigte AZ-Redakteur schon mal, wie sich die Liga von Ultras verarschen lässt und wirft dabei Randalierer, kriminelle Gewalttäter und Ultras in einen Topf. Es ist eine alte Debatte und Johannes Graf hätte sicher Augsburger Beispiele benannt, wenn es sie denn in der abgelaufenen Saison gegeben hätte. Es gab sie nur halt nicht. Wie viele Vorfälle mit Augsburger Fanbezug gab es in der abgelaufenen Saison und wie viele gab es insgesamt in der Liga? Vielleicht können wir auch gleich noch mit den Vorjahren vergleichen und es würde uns auffallen, dass es kein relevantes, systemisches Gewaltproblem in deutschen Stadien gibt. Ich würde sonst nie überlegen, meine 4-jährige Tochter mit ins Stadion zu nehmen. Es muss ja nicht gleich der M-Block sein.
Dass der FCA gut daran tut, diese Kommentare von außen zu ignorieren, zeigt sich an einer Meinungsäußerung aus dem letzten April. Damals hatte Johannes Graf geäußert, dass das Modell Reuter auf den Prüfstand gehöre. In der Transferperiode danach lieferte Reuter ordentlich ab und brachte mit Manuel Baum zusammen die Mannschaft sportlich ein ganzes Stück nach vorne . Das Modell Reuter ist wohl momentan immer noch über jeden Zweifel erhaben.
Derweil gibt es abseits des Platzes einige offene Baustellen beim FCA, die eher weniger adressiert werden. In der letzten Sommerpause hatte ich einige Bereiche identifiziert, in denen der FCA sich weiter verbessern kann. Manche Probleme werden wir wohl kurzfristig nicht lösen. So wird wohl langfristig im Stadion mit Bezahlkarte bezahlt. Immerhin stellt der FCA sicher, dass es keine Ausfälle für die Fans gibt. Dass auch Gästefans eine Bezahlkarte nutzen müssen, ist weiterhin ärgerlich. Warum wir weiterhin auswärts öfters das Ausweichtrikot in grau tragen als unser grünes Auswärtstrikot gehört in die Kategorie der ungelösten Fragen. Anstatt in grau bzw. in dieser Saison schwarz (welches sich nur durch Logo/Sponsor von der Leipziger Variante unterscheidet) zu spielen, würde ich auch auswärts lieber das Heimtrikot sehen, wenn farblich das Auwärtstrikot nicht akzeptiert wird. So hat man das früher doch auch gehandhabt und es war kein Problem. Solange wir nicht wieder auf Neonfarben zurückgreifen, will ich darüber allerdings nicht allzu viel nachdenken.
Mich beschäftigen vor allem zwei Themen:
Die Einbindung von Fans und Mitgliedern beim FCA
Über die Strukturen beim FCA habe ich schon des öfteren geschrieben. Ich verstehe auch die Rolle des Klaus Hofmann immer weniger. Welche Position nimmt er genau ein? Fakt ist, dass die Mitglieder des Vereins die Mehrheit der Stimmrechte an der KGaA halten, im Aufsichtsrat allerdings nicht vertreten sind. Dort findet man nur Investorenvertreter. Nun bietet der FCA seit neuestem Fan- und Mitgliedersprechstunden an und feiert auch gerne zusammen im Rahmen von 111-Jahr-Feier und Familienfest oder lädt die Fanclubs zum Grillen ein. Bei der Sprechstunde darf man sich vorher anmelden und als Bittsteller erscheinen. Ich übertreibe vielleicht ein bisschen, aber aktive Mitbestimmung in festen Strukturen, die über den momentanen guten Willen der Verantwortlichen hinaus geht und sicherstellt, sieht doch komplett anders aus.
Die fehlende Haltung des FC Augsburg
Der SV Babelsberg 03 hat über die Landesgrenzen hinaus Aufsehen erregt, da der Verein für Anti-Nazi-Sprechchöre eine Strafe zahlen sollte. Zumindest fanden sich die Sprechchöre in der Begründung der Strafe wieder, woraufhin sich der Verein weigerte die Strafe zu begleichen und angedroht bekam, vom Spielbetrieb ausgeschlossen zu werden. Viele Vereine nutzten die Gunst der Stunde, um sich mit den Babelsbergern zu solidarisieren. Der SC Freiburg und Fortuna Düsseldorf nahmen die Soli-Shirts mit dem Aufdruck „Nazis raus aus den Stadien“ in die eigenen Fanshops in eigenen Farben auf und verkauften diese zu Gunsten des SV Babelsberg. Der FC Augsburg äußerte sich nicht.
Und kurz bevor nun die achte Bundesligasaison des FC Augsburg startet, bereiten mir diese Themen Kopfschmerzen. Der Übergang von Walther Seinsch zu Klaus Hofmann bedeutet anscheinend auch einen Übergang vom gesellschaftlich engagierten Club (z.B. zusammen mit der Stiftung Erinnerung) zum inhaltsleeren Investorenmodell. Und während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, weiß ich nicht, ob mich das nicht mehr trifft, als ein sportlicher Abstieg (der mich im Fall der Fälle zum Heulen bringen würde). Zumindest langfristig entfremde ich mich von meinem Verein etwas, denn ich bekomme auch aus der Entfernung mit, wie von manch einem im Stadion über „die Kanaken“ geschimpft wird. Wie sehr ich mir in diesem Zusammenhang mehr wünsche als nur die nächste inhaltsleere Marketingkampagne. Getrieben und mitbestimmt von der großen Mehrheit des Vereins. Es bleibt in der Zukunft viel zu tun und ich hoffe wir packen es gemeinsam an und feiern uns nicht nur selbst.