Lasse(t uns) Günther(n)

Am Freitagnachmittag hat der FC Augsburg mit Lasse Günther seinen ersten Neuzugang für die kommende Saison eingetütet. Der 18-jährige kommt aus der FC Bayern-Jugend ablösefrei an den Lech, wo er einen Vertrag bis 2025 mit Option auf einjährige Verlängerung unterschrieben hat. Auch andere Vereine, darunter Premier-League-Clubs wie Liverpool, Chelsea oder Everton, hatten den jungen Offensivspieler umworben. Der entschied sich aber letztlich für den FCA. Warum? Über die Gründe hat die Rosenau Gazette ein paar interessante Infos in Erfahrung gebracht. Und auch darüber, wo Günthers Platz im Team künftig sein könnte. Aber wollen wir den Ex-Bayer doch zuerst einmal vorstellen – oder eben: Lasse(t uns) Günther(n).

Kürzliches Drittliga-Debüt

Gleich nach seiner Vertragsunterschrift wurde der Neuzugang vom Verein zum Interview gebeten. Etwas schüchtern sitzt er da in seinem grünen „Wir der FCA“-Pulli, den er extra fürs Interview mit dem FCA TV übergezogen hat. Aber seine Antworten klingen schon ziemlich professionell. Angesprochen auf seine Ziele mit dem FCA, sagt er:

„[…] Ich hab‘ mir vorgenommen, dem Team bestmöglich zu helfen. Also mein Ziel ist ganz klar, der Mannschaft zu helfen. Wie ich’s auch persönlich schaffe. Also auf dem Platz und hoffentlich auch neben dem Platz. Und so auch meinen Beitrag dazu leisten kann, dass Augsburg weiterhin eine erfolgreiche Bundesligamannschaft bleibt.“

Lasse Günther im FCA TV-Interview vom 28.05.2021

In der Bundesliga hat Lasse Günther bisher noch kein Spiel absolviert. Dafür aber fünf Spiele für die 2. Mannschaft des FC Bayern. Sein Debüt in der 3. Liga gab er vor knapp zwei Monaten in Ingolstadt (31. Spieltag; 2:2). Daneben stand der junge Offensivmann letztes Jahr für den FC Bayern fünf Mal in der UEFA Youth League auf dem Platz, die Real Madrid gewinnen konnte. International absolvierte Günther außerdem schon 13 Länderspiele für die U16- bis U18-Nationalmannschaften des DFB. In zwei Freundschaftsspielen der U17 gegen England erzielte der pfeilschnelle Rechtsaußen sogar jeweils ein Tor.

Offensivmann Lasse Günther wird den FCA ab der kommenden Saison verstärken. Auf welcher Position genau, davon lassen wir uns mal überraschen. (Foto von Eibner Pressefoto via Imag0)

Unkonventioneller Außenbahn-Flitzer

Die rechte Außenbahn – das ist auch die Position, auf der Lasse Günther bisher am meisten von sich reden gemacht hat. Der Linksfuß kann aber auch die andere Seite bespielen, um dort eine seiner größten Stärken aufzufahren: Geschwindigkeit. Es wird berichtet, dass er einmal eine Höchstgeschwindigkeit von 35 km/h erzielt hat. Damit würde er sich in die Bundesliga-Spitzengruppe einreihen, in der auch viele seiner früheren „Teamkollegen“ aus der 1. Mannschaft zu finden sind. Alphonso Davies (35.97 km/h; 3. Platz), Kingsley Coman (35.68; 5.) oder Leroy Sané (35.28; 18.).

Bayernnachwuchs-Experten attestieren Günther außerdem eine manchmal unkonventionelle Spielweise, die es dem Gegner nicht leicht mache. „Dabei sucht der den Weg zur Grundlinie genauso wie auch mal den Zug ins Zentrum, um dort abzuspielen oder durchzustecken.“ Nicht umsonst wird Günthers Spielweise oft auch mit der von Arjen Robben in Verbindung gebracht, seinem großen Vorbild.

Junges Verletzungspech

Im Interview wird der FCA-Neuzugang auch auf seine aktuelle Verletzung angesprochen. Laut Transfermarkt ein Innenbandanriss im Knie, der eine Rückkehr Ende Juni in Aussicht stellt. Günther dazu:

„Es war nur eine kleine Knieverletzung, also nicht so schlimm. Ich werde zu Beginn der Saison wieder auf dem Trainingsplatz stehen können. Fang jetzt nächste Woche meine Reha an und wenn’s positiv verläuft, werd‘ ich rechtzeitig fit sein.“

Lasse Günther im FCA TV-Interview vom 28.05.2021

Gerade, dass er in den letzten zwei Jahren recht oft verletzt war, wird ihm aber auch als Schwäche angelastet. Es ist dabei nichts Ungewöhnliches, dass Nachwuchsspieler in Wachstumsphasen mal eine Zeit lang chronische Probleme haben. Ob das bleibt oder sich legt, lässt sich nicht seriös prognostizieren. Zudem tut sich Lasse Günther manchmal schwer bei der Ballannahme, auch wenn er den Gegner damit ab und an überrumpelt, und beim Torabschluss. Hier flattern vielleicht ab und an die Nerven auch noch, wie man im Spiel des FC Bayern II in Ingolstadt, als Günther in einer Szene zwei Mal hintereinander aus traumhafter Position das Tor verfehlte, sehen konnte.

Heimatnähe statt Fernweh

Wie kam es jetzt aber dazu, dass sich Lasse Günther dafür entschieden hat, unseren FCA zu verstärken, und nicht etwa die englischen Top-Clubs aus England? Wegen des Berufs des Vaters hatte Familie Günther u.a. schon in New York gewohnt, bevor sie dann nach Unterhaching umzog. Dort schloss sich Lasse zunächst für ein Jahr den Hachingern an, für ein weiteres Jahr unserem FC Augsburg, für dessen U13 er kickte. Günther verließ die FCA-Jugend, nachdem ein Angebot vom FC Bayern ins Haus geflattert war. Schon für den damaligen Wechsel vom Lech an die Isar sei für Familie Günther der kürzere Anfahrtsweg zum Trainingsplatz ausschlaggebend gewesen. Die Fahrt an die Säbener Straße dauert nur 10 Minuten.

Auch jetzt war wohl die Nähe zur (Hachinger) Heimat mitverantwortlich dafür, dass der FCA und die Fuggerstadt bei Lasse (wieder) punkten konnte. Zwar heißt es in Medienberichten, dass es wohl das langfristigere „Konzept“ und die „bessere Perspektive“ gewesen sei, weshalb das Talent dem FCA den Vorzug gegenüber seinen Konkurrenten gegeben hat. Dass die Nähe zur Heimat gerade in Lasses Alter zusätzlich ein Hauptargument war, ist in diesem Alter absolut nachvollziehbar und sollte die Entwicklung Lasses beschleunigen.

Einsatzmöglichkeiten bei den FCA-Profis

Auf der Rechtsaußen-Position, die Günther auch in seinen bisherigen Drittliga-Einsätzen vier Mal besetzt hatte, ist der FCA schon recht stark besetzt. Mit den Ü30ern André Hahn und Daniel Caligiuri sind dort erfahrene Kräfte gesetzt, denen das junge Talent aber seine Schnelligkeit voraushat und mit Tempoläufen schnelle Akzente in die Spitze setzen könnte. Ein ganz ähnliches Profil wie Günther haben dagegen unsere Youngsters Marco Richter und Noah Sarenren Bazee, wobei Richter eher zentral zu sehen ist. Zur ernstzunehmenden Konkurrenz könnte Günther allerdings für Bazee werden, der als Ergänzungsspieler ebenfalls wieselflink ist, aber auch immer wieder von Verletzungen ausgebremst wird.

Da Günther auch die linke Seite bespielen kann, wäre er dort auch als Backup für Ruben Vargas denkbar, der als hängende Spitze aber auch neben dem Neuzugang spielen könnte. (Auf diese rasante Kombi wäre ich ja mal sehr gespannt.) Günther sollte auf jeden Fall eine Spielweise zu Gute kommen, bei der er viel Platz hat, um sein Tempo auszuspielen. Und noch eine Einsatzmöglichkeit Günthers mag kann man an dieser Stelle einmal einwerfen: Linksverteidiger könnte auch noch eine Option werden, ähnlich wie bei Alphonso Davies.

Lasse(s) krachen!

Sportdirektor Stefan Reuter war in seinem Presse-Statement zur Vertragsunterschrift des 18-Jährigen überzeugt: „Wir trauen ihm den sofortigen Schritt in unsere Bundesliga-Mannschaft zu und wollen in der neuen Saison weiter an seiner Entwicklung arbeiten.“ Dass Lasse Günther das Potential hat sich beim FC Augsburg in der Bundesliga zu behaupten scheint dabei unstrittig. Nun kommt es für ihn vor allem darauf an, fit zu werden und zu bleiben und weiter an seinen Defiziten zu arbeiten. Dann lässt sich zusammen mit Lasse Günther auch etwas träumen. Denn bei allem sportlichen und gesundheitlichen: jeder, der Lasse kennengelernt hat, bescheinigt ihm ein „Top Junge“ zu sein.

Auch wir von der Rosenau Gazette hoffen daher für dich, Lasse, das wir viele gemeinsame Erfahrungen in der Bundesliga zusammen sammeln! Lass dich in der Reha vollends wiederherstellen, hab‘ anschließend einen gelungenen Trainingsauftakt und möglichst lange Phasen ohne Verletzung. Wir freuen uns, dich in unserer schönen Stadt begrüßen zu dürfen und hoffentlich auch bald auf dem Platz!

Wie ja schon auf deinem Pulli stand: „Wir der FCA“, von dem du jetzt auch ein Teil bist.

Datenbrille: Dani, du fehlst

Eigentlich war Teil 3 unserer kleinen Daten-Serie in Zusammenarbeit mit Createfootball schon früher geplant. Aber dann ging es nach dem bitteren 2:3 gegen Köln (31. Spieltag) beim FCA plötzlich hoch her: Trainerwechsel, verlorenes Schlüsselspiel in Stuttgart (32. Spieltag; 2:1) und damit mitten reingeschlittert in den Abstiegskampf, der am Samstag zu Hause gegen den ebenfalls abstiegsgefährdeten SV Werder Bremen (33. Spieltag; 2:0) in einem nervenaufreibenden Fight endgültig vom Tisch war. Da hieß es auch für die Rosenau Gazette: Business as usual is erstmal nich. Der Verein gibt manchmal einfach die Themen vor.

Trotz alledem kann ein kleiner datenbasierter Kadercheck auch jetzt noch zeigen, an welchen Stellen im Mannschaftsgefüge es in dieser so merkwürdigen Saison mehr oder weniger gelaufen ist. Und auch ein wenig erklären helfen, warum der FC Augsburg sich gerade in den letzten, prä-weinzierlschen Spielen so unglaublich schwer getan hat. Eine Frage, die uns dabei auch umgetrieben hat, ist, ob Carlos Gruezo und Tobias Strobl im Mittelfeld den Weggang unseres Capitanos Daniel Baier kompensieren konnten. Was sagen die Daten dazu?

Teil 3 von 3, unser „Daten-Finale“, jetzt also nach dem großen (gottseidank geglückten!) FCA-Saison-Finale.

Offensive: ausbleibende Torgefahr

Dauerbaustelle war in dieser Saison sicherlich die Offensive. Wer die Spiele unserer Jungs in den letzten Monaten verfolgt hat, für den oder die ist das nichts sonderlich Neues. Aber einige Mannschaftsdaten belegen die Probleme im Offensivspiel und die dadurch ausbleibende Torgefahr nochmal ganz eindrücklich.

Der FCA erzielte bisher* die viertwenigsten Tor pro Spiel. Nur die (immer noch) abstiegsgefährdeten Köln und Bielefeld sowie Schalke, seit dem 30. Spieltag erster feststehender Absteiger, schnitten noch schlechter ab. Zudem kamen pro 90 Minuten nur 2.78 Schüsse aufs Tor. Zum Vergleich: In der Saison 19/20, die bis auf die letzten neun Spieltage unter Trainer Martin Schmidt absolviert wurde, waren es noch 3.69. In der Saison 18/19, in der Manuel Baum bis auf die letzten sechs Spiele auf der Trainerbank gesessen hatte, sogar 4.38 Torschüsse.

Personifizierte Torflaute: Flo Niederlechner

Diese Tor- und Torschussflaute verkörperte Flo Niederlechner wie keine andere Offensivkraft in dieser Saison. Bei 24 Einsätzen kam er auf magere 3 Tore. Seine Chancenverwertung ist im Vergleich zur letzten Saison drastisch abgefallen (von 30% auf 17%).

Dabei darf man aber nicht vergessen, dass er unter Herrlich nicht so oft die Chance bekommen hat, sich zu beweisen. Unter Vorgänger Schmidt stand der Mittelstürmer in allen Spielen (25) in der Startelf und durfte fast immer die vollen 90 Minuten durchspielen. Unter Herrlich (40 Spiele) durfte Niederlechner dagegen nur 24-mal von Beginn ran, wurde oft aus- oder erst eingewechselt (18- bzw. 9-mal) und stand 3-mal – ohne Verletzungsgrund – gar nicht im Kader. Im Rückblick sagte er dazu: „Das war keine leichte Zeit für mich in den letzten Wochen, ich hab‘s auch nullkommanull verstanden“.

Dani Baier hat sich beim FCA vor allem durch seine vorwärts gerichteten Pässe fast unersetzlich gemacht. Flo Niederlechner durch seine Buden. (Foto via Imago)

Defensive: innen hui, außen pfui

Die Abwehr zählte in dieser Spielzeit zu den stabileren Mannschaftsteilen. Vor allem die Innenverteidigung spielte eine solide Saison. Zwar ließ man mit 12.42 Schüssen pro Spiel die drittmeisten aller Bundesliga-Teams zu, steht aber mit 1.41 Gegentoren pro Spiel im oberen Liga-Mittelfeld (Platz 8).

Umso schmerzlicher ist da die Sehnenverletzung und -OP von Felix Udoukhai, die ihn jetzt für das Saisonfinale und auch die EM außer Gefecht gesetzt hat. Wie gut er und Abwehr-Jeff Gouweleeuw aufeinander abgestimmt waren, sah man z.B. auch gegen Stuttgart. Denn genau diese Abstimmung zwischen Gouweleeuw und Reece Oxford als Udo-Ersatz war da eben mehrmals nicht geglückt. So hatte der Gegner bei seinen zwei Treffern viel zu leichtes Spiel.

Ausbleibender Support fürs Angriffsspiel

Anders sieht es in der Außenverteidigung aus. Createfootball hat uns hier detaillierte Daten zu Rechtsverteidiger Raphael Framberger, Robert Gumny (rechts/links) und Linksverteidiger Iago im Vergleich zu 46 anderen Außenverteidigern in der Liga zur Verfügung gestellt. Mit einer sehr schwachen Zweikampfführung sticht hier unser Frambo auf der rechten Seite heraus (nur 57.14% erfolgreiche Defensivzweikämpfe und damit ligaweit Platz 41 von 49). Gumny dagegen schneidet hier hervorragend ab (68.49%; Platz 2), auch Iago hat einen überdurchschnittlichen Wert bzw. Rang bei erfolgreichen Defensivzweikämpfen (63.16%; Platz 14). Bei den Luftduellen machen alle drei keine sonderlich gute Figur (Iago: Platz 24, Gumny: Platz 34, Frami: Platz 38).

Das Problem in der Augsburger Außenverteidigung war aber nicht zwingend das Defensivverhalten, sondern die Unterstützung für die Offensive. Das unterstreichen vor allem zwei Werte. In puncto Passgenauigkeit tut sich erneut unser Augsburger Eigengewächs negativ hervor (mit 62.75% angekommener Pässe besetzt Frami den wenig ruhmreichen letzten Platz in der Liga). Und auch Iago (Platz 36) und Gumny (Platz 30) haben sich in diesem Punkt nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Bei Frami lief es besser bei Flanken (39.13% angekommene machen Platz 13). Dagegen nimmt hier der Pole mit nur 7.14% (!) pro Spiel den letzten Platz ein. Zum Vergleich: Herthas Peter Pekarik steht hier mit 62.5% erfolgreichen Flanken pro Spiel ganz oben auf dem Treppchen.

Mittelfeld: Schaltung ausbaufähig

Eine Frage, die die RoGaz beim Daten-Kadercheck vor allem mit Blick aufs defensive Mittelfeld beschäftigt hat, war auch: Wie haben sich Tobias Strobl und Carlos Gruezo auf dieser Position in der Nachfolge von Daniel Baier geschlagen? Unser Mittelfeldchef war nach Ankunft Herrlichs in Augsburg im März 2020 bekanntlich mehr und mehr auf die Ersatzbank verbannt worden. Bis sein Vertrag – nach noch zuvor erfolgter Verlängerung – schließlich vorzeitig aufgelöst wurde. Carlos Gruezo, zur Saison 19/20 zum FCA gekommen, hatte Baier bereits so manches Mal auf der Doppelsechs (neben Rani Khedira) ersetzt. Tobias Strobl war dann zur Saison 20/21 – und als möglicher Baier-Nachfolger – neu verpflichtet worden.        

Im statistischen Vergleich zwischen den dreien zeigt sich zunächst das. Alle haben in etwa gleich viele Pässe pro Spiel empfangen (Spanne reicht hier von 18.77 bis 21.97). Bieten sich als Anspielstation im Zentrum also gleichermaßen an. Dasselbe gilt für Zweikämpfe: Strobl, Gruezo und Baier haben hier erneut ziemlich ähnliche Werte (Spanne: 7.69 bis 8.10).

Worin Baier seine Nachfolger allerdings eindeutig aussticht, ist zum einen sein überragendes Abwehrverhalten. Noch in seiner letzten Saison eroberte der 36-Jährige pro Spiel 11.02 Bälle (Strobl: 8.10, Gruezo: 7.78), fing 6.11 Bälle ab (Strobl: 5.01, Gruezo: 4.06) und gestaltete 1.41 Luftduelle erfolgreich (Strobl: 1.05, Gruezo: 0.48). Dani rackerte also, was das Zeug hielt.

Bei Tobias Strobl und Carlos Gruezo, die als Nachfolger unseres Capitanos ins Team rückten bzw. aufgebaut wurden, ist die Vorwärtsschaltung noch ein wenig gehemmt. (Foto: Tim Rehbein/RHR-FOTO/Pool)

Vorwärts mit dem Capitano

Zum anderen lassen sich Baiers Vorzüge aber vor allem in den vorwärts gerichteten Pässen ausdrücken. Mit 14.7 solcher Pässe pro Spiel (Strobl: 12; Gruezo: 9.6) brachte sich der Capitano viel mehr in das Spiel nach vorne ein. Zwar haben seine Nachfolger die leicht bessere Passquote (Strobl: 83.7%; Gruezo: 82.2%; Baier: 79.6%). Aber ihr Spiel war dabei viel eher auf Sicherheits- als auf Risikopässe ausgelegt, die Baier aus seinem Schaltzentrum vor der Abwehr auf die Außen und in die Spitze verteilte.

Kombiniert man jetzt die fehlenden Impulse aus dem Mittelfeld in die Offensive mit den teils schwachen Pass- und Flankenwerten der Außenverteidigung, lässt sich die Torflaute in dieser Saison – auch ganz unabhängig vom glücklosen Niederlechner – vielleicht ein wenig erklären. Ungefähr so: Kein Baier, der die Bälle auf die Außenbahnen oder nach vorne schiebt, plus wenige und unpräzise Pässe in die Gefahrenzone macht eben: ausbleibende Torgefahr.

Durch die Datenbrille haben wir gesehen, dass es an mindestens drei Stellen im Kader in dieser Saison mehr oder weniger große Baustellen gegeben hat. Torflaute in der Offensive, wenig Mithilfe für den Angriff aus der Außenverteidigung und ein kaum aufbauendes defensives Mittelfeld (im doppelten Sinn) wie noch zu Zeiten von Dani Baier. Sie alle hängen – wie in einem Zirkel – miteinander zusammen und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass sich der FCA plötzlich in einem Abstiegsszenario wiedergefunden hat, das „die Tabelle bis zuletzt verschwiegen hat“.

„Bauarbeiter“ Weinzierl

Rückkehrer Markus Weinzierl hat sich dieser offenen, durch die Daten sehr ersichtlichen Baustellen jetzt angenommen. Gleich im ersten Spiel gegen seinen früheren Verein VfB Stuttgart zitierte er Flo Niederlechner wieder in die Startelf, der es seinem Trainer auch prompt mit dem zeitweiligen 1:1-Ausgleich dankte. Im Showdown gegen Bremen warf sich Niederlechner nur so in die Zweikämpfe, wobei der wichtigste dann auch in der Ampel-Karte gegen die Bremer resultierte (was für eine Erlösung!). Und auch ganz allgemein sprach Weinzierl dem FCA-Torjäger Nr. 1 der letzten Saison sein Vertrauen aus.

Auch auf die Baustelle Außenverteidigung begab sich Weinzierl sofort. Gegen die Schwaben hatte es sich vor allem Iago – ganz anders als noch im Spiel gegen Köln – in der gegnerischen Hälfte regelrecht gemütlich gemacht. Das zeigen die beiden Heatmaps. Dort machte er 75% seiner ohnehin starken 93% Pässe und flankte auch doppelt so oft wie noch in Köln. Wenn da mal die Baustelle nicht ein gehöriges Stück vorangekommen ist!

Die helle Stelle links vor dem gegnerischen Sechzehner war Iagos Lieblingsplatz gegen Stuttgart. Quelle: Whoscored.com
Gegen Köln hielt sich Iage vor allem in der eigenen Hälfte vor der Grundlinie auf. Quelle: Whoscored.com

Und im (defensiven) Mittelfeld ließ Weinzierl anstatt Strobl neben Rani Khedira, den es nach der Saison bekanntlich zu den Eisernen nach Berlin zieht, nun schon zweimal Routinier Jan Morávek auflaufen. Der 31-jährige Tscheche hatte unter Herrlich zuletzt ersatzweise gegen Frankfurt gespielt, da die beiden Stammspieler für das Match gegen Köln geschont werden sollten. Allerdings hatte sich schon da gezeigt, wie wertvoll Morávek besonders bei der Ballverteilung aus dem (etwas offensiveren) Zentrum nach vorne ist. Und damit vielleicht die Baier’sche Lücke im Schaltkreis besser schließen kann als so manch anderer Spieler…

Bedenkt man jetzt, wie schnell „Bauarbeiter“ Weinzierl mit dem vorhandenen Kader-„Material“ mit ein paar „Umbauten“ passable Ergebnisse erzielen konnte (trotz 1:2 gegen Stuttgart frischer Zug nach vorn; Kampf pur beim 2:0 gegen Bremen), lässt sich jetzt vielleicht auch eine andere Frage besser beantworten. Sie ist in den letzten Wochen unter uns Fans heiß diskutiert worden. Vor allem, als noch Heiko Herrlich die Trainerbank drückte. Nämlich, ob im Augsburger Kader mehr Potential steckt, er es aber (womöglich aus taktischen Gründen) nicht entfalten „darf“. Oder, ob der aktuelle Kader einfach nicht mehr entfalten „kann“, er schlichtweg zu schwach ist. Max vom Rasenfunk hatte dazu eine ziemlich eindeutige Haltung:

Bei denen geht NICHTS, aber auch wirklich NICHTS spielerisch zusammen. Und es KANN nicht sein, dass diese Mannschaft das nicht kann. Sondern diese Mannschaft SOLL halt so spielen, das IS auch ok, aber ich finds megaSCHEIßE.“

Max in der Schlusskonferenz vom 5.4.2021 zum Spiel des FCA gegen die TSG Hoffenheim

Ich finde, angesichts der kürzlich geleisteten Sofort-Arbeiten von Weinzierl kann man Max da durchaus zustimmen. Der Kader kann offenbar mehr, wenn er denn darf. Zudem bin ich zuversichtlich, dass der Trainer Ideen hat, wie er die Lücke schließen kann, die Dani Baier – nun auch datenbasiert bestätigt – offensichtlich im Mittelfeld hinterlassen hat. Spannend wird z.B. auch, wie mit dem Abgang von Khedira umgegangen wird. Das soll hier aber nicht mehr Thema sein. Um Transferangelegenheiten kümmert sich die Rosenau Gazette bald an anderer Stelle. Word!

Danke für den Datensupport

Mit diesem Text geht nun also auch die kleine Daten-Serie zu Ende, die in Kooperation mit den Jungs von Createfootball entstanden ist. Dadurch haben wir Gelegenheit bekommen, zu erfahren, was man sich unter dem (im Fußball nach wie vor noch nicht ganz geläufigen) Beruf des „Datenscouts“ vorstellen kann (Teil 1). Zudem haben wir den 2:1-Sieg des „FC Effizienz“ gegen die TSG aus Hoffenheim datenbasiert besprochen (Teil 2). Und zum Schluss haben wir jetzt eben einzelne Mannschaftsteile durch die Datenbrille inspiziert und dabei festgestellt, dass Dani fehlt (Teil 3). Markus Weinzierl aber schon gute Ideen zum Lückenfüllen gezeigt hat. Danke für euren Support, Mats und Quirin!

Heja!

* Die Saisonwerte stammen vom 26. April, d.h. sie geben den Stand nach 31 Spieltagen wider. So können sie auch für eine vorläufige „Bilanz“ unter Heiko Herrlich stehen, der ja genau nach diesem 31. Spieltag von seinem Trainerposten beim FCA entbunden wurde. Zwar sind die Vergleichswerte aus den Vorsaisons auf der Basis von 34 Spielen zustande gekommen, sodass die Berechnungsgrundlage um 3 Spiele größer ist als bei den Werten für die laufende Saison. Trotzdem lassen sich gerade bei weit auseinanderliegenden Werten – trotz ihrer nicht ganz exakten Vergleichbarkeit – interessante Tendenzen aufzeigen.  

La Décima +1

Schluss! Aus! Vorbei! Der Abstiegsk(r)ampf hat ein Ende. Gegen Werder Bremen konnte der FCA am gestrigen Samstag dank der Tore von Rani Khedira (1. Saisontreffer!) und Daniel Caligiuri mit 2:0 gewinnen. Daher darf der FCA nun ein elftes Jahr im deutschen Oberhaus verbringen. Was für ein Match, was für ein Krimi. Herzkasper inklusive.

Rückblick aufs Spiel – Halbzeit 1

Markus Weinzierl – unser aller Hoffnungsschimmer und Erfolgsgarant – vertraute hierbei exakt auf die gleiche Truppe wie gegen den VfB Stuttgart. Das heißt, die Innenverteidigung bildeten wieder der nach dem Stuttgart-Spiel vielgescholtene Reece Oxford sowie Kapitän Jeff Gouweleeuw. Hier war im Vorfeld aber lange unklar, ob Markus Weinzierl Oxford nicht eventuell gegen den erfahrenen Marek Suchy tauschen würde. Aufgrund der Agilität und Schnelligkeit der Bremer Angreifer wählte Markus Weinzierl vermutlich aber den ebenfalls mit ausreichend Speed gesegneten Reece Oxford, um von Beginn an zu starten. Auch die Bremer tauschten lediglich den angeschlagenen Veljkovic gegen den blitzgenesenen Routinier und Innenverteidiger Ömer Toprak. Sonst beließ es Coach Kohfeldt bei der selben Elf, die Leverkusen am vergangenen Spieltag ein Remis abringen konnte.

In den ersten Minuten des Spiels lieferten sich beide Mannschaften einen offenen Schlagabtausch, ohne jedoch wirklich gefährlich zu werden. Die erste hitzige Situation der Partie war für den FCA besonders prekär: Flügelspieler Ruben Vargas und Gegenspieler Gebre Selassie waren in ein Laufduell gegangen, Selassie kreuzte den Laufweg von Vargas, der daraufhin ins Straucheln geriet. Da brannten beim Schweizer Jungspund offensichtlich die Sicherungen durch: Er riss sich erst aus der Umklammerung los und versuchte sodann, nach Selassie zu treten, erwischte ihn jedoch nicht.

Dies wertete Schiedsrichter Schröder als Versuch der Tätlichkeit und zeigte dem 22jährigen die rote Karte. Daraufhin reklamierten die Augsburger, hatten augenscheinlichen Diskussionsbedarf. Schröder sah sich dann die Szene selbst am Monitor abseits des Platzes an, war sich jedoch relativ früh sicher und blieb bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Leider eine sehr dumme Aktion vom sonst eher zurückhaltenden Offensivspieler. Für Vargas bedeutet dies nun das frühe Ende der Partie und das vorzeitige Saisonende.

„Platzverweis! Gebre Selassie hat Vargas‘ Weg gekreuzt – und der Augsburger daraufhin ausgetreten. Auch wenn er Gebre Selassie nicht getroffen hat: Da hat Schröder keine andere Wahl, als Vargas vom Feld zu schicken.“

Liveticker des Kicker

Natürlich spielte die Überzahl-Situation eher den Bremern in die Karten, die fortan mit einem Mann mehr auf dem Platz standen. Dadurch ergaben sich einige Räume, die die Bremer aber nicht in letzter Konsequenz nutzen konnten. In der zwanzigsten Minute dann die erste große Chance des Spiels, Sargent kam aus knapp sieben Metern frei zum Abschluss. Keeper Gikiewicz war bereits geschlagen. Reece Oxford konnte den Ball vor dem Einschlag retten und verhinderte somit den Rückstand.

Vier weitere Torchancen von Bremen sollten alsbald folgen (23′ Füllkrug, 28′ – Sargent, 30′ – Groß, 34′ – Moisander). Nach 35 Spielminuten hatte sich das Blatt zugunsten der Gäste gewendet: 5:1 Torschüsse für den SV Werder und 61 Prozent Ballbesitz sprachen eine deutliche Sprache. Dem FCA tat die Unterzahl bis dato gar nicht gut. Man fand schlichtweg keine Lösung gegen heranstürmende Bremer, die aber fahrlässig mit den eigenen Chancen umgingen. Rückblickend auf die Partie VfB- FCA kann ich nur sagen: I feel you, Werder!

In Minute 38 wurde es dann auf einmal wieder hektisch: Davie Selke, Stürmer des SV Werder, ging offenkundig mit dem Oberarm zum Ball und klärte damit zur Ecke. Hand oder nicht Hand – das war hier die Frage!? Die Augsburger Spieler forderten jedenfalls einen Elfmeter. Schiedsrichter Schröder winkte jedoch sofort ab, da im Vorfeld der Szene eine Abseitsstellung eines Augsburger Spielers vorlag. Bis zur Halbzeitpause ergaben sich dann nur noch zwei gelbe Karten: Jeweils eine für die Gäste (42′ – Groß) sowie für den FCA. Keeper Gikiewicz (45′) sah wegen Zeitspiels die gelbe Karte.

Mit einem für den FCA bis dato eher glücklichen 0:0 ging es in die Halbzeitpause – Zeit, durch zu schnaufen. Und darauf zu hoffen, dass Markus Weinzierl den richtigen Ton und die richtigen Worte finden würde, um die Jungs zu pushen.

Rückblick aufs Spiel – Halbzeit 2

Unverändert kamen beide Mannschaften aus der Kabine. Und keine vier Minuten später dann der zweite Platzverweis des Spiels. Diesmal für den SV Werder: Christian Groß sah die zweite gelbe Karte nach Foul an Niederlechner und durfte – wie zuvor schon Ruben Vargas auf Augsburger Seite – frühzeitig duschen gehen. Für die restlichen 40 Spielminuten hieß es dann also 10 gegen 10.

Bremen tätigte daraufhin zwei (positionsgetreue) Wechsel. Angreifer Rashica für den glücklosen Selke sowie Defensivspezialist Friedl für Toprak. Und prompt fiel das 1:0 für den FCA: Ausgerechnet der scheidende Rani Khedira – er verlässt den FCA ablösefrei im Sommer und wechselt zu Union Berlin – besorgte mit einer schönen Einzelaktion den Führungstreffer. Erster Saisontreffer in seinem letzten Heimspiel in der WWK-Arena – und was für ein wichtiger:

„Augsburg geht in Führung! Nach einer Ecke bekommt Werder den Ball nicht weg, Khedira schließt aus sieben Metern flach ab und trifft mithilfe des Innenpfostens – 1:0!“

Liveticker des Kicker

Das stellte zu diesem Zeitpunkt den Spielverlauf etwas auf den Kopf! Der FCA fand auch kurz nach der Halbzeit kaum Möglichkeiten in der Offensive. Eine der wenigen Szenen beendete Marco Richter mit einer möglichen Schwalbe, für die er den gelben Karton kassierte. Die gelbe Karte finde ich an dieser Stelle ein wenig „ungerecht“, da definitiv ein gegnerischer Kontakt am Knöchel des jungen Angreifers vorlag. Ob man jedoch so verzögerte hinfallen muss wie der FCA-Nachwuchsstürmer? Das ist zumindest fraglich und hat wohl den Schiedsrichter dazu bewogen, dies als Schwalbe zu werten. In der 71. Spielminute war dann aber sowieso Feierabend für den gebürtigen Friedberger, Caligiuri kam für ihn in die Partie. Ebenso kam Mittelfeldspieler Bénes für den lauffreudigen Moravek auf den Platz.

In der 72. Spielminute die größte Torchance des Spiels für die Bremer: Bittencourt setzte einen Schuss aus rund 25 Metern an den Innenpfosten – der Ball sprang aber wieder aufs Feld und nicht ins Tor. Gaaaanz großes Durchschnaufen im Augsburger Fanlager. Weinzierl reagierte – das 1:0 stand auf ganz wackeligen Beinen. Finnbogason ersetzte sodann den nimmermüden und viel ackernden Florian Niederlechner, der im Spiel stolze 75 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen konnte. Chapeau, damit war er zweikampfstärkster Augsburger auf dem Platz.

Auch Bremen wechselte nochmals, brachte den agilen Osako für Bittencourt. Der FCA kam danach zu zwei Abschlusschancen durch Iago, doch sein Schuss war zu harmlos. André Hahns Nachschuss wurde dann von einem Bremer Bein geblockt. Der eingewechselte Augsburger Leihspieler Bénes versuchte es aus rund 16 Metern per Distanzschuss, Pavlenka hatte diesen Ball jedoch sicher. In der 89. Minute stand dann wieder das Schiedsrichtergespann im Mittelpunkt, wieder Diskussionen, wieder Zittern:

„Elfmeter für Augsburg! Rashica bringt Hahn im Strafraum zu Fall – Schiedsrichter Schröder zeigt ohne Umschweife auf den Punkt.“

Liveticker des Kicker

Ein – wie ich meine – relativ eindeutiger Elfmeter, da Rashica Hahn am Bein trifft und keine Chance auf den Ball hat. Daniel Caligiuri hieß nun der antretende Schütze aus Sicht des FCA, nachdem der etatmäßige Elfmeterschütze – namens Alfred Finnbogason – zuletzt zweimal vom Punkt aus vergab. Und der erfahrene Caliguiri netzte eiskalt ein. Keine Chance für den gegnerischen Torhüter! 2:0 – der FC Augsburg ist durch. Die Ersatzspieler, das Trainerteam und die diversen Funktionäre feierten – ebenso wie die lärmenden und feiernden Fans vor der Arena. Zu dieser Aktion wird in der kommenden Woche @birgit noch näheres berichten.

Hahn und Moisander kassierten in der Nachspielzeit beide noch die gelbe Karte, weil sie am Mittelkreis aneinander gerieten. Es war ein kampfbetontes, nervenaufreibendes Spiel. Dann wechselte Weinzierl Gregoritsch für Hahn ein, um Zeit von der Uhr zu nehmen. Sehr clever. Rashica kam in der 94. Spielminute noch zu einem Abschluss, dann war die Partie vorbei und die Dämme brachen. Die elfte Saison in der ersten Fußballbundesliga und Augsburg ist dabei.

„Das war’s! Der FC Augsburg schlägt den SV Werder Bremen mit 2:0 und tütet damit den Klassenerhalt ein. Für die Hanseaten hingegen hat sich die Lage zugespitzt: Werder geht als Tabellen-16. in den 34. Spieltag.“

Liveticker des Kicker

La Décima +1

Unsere Wünsche wurden erhört. Der FCA hat die Nerven halbwegs bewahrt und ging gegen den SV Werder als Sieger vom Platz. Das sah lange Zeit allerdings nicht so aus. Und dann kam Rani Khedira. Als letztes Geschenk – für seine vier Jahre in der Fuggerstadt – netzte er zum 1:0 ein. Und leitete somit den Sieg ein, gab dem schlingernden Team damit Hoffnung. Hoffnung auf den Klassenerhalt aus eigener Kraft. Denn sind wir mal ehrlich – die Hoffnung war auf ein sehr geringes Level gesunken, als Ruben Vargas sich die rote Karte auf bittere Art und Weise abholte.

Was ich mir für Ruben Vargas erhoffe? Das man ihn nicht zum Sündenbock macht, wie einst Reece Oxford. Beide Burschen sind noch jung, zum Teil noch unerfahren und ungestüm. Passiert, sollte aber eine Art „Lessons Learned“ für den Schweizer sein. Ein zweites Mal wird er sich sicherlich nicht zu so einer versuchten Tätlichkeit hinreißen lassen. Da können wir nur von Glück sprechen- und oh ja, wir hatten Glück – dass der FCA diese Partie nicht verloren hat. Sonst wäre Ruben Vargas heute vielleicht der Buhmann der Nation. Beziehungsweise im Augsburger Umkreis. Gott sei Dank ist dies so nicht eingetreten, denn sein Team hat – auch für ihn in Unterzahl – alles gegeben. Und gewonnen.

Fortuna war uns diesmal etwas wohlgesonnener als sonst. Wenn’s blöd läuft, dann macht der Bittencourt seinen Distanzschuss in der 72. Minute rein und dann stehts 1:1. Dann geht das Zittern in die nächste Runde. Wer weiß, ob das Momentum dann nicht zu unserer Ungunsten gekippt wäre. Aber hätte, hätte, Fahrradkette. Der FCA hat seine Chancen, im Gegensatz zum VfB-Spiel, genutzt. Der SV Werder hingegen ging fahrlässig mit seinen Torannäherungen um. Und somit feiern die Augsburger den Klassenerhalt und Bremen bibbert weiter um den Klassenerhalt.

Was bleibt ist Erleichterung

Imponiert haben mir heute insbesondere zwei Mannen: Flo Niederlechner, der sinnbildlich für die Mannschaft gerackert hat und die Mannschaft nach vorne getrieben hat. Und unser Ruhepol Rafal Gikiewicz, der wie die ganze Saison schon ein ruhiger und solider Rückhalt war. Insgesamt aber war die ganze Mannschaft heute – klammern wir Ruben Vargas einmal aus – fokussiert und konzentriert zu Werke gegangen. Weinzierls Matchplan ging – trotz über 30 Minuten Unterzahl – größtenteils auf. Endlich nahmen wir die Zweikämpfe an – die Stats besagen, wir gewannen 57% der Zweikämpfe gegen die Bremer. Man möchte gar nicht mehr zurückdenken, wie diese Spiele unter Heiko Herrlich verliefen. Und was gewesen wäre, wenn der Trainerwechsel nicht erfolgt wäre.

Der scheidende Rani Khedira hat dem FCA sein Abschiedsgeschenk gemacht. Und was für ein wichtiges! (Foto: Bernd Feil/M.i.S/Pool via Imago)

Wir haben vorne sicherlich nicht so schön und ansehnlich gespielt wie gegen den VfB Stuttgart – dies lässt sich auch mit den deutlich wenigeren Torchancen (13) und der relativ niedrigen Passquote (58%) – statistisch belegen. Jedoch haben wir gekämpft und den Gegner überwiegend neutralisiert. Den Bremern gewissermaßen den Ball überlassen, die damit nicht viel anzufangen wussten – 68% Ballbesitz der Bremer über das gesamte Spiel gesehen sprechen eine deutliche Sprache. Das Gesehene war in Grundzügen wieder die Mentalität, die uns Augsburger jahrelang auszeichnete. Ich will hierbei zwar nicht sagen, dass alles glorreich war, denn zum Beispiel haben wir die Konter teilweise zu schlampig ausgespielt und den Ball zu schnell wieder verloren. Aber endlich waren wieder Tugenden auf dem Platz zu sehen, die es im Abstiegskampf braucht! Mentalität, Wille, Einsatz. Und wir wurden dafür belohnt.

Und es war so besonders, weil wir gerade das 10jährige Bundesligajubiläum hinter uns haben. Der kleine FCA! Es wäre grausam gewesen, jetzt – genau jetzt – abzusteigen. Und auf diese Art und Weise, fast heimlich, so ganz ohne Fans. Wobei die Fans diesem Spieltag einen besonderen Flair durch ihr Engagement und ihre liebevoll geplante Aktion verleihen konnten. Das Spalier Stehen vor der Arena – unter Berücksichtigung der Corona-Auflagen – als der Mannschaftsbus einfuhr und das Skandieren, hat sicherlich mächtig Eindruck auf das Team gemacht. Chapeau und Danke für eure Mühen!

Ich freue mich jetzt einfach auf eine elfte Saison Bundesliga im beschaulichen Gallien. Äh, Pardon, Augsburg. Jetzt kann das Planen für eine weitere Spielzeit losgehen. Und es muss einiges intern auf den Prüfstand gestellt werden. Denn trotz des Klassenerhalts auf den letzten Drücker ist längst nicht alles gut. Es muss einiges aufgearbeitet werden, was diese Saison aus Augsburger Sicht zur – und nicht nur wegen Corona – quälendsten aller Zeiten gemacht hat.

Wir Fans können uns hingegen nächstes Wochenende entspannt zurücklehnen, mit den Bayern eine gemeinsame Party feiern, in einem Spiel in dem es um nichts mehr geht, als um Robert Lewandowskis Torrekord. Und können uns freuen, dass es eine 11. Saison für uns Augsburger gibt, während in Bremen und Köln gerade die Lichter ausgehen. Wie schnell sowas gehen kann, haben wir nun gesehen und das sollte uns eine Lehre sein. Vielleicht wird die nächste Saison etwas entspannter, ohne Herzkasper und einen Showdown? Das wäre für meine Gesundheit wirklich wichtig. Für eure vielleicht auch?

In diesem Sinne: Ein Leben lang – nur der FCA!

FCA-Nachwuchs in Corona-Zeiten: „Es entsteht eine Lücke in der Entwicklung“

Die meisten Fußballplätze in Deutschland wirken momentan nahezu ausgestorben. Coronabedingt sind die Spielstätten vielerorts geschlossen. In Bayern etwa ist gemäß der Infektionsschutzverordnung lediglich kontaktarmer Sport im Freien gestattet, je nach Inzidenz greifen härtere Maßnahmen. Spiele finden seit Herbst nahezu gar nicht mehr statt. Laut DFB durften im Februar 2021 nur 0,07 Prozent aller 145.000 Mannschaften in Deutschland spielen. Anfang November haben sich die Präsidenten der Regional- und Landesverbände gemeinsam mit DFB-Präsident Fritz Keller dafür ausgesprochen, das „organisierte Sporttreiben für Kinder und Jugendliche unter freiem Himmel“ wieder zu ermöglichen. Seitdem ist in der Breite wenig passiert.

Der FC Augsburg gehört zu den wenigen Teams im Land, die geringer von den Einschränkungen betroffen sind. Vor Ort schätzt man dieses Privileg sehr, wie Roy Stapelfeld, Kaufmännischer Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, im Gespräch mit der Rosenau-Gazette erklärt. Seit 2015 leitet der gebürtige Thüringer die Nachwuchsabteilung des FCA und ist damit federführend für die rund 220 Spieler der elf Nachwuchsmannschaften von der U9 bis zur U23 verantwortlich.

Stapelfeld bemüht sich um Optimismus, erkennt aber auch die möglichen Probleme eines beispiellosen Jahres, in denen von geregeltem Wettbewerb keine Rede sein kann. In puncto Nachwuchsförderung spricht er von einer „Lücke in der Entwicklung“. Diese soll die „Vision, die uns daran erinnert, wofür wir das alles hier eigentlich machen“ jedoch nicht hemmen.

Roy Stapelfeld war vor seiner Arbeit in Augsburg Geschäftsführer beim FC Carl Zeiss Jena. Nun widmet sich der 45-Jährige voll und ganz dem FCA. (Foto via imago)

Herr Stapelfeld, wann standen Sie zuletzt bei einem Fußballtraining einer Augsburger Jugendmannschaft auf dem Sportplatz?  

Vor Ostern habe ich mir ein internes Testspiel zwischen der U23 und der U19 angeschaut. Das war ein gutes Gefühl, von der Nähe aus live ein Fußballspiel zu sehen, weil das sehr, sehr lange her war.

„Die Spieler sind traurig, weil die Wettkämpfe fehlen“

In welchem Umfang darf denn aktuell überhaupt trainiert werden?

Es ist ein bisschen kompliziert. Seit dem zweiten Lockdown im November dürfen wir ab der U17 trainieren. Das ist möglich durch eine Sondergenehmigung, da unsere Spieler als Auszubildende gelten. Wir sind extrem dankbar, in diesen Altersklassen einen relativ normalen Trainingsbetrieb – unter Beachtung aller Hygienevorschriften – zu haben.

Seit Oktober gab es keine Pflichtspiele mehr. Wie nehmen die Kinder und Jugendlichen im Verein diese Einschränkungen wahr?

Den Spielern geht es da sicherlich wie allen Menschen, die durch die Corona-Thematik beeinträchtigt sind. Sie sind traurig, weil die Wettkämpfe fehlen. Das ist das, was Fußball ausmacht und aktuell fehlt deshalb etwas. Auf der anderen Seite sind wir und die Spieler sehr dankbar und froh darüber, dass wir überhaupt trainieren dürfen. Das Wichtigste ist, die positive Grundstimmung nicht zu verlieren.

Wie ist es für die Kinder aus den unteren Jahrgängen. Sie dürfen quasi seit Monaten nicht trainieren?

Wir können seit Anfang März auch mit der U14, U15 und U16 trainieren. Diese Altersklassen werden nach einem Antrag, den die Kickers Würzburg gestellt hatten und dem stattgegeben wurde, als Landeskader gesehen, sodass keine weiteren Einschränkungen gelten. Das war ein schöner Zwischenschritt, weil diese Jungs vorher überhaupt nicht trainieren durften. Bis zur U9 ist aber nahezu gar kein Training möglich. Wir haben anfangs kontaktarmes Training angeboten, aber dann war auch dies nicht mehr möglich.

Wie stehen Sie mit diesen jungen Spielern im Austausch?

Wir haben versucht, so kreativ wie möglich zu sein und Dinge entwickelt, um mit den Mannschaften Kontakt zu halten. Es geht hierbei um zwei Themen: Einerseits um den sozialen Kontakt. Mannschaftssport lebt vom Miteinander. Das ist aktuell kaum möglich, wir versuchen aber die Bindung zum Verein aufrechtzuerhalten. Andererseits spielt auch die sportliche Aus- und Weiterbildung eine Rolle. Wir versuchen, das bestmöglich online darzustellen.

Wie konkret sehen diese digitalen Angebote aus?

Wir haben Online-Spieltage gegen andere Nachwuchsleistungszentren abgehalten und Hausaufgaben-Trainingsprogramme erstellt, in denen Technik, Kognition und Athletik in den Vordergrund gerückt wurden. Außerdem stehen alternative Sportarten wie Yoga, Basketball oder Volleyball sowie ein Kurs zur Zubereitung von gesunden Shakes für Sportler auf dem Programm. Zudem können Videoanalysen zur Vermittlung beitragen.

„Man muss der Politik vertrauen. Wir haben eine große Verantwortung“

Der BFV untersuchte im Dezember in einer Umfrage die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Vereine. Fast Zwei Drittel sorgen sich, in Zukunft weniger Mitglieder zu haben. Vier von fünf Vereinen befürchten einen Wegfall von Kindern und Jugendlichen für den Fußball. Das trifft den Amateursport gewiss härter, aber sehen Sie auch in Augsburg die Gefahr, Kinder zu verlieren?

Ehrlicherweise spüren wir diese Auswirkungen aktuell nicht beziehungsweise noch nicht. Wenn wir in absehbarer Zeit wieder zur Normalität zurückkehren können, ist die Problematik meiner Meinung nach auch noch aufzufangen. Die Leute haben ja grundsätzlich den Drang, Sport zu betreiben. Wenn sich das aber noch länger hinzieht, wird es logischerweise irgendwann auch Einbrüche in diesem Bereich geben. 

Die Gesellschaft für Aerosolforschung veröffentlichte vor Kurzem einen offenen Brief an die Bundesregierung. Darin heißt es: Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, lauere insbesondere in geschlossenen Räumen, weniger an der frischen Luft. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht erst seit Kurzem bekannt und DFB oder BFV argumentieren schon lange: Solange die Regeln außerhalb des Platzes eingehalten werden, spricht eigentlich wenig gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Haben Sie daher noch Verständnis dafür, dass der Breitensport und auch Teile der Jugend des FC Augsburg weiter ausgesetzt bleiben?

Das ist eine schwierige Frage. Es ist absolut schwer einzuschätzen und man muss der Politik, die aktuell einen echt schweren Job hat, vertrauen. Da sind Experten am Werk, die Keinem etwas Böses wollen. Daher ist das der Weg, den wir gehen müssen, weil die Gesundheit das Wichtigste ist. Wir sind dabei in einer Position, in der wir mit Schutzbefohlenen arbeiten. Dadurch haben wir eine große Verantwortung und deshalb wollen wir auch komplett auf Nummer sicher gehen. Wir in Augsburg haben gut funktionierende Hygienekonzepte, allerdings auch kleinere Probleme wie eine nicht ganz so optimale Parkplatzsituation am Trainingsgelände oder einfach auch das intuitive Verhalten kleinerer Kinder. Wir hoffen, dass es irgendwann wieder zu Normalität kommt, aber es handelt sich um eine schwierige Thematik mit vielen Faktoren drumherum.

„Diese Frage stellt sich aktuell Jeder im Nachwuchsfußball“

Im Nachwuchsleistungszentrum des FC Augsburg gibt es Spieler, die schon bei den Profis mittrainieren durften, in Testspielen zum Einsatz kamen oder sogar im Bundesligakader standen. Tim Civeja (19) feierte sein Profidebüt. Aber auch Talente wie Jannik Schuster (22) David Deger (21), Seong-Hoon Cheon (20), Lukas Petkov (20), Adrien Koudelka (18), Dion Berisha (17), Franjo Ivanovic (17), Dikeni Salifou (17) oder Kristijan Taseki (17) gerieten ins Blickfeld. Wie folgenschwer für ihren weiteren Karriereweg ist dieses verlorene Jahr mit kaum Wettkampfpraxis?

Bei jedem Spieler, der jetzt über lange Zeit nicht trainieren oder spielen konnte, handelt es sich logischerweise um eine Lücke in der Entwicklung. Wir reden über Spieler, die alle hier sind, um sich zu entwickeln und da ist jede Altersklasse wichtig. Was dieses Corona-Jahr mit jedem Spieler macht, ist eine große Frage, die wir wahrscheinlich erst in der Zukunft beantworten können. Führt es zu einer gewissen Delle oder steckt man das einfach so weg und macht ohne negative Auswirkungen weiter, wo man vor Corona aufgehört hat? Diese Frage stellt sich aktuell Jeder im Nachwuchsfußball, man muss dabei allerdings auch etwas differenzieren.

Inwiefern?

Es gibt Spieler, für die dieses Jahr keine allzu großen Auswirkungen haben wird. Tim Civeja zum Beispiel, der sich aktuell bereits bei den Profis beweisen kann. Aber insbesondere für die Spieler, die noch nicht so im Fokus sind und noch einen Entwicklungsschritt weiter zurück sind, ist es ohne Wettkämpfe schwer, sich zu zeigen. Wir versuchen wegen der Durchlässigkeit, die Nachwuchsspieler bei den Profis mittrainieren zu lassen oder sie in Testspielen zum Einsatz zu bringen. Das ist wichtig für den Vergleich auf höherem Niveau.

Tim Civeja spielt seit 2015 in der Jugend des FC Augsburg. Der gebürtige Dachauer kommt mittlerweile auf drei Profieinsätze in der Bundesliga. (Foto via imago)

„Wir wollen uns an Hofmanns Mission messen lassen“

Diese Spieler sind in einem Alter, in dem die Schritte zum Profifußball kleiner werden. Erste Verträge werden ausgehandelt, der Traum vom Profifußball scheint greifbarer. Gleichzeitig bleibt aufgrund der geringen Durchlässigkeit ein gewisser Druck. Werde ich übernommen? Wie steht mein Coach überhaupt zu mir? Wie gehen Sie und die Trainer des FC Augsburg aktuell mit diesen Talenten um?

Das kann man nicht verallgemeinern und ist völlig individuell zu sehen. Man muss mit den Jungs sprechen und auch ihre Ziele und ihr Umfeld betrachten. Wo will jemand hin? Wie schätzt er sich selbst ein? Da gibt es Spieler, die sich fußballerisch auf hohem Niveau befinden und – ob bei uns oder woanders – ihren Weg gehen werden. Dann gibt es aber auch Spieler, die sich für die Sicherheit entscheiden und sich auf das Schulische wie Berufliche konzentrieren. Das ist etwas, was wir absolut befürworten und diese Jungs auf ihrem Weg auch unterstützen.    

Klaus Hofmann investierte in die Nachwuchsförderung des FC Augsburg und formulierte 2014 ehrgeizig: „Meine Vision ist es, dass ich einmal im M-Block stehe und in der Startformation unserer Bundesligamannschaft stehen vier Spieler, die schon seit der D-Jugend bei uns sind.“ Nun sagte er in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen bezogen auf die Nachwuchsförderung: „Wir hatten zwischenzeitlich einen guten Stand, auf den wir aber wieder kommen müssen“. Sehen Sie dieses Ziel als realistisch an?

FCA-Vorstandschef Klaus Hofmann sieht im Augsburger Nachwuchs eine wichtige Säule für die Zukunft – Roy Stapelfeld ebenso. (Foto via imago)

Ja, ich glaube es ist eine Frage der Zeit. Nachwuchsentwicklung ist etwas Mittel- und Langfristiges und da braucht man Zeit und Geduld. Vier Nachwuchsspieler in der Startelf sind eine ordentliche Zielsetzung – an der wir uns aber auch messen lassen wollen. Das ist eine Vision, die uns daran erinnert, wofür wir das alles hier eigentlich machen. Ich halte sie nicht für unrealistisch. Gewisse Schwankungen in einzelnen Jahrgängen sind normal, aber wir streben danach, in jedem Jahrgang Spieler zu haben, die wir nach oben bringen können.

Interview: Andreas Schmid

3 Eier fürs Osternest

Hurra, endlich wieder Bundesliga! Zwei Wochen mussten eingefleischte Fußballfans in ganz Deutschland darauf warten, bis am Wochenende in neun Stadien endlich wieder der Ball rollte. Nicht nur das Spitzenduell RB Leipzig gegen den FC Bayern München stand an diesem Spieltag an, sondern auch unser Spiel gegen die TSG aus Hoffenheim. Anpfiff der Partie, die in unserer heimischen WWK-Arena stattfand, war am Samstag um 15:30 Uhr.

Unser Gegner – TSG 1899 Hoffenheim

Auch wenn viele die Sinsheimer als reinen Kommerzverein beschimpfen, so stimmt das jedoch nicht ganz, denn die TSG hat bereits eine lange Vereinshistorie vorzuweisen. Alles begann mit der Gründung am 01.07.1899. Somit ist der Verein aus Baden-Württemberg ganze 8 Jahre älter als unser FC Augsburg. Allerdings gibt es erst seit 1921 eine Fußballabteilung. Davor fand in Sinsheim überwiegend Turnsport statt.

Nach dem Einstieg von Dietmar Hopp 1989, schafften es die Kraichgauer binnen zehn Jahren von der Kreisliga A in die Oberliga. Also war es für die TSG Zeit, einen neuen Cheftrainer an Land zu ziehen. Das war kein geringerer als der heutige Übertrainer der Liga – Hansi Flick. Er führte die Hoffenheimer in die Regionalliga.

Sein Nachfolger ab Juli 2006 war Ralf Rangnick, der heute als potentieller Bundestrainer gehandelt wird. Er führte Hoffenheim nicht nur in die zweite sondern auch direkt weiter in die erste Bundesliga, wo sie sich seit der Saison 2008/09 erfolgreich halten können.

Hoffenheim in der Saison 2020/21

Derzeit erstreckt sich der Kader der TSG Hoffenheim über 32 Spieler. Davon sind 17 regelmäßig für ihre Nationalmannschaften im Einsatz. Trainer Sebastian Hoeneß holte man im August 2020 von der Zweitvertretung des FC Bayern München, mit welcher er die Meisterschaft der 3. Liga gewinnen konnte. Hoeneß‘ bevorzugtes Spielsystem ist eigentlich ein 4 – 2 – 3 – 1, wie es auch Heiko Herrlich bei unserem FCA gerne anwendet.

So wirklich überzeugen konnte Hoffenheim dieses Jahr allerdings noch nicht. Das mag aber auch der Doppelbelastung Liga und Europa League geschuldet sein. In den vorherigen 26 Spielen konnten die Hoffenheimer lediglich 8 Siege einfahren. 6 Mal teilte man sich mit dem Gegner die Punkte. 12 Niederlagen sorgten allerdings auch dafür, dass man die Kraichgauer vor der Partie mit 30 Punkten auf Platz 11 der Tabelle findet. Eine besonders bittere Klatsche erhielten die TSGler dabei von Tabellenschlusslicht Schalke 04, die gegen Hoffenheim ihren einzigen Saisonsieg einfahren konnten.

Ausgangssituation vor der Partie

Die bisherige Bilanz gegen TSG 1899 Hoffenheim sprach leider nicht gerade für uns. In bisher 31 Spielen konnten unsere Jungs 10 Siege und 6 Remis einfahren. 15 Spiele gingen an die Hoffenheimer. Sieht man sich das Torverhältnis an, so standen 52 Tore für die Kraichgauer und 40 Tore für unseren FC Augsburg auf dem Papier.

1:3 lautete das Ergebnis der vorherigen beiden Partien. Gerade das Spiel in der Hinrunde wird uns wohl nicht so gut in Erinnerung bleiben, denn die TSG lag zu der Zeit 3 Punkte hinter uns in der Tabelle und konnte mit dem Sieg gegen uns zu uns aufschließen, bzw. uns aufgrund des besseren Torverhältnisses sogar überholen.

Den letzten Sieg für unsere Jungs gab es am 13.12.2019. Die Partie wurde in Sinsheim ausgetragen und der FCA gewann mit 4:2 durch Tore von Philipp Max (2), Frederik Jensen und Iago. Der letzte Heimsieg unseres Teams lag schon über 6 Jahre zurück, denn dieser war am 01.02.2015.

Herrlichs Plan gegen Hoffenheim

Obwohl es ein Feiertag war, fand die Pressekonferenz vor dem Spiel am Freitagmittag wie geplant statt. Um Punkt 13:00 Uhr nahmen Coach Heiko Herrlich und Marco Richter auf dem Podium Platz. Wirklich viele Informationen konnte man aus diesem Pressegespräch allerdings nicht ziehen, denn neben der obligatorischen Frage nach dem Personal wurde sehr viel über die Länderspielpause und die Vorzüge des anwesenden Stürmers gesprochen.

Doch ein bisschen was konnte man unserem Trainer dann doch entlocken und ich selbst war doch überrascht, dass seine geliebte Tatik „Wir müssen versuchen hinten kompakt zu stehen“ überhaupt nicht erwähnt wurde. Stattdessen lautete die Vorgabe für die Partie am Samstag:

Jetzt ist erst mal das Spiel gegen Hoffenheim. Jetzt unabhängig von den Gegnern, die danach kommen, wollen wir jetzt am besten die drei Punkte hier halten und das Ziel muss sein, Hoffenheim hier zu überholen.

Heiko Herrlich in der PK am 02.04.2021

Das war doch schon mal eine Kampfansage an den Gegner, dessen Stärken und Schwächen man sehr gut zu kennen glaubte. Auch wenn die TSG mit zwei Niederlagen im Gepäck zu uns in die WWK-Arena kam, so sah Herrlich in ihnen eine Menge Potential, da sie bisher doch sehr viele Kontertore gemacht haben.

Überraschung am Karsamstag

Ich denke, ich spreche für viele Fans, wenn ich sage, dass unsere Startaufstellung doch eine kleine Sensation war. Viele – mich eingeschlossen – haben mit einer ähnlich defensiven Ausrichtung wie in den Spielen zuvor gerechnet. Auch ist man wohl davon ausgegangen, das die üblichen Verdächtigen, die gerne den Zorn so genannter „Fans“ auf sich ziehen, wieder von Beginn an ran durften.

Zurück in der Startelf und gleich ordentlich abgeliefert – Carlos Gruezo (Foto: Peter Fastl via Imago)

Doch das Gegenteil war der Fall. Im Vergleich zum Spiel gegen SC Freiburg nahm Heiko Herrlich zwei Änderungen in der Anfangsformation vor. Im defensiven Mittelfeld durfte Carlos Gruezo für Tobias Strobl ran. Für László Bénes rückte Ruben Vargas ins Team und das, obwohl er drei Partien für seine Nationalmannschaft in den Beinen hatte und erst am Donnerstag zur Mannschaft gestoßen war.

Aufstellung: Gikiewicz – Gumny, Uduokhai, Gouweleeuw, Framberger – Gruezo, Khedira – Vargas, Richter, Caligiuri – Hahn
Bank: Koubek, Strobl, Suchý, Bénes, Sarenren Bazee, Finnbogason, Oxford, Pedersen, Gregoritsch

Dem gegenüber stand eine 3-4-1-2 – Formation der Hoffenheimer, die einige Verletzungssorgen zu kompensieren hatten. Zudem hatten sie mit 12 Nationalspielern einige nicht zu einhundert Prozent fitte Männer in ihrem Kader.

Aufstellung: Baumann – Richards, Grillitsch, Posch – John, Samassekou, Rudy, Kadeřábek – Baumgartner – Rutter, Bebou
Bank: Pentke, Bogarde, Adams, Akpoguma, Belfodil, Skov, Sessegnon, Gaćinović, Vogt

Erste Halbzeit top…

Pünktlich um 15:30 Uhr pfiff Schiedsrichter Guido Winkmann die Partie in unserem Wohnzimmer an. Gleich von Beginn an war den Kraichgauern ihre Unsicherheit anzumerken, während unser FCA um einiges besser in die Partie kam. Bereits in der fünften Spielminute konnten wir unsere erste Torchance verbuchen: Nach Fehlpass von Florian Grillitsch schaltete das Team perfekt um. Vargas verlagert das Spiel auf die rechte Seite zu Caligiuri, der ins Zentrum zog und den direkten Abschluss suchte. Nur ganz knapp ging der Ball am linken Pfosten vorbei. Das war doch schon mal ein sehr guter Auftakt.

Nur drei Minuten später verlor Hoffenheim erneut den Ball, den sich Khedira schnappte und weiter zu Cali passte. Dieser spielte den Hoffenheimer Grillitsch perfekt aus und legte ab auf Ruben Vargas, der die Kugel von der Strafraumgrenze aus direkt im langen Eck versenkte. Keine Chance für Baumann – 1:0 für unseren FC Augsburg!

In der Folge ließ man Hoffenheim ein wenig kommen. Doch den Gästen fiel nicht wirklich viel ein, musste man doch erneut einem frühen Rückstand hinterher laufen. Und so war es erneut der kleine Wirbelwind Vargas, den die Kraichgauer nicht unter Kontrolle brachten.

In der 23. Spielminute spielte Vargas einen Zuckerpass vom eigenen Strafraum aus auf André Hahn, der zwei Hoffenheimer Abwehrspieler eiskalt stehen ließ und frei auf Keeper Baumann zuhielt. Vollkommen abgebrüht und mit Nerven wie Drahtseilen versenkte er den Ball und machte damit Saisontor Nummer 7 perfekt.

Doch noch schienen unsere Jungs nicht genug zu haben, denn nur zwei Minuten später flankt Hahn auf Vargas, doch leider geht dessen Kopfball klar über den gegnerischen Kasten. Und auch Robert Gumny hatte das 3:0 auf dem Fuß, als er nach Ecke von Caligiuri nur knapp das TSG-Tor verfehlte.

Der Mann der ersten Halbzeit – ein Tor, eine Vorlage, TOP! (Foto: Sascha Meiser/APF/Pool via Imago)

In Hälfte 1 hatte uns Hoffenheim nicht wirklich viel entgegen zu setzen. Sie bemühten sich zwar, doch unsere Abwehr hatte hinten alles im Griff. Nur ein einziges Mal wurde es gefährlich. In der 39. Spielminute flankte Mittelfeldspieler Sebastian Rudy aus dem Halbfeld in den Augsburger Strafraum. Dort setzte sich Bebou im Kopfballduell durch, doch unsere Wand Rafal Gikiewicz war zur Stelle und verhinderte den Anschlusstreffer.

So ging es mit einer 2:0-Führung in die wohlverdiente Pause und ich muss sagen, dass das wohl die beste erste Hälfte war, die wir seit dem Hinrundenspiel gegen Mainz 05 sehen durften.

Zweite Halbzeit Flop…

Das Aufregendste an der zweiten Halbzeit dürften – aus Augsburger Sicht – wohl die Wechsel in der Halbzeitpause gewesen sein. Sebastian Hoeneß brachte mit Vogt (für Samassékou), Sessegnon (für John) und Gaćinović (für Rudy) gleich drei frische Kräfte.

Auf Augsburger Seite wurde zwei Mal gewechselt. Mads Pedersen kam für Raphael Framberger, der nach einem Zusammenstoß über Schwindel klagte. Pedersen übernahm daraufhin die linke Abwehrseite – Robert Gumny rutschte auf rechts. Auch Ruben Vargas bat in der Pause um Auswechslung, da er laut Sportdirektor Stefan Reuter vollkommen platt war. Für ihn kam Michael Gregortisch in die Partie.

Ich denke, der Einsatz hat sich gelohnt.

Heiko Herrlich über Ruben Vargas nach dem Spiel

Der erste Torschuss nach Wiederanpfiff ereignete sich in der 62. Spielminute auf Seiten der Kraichgauer, als Kadeřábek in die Arme von Gikiewicz köpfte. Nur zwei Minuten später rettete unser Schlussmann erneut, als er einen Schuss von Bebou mit der Hacke ans Außennetz lenkte.

Die komplette Partie wirkte nunmehr sehr zäh. Nach vorne ging für uns überhaupt nichts mehr. Null Torschüsse stehen auf unserer Auswertung von Hälfte 2. Der FCA machte hinten dicht und zitterte sich so zum Erfolg. Auch als man nach der Einwechslung von Reece Oxford auf einer Dreierkette umstellte, agierte man weiter sehr passiv.

Ab der 86. Minute wurde es jedoch leider noch einmal spannend, denn der TSG gelang durch ein Traumtor des zuvor eingewechselten Robert Skov der 2:1-Anschlusstreffer. Noch ganze acht Minuten mussten die FCA Fans bibbern. Aber schließlich – und Gott sei Dank – wanderten drei verdiente Punkte ins Augsburger Osternest und das vorgegebene Ziel, Hoffenheim in der Tabelle zu überholen, wurde erreicht.

Unhaltbar für Gikie – Robert Skov macht den Anschlusstreffer (Foto: Peter Fastl/POOL via Imago)

Noch eine kleine Information am Rande: Dies war der 100. Sieg der Augsburger Bundesligahistorie. Das gesamte Team der Rosenau Gazette gratuliert ganz herzlich!

Stimmen zum Spiel

Daniel Caligiuri: Die erste Halbzeit war richtig gut von uns. Wir sind mit viel Selbstvertrauen auf den Platz gegangen und es freut mich, dass wir mal früh 2:0 in Führung gehen konnten. Wir wussten, dass uns Hoffenheim Räume bieten wird. Diese haben wir sehr gut genutzt. Zum Schluss mussten wir leider noch zittern, weil wir das dritte Tor, das vor der Pause möglich war, nicht gemacht haben.

Marco Richter: Dieser Dreier ist sehr wichtig, nicht nur für die Tabelle, sondern auch für unser Selbstvertrauen. Wir freuen uns über die drei Punkte, die in meinen Augen auch verdient waren. Wir konnten so Hoffenheim überholen und den Abstand nach unten vergrößern. Daher sind wir zufrieden.

André Hahn: Es war ein enorm wichtiger Sieg, weil wir an Hoffenheim vorbei gezogen sind und endlich die negative Heimserie gegen Hoffenheim beendet haben. Der Trainer hatte in seiner Analyse darauf hingewiesen, dass Hoffenheim sehr hoch stehen wird und wir diese Räume nutzen wollen. Das haben wir bei den beiden Toren sehr gut gemacht.

Rafal Gikiewicz: Ich glaube, die erste Halbzeit war entscheidend. Aber in der zweiten Halbzeit spielen wir scheiße. In der Bundesliga kannst du nicht eine gute Halbzeit spielen und dann in der zweiten Halbzeit so passiv sein.

Stefan Reuter: In der zweiten Halbzeit haben wir es nicht mehr gut gemacht. Auf den Außenpositionen haben wir keinen Druck mitbekommen.

Heiko Herrlich: Ich habe eine sehr gute erste Hälfte von meiner Mannschaft gesehen. Wir sind gut ins Spiel gekommen, waren griffig in den Zweikämpfen und hatten gute Balleroberungen. So haben wir zwei sehr gute Tore erzielt. Wir haben das Spiel kontrolliert und hatten sogar die Möglichkeit, auf 3:0 zu erhöhen. In der Pause mussten wir zweimal wechseln. Ruben Vargas war platt. Am Morgen hatte er noch über Magen-Darm-Probleme geklagt. Raphael Framberger hatte einen Zusammenprall gehabt. In der zweiten Hälfte hatten wir zu viele einfache Ballverluste. Das werden wir aufarbeiten, aber auch die guten Szenen der ersten Hälfte hervorheben. Am Ende mussten wir noch zittern. Insgesamt geht der Sieg aber in Ordnung.

Die erste Hälfte gibt Anlass zu großer Freude (Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/Pool via Imago)

Das sagen die Hoffenheimer

Florian Grillitsch: Das 0:1 fällt früh und dann laufen wir wieder einem Rückstand hinterher. Es ist unglücklich für uns, aber wir haben heute nicht die richtige Antwort gehabt, haben nicht gewusst, wie wir uns Chancen herausspielen können. Beim 0:2 hat die Restverteidigung einfach nicht gepasst, so bekommen wir wieder ein Gegentor. Danach hat sich Augsburg hinten rein gestellt und die Räume wurden eng.

Robert Skov: Wir waren gut vorbereitet auf die Augsburger Stärken, aber wir haben es auf dem Platz nicht hinbekommen in der ersten Hälfte. Das muss besser funktionieren. Wir sind natürlich extrem enttäuscht über die drei Niederlagen nacheinander.

Sebastian Hoeneß: Glückwunsch an Augsburg zum Sieg. Die Anfangsphase haben wir uns natürlich anders vorgestellt. Wir wussten, wenn wir hinten liegen, ist es schwer zurück zu kommen. Umso bitterer waren die beiden Gegentore. Damit hatten wir zu kämpfen, wir sind zu ruhig geworden. Danach kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf mehr machen. Wir haben es ordentlich gespielt. Nach der Pause haben wir das Spiel in die gegnerische Hälfte verlagert, aber uns hat die Effizienz gefehlt.

„Gegen Augsburg kann man mal verlieren – Hoffenheim kassiert die 3. Niederlage in Folge (Foto: Peter Fastl/POOL via Imago)

Ein Blick auf die Spielstatistik

FC Augsburg:

  • Ballbesitz: 39 %
  • Schüsse: 7 – 2 davon direkt aufs Tor
  • Pässe: 282
  • Passquote: 78 % (in Halbzeit 1: 82 %)
  • Laufdistanz: 122,4 km
  • Abseits: 4
  • Begangene Fouls: 7
  • Ecken: 2
  • Gewonnene Zweikämpfe gesamt: 106
  • Am meisten gewonnene Zweikämpfe: Daniel Caligiuri (18)
  • Schnellster Spieler: Robert Gumny (32,06 km/h)
Gib Gummi, Gumny! (Foto: Sven Simon/POOL via Imago)

TSG Hoffenheim:

  • Ballbesitz: 61 %
  • Schüsse: 16 – 6 davon direkt aufs Tor
  • Pässe: 679
  • Passquote: 86 % (in Halbzeit 1: 86 %)
  • Laufdistanz: 122,2 km
  • Abseits: 2
  • Begangene Fouls: 10
  • Ecken: 10
  • Gewonnene Zweikämpfe gesamt: 100
  • Am meisten gewonnene Zweikämpfe: Georginio Rutter (15)
  • Schnellster Spieler: Florian Grillitsch (33,57 km/h)

Fazit

Gerade die ersten 30 Minuten waren sehr vielversprechend. Mit Mut, Wille, Kampfgeist und Selbstvertrauen spielten unsere Jungs bissig und vor allem auch sehr effizient. Doch danach verfiel man wieder in das altbekannte Muster „Ergebnis verwalten“ und machte den Gegner somit stark. Natürlich sind wir froh und glücklich, dass wir einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt machen konnten. Doch man stellt sich automatisch die Frage: Warum nicht öfter so wie in der ersten Halbzeit? Warum dieser Hang zur Passivität?

Am Sonntag (15:30 Uhr) geht es gegen das weit abgeschlagene Tabellenschlusslicht Schalke 04. Wir hoffen sehr, dass wir mehr von der Griffigkeit sehen, die uns gegen die TSG Hoffenheim in Hälfte 1 ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat. Auf geht’s, Jungs! Holt euch den 101. Sieg!!!

Doomsdays beim FCA

Aus dem Englischen übersetzt heißt „Doomsday“ „jüngstes Gericht“. Die Idee vom Jüngsten Gericht stammt aus Religionen wie dem Christen- oder Judentum und ist eng mit der Vorstellung der Auferstehung verknüpft. Natürlich wollen wir in der Rosenau Gazette nicht über Religion schreiben, sondern über Fußball. Und auch das Bild, wie der FCA vor dem jüngsten Gericht steht und dort über seine Auferstehung (oder eben seine ewige Verdammnis) entschieden wird, ist erstmal ein bisschen übertrieben.

Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass die letzten fünf bzw. sechs Spieltage gegen die Top-Mannschaften der Bundesliga für den FCA Wochen der Wahrheit gewesen sein werden. An ihnen entscheidet sich – und das eben vielleicht ein bisschen finaler als sonst –, wo wir uns aktuell verorten können (und müssen), wohin die weitere Reise geht und wahrscheinlich auch mit welchem Personal. Auch wenn nach wie vor an Trainer Heiko Herrlich festgehalten wird. Fester als es vielleicht so manchem Fan – mich eingeschlossen – lieb ist, wie gerade am Freitag mitgeteilt wurde.

Die Vorausschau auf den letzten dieser „Spieltage of Doom“ (danke, Andy, für die Idee), an dem wir am Sonntag (22. Spieltag, 21.02., 13:30 Uhr) gegen Bayer 04 Leverkusen antreten, will ich dazu nutzen, um auch nochmal kurz auf die anderen Spiele dieser „schicksalhaften“ Serie (Leipzig, Wolfsburg, Dortmund, Union und Bayern) zurückzublicken. Und auch darauf, was mir bei den Spielen Kopfzerbrechen bereitet, aber auch Hoffnung gemacht hat.   

#FCAB04: Formschwach gegen endspurtschwach

Als Letztes geht’s jetzt also gegen Bayer. Am vergangenen Spieltag hatte die Elf von Peter Bosz gegen hartnäckige Mainzer durch einen Doppelschlag spät den 2:2-Ausgleich kassiert und damit Punkte im Kampf um die CL-Ränge liegengelassen. Einen Rückschlag musste Leverkusen auch im Achtelfinale des DFB-Pokals vor zwei Wochen hinnehmen. Zwar war die Werkself, die sich schon in der regulären Spielzeit gegen Rot-Weiß Essen zahlreiche Chancen erarbeitet hatte, zunächst in der 105. Minute mit 1:0 in Führung gegangen. Allerdings hielt der Viertligist wacker dagegen, schaffte bis zum Ende der Verlängerung tatsächlich noch das 2:1 und machte damit seinem Ruf als „Pokalschreck“, der zuvor schon Bielefeld und Düsseldorf aus dem Turnier gekickt hatte, alle Ehre.

Der Leverkusener Mannschaft wird mittlerweile auch eine Tendenz nachgesagt, „Probleme im Endspurt“ zu haben und „in den Schlussminuten Siege zu verspielen“. Ein noch aktuelleres Beispiel dafür: Leverkusens Auftritt in der Europa League gegen Young Boys Bern. Obwohl Bayer in einer schier unglaublichen Aufholjagd einen 0:3-Rückstand (!) tatsächlich noch in ein 3:3 verwandelte, fing es sich tatsächlich noch das 4:3. Und wann? Na klar, wieder einmal spät, in der 89. Minute.

Damals noch für andere Teams an der Seitenlinie: mittlerweile ist Peter Bosz seit einer Weile in Leverkusen während Heiko Herrlich in Augsburg aktiv ist. Beide kennen sich aus früheren Begegnungen gut. (Foto via imago)

Trotz dieser Endspurtschwäche hat es sich Bayer spätestens seit dem 5. Spieltag im oberen Tabellendrittel der Liga gemütlich gemacht. Zweimal führte es die Tabelle in dieser Saison sogar an. Zu Buche steht aktuell Platz 5 mit 36 Punkten, mit einem Drei-Punkte-Puffer nach oben und unten. Da stehen aktuell Wolfsburg bzw. Dortmund.

Beim FCA zeigt die Formkurve dagegen klar nach unten. Seit drei Spieltagen stehen wir jetzt mit 22 Punkten auf Rang 13. Allerdings ist der Abstand zum Relegationsplatz inzwischen auf vier Punkte zusammengeschrumpft, aus den letzten sieben Spielen sprangen nur magere drei Punkte heraus. Dass es der FCA am Sonntag mit einem harten Brocken zu tun bekommt, zeigt auch der Direktvergleich. Noch nie hat der FCA in der Bundesliga gegen Bayer gewinnen können, unentschieden gingen nur 6 der bisher 19 Spiele aus. Die letzten fünf Partien gingen sogar alle verloren:

26.10.2020: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 3:1 
23.02.2020: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 2:0 
28.09.2019: FC Augsburg – Bayer 04 Leverkusen 0:3
26.04.2019: FC Augsburg – Bayer 04 Leverkusen 1:4
08.12.2018: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 1:0

Im Dezember 2018 saß bei Leverkusen übrigens noch Heiko Herrlich auf der Trainerbank, während beim FCA noch Manuel Baum die Geschicke lenkte. Obwohl Herrlich mit Bayer am 22.12.2018 noch einen Sieg gegen die Hertha eingefahren hatte, entschied sich die Geschäftsführung nur einen Tag später für die Trennung. „Rudi Völler begründete die Entscheidung gegen Herrlich mit der ‚Stagnation in der Entwicklung des Teams […]‘“, was so manchem FCA-Fan bekannt vorkommen dürfte. Herrlich leitete in seinen knapp eineinhalb Jahren bei der Werkself 64 Spiele. Nach ihm übernahm Peter Bosz. Dem darf Herrlich am Sonntag in der Arena die Grußfaust entgegenstrecken.

Voraussichtliche Aufstellung

Der Kicker stellt die folgende Aufstellung in Aussicht:

Gikiewicz – Oxford, Gouweleeuw, Uduokhai – Strobl, Gruezo – Framberger, Pedersen – Caligiuri, Benes – Hahn

Giki zwischen den Pfosten ist natürlich gesetzt. Felix Udoukhai hat seine Grippe inzwischen auskuriert und könnte damit neben Abwehrjeff Jeffrey Gouweleeuw und Reece Oxford in die Dreierkette und Startelf zurückkehren. Marek Suchy, der letzte Woche gegen Leipzig eingesprungen ist, müsste sich dann mit der Bank begnügen. Erfreulich ist, dass Raphael Frammi Framberger nach längerer Verletzungspause auf die rechte Außerverteidigerposition rücken könnte. Seinen Gegenpart übernimmt wohl wieder Mads Pedersen. Auch bei den restlichen Positionen deutet vieles darauf hin, dass Herrlich sie wie gegen Leipzig besetzen wird: Carlos Gruezo und Tobias Strobl ins zentrale Mittelfeld, Lászlo Bénes und Daniel Caliguiri auf den offensiv(er)en Außen und André Hahn davor als zentraler Angreifer. Auch wenn Oxford, Pedersen und Cali aktuell angeschlagen sind, sollten sie bis Sonntag wieder fit sein.

Tipps der Redaktion

Andy: 0:3 – Wir finden offensiv wieder keinen Zugang zum Spiel und defensiv bleiben die individuellen Fehler. Der Trend ist nicht unser Freund.

Andi: 0:2 – der FCA igelt sich hinten ein und fängt sich nach offensiver Ideenlosigkeit irgendwann das 0:1. Wenn die Mannschaft dann gefordert ist, nach vorne zu spielen, sorgt Leverkusen für die Entscheidung.

Irina: 1:3 – gegen Leverkusen gab’s noch nie was zu holen!

Franzi: 1:1 – Aus mir spricht (mal wieder) die Optimistin. Offensiv lassen wir Leverkusen kaum zum Zug kommen. Für ein Gegentor reicht’s trotzdem. Aber auch wir setzen effektivere Impulse nach vorne und kommen zu unserem Treffer. Ein Punkt bleibt hier!

#RBLFCA: Angriffsstärke(r) erst zum Schluss

Schon beim Blick auf die Startformation gegen RB Leipzig (21. Spieltag, 12.02., 2:1) war klar: Bei Heiko Herrlich standen alle Zeichen auf Abwehr. Und zwar so sehr, dass er Flo Niederlechner auf die Bank setzte und mit Reece Oxford noch einen weiteren (Innen-)Verteidiger brachte. In der Tat ging die Augsburger Defensive in der ersten halben Stunde effektiv und mitunter auch recht hart ans Werk. Oxford, Gouweleeuw und Suchy waren bis dahin alle schon mit Gelb verwarnt worden. Die gelbe Karte gab’s in der 34. Minute dann auch für unseren starken Mann zwischen den Pfosten, Rafal Gikiewicz. Aber nicht wegen Foul am Gegenspieler, sondern wegen Meckerns über den Schiedsrichter, der auf Strafstoß gegen den FCA entschied, nachdem Oxford beim Klärungsversuch Leipzigs Mukiele wohl, aber nicht final auflösbar leicht berührt hatte. Nach wiederholtem Elfmeter stand es in der 38. Minute dann 1:0 für RB, das fünf Minuten später auf 2:0 erhöhte.

Giki sieht gelb für seine berechtigen Einwände. Jeder Fliegenschieß führt gerade zu Elfern gegen uns. (Photo by Clemens Bilan – Pool/Getty Images)

Zu diesem Zeitpunkt saß ich schon recht zerknirscht vor dem Fernseher. Sicher, gegen eine giftige, torgefährliche Mannschaft wie Leipzig darf man durchaus mit 0:2 hinten liegen. Zumal nach einem Elfer und einem mehr oder weniger individuellen Abwehrfehler. Sorgen machte mir aber vor allem die Art und Weise, wie wir in Ballbesitz agierten. Kaum ein Pass kam nach Balleroberung beim Mitspieler an, selbst Standards wie Freistöße oder Ecken, von denen der FCA immerhin vier (sogar eine mehr als RB!) hatte, wirkten verstörend unkoordiniert. Dabei heißt es doch immer, Standards würden oft geübt!?

In der Halbzeitpause machte dann noch folgender Tweet von Max Kirchi die Runde:

Von diesen genau 0.0 xGoals in der ersten Hälfte war ich vollends bedient. Und weil ich auch in der zweiten Halbzeit zunächst keine Besserung erkennen konnte, schaltete ich nach ’ner Stunde aus Frust vorzeitig ab (obwohl ich das nie mache!). Dass sich danach noch etwas für uns tat, konnte ich nicht ahnen. Im Nachhinein ärgerte ich mich ein bisschen über mein Abschalten. Aber ob ich jetzt zugeschaut hatte oder nicht – mich freute es jedenfalls, dass nach der Doppeleinwechslung von Marco Richter und Flo Niederlechner in der 79. Minute offenbar doch noch ein bisschen Offensiv-Schwung in die Partie gekommen war. Und der FCA durch einen Elfer, verwandelt durch Routinier Cali, noch zum Anschlusstreffer.

Dieses späte, offensiver ausgerichtete „Aufbäumen“, wie es Heiko Herrlich nannte, machte auch mir Mut. Trotzdem bin ich der Meinung, der Wechsel unserer Offensivleute hätte früher kommen müssen. Und am Montag hörte ich in der „Schlusskonferenz“ vom Rasenfunk Moderator Max dann auch noch das aussprechen, was ich am Freitag schon die ganze Zeit gedacht hatte:

Bei allem, was gut aussieht gegen den Ball – hin und wieder gut aussieht, also ja auch nicht in jedem Spiel – stellt sich ja trotzdem die Frage: Ja, aber was wolltet ihr denn machen? Für den Fall, dass ihr 0:1 hinten liegt? Und da muss ich sagen: Offensiv ist das immer noch so so so so dünn, was der FCA bringt, dass man sich da echt die Frage stellt: Wie wollt ihr Spiele gewinnen?

Max-Jacob Ost vom Rasenfunk in der „Schlusskonferenz“ (15.02.2021)

Ja, das ist wirklich die entscheidende Frage; wie wollen wir Spiele gewinnen… Mit der Dauer-Baustelle „Spiel mit dem Ball“ tun wir uns jedenfalls nach wie vor schwer. Und doch ist uns gerade in der Schlussviertelstunde vereinzelt auch was gelungen. Darauf müssen wir aufbauen! Dagegen finde ich Diskussionen, ob diese oder jene Situation nun auch ein oder doch kein Elfmeter war, wenig hilfreich, weil sie nur von den eigentlichen Problemen ablenken.

#FCAWOB und #BVBFCA: Ideenlos im Mittelfeld

Probleme gab es auch gegen Wolfsburg (20. Spieltag, 06.02., 0:2). Zwar sorgte die solide Defensivarbeit der neu formierten Viererkette des FCA in der ersten halben Stunde dafür, dass die selbstbewussten Wolfsburger kaum zu nennenswerten Chancen kamen. Doch in der 38. Minute wurde der FCA dann eiskalt ausgekontert, der Lupfer von Wolfsburgs Weghorst landete hinter Giki im Tor. In der zweiten Hälfte traf Rechtsverteidiger Ridle Baku gleich drei Mal ins Augsburger Tor – wobei Treffer Eins und Drei nach VAR-Überprüfung aberkannt wurden. Glück für den FCA, dass es am Ende „nur“ 0:2 stand. Denn mit seinen langen Bällen in die Spitze kam der FCA selbst fast nie durchs Wolfsburger Abwehrbollwerk. Daran ändern konnte auch Leihgabe Lászlo Bénes nichts, auch wenn der Zehner bei seinem ersten Einsatz gleich in der Startelf stand und „gute Ansätze“ zeigte.

Ratlosigkeit und Enttäuschung nach dem Spiel gegen Wolfsburg. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Ein guter offensiver Ansatz im Spiel gegen Dortmund (19. Spieltag, 30.01., 3:1) war das frühe 1:0 durch André Hahn nach gekonnt in den Strafraum gebrachtem Ball von Iago und Kopfballverlängerung von Niederlechner. Yesss! Endlich mal ein schön rausgespielter Angriff! Doch der BVB ließ sich vom Gegentor nicht beirren und presste, was das Zeug hielt. Der Kicker schrieb: „Die Zone um Augsburg Strafraum [glich] einem Belagerungszustand.“ Daraus folgte der Ausgleich noch in der ersten Halbzeit, in der zweiten setzte es dann das 2:1 und 3:1 – und das leider auch noch durch Eigentor von Uduokhai.

Jetzt ist ein 1:3 gegen ein Team wie Dortmund wieder nichts Verwerfliches (obwohl der BVB in den letzten drei Spielen selbst sieglos geblieben war…). Besonders alarmierend fand ich gegen den BVB und die Wölfe aber, wie ideenlos es im Mittelfeld zuging, wenn die Abwehrreihen der Gegner sich formiert hatten. Dann hieß es entweder blind vertikal passen (und damit meistens scheitern), quer oder gar nicht passen. Das lässt sich auch gut an den Passzahlen von Gruezo zeigen. Der passte gegen Dortmund lediglich 15-mal (!), gegen den VfL 21-mal. Dagegen passte ein ähnlich zentral aufgestellter Mann wie Dortmunds Delaney fast fünfmal so oft wie Gruezo, nämlich 72 Mal!       

#FCAFCU und #FCAFCB: Hoffnungsvolle Vorzeichen

Dass die Spiele gegen Dortmund und Wolfsburg so sang-, klang- und ideenlos verloren gingen, ließ mich ehrlich gesagt ziemlich ratlos zurück. Denn schließlich war gegen Union Berlin (18. Spieltag, 23.01., 2:1) nach einer schier nicht enden wollenden Torflaute ja endlich der Knoten bei Flo Niederlechner geplatzt! Und das nicht nur einmal, er netzte sogar doppelt ein (17./47. Minute). Nach dem ersten Tor, einem wuchtigen Schuss ins lange Eck, ließ er einen solchen Urschrei los, dass der wohl auch noch im angrenzenden Haunstettener Norden zu hören war. „So viel Energie, die sich da entlädt, muss doch auch den Rest der Mannschaft aufrütteln!“, dachte ich. Anders als später gegen Dortmund oder Wolfsburg galt das gegen Union offenbar auch noch. Wir konnten wichtige drei Punkte mitnehmen!    

Florian Niederlechner beim Torjubel. Hiervon wünschen wir uns mehr. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Auch im Spiel gegen Bayern (17. Spieltag, 20.01., 0:1), quasi der Auftakt der „Doomsdays“ für den FCA, lief es nicht so unheilvoll, wie ich nach der späten 0:2-Niederlage gegen Werder und dem ergebnismäßig klaren 1:4 gegen Stuttgart, das wir ab der 76. Minute (Gelb-Rot gegen Richter) in Unterzahl bestreiten mussten, eigentlich befürchtet hatte. Denn in der zweiten Hälfte ging „den Bayern […] die Dominanz ab, die Münchner hatten nach vorne kaum Ideen mehr“.  Hätte Finnbo den Elfmeter in der 76. Minute verwandelt und nicht unglücklich an den Pfosten gesetzt, hätten wir gegen die eigentlich dauerdominanten Bayern vielleicht sogar einen Punkt eingefahren! Und wer weiß, wie sich das auf die folgenden, im Rückblick ja leider ziemlich unbefriedigenden Partien (Ausnahme: Union) ausgewirkt hätte…

Wunschkonzert zum Schluss

Am Ende angelangt will ich jetzt noch ein kleines Wunschkonzert eröffnen und mir die besten Häppchen der FCA-Doomsdays rauspicken. (Bestimmt gibt’s auch am Jüngsten Tag Musik, Fanfaren oder Pauken oder sowas. So stell ich mir das zumindest vor.) Also: Machen wir’s am Sonntag gegen Leverkusen doch wie Mainz, RWE und YB Bern und schenken ihnen in der Schlussphase, in der sie öfter unkonzentriert zu sein scheinen, mindestens noch den Ausgleich ein. Denn wie wir in Leipzig gesehen haben, können wir auch offensiv. Starten sollten wir damit allerdings schon früher (und beherzter). Vielleicht hat ja schon die Rückkehr von Frammi als spielhungriger, tempostarker Rechtsverteidiger einen positiven Effekt. Und auch der Test am Montag gegen die Kickers aus Würzburg (3:1) hat einige offensive Hoffnungsschimmer aufblitzen lassen, unter anderem ein schön rausgespieltes Tor von Noah Sarenren Bazee. Der sitzt am Sonntag als mögliche Offensivverstärkung übrigens auch auf der Bank.

Welchen Trainer braucht der FCA?

„Die Luft für Heiko Herrlich wird immer dünner“, titelte der Kicker nach der 0:2-Niederlage des FC Augsburg gegen Wolfsburg. Manager Stefan Reuter stellte sich nach dem nächsten verlorenen Spiel derweil demonstrativ hinter den Coach, eine Trainerdiskussion in Augsburg gebe es nicht. Punkt. Geht die sportliche Talfahrt jedoch so weiter, werden Herrlich wie Reuter irgendwann die Argumente ausgehen. Nur drei der letzten 14 Ligaspiele konnten gewonnen werden, der Abstand zum Relegationsplatz beträgt nur noch fünf Punkte und die sportliche Entwicklung im letzten Jahr wird schmerzlich vermisst. Die Parallelen zu Martin Schmidt werden leider immer deutlicher. Auch der Schweizer rutschte trotz ordentlichem Polster noch in den Abstiegsstrudel. Die Entlassung begründete die Chefetage unter anderem mit der fehlenden sportlichen Entwicklung.

Wie lange hält Stefan Reuter noch an Heiko Herrlich fest? (Foto via imago)

Herrlichs leeres Versprechen

Für was steht Heiko Herrlich eigentlich? Wir haben uns mit dieser Frage schon einige Male beschäftigt und kommen – auch wenn nicht alles schlecht ist – zu dem Ergebnis, dass Wunsch und Realität doch sehr weit auseinander liegen. Immer wieder betont Herrlich, er stehe für offensiv ausgerichteten Fußball. Alle seine bisher trainierten Mannschaften hätten dies gezeigt. Dass der Trainer trotz der bitteren Fakten nicht müde wird, dies zu betonen, verwundert dabei immer mehr. Ligaweit gibt nur Arminia Bielefeld weniger Torschüsse ab als der FCA. Gegen Wolfsburg hatten die Schwaben in der zweiten Halbzeit eine einzige Abschlusssituation – einen Weitschuss von André Hahn.

In den vergangenen Monaten konnte der FC Augsburg seine offensive Harmlosigkeit oft durch gnadenlose Effizienz sowie defensive Kompaktheit kaschieren. Die mit dem Label Angsthasenfußball etikettierte Spielphilosophie wird nun aber immer mehr zum Problem: Vier eigene Treffer in den letzten sechs Spielen und gleichzeitig 13 Gegentore sprechen für sich. Herrlich selbst weiß um die aktuelle Situation und könne die Kritik daher verstehen, wie er vor dem Wolfsburg-Spiel erklärte. Man werde daran arbeiten, sich weiter zu verbessern. Wer regelmäßig die Pressekonferenzen des FC Augsburg verfolgt, hat dieses Versprechen nicht das erste Mal gehört.

Wie lange sitzt Heiko Herrlich noch auf der Augsburger Bank? (Foto via imago)

Herrlich raus?

Und so bleibt die Frage, ob Herrlich noch der richtige Trainer ist. Vielleicht ist er das nicht, doch das soll nicht heißen, dass der FC Augsburg den Coach nun ruckartig entlassen soll. Denn ein Installieren eines Feuerwehrmannes an der Seitenlinie würde die Probleme des FC Augsburg nur verschieben. Die Schwaben werden aller Voraussicht nach in der Bundesliga bleiben – was weniger dem eigenen Leistungsvermögen, sondern vielmehr der schwachen Konkurrenz geschuldet ist.

Der FC Augsburg braucht generell keinen Trainer, der für den kurzfristigen Erfolg steht. Das wurde am Beispiel Martin Schmidt eindrucksvoll deutlich. Vielmehr ist der FC Augsburg ein Verein, der durch Kontinuität auf der Trainerbank punkten kann. Man benötigt einen Trainer, dem man langfristig zutraut, die Mannschaft voranzubringen.

Nun liegt es an Reuter, im Sinne des Vereins zu entscheiden, ob Heiko Herrlich dieser Trainer ist beziehungsweise noch sein kann. Der Manager wird sich diese Frage gut überlegen müssen und daher wohl keine voreiligen Schlüsse ziehen. Denn klar ist ferner, dass mit einer Entlassung Herrlichs auch die Kritik an Reuter wieder an Fahrt aufnimmt. Denn in puncto Trainer – so ehrlich muss man trotz einiger kluger Spielertransfers sein – hat Reuter in den letzten Jahren keine gute Figur abgegeben. Der nächste Schuss muss definitiv sitzen. Reuter kann es sich kaum leisten, 2022 das nächste Trainerexperiment vorzeitig zu beenden. Daher wird Herrlich auch nur entlassen werden, wenn der Geschäftsführer Sport einen passenden Nachfolger in der Hinterhand hat.

Geht die sportliche Entwicklung des FC Augsburg so weiter, muss sich Stefan Reuter eingestehen, auf der Trainerposition (erneut) daneben gegriffen zu haben. Bei all der (berechtigten) Kritik darf gleichzeitig nicht vergessen werden, dass Reuter Markus Weinzierl und Manuel Baum überhaupt erst zum Bundesligatrainer gemacht hat. Es lief also nicht alles falsch. (Foto via imago)

Baum und Weinzierl als Alternativen?

Der Kicker brachte in seiner Montagsausgabe die beiden Ex-Trainer Markus Weinzierl und Manuel Baum ins Spiel. Beide würden im Umfeld des Vereins gehandelt werden. In Fankreisen wurde diese Meldung durchaus positiv zur Kenntnis genommen, doch es stellt sich die Frage, ob eine Rückkehr zum Ex wirklich die klügste Entscheidung ist.

Baum genießt bei den Klubbossen nach wie vor einen hohen Kredit. Bereits auf der Pressekonferenz seines Abschieds schloss die Chefetage nicht aus, dass es in Zukunft zu einer erneuten Zusammenarbeit kommen könnte. Der frühere NLZ-Chef war in Augsburg beliebt, wird von Beobachtern als taktisches Genie beschrieben und würde gewiss auf den ein oder anderen Jugendspieler setzen. Gegen Baum spricht allerdings, dass seine Zeit in Augsburg am Ende wenig erfolgreich war und der 41-Jährige nicht gerade unverbrannt nach Augsburg zurückkehren würde – auch wegen seiner missratenen Arbeit auf Schalke.

Markus Weinzierl indes war für die sportlich erfolgreichste Zeit des FC Augsburg verantwortlich. Erst rettete der gebürtige Straubinger den FCA nach schwachem Start sensationell vor dem Abstieg, dann führte er ihn 2015 in die Europa League und schrieb so Augsburger Fußballgeschichte. Der Name Markus Weinzierl wird also immer mit glorreichen FCA-Zeiten in Verbindung gebracht. Dabei entsteht jedoch die Gefahr, dass man Weinzierls Leistungsvermögen überschätzt. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der 46-Jährige bei seinen weiteren Stationen auf Schalke und in Stuttgart krachend gescheitert ist.

Seit ihrem Abschied aus der Fuggerstadt ging bei beiden Trainern die Leistungskurve nach unten. Folgt das Comeback am Lech? (Foto via imago)

Das Spiel des FCA muss wieder Spaß machen

Beide Trainer wären durchaus charmante Lösungen und kämen bei den Fans gewiss gut an. Ob sie jedoch den FC Augsburg langfristig prägen können, ist unklar. Daher möchte ich nun einen Blick auf weitere Trainer werfen, die für den FC Augsburg infrage kommen könnten. Hauptkriterium für die Aufnahme in diese Liste ist eine offensive Spielweise. Denn eines sollte an dieser Stelle noch kurz erwähnt werden. Wenige FCA-Fans haben ein Problem damit, Tabellen-13. zu sein, viele allerdings mit der Art und Weise, wie Woche für Woche Fußball gespielt wird. Klar, Fußball ist ein Ergebnissport, er sollte am Ende aber immer auch schön anzusehen sein. Das nur am Rande, nun zu den möglichen Trainerkandidaten. Die Auswahl ist hier rein subjektiv.

Tim Walter

Tim Walter ist seit Ende 2019 vereinslos. Zuletzt trainierte der 45-Jährige den VfB Stuttgart in der 2. Bundesliga, nachdem er sich bei der U23 des FC Bayern sowie bei Holstein Kiel einen Namen gemacht hatte. Die Saison 2018/19 beendete Walter in Kiel auf einem ordentlichen sechsten Platz. Dass die Zeit an der Förde anschließend vorbei war, lag vielmehr am Interesse des VfB, als am mangelnden Vertrauen der Kieler Verantwortlichen. In Stuttgart scheiterte Walter dann allerdings an der hohen Erwartungshaltung innerhalb des Traditionsvereins. Trotz Rang drei zur Winterpause war für den Kraichgauer Schluss.

Das soll jedoch keineswegs bedeuten, dass die Arbeit Walters schlecht war. Sein offensiver Pressing-Ansatz könnte dem FC Augsburg gut zu Gesicht stehen. Da der FCA ligaweit zu den stärksten Teams in puncto Laufbereitschaft zählt, könnte die Zusammenarbeit funktionieren – wenngleich sie mit Risiken verbunden wäre. Walter, der in Stuttgart mit einer Viererkette samt offensiven Außenverteidigern agierte, müsste eine Balance zwischen Angriff und Verteidigung finden. Gelingt dies nicht, fliegt ihm sein offensives Konzept alsbald um die Ohren.

Tim Walter sagte einst in einem Interview mit der Welt, er würde selbst in Abstiegsangst nach vorne spielen: „Die Mannschaften, die weiter hinter in der Bundesliga stehen, spielen einen defensiven, zurückhaltenden Fußball, sie igeln sich hauptsächlich ein. Das wäre nicht meine Idee. Gerade dann würde ich offensiver rangehen.“ Sein Ansatz sei es, „die Freude am Spiel zurückzubringen.“

„Ich bin ein offensiv-kreativ denkender Trainer“

Zudem müsste der Kader etwas angepasst werden. Schnelle Außenverteidiger wären zwar vorhanden, aber für Walters Spiel ist ein ballsischerer Mittelfeldspieler elementar. Walter sei „ein Fußballgestalter, kein Zerstörer“, wie er selbst betont. In Stuttgart nahm die zentrale Rolle in der Regel Daniel Didavi ein, in Augsburg fehlt ein derartiger Spieler im Kader – abgesehen von Leihspieler Benes. Nur mal so am Rande: Didavis Vertrag am Neckar läuft wohl im Sommer aus.

Alles in allem scheint Walter zum FC Augsburg passen zu können – jedoch nur, wenn der FCA langfristig mit dem als kantigen wie impulsiven Typen geltenden Fußballlehrer plant. Denn Walters Spielkonzept benötigt Zeit, um perfekt in sich greifen zu können. Gelingt dies, könnten die FCA-Fans viel Freude an ihrer Mannschaft haben: „Ich versuche, ein defensiv gut organisierter, offensiv-kreativ denkender Trainer zu sein.“

Walters Versprechen klingt schon einmal ordentlich. Eine Zusammenarbeit ab der neuen Saison ist hier definitiv klüger, als ein kurzfristiges Installieren in der aktuellen Situation. Mit Holstein Kiel stellte Walter dem FC Augsburg übrigens beinahe ein Bein. Im Pokalachtelfinale stand Anfang 2019 ein glückliches 1:0 für den FCA. (Foto via imago)

Steffen Baumgart

Eine ähnlich offensive Herangehensweise wählt Steffen Baumgart, aktuell Trainer beim SC Paderborn. Der 49-Jährige steht seit 2017 bei den Ostwestfalen unter Vertrag und führte den Klub erst zurück in die 2. Liga und dann ein Jahr später direkt in die 1. Bundesliga. Letztlich stieg der SCP mit deutlichem Abstand ab, überzeugte in seinen Spielen allerdings mit ansehnlichem Offensivdrang. Würde man Baumgart nun einen Kader an die Hand geben, der qualitativ besser ist als der von Paderborn, scheint also durchaus etwas möglich zu sein.

Inwiefern sich der 49-Jährige, der sich sehr wohl bei seinem Klub fühlt, jedoch neu orientieren möchte, ist fraglich. Ein Engagement in Augsburg käme ohnehin erst im Sommer infrage, da Baumgart diese Saison kaum wechseln würde. Mit dem SC Paderborn ist der gebürtige Rostocker derzeit Tabellenneunter. Der Aufstieg, übrigens nicht als Ziel ausgesprochen, scheint noch nicht gänzlich abgeschrieben.

Steffen Baumgart und Heiko Herrlich beim 0:0 im Mai 2020. Letztlich scheint Baumgart zu Höherem berufen als dem SC Paderborn. Ihn wird man langfristig gewiss wieder in der Bundesliga sehen – vielleicht ja beim FC Augsburg. (Foto via imago)

Frank Schmidt

Frank Schmidt leistet seit Jahren konstant gute Arbeit beim FC Heidenheim. Unter seiner Regie gelang dem FCH der Wandel vom Oberligateam zum ambitionierten Zweitligisten. Der gebürtige Heidenheimer steht seit 2007 an der Brenz unter Vertrag und kann gewissermaßen als Christian Streich der 2. Liga bezeichnet werden. Dem dienstältesten Coach des Unterhauses wurde schon oft der Schritt in die Beletage zugetraut, letztlich blieb Schmidt aber immer beim FC Heidenheim – wo er nun sein 500. Pflichtspiel an der Seitenlinie feierte.

Und vermutlich wird er das auch noch länger tun. Angebote von höherklassigeren Vereinen gab es bis dato einige, „aber ich fühle mich hier wertgeschätzt“, wie Schmidt einst in einem Interview mit der Zeit erklärte. Deshalb habe er seinen Vertrag auch bis 2023 verlängert. Außerdem habe der Klub „immer Ziele und ist nie zufrieden, was gut zu mir passt.“ Ein Wechsel nach Augsburg scheint daher unwahrscheinlich, hätte jedoch gewiss seinen Reiz. Auch Schmidt überzeugt mit einer offensiv ausgerichteten Spielphilosophie, agiert in der Regel mit Viererkette und zwei Spitzen.

Eine Institution beim FC Heidenheim. Ein Abschied Frank Schmidts scheint undenkbar – auch wenn der 47-Jährige gewiss zum FC Augsburg passen würde. (Foto via imago)

Domenico Tedesco

Domenico Tedescos Aufstieg ins Profigeschäft verlief äußerst rasant. Nach Anfängen im Jugendbereich rettete der Deutsch-Italiener Erzegbirge Aue vor dem Abstieg. Nach einem halben Jahr bei den Veilchen zog es Tedesco dann zum FC Schalke, wo er Markus Weinzierl beerbte und in seiner ersten Saison Vizemeister wurde. Dann folgte in der nächsten Spielzeit der Absturz auf Rang 14 und Tedesco musste gehen. Seit Oktober 2019 trainiert er Spartak Moskau, mit denen er aktuell Tabellendritter ist.

Tedesco wird immer wieder mit einer Rückkehr in die Bundesliga in Verbindung gebracht. Dass er erfolgreichen Fußball spielen lassen kann, hat er bereits bewiesen. Die Vizemeisterschaft sollte man wohl nicht zu hoch hängen, die sportliche Misere gleichzeitig aber auch nicht zu kritisch sehen. Tedesco gilt als Taktik-Experte, der gerne auch mit einer offensiven Dreierkette spielt. Sein Vertrag in Moskau läuft Ende Mai aus. Im Sommer werden sich wohl einige Klubs mit dem immer noch erst 35-Jährigen beschäftigen – auch der FC Augsburg?

Domenico Tedesco im Jahr 2018 zusammen mit Stefan Reuter. Spielt der Jungtrainer in den Überlegungen des Managers eine Rolle? (Foto via imago)

Lucien Favre

Lucien Favre ist zweifellos der klangvollste Name in dieser Auflistung. Seit seiner Entlassung bei Borussia Dortmund ist der Schweizer vereinslos. Letztlich schaffte er es nicht, mit dem BVB um Titel mitzuspielen. Mit Favre spielst du zwar schönen Fußball, gewinnst aber keine Trophäen, lautet ein Vorwurf, mit dem sich der 63-Jährige immer wieder konfrontiert sieht. In Augsburg sollte der Druck nach Tafelsilber allerdings nicht allzu hoch sein.

Favre hat grundsätzlich bei all seinen Stationen überzeugt, egal ob bei Hertha, Gladbach, Zürich oder Nizza. Der Mann mit dem besten Punkteschnitt aller BVB-Trainer gilt als Perfektionist und Verfechter von attraktivem Offensivspiel inklusive barcaesker Passstaffeten. Es wäre höchst interessant, zu sehen, was Favre aus dem Potential des Augsburger Kaders machen könnte. Natürlich bräuchte es im Sommer zusätzlich spielstarke Verstärkungen. Ob Reuter einen derartigen Spitzentrainer an den Lech lotsen kann, scheint jedoch fraglich. Vor kurzem hatte Olympique Marseille Interesse an Favre. Der Schweizer sagte offenbar ab, da er keinen Verein mitten in der Saison übernehmen möchte.

Ist Lucien Favre als FCA-Coach denkbar? Kann der Schweizer mit einer spielerisch limitierteren Mannschaft umgehen? Es wäre höchst interessant, zu erfahren, wie Favre den FC Augsburg spielen lassen würde. (Foto via imago)

Über diese Trainer könnte man zumindest nachdenken

Des Weiteren gibt es freilich weitere interessante Trainerkandidaten. Immer wieder mit einer Rückkehr in die Bundesliga in Verbindung gebracht wird etwa Alexander Zorniger, den es nach seiner Entlassung aus Stuttgart nach Kopenhagen zu Bröndby IF zog. Dort wurde der Ex-Leipziger dänischer Pokalsieger. Zuletzt auf Schalke gehandelt wurde unter anderem Dimitrios Grammozis. Der ehemalige Darmstadt-Coach belegte mit den Lilien Rang Zwei in der Rückrundentabelle. Aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen bezüglich der Vertragslaufzeit, wurde die Zusammenarbeit im Sommer beendet.

Ebenso spannend wären Peter Zeidler, der den FC St. Gallen vergangene Saison zur Vizemeisterschaft in der Schweiz geführt hat, Berns Meistertrainer Gerardo Seoane oder Daniel Farke, der mit Norwich City vor dem Aufstieg in die Premier League steht. Schwebt dem FCA eine interne Lösung vor, rücken auch Alexander Frankenberger (U19) und Josef Steinberger (U23) in den Fokus. Dass Reuter ein derartiges Experiment eingeht, scheint allerdings unwahrscheinlich.

Alexander Frankenberger (l) und Josef „Sepp“ Steinberger sind aktuell in der zweiten Reihe des FC Augsburg aktiv. Beide machen einen ordentlichen Job, aber sind sie schon bereit für die 1. Liga? (Foto via imago)

Fazit

Der FC Augsburg sollte sich gut überlegen, wie die sportliche Zukunft aussehen soll. Da es für einen neuen Trainer immer angenehmer ist, zur neuen Saison zu übernehmen, scheint ein kurzfristiges und hektisches Agieren auf dem Trainermarkt die falsche Wahl. Bis dahin hat Heiko Herrlich die Chance verdient, positiv auf sich aufmerksam zu machen. Das Messen am tabellarischen Abschneiden sollte hier nicht das einzige Kriterium sein. Vielmehr muss die spielerische Entwicklung in den Vordergrund gerückt werden. Der FC Augsburg wird den Klassenerhalt vermutlich schaffen. Laufen die restlichen Spiele jedoch spielerisch so überschaubar wie aktuell, kann es ein „Weiter so“ nicht geben.

Sollten nächste Saison wieder Fans in die Stadien gelassen werden, dürfte ein derartig mutloses Auftreten wie aktuell übrigens selbst von den eigentlich treuen Augsburger Fans mit Pfiffen quittiert werden. Eine Rückkehr zu mutigerem Offensivfußball scheint unabdingbar. Der Vorteil: Destruktiver als jetzt kann es eigentlich kaum noch werden. Wir sind gespannt, wer nächste Saison den FCA trainieren wird. Überrascht Herrrlich mit einer enormen Weiterentwicklung, ist auch eine Zusammenarbeit über den Sommer hinaus nicht ausgeschlossen. Aktuell sieht es allerdings so aus, dass sich die Wege (spätestens) nach der Saison trennen.

Vertragsverlängerungen: Reuter ist gefordert

Der 2:1-Sieg gegen Union Berlin hat dem FC Augsburg etwas Luft im Abstiegskampf verschafft, die auch durch die Niederlage in Dortmund – der Konkurrenz sei Dank – nicht verpuffte. Nach dem 18. Spieltag waren es sieben Zähler auf den Relegations- und angenehme zehn auf den ersten Abstiegsplatz. Kann der FCA seinen Punkteschnitt halten, wird es auch im Jahr 2022 Bundesligafußball in der Fuggerstadt zu sehen geben. Bleibt die Frage: mit welchem Personal? Demnächst laufen nämlich einige Spielerverträge aus. Im Sommer enden zwar nur drei Kontrakte, ein Jahr später aber satte neun. Die Verantwortlichen um Manager Stefan Reuter müssen also bereits nach dieser Saison überlegen, mit wem man in die Zukunft gehen möchte und bei wem die womöglich letzte Chance auf eine Ablösesumme genutzt werden soll. Mit welchen Spielern soll der FCA verlängern? Wir machen den Check.

Julian Schieber (Vertrag bis 2021, Marktwert: 500 Tsd. Euro)*

Dass Julian Schieber keine sportliche Zukunft beim FC Augsburg hat, ist mehr als offensichtlich. Eine echte Verstärkung war der Stürmer nie, so ehrlich muss man sein. Das rechtfertigt jedoch nicht den Umgang mit seiner Person. Im Sommer beorderte ihn der FC Augsburg zur U23, ließ seinen Spint räumen und vergab seine Nummer neu an Daniel Caligiuri: „Der Trainer hat mir knallhart gesagt, dass er nicht auf mich bauen wird und er – auch auf meinen Körper bezogen – nicht glaubt, dass ich konstant auf Bundesliga-Niveau spielen kann“, resümierte Schieber gegenüber dem Kicker.

Ob dieser Offenheit habe der Ex-Dortmunder „erst mal schlucken müssen“ und emotional eine „Mischung aus Entsetzen, Enttäuschung und Wut“ erlebt. Die wenigen Angebote, die er in der Folgezeit erhalten habe, hätten ihn „emotional nicht gepackt“, weswegen Schieber weiterhin auf Vereinssuche ist.

RoGaz-Prognose: Eine Verlängerung ist ausgeschlossen. Schieber wird kein Spiel mehr für den FCA machen und bei einem passenden Angebot auch schon im Winter wechseln. Nach wie vor reizt ihn das Abenteuer Asien. Ein Wechsel nach Thailand, von dem der 31-Jährige im Oktober sprach, kommt vorerst aber nicht mehr infrage. Das Transferfenster in der Thai League ist seit dem 10. Januar geschlossen.

Auf dem Rasen hat man Julian Schieber schon lange nicht mehr gesehen. Sein letztes Pflichtspiel für den FC Augsburg ist mehr als 14 Monate her. Insgesamt kam der Stürmer zwölf Mal für Rot-Grün-Weiß zum Einsatz (ein Tor). Es werden keine weiteren Spiele hinzukommen. (Foto via imago)

* Die Angaben zum Marktwerkt entsprechen den Schätzungen von transfermarkt.de, die Verträge enden stets zum 30. Juni.

Marek Suchy (Vertrag bis 2021, Marktwert: 1 Mio. Euro)

Von Marek Suchy haben sich wohl einige FCA-Fans mehr erhofft. Der frühere Kapitän der tschechischen Nationalmannschaft blieb in Augsburg vieles schuldig und konnte sich nicht nachhaltig für eine Vertragsverlängerung empfehlen. In seinen insgesamt nur zehn Einsätzen war der Innenverteidiger vielmehr Unsicherheitsfaktor als Stabilisator. In der kommenden Saison bekommt der 32-Jährige zudem Konkurrenz von Neuzugang Frederik Winther und Leihrückkehrer Kevin Danso.

RoGaz-Prognose: Ein weiteres Engagement in Augsburg käme mehr als überraschend. Suchy wird den FC Augsburg daher ablösefrei verlassen und womöglich in seine tschechische Heimat zurückkehren.

Keine wirkliche Verstärkung: Dass Marek Suchy seine besten Zeiten offenbar hinter sich hat, wurde leider nicht nur beim Spiel in Sinsheim deutlich. Dem Tschechen mangelt es an Spritzigkeit. (Foto via imago)

Rani Khedira (Vertrag bis 2021, Marktwert: 8 Mio. Euro)

Die Personalie Rani Khedira ist zweifelsohne die schwierigste in dieser Auflistung. Der Vertrag des Mittelfeldspielers endet in wenigen Monaten. Sportlich wäre ein Abgang des 27-Jährigen (mittlerweile) wohl verschmerzbar. Unter Heiko Herrlich ist der gebürtige Stuttgarter keineswegs mehr so gesetzt wie etwa unter Martin Schmidt, wo Khedira quasi unumstrittener Stammspieler war. Es wirkt so, als habe ihm Carlos Gruezo etwas den Rang abgelaufen.

Hätte Khedira noch länger Vertrag und gebe es dann ein lukratives Angebot, würde ihn der FCA also vermutlich verkaufen. Immerhin wird sein Marktwert auf acht Millionen Euro geschätzt. In Corona-Zeiten würde freilich weniger für ihn bezahlt werden, aber mit vier bis fünf Millionen Euro könnte der FCA durchaus rechnen.

Khedira konnte 2017 ablösefrei an den Lech gelotst werden – und hat seinen Marktwert seitdem von 750.000 Euro auf zwischenzeitliche 10,5 Millionen Euro gesteigert. Ein ablösefreier Abgang aus Augsburg wäre daher vor allem finanziell betrachtet sehr schmerzlich. Wohl auch deshalb wollte der FCA in der Vergangenheit mit dem zentralen Mittelfeldspieler verlängern.

Obendrein ist Khedira natürlich weiterhin ein absolut solider Bundesligaspieler, für den man im Falle eines Wechsels Ersatz bräuchte, was grundsätzlich für eine Verlängerung spricht. Weil die Gespräche zuletzt allerdings zum Ruhen gekommen sein sollen und Khedira jüngst selbst offen über einen Wechsel ins Ausland sprach, scheint es insgesamt aber seine letzte Saison für Rot-Grün-Weiß zu sein.

RoGaz-Prognose: Khedira verlängert nicht und wechselt im Sommer ablösefrei den Verein. Wie sein Bruder ist der Mittelfeldspieler großer Fan der Premier League. Möglich scheint eine Backup-Rolle bei einem Mittelklasse-Team wie dem von Ex-Coach Ralph Hasenhüttl trainierten FC Southampton, realistischer ein Engagement bei einem weniger ambitioniertem Klub wie etwa Norwich City. Die Canaries stehen vor dem Aufstieg und sollen bekanntlich ein Fable für deutsche Spieler haben.

Musste sich in dieser Saison des Öfteren in ungewohnter Rolle wiederfinden: Rani Khedira ist zwar jeden Spieltag eine Option für die Startelf, aber längst nicht mehr gesetzt. (Foto via imago)

Rafal Gikiewicz (Vertrag bis 2022, Marktwert: 1,5 Mio. Euro)

Mit Rafal Gikiewicz hat der FC Augsburg endlich das Problem auf der Torhüterposition gelöst. Der Pole ist absoluter Führungsspieler und scheut nicht davor, auch einmal ungemütlichere Töne anzustimmen – auf und nebem dem Platz. Weil zudem die sportliche Leistung stimmt (Gikiewicz wehrt ligaweit die zweitmeisten Schüsse ab), spricht eigentlich nur wenig gegen eine Vertragsverlängerung.

RoGaz-Prognonse: Gikiewicz ist bereits 33 Jahre – ein für einen Torwart gehobenes, aber nicht zwingend leistungsabfallendes Alter. Dennoch wird der FCA Gikiewiczs Entwicklung aufmerksam beobachten und daher wohl nicht voreilig mit seinem ältesten Spieler im Kader verlängern. Bringt der Keeper aber auch in der Folgesaison gute Leistungen, steht einer Verlängerung nichts mehr im Weg.

Der konstanteste Profi in dieser FCA-Saison: Rafal Gikiewicz war von Anfang an ein sicherer Rückhalt einer oft von Leistungsschwankungen gezeichneten Augsburger Mannschaft. Wie lange bleibt der Pole in Schwaben? (Foto via imago)

Jan Moravek (Vertrag bis 2022, Marktwert: 600 Tsd. Euro)

Es ist sehr schwierig, die Leistungen von Jan Moravek fair zu bewerten. Blickt man auf die reinen Fakten, so kam der Tscheche seit 2013 nicht mehr über 16 Einsätze pro Saison hinaus. Viele davon als Joker. In dieser Spielzeit steht die Null in der Statistik. Keine Frage, Moravek ist im Augsburger Kader nur Ergänzungsspieler – und dementsprechend verzichtbar.

Man kann nur spekulieren, welche Rolle der frühere Nationalspieler in Augsburg eingenommen hätte, wenn er denn einmal konstant verletzungsfrei geblieben wäre. Wir sind uns sicher, dass Moravek sein Leistungspotential nie richtig ausschöpfen konnte – dieses aber nun auch mit 31 Jahren nicht mehr ausschöpfen wird.

RoGaz-Prognose: Eine Verlängerung hat für den FC Augsburg keine große Priorität. Weil Angebote für einen verletzungsanfälligen Ü30-Spieler rar sind, deutet derzeit vieles daraufhin, dass Moravek seinen Vertrag erfüllt und den Verein 2022 ablösefrei verlässt. Denkbar auch, dass es den Tschechen zurück in seine Heimat zieht, eventuell zu Ex-Klub Bohemians Prag.

Auch in dieser Saison vielmehr Rekonvaleszent als ernstzunehmende Alternative für den Kader. Jan Moravek erholt sich derzeit von einer Muskelverletzung. (Foto via imago)

Tim Civeja (Vertrag bis 2022, Marktwert: 300 Tsd. Euro)

Zur Vertragslaufzeit Tim Civejas machte der FC Augsburg im Sommer keine Angabe. Bei der Beförderung zum Profi hieß es lediglich, der 19-Jährige erhalte einen „langfristigen Vertrag“. Nach Informationen von transfermarkt.de soll das Arbeitspapier des gebürtigen Dachauers bis 2022 gelten. Bis dahin will der zentrale Mittelfeldspieler, der in Bremen sein Debüt feiern durfte, weiter näher an die erste Mannschaft heranrücken.

RoGaz-Prognose: Der FC Augsburg ist sich dem Potential Civejas bewusst und wird vorzeitig dafür sorgen, dass der Mittelfeldspieler langfristig am Lech bleibt.

Vom eigenen Nachwuchs in die Bundesliga: Tim Civeja steht sinnbildlich für den Weg, den der FCA einschlagen möchte – und genießt daher wohl noch länger das Vertrauen der Verantwortlichen. (Foto via imago)

Felix Götze (Vertrag bis 2022, Marktwert: 725 Tsd. Euro)

Felix Götze konnte bislang nicht nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Immer wieder warfen den zentralen Mittelfeldspieler, der auch als Verteidiger agieren kann, Verletzungen zurück. Seit seinem Wechsel 2018 kam der 22-Jährige neun Mal für die Profis des FCA zum Einsatz. Zuletzt sollte der Ex-Münchner eigentlich verliehen werden, doch eine Corona-Infektion verhinderte den nächsten Karriereschritt.

RoGaz-Prognose: Entscheidend wird sein, was Götze selbst willl. Der FC Ausgburg würde ihm bei einem Wechselwunsch gewiss keine Steine in den Weg legen. Tendenz: Abschied im Sommer.

Eines der wenigen Highlights für Felix Götze im Augsburger Dress: Der Bruder von Weltmeister Mario trifft im September 2018 zum 1:1-Ausgleich gegen den FC Bayern. (Foto via imago)

André Hahn (Vertrag bis 2022, Marktwert: 1,8 Mio. Euro)

André Hahn schien in dieser Saison seinen zweiten Frühling zu erleben. Der 30-Jährige spielte sich mit starken Leistungen in die Startelf, wurde im Dezember dann aber durch eine Covid-Erkrankung ausgebremst. Wieder fit, knüpfte der einfache Nationalspieler nun direkt an seine guten Auftritte an und war zuletzt gegen Union an beiden Treffern beteiligt, bevor er gegen den BVB selbst traf.

Hahn steht insgesamt wenig für Spektakel, dafür aber umso mehr für Kampfgeist und Laufbereitsschaft. Der mannschaftsdienliche Außenspieler mag kein unumstrittener Stammspieler sein, ist aber gegen jeden Gegner eine Option für die Anfangsformation. Gerade solche Spieler braucht man.

RoGaz-Prognose: Der FC Augsburg verlängert noch einmal mit Hahn, wenn ihn die Verantwortlichen von der Rolle als Bindeglied zwischen Startelf und Joker überzeugen können.

André Hahn gehört zu den lauffreudigsten Spielern im Augsburger Kader und spult Spieltag für Spieltag mit die meisten Kilometer ab. Ein Prunkstück, das sich der FCA erhalten sollte. (Foto via imago)

Michael Gregoritsch (Vertrag bis 2022, Marktwert: 4,5 Mio. Euro)

Michael Gregoritsch erlebte nach seinem Wechsel aus Hamburg eine brillante Premierensaison in Rot-Grün-Weiß. 13 Tore und vier Vorlagen sorgten prompt für das Prädikat Königstransfer. In der Folgezeit ließ der zweifelsohne über fußballerisches Talent verfügende Offensivmann seine Klasse aber nur noch selten aufblitzen, bis jetzt kamen nur noch neun weitere Treffer hinzu.

2019 hatte Reuter die Chance, Gregoritsch zu verkaufen. Weil der als harter Verhandlungspartner bekannte Manager aber wohl zu viel Ablösesumme forderte, kam es nicht zu einem Wechsel nach Bremen. Anschließend haben der mehr oder minder erzwungene Leih-Wechsel zum FC Schalke sowie seine dürftige aktuelle Saison (ein Tor, zwei Vorlagen) Gregoritschs Standing in Augsburg nicht gerade verbessert.

RoGaz-Prognose: Den Moment der höchsten Ablösesumme hat der FC Augsburg verpasst. Weil Gregoritschs sportlicher Mehrwert (um den Klinsmann-Sprech zu verwenden) mittlerweile überschaubar ist, spricht wenig gegen einen Wechsel im Sommer – sofern denn die Ablösesumme stimmt.

Die Momente des Jubelns sind seltener geworden. Michael Gregoritsch erzielte in dieser Saison nur einen Treffer und ist immer seltener ein Kandidat für die Startelf. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Maurice Malone (Vertrag bis 2022, Marktwert: 500 Tsd. Euro)

Derzeit ist Maurice Malone an Drittligist SV Wehen verliehen. Beim Zweitligaabsteiger sorgt der Stürmer dabei für ordentlich Furore und steuerte in 17 Spielen bereits acht Tore und sechs Vorlagen bei. Im Sommer kehrt der 20-Jährige wieder nach Ausgburg zurück und will sich in der Bundesliga beweisen. Ob eine gute Saison in Wiesbaden für die Beletage reicht, bleibt vorerst abzuwarten.

Das Vertrauen in das Eigengewächs (seit 2008 im Verein) ist definitiv gegeben. Nicht ausgeschlossen scheint eine weitere Leihe – vielleicht zu einem Bundesligaaufsteiger wie bei Sergio Cordova. Dann müsste der FCA Malones Vertrag aber verlängern, denn Spieler mit nur noch einem Jahr Restvertrag können nicht mehr verliehen werden.

RoGaz-Prognose: Die Sommervorbereitung sowie die generelle Situation im Augsburger Angriff werden darüber entscheiden, ob Malone Chancen auf Einsatzzeiten hat. Kommen die Verantwortlichen zu dem Entschluss, dass dies nicht der Fall ist, kommt es zur Vertragsverlängerung sowie einer Leihe zu einem mittelstarken Verein. Ein endgültiger Abschied aus Augsburg ist unwahrscheinlich.

Maurice Malone zeigt aktuell, dass er eine ernstzunehmende Option für die Zukunft sein kann. Der Linksfuß könnte der nächste Ausgburger Bundesligadebütant aus dem eigenen Nachwuchs sein. (Foto via imago)

Florian Niederlechner (Vertrag bis 2022, Marktwert: 10 Mio. Euro)

Florian Niederlechner wechselte im Sommer 2019 hauptsächich wegen zwei Gründen nach Ausgburg. Der Familienmensch wollte näher an seine oberbayerische Heimat heranrücken – und obendrein seine Einsatzzeiten in der Bundesliga erhöhen. Beides ist dem früheren Freiburger gelungen.

In Augsburg kommt Niederlechner regelmäßig zum Zug und ist gewissermaßen Stürmer Nummer Eins. Der gebürtige Ebersberger genießt auch in sportlich schlechteren Zeiten wie jüngst während seiner 997 Minuten andauernden Torflaute das Vertrauen und wird vom Team geschätzt. Aktuell gibt es wenige Gründe, die gegen eine Zusammearbeit über 2022 hinaus sprechen.

RoGaz-Prognose: Der FC Augsburg setzt auch in Zukunft die Dienste des Topstürmers der abgelaufenen Saison. Weil Niederlechner den FCA sehr schätzt, sollten die Verhandlungen nicht allzu schwierig werden.

Lang ersehnter Torschrei: Florian Niederlechner jubelt über das 1:0 gegen Union Berlin. Wie viele Treffer steuert der Angreifer in seiner Karriere noch für den FC Augsburg bei? (Foto via imago)

Alfred Finnbogason (Vertrag bis 2022, Marktwert: 2,5 Mio. Euro)

Alfred Finnbogason war vor seinem Engagement in Augsburg ein regelrechter Wandervogel. Der Isländer kickte bereits in Belgien, Schweden, den Niederlanden, Spanien und Griechenland. Seit Januar 2016 ist er in Augsburg zu Hause, wo auch seine beiden Kinder zur Welt kamen. In der Fuggerstadt fühlt sich der 31-Jährige pudelwohl, was etwa daran deutlich wird, dass er sich noch während der Weltmeisterschaft 2018 zum FCA bekannte.

Wie die Situation in einem Jahr aussieht, ist allerdings unklar. Finnbogason steht womöglich vor der letzten Möglichkeit auf einen großen Vertrag. Dass er diesen nicht längst schon unterschrieben hat, liegt paradoxerweise am gleichzeitig größten Vor- und Nachteil für den FC Augsburg: seiner Verletzungsanfälligkeit.

Denn wäre Finnbogason in der Vergangenheit längere Zeit verletzungsfrei geblieben, würde er jetzt wohl nicht mehr in Augsburg spielen. Der Isländer ist eigentlich ein Europa-League-Stürmer. Mindestens. Das ist aber nunmal nicht der Fall und somit ist Finnbogasons Wert für die Mannschaft in den letzten Monaten gesunken. Was also will der FC Augsburg? Ein letztes Mal eine Ablösesumme für den 31-Jährigen kassieren oder ihn weiter an den Verein binden? Finnbogasons Zukunft entscheidet sich wohl im Sommer.

RoGaz-Prognose: Eine Sturmspitze mit Niederlechner und Finnbogason kann sich eigentlich mehr als sehen lassen. In Anbetracht der Situation um Sergio Cordova und Maurice Malone könnte sich der FCA bei einem passenden Angebot aber wohl dennoch für einen Verkauf entscheiden. Wir finden allerdings, dass mit dem Publikumsliebling zwingend verlängert werden sollte, wenn sich die Chance dazu bietet und hoffen darauf, dass Finnbogason selbst in der Rückrunde Argumente für einen Verbleib liefert. Ausgang völlig offen.

Was hat Heiko Herrlich noch vor mit Alfred Finnbogason? Die Entscheidung über seine Zukunft hängt auch vom Wohlbefinden des Coaches ab. (Foto via imago)

Fazit

Stefan Reuter steht vor einem anstrengendem Transfer-Sommer. Aufgrund der Vielzahl an Spielern, deren Arbeitspapier im Jahr 2020 ausläuft, werden die Weichen für die Zukunft schon in wenigen Monaten gestellt. Im Einzelfall gilt es dann abzuwägen: letzte Chance auf einen Verkauf mit Ablösesumme oder langfristige Verängerung? Dass die Beantwortung dieser Frage elementar sein kann, zeigt derzeit das Beispiel Rani Khedira.

Die Wochen der Wahrheit

Beim Schreiben dieser Zeilen ist das Bundesligaspiel des FC Augsburg gegen den FC Bayern noch nicht einmal 24 Stunden alt. Beim Blick zurück auf die 0:1-Niederlage schwingt dabei nach wie vor das Gefühl mit, dass gegen den Triple-Sieger mehr drin gewesen wäre als die 15. Niederlage im 19. Bundesligaduell. Die von erschreckendem Angsthasen-Fußball geprägte erste Halbzeit darf und muss kritisiert werden, keine Frage. Gleichzeitig sollte der zweite Durchgang allerdings auch Mut machen. Mut, auch gegen stärkere Gegner bestehen zu können. Gegner, mit denen es der FC Augsburg in den kommenden Wochen zuhauf zu tun bekommt. In den nächsten fünf Spielen treffen die Schwaben ausnahmslos auf Teams aus der Top-6. So auch am Samstag (15.30 Uhr), wenn Union Berlin zu Gast am Lech ist.

Das Hinspiel in Berlin konnte der FCA positiv bestreiten. Ruben Vargas, Michael Gregoritsch und André Hahn sorgten für einen 3:1-Sieg an der Alten Försterei. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Über den Gegner

Die Berliner sind zweifelsohne die Überraschungsmannschaft der Saison. Nach Abschluss der Hinrunde haben die Köpenicker stolze 28 Punkte auf dem Konto – einen weniger als Borussia Dortmund und neun mehr als der FC Augsburg. Vor der Saison wurden die Eisernen von vielen als Abstiegskandidat gehandelt, die Rede war vom viel zitierten „verflixten zweiten Bundesligajahr“.

Diesen kritischen Stimmen trotzt die Mannschaft von Urs Fischers allerdings Woche für Woche. Union hat gerade einmal drei Spiele verloren (unter anderem gegen den FCA) und bietet selbst Spitzenteams Paroli. Den Bayern konnte ein 1:1 abverlangt, gegen Leverkusen (1:0) und Dortmund (2:1) sogar gewonnen werden. Zudem blieb der FCU am Mittwoch in Leipzig das erste Mal in dieser Saison torlos – und das, obwohl Toptransfer Max Kruse immer noch verletzt ausfällt. Zum Vergleich: Der FC Augsburg brachte bereits in sechs Spielen keinen eigenen Treffer zusammen.

Die Eisernen durften in dieser Saison schon häufig jubeln. 28 Punkte bedeuten Tabellenplatz sechs. (Foto via imago)

Urs Fischer als Fußballlehrer – er macht seine Spieler besser

Der Vorjahreselfte stellt mit 32 Treffern die drittbeste Offensive der Liga, nur Dortmund (33) und Bayern (49) haben mehr. An dieser Zahl ist die enorme Weiterentwicklung des langjährigen Zweitligisten sehr gut abzulesen. In der vergangenen Saison erzielte die Fischer-Elf in der gesamten Saison gerade einmal 41 Treffer, also nur neun mehr als bisher. Der damalige Aufsteiger beschränkte sich in seinen Offensivaktionen auf lange Bälle und Standardsituation. Diese Elemente spielen auch heute noch eine entscheidende Rolle (die Ecken und Freistöße von Christopher Trimmel sind die gefährlichsten der Liga). Urs Fischer hat es allerdings geschafft, sein taktisches Repertoire zu erweitern. Union setzt mittlerweile auch auf spielerische Ansätze und variable Formationen. Das Spiel der Köpenicker ist unausrechenbarer als noch in der Vorsaison. Hinzu kommen ein aggressives Anlaufen (höchste Laufdistanz der Liga), ein körperbetontes, aber nicht unfaires Verteidigen sowie ein hervorragender Teamgeist.

All das wird gepaart mit einem Trainer, der es bei nahezu allen Spielern geschafft hat, sie auf ein neues Level zu bringen. Christopher Lenz oder Robert Andrich drohten in der 2. Bundesliga zu versumpfen – jetzt sind sie Bundesliga-Stammspieler. Gleiches gilt für die Ex-Augsburger Marvin Friedrich und Andreas Luthe, die nach düsteren Zeiten in der Fuggerstadt ebenfalls schon als abgeschrieben galten. Dass trotz der derzeitigen Erfolgswelle niemand an der Alten Försterei durchdreht und Fischer statt von Europa vom Klassenerhalt spricht, steht obendrein sinnbildlich für den positiven Weg, den der Verein eingeschlagen hat.

Konnten sich beide nicht in Augsburg etablieren: Andreas Luthe (r) machte 31 Spiele, Marvin Friedrich (2.v.l) kam sogar nur in der U23 zum Einsatz (26 Spiele). Bei Union sind beide unangefochtene Stammspieler. (Foto via imago)

Die Fakten zu #FCAFCU

Alupremiere: Gegen den FC Bayern traf der FC Augsburg in Person von Alfred Finnbogason das erste Mal in dieser Saison Pfosten oder Latte. Kein Team scheitert seltener am Aluminium. Spitzenreiter in dieser Kategorie ist der VfB Stuttgart (zehn).

Elfer-Bilanz: Alfred Finnbogason trat vor dem Bayern-Spiel zehn mal im Augsburger Trikot zu einem Elfmeter an – und war dabei stets erfolgreich. Gegen die Bayern scheiterte der Isländer erstmals. In seiner gesamten Karriere kommt er übrigens auf eine Quote von 28/31.

Kilometerfresser: Union Berlin stellt gleich drei Spieler der zehn laufstärksten Spieler der Bundesliga: Robin Knoche (187 Kilometer), Christopher Lenz (186) und Marvin Friedrich (185). Bielefelds Marcel Hartel spult die meisten Kilometer ab (205), bester Augsburger ist Daniel Caligiuri auf Rang 15 (180).

Passschwach: Der FC Augsburg trifft am Samstag mal wieder auf eine Mannschaft, die eine geringere Passquote vorzuweisen hat. Die 79,6 Prozent des FCA bedeuten ligaweit Rang 15, Union ist einen Platz dahinter mit 78,9 Prozent. Nur Köln (78,4) und Mainz (76,8) sind schlechter.

Zweikampfmoster: Daniel Caligiuri hat ligaweit die zweitmeisten Zweikämpfe für sich entschieden (239). Nur Stuttgarts Wataru Endo hat mehr (262), Dritter ist übrigens Ex-Augsburger Martin Hinteregger (228). Felix Uduokhai landet zusammen mit Unions Christopher Lenz auf einem starken zwölften Rang (187).

Daniel Caligiuri scheint trotz seiner 33 Jahre noch nicht müde zu sein. Man kann gar ncht oft genug betonen, wie wichtig dieser Transfer war. (Foto via imago)

Die letzten Begegnungen

19.09.2020: Union Berlin – FC Augsburg 1:3

25.01.2020: Union Berlin – FC Augsburg 2:0

24.08.2019: FC Augsburg – Union Berlin 1:1

12.03.2011: Union Berlin – FC Augsburg 0:0 (2. Liga)

22.10.2010: FC Augsburg – Union Berlin 2:1 (2. Liga)

Im Oktober 2010 egalisiert der FC Augsburg einen Benyamina-Treffer erst durch Uwe Möhrle, ehe Stephan Hain (Mitte) in der 93. Minute per Hinterkopf zum viel umjubelten 2:1 netzt. (Foto via imago)

Was macht eigentlich Caiuby?

Caiuby Francisco da Silva, der Lockenkopf aus Sao Paulo, sorgte in Augsburg immer wieder abseits des Rasens für Schlagzeilen: Party-Ärger, Schwarzfahrern, Verspätungen, verlängerter Urlaub. Die Liste der Verfehlungen ist lang und gipfelte 2019 in der Suspendierung des Publikumslieblings.

Nachdem der Brasilianer für ein halbes Jahr leihweise bei den Grasshoppers Zürich geparkt wurde, stand er im Sommer 2019 ohne Verein da – bis jetzt. Im Januar unterschrieb der 32-Jährige einen Vertrag bei Ex-Klub FC Ingolstadt, wo er bereits seit einigen Monaten mittrainieren durfte. Am Montag gegen 1860 München feierte der Stürmer sein Comeback für die Schanzer und wurde in der 80. Minute eingewechselt. Die Niederlage konnte allerdings auch Caiuby nicht verhindern. Dank eines gewissen Sascha Mölders besiegten die Löwen den FCI mit 1:0. Nach Abpfiff lagen sich die beiden Ex-Kollegen im Mittelkreis in den Armen. Drei Jahre hatten sie zusammen für den FCA gespielt.

(Bei Sascha Mölders ist übrigens gesichert, dass kein Friseur besucht wurde, obwohl die Haare wieder schön waren. Seine Frau hielt auf Instagram fest, wie der Sohn dem Vater mit dem Rasierer an den Pelz ging. Bestes Vorbild!)

Ein Hauch von Augsburg im Grünwalder Stadion. Caiuby und Sascha Mölders haben offenbar nach wie vor ein gutes Verhältnis. (Foto via imago)

Was sonst noch wichtig ist

Am 27. Januar jährt sich zum 76. Mal der Tag, an dem die Überlebenden im Konzentrationslager Auschwitz aus ihrer Gefangenschaft befreit wurden. Im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus unterstützt der FC Augsburg daher in diesem Jahr den „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ von der Initiative „Nie wieder“.

Fokus des diesjährigen Erinnerungstages liegt dabei auf Menschen, die im Dritten Reich aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und ermordet wurden. „In der Homosexualität sind alle bösen Triebe der Judenseele vereint“, hieß es damals vonseiten der NSDAP.

Der FC Augsburg setzt daher „ein Zeichen gegen Diskriminierung, gegen das Vergessen der menschenverachtenden Gräueltaten der Nationalsozialisten und für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft.“

Die Eckfahnen sowie Jeffrey Gouweleeuws Kapitänsbinde werden die Farben der Regenbogenfahne tragen, außerdem soll die WWK-Arena am Spieltag statt in grün in Regenbogenfarben leuchten. Auch wir lehnen jegliche Art der Diskriminierung ab, sind #ImmernochOriginal1907 und stellen eindringlich klar: Nie wieder!

Gerade in den Kommentaren der sozialen Medien scheint das nicht jedem zu gefallen. Wir freuen uns hier über die Klarheit unseres Clubs:

Doch äußerst verwundert mussten wir feststellen, wie sich manche „FCA-Fans“ in den Kommentaren äußern! Genau diese Kommentare zeigen uns aber, dass es wichtig ist, sich für diese Themen ohne Wenn und Aber einzusetzen! Wir zeigen klare Kante gegen Diskriminierung, Rassismus und Intoleranz und stehen entschieden für eine weltoffene Gesellschaft ein! Wem das nicht gefällt, ist bei Rot-Grün-Weiß an der falschen Adresse!

FC Augsburg in einem Instagram-Kommentar

Die vorraussichtliche Aufstellung

Im Hinspiel setzte Heiko Herrlich noch auf eine Viererkette und bekam die Eisernen damit gut in den Griff. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Coach an der mittlerweile bewährten Dreierkette mit Reece Oxford, Jeffrey Gouweleeuw und Felix Uduokhai festhält. Tobias Strobl dürfte für Rani Khedira vor die Abwehrkette rücken.

In der Offensive muss der FCA auf den angeschlagenen Ruben Vargas verzichten, der, wie Herrlich betonte, aber nicht länger ausfallen sollte. Damit bleibt aller Voraussicht nach der lauf- und einsatzstarke André Hahn zusammen mit Marco Richter in der Startelf. Im Vergleich zum Mittwoch dürfte der FCA zudem wieder auf einen echten Stürmer setzen. Dass der FCA gegen die Berliner öfter in Ballbesitz sein wird, spricht in diesem Fall für den etwas spielstärkeren Alfred Finnbogason. Dann stünde Florian Niederlechner als Joker bereit.

Weitere Alternativen sind Noah Joel Sarenren Bazee und insbesondere der nach seiner Einwechslung stark aufspielende Fredrik Jensen. Michael Gregoritsch fehlte gegen die Münchner auf dem Spielberichtsbogen, dürfte aber wieder in den Kader zurückkehren. Raphael Framberger (Muskelfaserriss) ist noch keine Option.

Gikiewicz – Caligiuri, Oxford, Gouweleeuw, Uduokhai, Iago – Strobl, Gruezo – Hahn, Richter – Finnbogason

Dass Reece Oxford noch einmal mehrere Spiele in Folge für den FCA in der Startelf stehen wird, haben wohl nur wenige in Augsburg für möglich gehalten. Auch wir hatten den Engländer bereits abgeschrieben, müssen aber festhalten: Der Innenverteidiger macht derzeit einen guten Job! (Foto via imago)

Tipps

Andy: 2:0 – Ich lasse mir meinen Optimismus nicht nehmen. Union liegt uns und wir holen 3 Punkte. Gefeiert werden die Tore mit der Regenbogeneckfahne.

Irina: 1:1 – mehr als ein Punkt springt gegen starke Berliner nicht heraus.

Franzi: 2:1 – vor dem Hammerprogramm der nächsten Wochen müssen gegen den veremeintlich leichtesten Gegner unbedingt Punkte her. Die holen wir uns, weil genau das alle wissen, und dazu Giki gegen seinen alten Verein seine Bude verteidigen wird – als ginge es um Leben und Tod 🙂

Andi: 3:1 – Dieser Tipp ist maßgeblich mit dem Wunsch verbunden, die Mannschaft einmal offensiv nach vorne spielen zu sehen. Die Qualität zum Toreschießen ist ja eigentlich da. Dazu müsste Herrlich allerdings auch etwas risikofreudiger aufstellen. Dann wird der Mut auch belohnt.

„Unsere Defensive hat kein Bundesliganiveau“

Es waren drastische Worte, die Rafal Gikiewicz nach dem 1:4 gegen den VfB Stuttgart wählte. „Wir machen zu viele Fehler hinten. Ich bin froh, dass ich nur vier Gegentore bekommen habe“, konstatierte der Keeper nach der sechsten Saisonniederlage, um dann noch einmal in aller Deutlichkeit hinterher zu schieben: „Unsere defensive Leistung hat kein Bundesliganiveau.“

Dabei ist die Abwehrarbeit eigentlich Augsburgs Prunkstück in dieser Saison. Vor dem 15. Spieltag kassierten nur fünf Teams weniger Gegentreffer als der FCA. Das liegt einerseits daran, dass Trainer Heiko Herrlich enormen Wert auf defensive Kompaktheit legt und andererseits an einem starken Torwart, der ligaweit die zweitmeisten Schüsse abwehrt.

Gegen Stuttgart wählte Herrlich eine etwas angriffslustigere Taktik. Der FCA stand etwas höher und attackierte früher. Was in der Offensive für aussichtsreiche Abschlussgelegenheiten sorgte, ging jedoch zu Lasten der Sicherung des eigenen Tores. Das 2:0 fiel aus einem langen Ball von VfB-Innenverteidiger Kempf, nachdem der FCA weit aufgerückt war. Das ging viel zu einfach und hatte mit Bundesliganiveau in der Tat wenig zu tun. Aus Augsburger Sicht darf gehofft werden, dass Gikiewicz‘ öffentlicher Rüffel die Mannschaft wachrüttelt und somit gegen Bremen (Samstag, 15.30 Uhr) ein anderes Gesicht gezeigt wird. Dass Abwehrchef Jeffrey Gouweleeuw wieder mit dabei ist, sollte für zusätzliche Stabilität sorgen. Dass der FCA mit den Werderanern nicht gerade auf die gefährlichste Offensive der Liga trifft, ebenso.

Der FCA kassierte gegen Stuttgart das erste Mal in dieser Saison vier Gegentore. Was Rafal Gikiewicz vom Auftreten seiner Vordermannschaft hielt, machte der Pole unverblümt klar. (Foto via imago)

Über den Gegner

Bremen hat nahezu das gleiche Torverhältnis wie der FC Augsburg. Beide Teams schossen magere 17 Tore, der SVW kassiert einen Treffer mehr. Dennoch trennen Augsburg und Bremen vier Punkte voneinander, was sich auch durch die etwas bessere Chancenverwertung der Schwaben begründet.

Die Hanseaten hecheln den eigenen Erwartungen aber nicht nur in puncto Offensive hinterher. Von den letzten zwölf Bundesligaspielen hat die Mannschaft von Florian Kohfeldt nur eines gewonnen (1:0 gegen Mainz durch ein Tor von Juniorenspieler Eren Dinkci in der 90. Minute). So langsam verdichten sich die Anzeichen, dass die vergangene Saison, in der sich der Traditionsverein erst in der Relegation retten konnte, eben nicht nur ein Ausrutscher war. Auch wenn das manch eine(r) in Bremen, wo man vor eineinhalb Jahren noch von Europa sprach, nicht wahrhaben will.

Emotionaler Coach an der Seitenlinie: Florian Kohfeldt ist seit November 2017 im Amt. Seitdem qualifizierte sich Werder fast für die Europa League, stieg allerdings auch fast ab. Die Rückendeckung im Klub ist auch jetzt da. (Foto via imago)

„Wir haben sehr, sehr schlecht Fußball gespielt“

Die Realität sieht bekanntlich anders aus. Drei Saisonsiege, Tabellenplatz 13. Dementsprechend wählte Kohfeldt vor zwei Wochen auch deutliche Worte und war nach der 0:2-Niederlage gegen Union Berlin sichtlich bedient: „Wir haben in allen Belangen eine sehr schlechte Leistung abgeliefert. Wir haben sehr, sehr schlecht Fußball gespielt. Mit dieser Leistung kann man kein Bundesligaspiel gewinnen. So wie heute geht es nicht.“ Im nächsten Spiel zeigten seine Schützlinge dann allerdings eine Reaktion und sicherten sich ein verdientes 1:1 in Leverkusen.

Auch wenn die sympatischen Bremer gerne an ihren Vereinslegenden festhalten, dürfte so langsam aber sicher über Frank Baumann diskutiert werden. Als Manager ist er maßgeblich für die Kaderzusammenstellung verantwortlich und hat – so ehrlich muss man auch trotz Corona sein – zuletzt keinen guten Job gemacht. Das wurde beispielsweise an unüberlegten Leihdeals samt Kaufpflicht oder dem Verkauf Davy Klaassens (Ajax Amsterdam) deutlich. Natürlich hat der klamme SVW die kolportierten elf Millionen Euro Ablöse gerne genommen. Ein positionsgetreuer Ersatz wurde allerdings nicht verpflichtet.

In Bremen ist man sich der Wichtigkeit des Augsburg-Spiels bewusst. Während der Trainingswoche setzte Kohfeldt auf Geschlossenheit und will die Partie gegen den FCA als Chance sehen. Die Hanseaten haben am Samstag die Gelegenheit, sich etwas vom Abstiegskampf loszueisen – und den FCA gleichzeitg näher an ihn heran zu bringen. (Foto via imago)

Die Fakten zu #SVWFCA

Flankenblock: Kein Team stellt sich mehr Flanken erfolgreich in den Weg als der FC Augsburg (36). Neun Blocks davon gehen auf das Konto von Iago – ligaweit Platz zwei.

Harmlos: Nur Bielefeld und Köln (beide 8,7) geben weniger Schüsse pro Spiel ab als Augsburg (9,5) und Bremen (10,2).

Kopfballschwach: Der FCA ist die Mannschaft der Liga, die es bisher am wenigsten per Kopf versucht hat. Gerade einmal 16 Kopfbälle in Richtung Tor kamen in den bisherigen 15 Spielen zustande. Bremen ist 15. (29), Bayern und Gladbach Erster (43).

Sprints: Der FC Augsburg weist ligaweit die drittmeisten Sprints auf (3672), nur Bayern (3755) und Wolfsburg (3728) haben mehr. Bremen belegt in dieser Statistik den letzten Platz (3038). Der Kontrast zum FCA ist bemerkenswert, zumal es bei den intensiven Läufen ähnlich aussieht: Die Schwaben sind Vierter, Werder Vorletzter.

Torflaute: 1000 Mal probiert, 1000 Mal ist nichts passiert? Florian Niederlechner wartet seit sage und schreibe 929 Minuten auf ein Tor in der Bundesliga – schon jetzt die längste Durststrecke des Stürmers. Nun steht der Oberbayer in Bremen vor dem Erreichen der unrühmlichen Vierstelligkeit.

Trainerbilanz: In sechs Aufeinandertreffen mit Heiko Herrlich konnte Florian Kohfeldt nur einmal gewinnen. 2016 im Pokal gegen die von Herrlich trainierten Regensburger.

Nach 13 Treffern in der Vorsaison steht bisher noch die Null. Wann platzt bei Florian Niederlechner endlich der Torknoten? (Foto via imago)

Die letzten Begegnungen

01.02.2020: FC Augsburg – Werder Bremen 2:1

01.09.2019: Werder Bremen – FC Augsburg 3:2

10.02.2019: Werder Bremen – FC Augsburg 4:0

22.09.2018: FC Augsburg – Werder Bremen 2:3

17.03.2018: FC Augsburg – Werder Bremen 1:3

Ruben Vargas trifft zum 2:1-Endstand im letzten Duell gegen Bremen. Die jüngste Bilanz spricht dennoch klar für Werder, insgesamt hat jedoch der FCA die Nase vorn. Von bis dato 18 Bundesligaspielen konnten die Schwaben bei zwei Remis neun Siege einfahren. (Foto via imago)

Was macht eigentlich Matthias Ostrzolek?

Im Januar 2012 wechselte Matthias Ostrzolek vom VfL Bochum in die Fuggerstadt. Bis 2014 machte der Linksverteidiger 74 Spiele für Rot-Grün-Weiß (kein Tor, elf Vorlagen). Nach zweieinhalb starken Jahren in Augsburg wechselte der Deutsch-Pole zum Hamburger SV, wo seine Leistungskurve fortan nach unten gehen sollte. Nach drei Jahren und 89 Spielen für die Rothosen zog es Ostrzolek zu Hannover 96, mit denen der frühere U21-Nationalspieler in die 2. Liga absteigen sollte.

Im Sommer wurde sein auslaufender Vertrag am Maschsee dann nicht verlängert und Ostrzolek stand ohne Verein da – bis jetzt. Anfang Januar gab der FC Admira Wacker Mödling die Verpflichtung des 30-Jährigen bekannt. Beim von Damir Buric (früher Greuther Fürth) trainierten österreichischen Erstligisten unterschrieb Ostrzolek einen Vertrag bis 2022.

Spielte in seiner Augsburger-Zeit wie hier beim 1:0-Sieg gegen den FC Bayern durchaus eine wichtige Rolle. Matthias Ostrzolek war beim FCA Stammspieler. (Foto via imago)

An dieser Stelle wollen wir noch an einen weiteren Ex-Augsburger erinnern, der unter der Woche für bundesweite Schlagzeilen gesorgt hat. Gratulation zum Einzug ins Pokal-Achtelfinale, Ioannis Gelios!

Die voraussichtliche Aufstellung

Marco Richter fehlt aufgrund seiner mehr als überflüssigen gelb-roten Karten gesperrt. Jeffrey Gouweleeuw kehrt nach seiner fünften gelben Karte wieder in die Startelf zurück. Eine Dreierkette mit Reece Oxford scheint nicht ausgeschlossen, doch gegen die offensiv harmlosen Bremer könnte Herrlich auch wieder zur Viererkette zurückkehren. Ob in dieser Iago den Linksverteidiger gibt, ist mehr als fraglich. Der Brasilianer konnte nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung gegen Stuttgart noch nicht wieder trainieren, sodass vermutlich Mads Pedersen zu seinen zweiten Startelfeinsatz kommen wird. Sein Pendant auf der rechten Seite gibt wohl Robert Gumny, da Raphael Framberger (Muskelfaserriss) noch nicht wieder einsatzbereit ist. Vieles deutet zudem daraufhin, dass sich der Coach für ein kompaktes Zentrum mit Rani Khedira, Carlos Gruezo und Tobias Strobl entscheidet. André Hahn, Michael Gregoritsch und Alfred Finnbogason sind Alternativen für den Angriff.

Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Uduokhai, Pedersen – Khedira, Gruezo – Caligiuri, Strobl, Vargas – Niederlechner

Rückkehr in die Startelf: Jeffrey Gouwelleuw wird gegen Bremen wieder ins Abwehrzentrum rücken – und damit hoffentlich für mehr Stabilität sorgen. (Foto via imago)

Tipps:

Andy: 0:3 – Bremen spielt keinen guten Fußball. Wir hatten gegen den VfB und auch Frankfurt spielerische Ansätze gezeigt. Ich höre nicht auf optimistisch zu sein und glaube, dass wir diesmal zu Toren kommen und damit an einen deutlichen Auswärtssieg. Von Stuttgart lernen, heißt auswärts siegen lernen.

Irina: 2:1 – wir verlieren auch gegen Bremen, aber nicht so deutlich wie gegen dem VfB.

Andi: 1:1 – In einem höhepunktarmen Spiel gibt es am Ende keinen Sieger. Werder spielt damit zum siebten Mal in dieser Saison 1:1 und der FC Augsburg kann den Abstand zu einem direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt wahren. Es wäre Flo Niederlechner zu wünschen, dass er seine Torflaute endlich beendet.

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