Zeit, Gänge hochzuschalten

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette” bei presse-augsburg.de. 

Mitten in der Saison könnte man sagen. Mehr als 10 Prozent der Spiele sind gespielt. Der FCA ist immer noch sieglos. Wenn man es positiv sehen will: die Mannschaft hat nur zweimal verloren (aber dabei 8 Gegentore kassiert). Nun ist es ja schon fast traditionell so, dass wir schlecht starten und zu Beginn der Saison keine Euphorie aufkommen mag. Reicht Geduld, oder hätte es andere Impulse während der Transferperiode bedurft?

Stefan Reuter ist erneut derjenige, der in der Pflicht steht. Seine Entscheidungen haben das Saisonende und den Beginn der Saison geprägt. Genau wie das letzte Jahrzehnt des FCA. Sein Handeln ist dabei keineswegs von blindem Aktionismus geprägt, sondern von Geduld und Nachhaltigkeit. In dieser Saison geht er erneut eine Risiken ein. Mir wird etwas mulmig, wenn ich über diese nachdenke. Der ein oder andere Dreier wären nötig, damit ich nicht weiter über die folgende Liste grübele:

Der Trainer

Ja, Markus Weinzierl hatte eine tolle erste Phase in Augsburg. Ja, er ist nicht nur im Vergleich zu Heiko Herrlich ein Sympathieträger. Derweil dürfen Zweifel angebracht werden, ob Weinzierls Arbeit einige Jahre später zu ähnlich erfolgreichen Ergebnissen führen kann. Zu Denken geben sollte, dass sich die Bundesliga laufend weiterentwickelt. Taktische Herangehensweisen, die noch vor einigen Jahren äußerst erfolgreich waren, sind durchschaut und entsprechend taktische Gegenmaßnahmen entwickelt. In seinen Amtszeiten auf Schalke und in Stuttgart konnte Weinzierl nicht beweisen, dass er Mannschaften auf die Erfolgsspur bringen kann. Zumindest nicht in der Zeit, die ihm gegeben wurde. Stefan Reuter setzt nun darauf, dass dies in Augsburg anders sein wird. Warum sollte dies so sein?

Nachgedacht wird intensiv. Ob die Pläne aufgehen? Wir werden sehen. (Foto: nordphoto GmbH / Engler nph00076 via Imago)

Verletzungsanfällige und Formschwache

Manche Spieler im Augsburger Kader sind – bei voller Gesundheit – absolute Leistungsträger. Leider sind sie zu selten im Vollbesitz ihrer Kräfte. Jan Moravek, ist hier zuallererst zu nennen, der sich direkt an einem der ersten Spieltage eine schwere Muskelverletzung zugezogen hat. Alfred Finnbogason fällt auch in diese Kategorie. Auch Raphael Framberger und Freddy Jensen sind in der Vergangenheit durch vielfältige Verletzungen aufgefallen.

Die Leistung anderer Spieler ist sehr formabhängig. Gregerl hatte eine Saison lang Tor um Tor geschossen. Auch Florian Niederlechner hatte eine Traum-Saison und danach ist die Tor-Quote deutlich abgeflacht. Sogar bei Rafal Gikiewicz zeigt sich momentan eine deutliche Formkurve.

Die Liste der Spieler ist recht lang und wie sich zeigt, werden nicht alle ihre Verletzungsanfälligkeit oder Formschwäche überwinden. Ich hoffe, wir sind darauf nicht angewiesen.

Manche müssen den Sprung schaffen

Bei einer weiteren Gruppe aus Spielern sind wir darauf angewiesen, dass sie dauerhaft auf Bundesliganiveau spielen können. Sie haben es bisher nicht unter Beweis gestellt. Und während es gerade bei Reece Oxford gut aussieht (ich hoffe, die Aussetzer sind Historie) benötigen wir eine ähnliche Entwicklung von Iago, Niklas Dorsch, Mads Pedersen, Sergio Cordova, Robert Gumny, Andi Zeqiri oder Lasse Günther.

Alle werden es nicht schaffen. Wenn sich allerdings keiner dieser Spieler sportlich weiterentwickeln würde, dann bekommen wir diese Saison ein Problem. Das Zauberwort heißt an dieser Stelle Konstanz. Konstanz auf hohem Niveau ist, was diese Spieler liefern müssen.

Führungsspieler

Jeffrey Gouweleeuw ist nun die zweite Saison der Kapitän der Mannschaft. Darum herum gibt es wohl immer noch einen Mannschaftsrat. Auf dem Platz ist manchmal keine eindeutige Führungsstruktur zu erkennen. Wer gibt Signale und wer nimmt auch in schwierigen Situationen das Heft des Handelns in die Hand? In den ersten beiden Heimspielen – gerade nach langer Abwesenheit der Fans – ist man in der Endphase der Spiele erstmal auseinander gebrochen. Das hier – außer Gike – auch intern dann mal die Fetzen fliegen, ist nicht erkennbar.

Zu viel Beschweren, zu wenig Verantwortung übernehmen. Zeit für die Wende. (Foto via Imago)

Daniel Caligiuri kam letzte Saison als erfahrene Kraft. Tobias Strobl auch. Insgesamt ist es mir zu ruhig, auch was das Commitment der Spielergemeinschaft zu den eigenen Ansprüchen und die emotionale Komponente angeht. Heiko Herrlich konnte nach Martin Schmidts Wirken die Einbrüche etwas eindämmen. Auf weitere sportliche Einbrüche habe ich ehrlich gesagt keinen Bock. Und mir ist nicht klar, wer außer den Führungsspielern auf dem Platz ansonsten in diesen Situationen die notwendigen Impulse geben sollte.

Die offensive Harmlosigkeit

Gegen Ende des Spiels nicht vollständig einzubrechen ist ja schon die absolute und armselige Mindestanforderung. Während über viele Jahre hinweg, die defensive Kompaktheit in Augsburg das wichtigste Augenmerk war, hat sich der Fokus in der letzten Zeit etwas gedreht. Heiko Herrlich hat uns offensive Harmlosigkeit eingetrichtert. Diese ist eine schwierige Marotte. Und während gegen Union Berlin zumindest Torabschlüsse und Gelegenheiten da waren (und auch Andreas Luthe seinen Teil dazu beitrug, dass wir kein Tor erzielten), war dies gegen die Frankfurter Eintracht noch nicht der Fall.

Offensiv bleiben wir noch zu oft harmlos und ohne Durchschlagskraft. Und hier muss sich etwas ändern. Dies ist auch genau der Bereich, bei dem auf dem Transfermarkt – vergleichbar mit der Verpflichtung von Max Kruse durch Union Berlin im letzten Sommer – auch von außen der Spirit geändert hätte werden können. Stefan Reuter verlässt sich darauf, dass es auch so klappt. Wie ich hoffe, dass er Recht hat.

Eine notwendige Kraftanstrengung

Wenn man die Verantwortlichen des Vereins fragt, dann lief in den letzten Jahren vielleicht nicht alles optimal, aber man war ja doch immer zufrieden. Das ist ein gefährlicher Pfad. Die letzten Jahre waren aus sportlicher Sicht nicht nur verlorene Jahre. Die Entwicklung war sogar rückläufig. Und wenn man sich die Tabelle in den letzten Jahren anschaute, dann war klar, dass es nicht an unserem sportlichen Können lag, dass wir die Klasse gehalten haben. Andere Vereine haben sich schlicht noch viel depperter angestellt. Unsere Entwicklung ist dabei doch recht vergleichbar mit der von Werder Bremen und anderen. Muss das irgendwann zum Abstieg führen? Nein, vielleicht auch nicht. Andere Clubs können uns immer wieder unterbieten. Ist das allerdings die Frage, die wir uns stellen wollen?

Ich wäre dann angefressen genug für eine Trotzreaktion und ein Aufbäumen. Und das schon nach vier Spieltagen. (Foto: nordphoto GmbH / Engler nph00076 via Imago)

Sportlich fehlt schon lange, dass wir nicht mehr der bissige und eklige Gegner sind, der den anderen Bundesligisten den Würgereiz vor den Partien gegen uns hervorruft. Frankfurt hat deutlich unangenehmer gespielt als wir. Wir lassen uns schlicht zu oft den Schneid abkaufen. Es fehlt auch die absolute Geschlossenheit. Die heutige Mannschaft mag deutlich höher veranlagt sein, als das frührere Teams waren. Die Konsequenz, mit der Ragnar Klavan, Raul Bobadilla, Sascha Mölders, HardKohr und andere Dinge geschlossen auf dem Platz auch mal erzwungen haben, ist weg. Über Marwin Hitz Ausgleich gegen Bayer 04 Leverkusen oder seine Manipulation des Elfmeterpunkts mal ganz zu schweigen.

Die Erkenntnis, dass wir als Club dauerhaft unsere Komfortzone verlassen müssen, um sportlich in dieser Liga eine Rolle spielen zu können, ist verloren gegangen. Mittlerweile sind wir die graue Maus. Noch nicht einmal Kampf und Einsatz heben uns noch hervor. Stefan Reuters größte Aufgabe ist daher wohl, diese wieder zu beleben. Daran wird diese Saison vieles, wenn nicht alles, hängen. Wenn ich daran denke, dass wir gegen Gladbach nächste Woche schon wieder vier Buden kassieren könnten, dann könnte ich kotzen. Es ist Zeit, die Ernsthaftigkeit der Lage in dieser Saison schon früh anzuerkennen. Und es ist Zeit, das Augsburger Biest wieder von der Leine zu lassen. ROOOAAAARRRR!

Die Krise der Führungsspieler

Mein Optimismus war ja schon vor der letzten Saison nicht gerade besonders stark ausgeprägt. Ich hatte vermutet, dass die sportlichen Probleme des FCA in Summe dazu führen, dass wir absteigen. Selten war ich so froh, mich geirrt zu haben. Derweil wird eines der Themen, das ich in meiner pessimistischen Voraussage angesprochen hatte, aktueller denn je. Ich habe letzten Sommer darauf hingewiesen, dass mir beim FCA die Führungsspieler fehlen. In einer innerfamiliären Debatte kam das Thema zuletzt wieder zur Sprache. Es hat sich wenig im Vergleich zum vergangenen Sommer getan. Im Gegenteil: das Management und der Trainer bringen weiterhin Unruhe in den Kader.

Der Maestro

Daniel Baier ist der Größte. Punkt. La Decima ist besonders mit einer Person auf dem Rasen verbunden: unserem Maestro im Mittelfeld. Sportliche Lobeshymnen haben wir schon einige geschrieben und es gibt kein Rütteln an meinem Respekt für die Leistungen von Daniel Baier im Trikot des FC Augsburg. Umso unwirklicher wirkt gerade wie Trainer Heiko Herrlich mit Daniel Baier umgehen darf. Baier wurde in den letzten beiden Partien der Saison noch nicht mal mehr eingewechselt. Selbst Reece Oxford erhielt den Vorzug. Darauf angesprochen lobt Herrlich lieber die Stärken der Mitspieler. Herrlich scheint Baier kalt zu stellen.

Daniel Baier am Boden. Wie geht die Karriere des Maestros in Augsburg zu Ende? (Foto: Frank Hoermann / FOTOAGENTUR SVEN SIMON/POOL)

Dabei muss klar sein: Baier hat das Recht auf einen Abschied nach seinen Vorstellungen. Es ist für mich dabei auch recht einfach zu beurteilen, wer sich in den letzten Monaten professioneller verhalten hat. Trainer Heiko Herrlich machte bekanntlich keine gute Figur. Insgesamt lässt dies allerdings Zweifel aufkommen, ob die etablierteste Führungspersönlichkeit beim FC Augsburg auch im nächsten Jahr diese Rolle weiterhin ausführen darf.

(Als New York Giants Fan erinnert mich die Situation sehr daran, wie Eli Manning für Geno Smith auf die Bank gesetzt wurde. Manning hatte die Giants zu zwei Super Bowl Titeln geführt und eine andauernde Serie von über 100 Spielen, die er von Beginn an spielte. Coach war Ben McAddo. McAddos Auftreten wirkte ähnlich professionell wie das von Heiko Herrlich).

Die Leistungsträger

Hoffnung in der Debatte um Führungsspieler beim FC Augsburg machen drei Männer, die über die gesamte Saison hinweg vorweg marschiert sind. Mit ihren Leistungen haben sie die Grundlage für den erneuten Klassenerhalt gelegt. Mit ihrem professionellen Verhalten waren sie zudem Leuchttürme, an denen sich der Rest der Mannschaft orientieren konnte. Gemeint sind Florian Niederlechner, Philipp Max und Rani Khedira. In der Kombination Sturm, Mittelfeld, Abwehr bilden sie eine Achse, um die der FC Augsburg in der Zukunft aufbauen könnte. Gerade weil alle drei mit Sicherheit noch ein paar gute Jahre vor sich haben.

Das macht alle drei allerdings auch interessant für andere Vereine. Philipp Max wurde in den letzten Wochen mit dem AC Mailand und Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht. Bei Rani Khedira läuft der Vertrag in 2021 aus und die Gespräche über eine Vertragsverlängerung sind wohl ins Stocken geraten. Wenn wir mit allen dreien in die neue Saison gehen, dann wäre ich frohen Mutes. Abgänge sind hier zu vermeiden, solange uns nicht ein Goldschatz angeboten wird und ich befürchte das Schlimmste.

Im Tor

Über die Situation im Tor habe ich mich erst vor kurzem ausführlich ausgekotzt. Die obige Achse reichte zwar im Saisonabschluss bis ins Tor, weil wir mit Andi Luthe einen Topp-Rückhalt hatten. Für die neue Saison werden die Karten allerdings neu gemischt, da mit Rafal Gikiewicz ein neuer Keeper kommt, der in den letzten Wochen schon nicht mit Zurückhaltung geizte. Dafür soll Andi Luthe den Verein wohl sogar verlassen.

Andreas Luthe mit seinen Teamkollegen kurz nach dem Klassenerhalt gegen Düsseldorf. Menschen wie Andreas Luthe jagt man nicht vom Hof. Man gibt ihnen eine Perspektive für die Laufbahn nach der Karriere auf dem Platz. (Foto: Anke Waelischmiller Sven Simon Pool)

Die Logik mag ich nicht verstehen. Luthe ging als Nummer 2 in die Saison und sprang super in die Bresche als Tomas Koubek seine Schwächen offenbarte. Nun scheint der FCA mit Gikiewicz die Position des ersten Keepers neu besetzt zu haben. Mit welchem Argument jagt man nun die beste Nummer 2 vom Hof, die man sich vorstellen kann? Ich verstehe, dass man sich von Koubek und Giefer trennen will. Aber Luthe scheint auch neben dem Platz zu viele Qualitäten zu haben, als dass man hier leichtfertig einen Abschied provozieren sollte. Ein Trauerspiel.

Die Verletzten

Wenn sie denn durchgehend sportlich fit wären, könnten sie auch mehr Führungsaufgaben auf dem Platz übernehmen. Die Rede ist natürlich von Jeffrey Gouweleeuw und Alfred Finnbogason. Gerade Finnbogasons Ansprüche, wenn er denn mal fit ist, sorgen dagegen eher für Unruhe. Bei beiden haben sich die Befürchtungen von vor der Saison leider bewahrheitet. Der FCA wäre naiv sie als Führungsspieler auf dem Platz einzuplanen. Wenn ihre Ansprüche dahingehend größer sind, dann müsste man mit beiden realistisch über ihre Perspektiven sprechen. Gerade Finnbogason scheint beim FCA – leider – keine Perspektive mehr zu haben.

Die nachdrängenden Jungen

Kommen wir zu Hoffnungsmachern. In der letzten Saison haben doch einige jüngere Spieler wichtige Erfahrungen gesammelt. Spieler, die sich weiter verbessern sollten. Die in Zukunft Verantwortung übernehmen könnten. Marco Richter, Ruben Vargas und Felix Uduokhai fallen in diese Kategorie. Die drei haben der Mannschaft sportlich sehr weitergeholfen und wichtige Schritte in ihrer eigenen Entwicklung gemacht. Wer bleibt und tut sich nächste Saison auch neben dem Platz hervor? Für Führungsaufgaben ist es nächste Saison wahrscheinlich trotzdem zu früh.

Die Neuzugänge

Bislang stehen als Neuzugänge Rafal Gikiewicz, Daniel Caligiuri und Tobias Strobl fest. Caliguiri war Führungsspieler auf Schalke. Alle drei sind sehr erfahren. Nach der Jugendwelle im letzten Sommer verstärkt sich der FCA bewusst mit Erfahrung. Problem erkannt? Vielleicht. Alle drei sollten neben ihren sportlichen Rollen Führungsaufgaben beim FCA übernehmen können.

Können wir von Daniel Caliguiri Impulse erwarten, wie er sie auf Schalke geliefert hat? (Foto: nordphotox/xRauch nph00251)

Alle drei müssen allerdings in Augsburg auch erst ankommen und sich akklimatisieren. Respekt muss man sich verdienen. Zudem haben wir auch in der Vergangenheit schon erkannt, dass nicht jeder erfahrene Spieler einschlägt. Stephan Lichtsteiner und Piotr Trochowski sind Namen, die die Hoffnungen dämpfen sollten.

Fazit

Es könnte alles so einfach sein. Der FCA könnte mit Luthe, Max, Baier, Khedira und Niederlechner eine Truppe haben, die die Mannschaft auf dem Platz auch in schwierigen Phasen führt. Momentan glaube ich nur an Florian Niederlechners Einsätze und Beiträge in der nächsten Saison. Khedira, Luthe und Max könnten den FCA wohl im Sommer verlassen. Baier darf evtl. nur noch von der Bank zuschauen. Wer die Führungsaufgaben auf dem Platz dann neben Niederlechner übernimmt steht in den Sternen. Für die Jungen wird es zu früh kommen. Für Neuzugänge wird es im ersten Jahr schwierig werden. Die Kaderplanung sorgt bei mir dahingehend doch für Kopfschütteln. Viel wird daran hängen, ob der FCA auf die Millionen aus möglichen Abgängen angewiesen ist. Hoffen wir es nicht. Hoffen wir, dass Stefan Reuter die Führungstruppe zusammenhalten kann. So wie der Trainer Heiko Herrlich auftritt, wird mir es mir ohne gestandene Führungsspieler ansonsten Angst und Bange. Mal wieder.

Wer übernimmt auf dem Platz die Verantwortung?

In meiner ersten Kolumne diesen Jahres habe ich die Frage aufgeworfen, wer beim FCA in der jetzigen Situation auf dem Platz die Verantwortung übernimmt, um das Ruder herumzureißen. Ich will mit dieser Frage nicht abstreiten, dass der Einsatz der Mannschaft passt. „Redlich bemüht“ könnte man ins Zeugnis schreiben. Vielleicht fehlt aber mittlerweile die Struktur in der Mannschaft. Klare Anführer sind kaum sichtbar. Mit Marwin Hitz hat der FCA einen ruhigen Leistungsträger verloren, der ein Stützpfeiler war. Auch Daniel Baier ist immer noch da und der Maestro strahlt in seinen guten Momenten immer noch Ruhe und Klasse aus. Allerdings wird auch Baier nicht schneller und fitter oder jünger und braucht seine Auszeiten. Seine Zukunft nach dieser Saison ist weiterhin offen. Gegen Wolfsburg hat man Jeffrey Gouweleeuw bemüht gesehen. Das zweite Gegentor hätte er aber blocken können. Spieler, die konstant und fehlerfrei ihre Leistung abrufen können, sind selten geworden. Bei Philipp Max‘ Ballverlusten in Berlin habe ich mir verwundert die Augen gerieben. Und so hat Manuel Baum es geschafft, eine Stammelf zu etablieren, ohne dabei klare Anführer zu positionieren. Wo ist jemand wie Halil Altintop vor zwei Jahren, an dem sich alle aufrichten können, auch wenn es nicht läuft? Wer geht voran?

Identifikation mit dem FCA

Der Kern hierbei wird sein, dass Spieler sich hervortun, für die der Verein FC Augsburg eine bedeutende Rolle spielt. Mehr ist, als vielleicht nur der nächste Arbeitgeber im Profifußball. Bei manchen Spielern nehme ich an, dass der Verein nur eine Durchgangsstation darstellt, wie für Philipp Max am liebsten auf dem Weg nach England, oder auch für Alfred Finnbogason auf dem Weg zum letzten großen Vertrag. Sie profitieren zwar auch, wenn der FC Augsburg gut abschneidet. Sie werden aber sportlich auch dann wieder eine Heimat finden und sich dabei wahrscheinlich noch nicht einmal verschlechtern, wenn wir absteigen sollten. Bei anderen Spielern wie Michael Gregoritsch, Martin Hinteregger oder auch einem Eigengewächs wie Raphael Framberger, sieht die Lage vielleicht schon etwas anders aus. Gerade Kevin Danso und Jeffrey Gouweleeuw haben mit ihren sehr langfristigen Vertragsverlängerungen ein Zeichen gesetzt. Sie fühlen sich in Augsburg geborgen und wohl und verbinden mit dem FCA vielleicht etwas mehr als nur die nächste Karrierestation. Ich hoffe es zumindest. Und sie sind hoffentlich auch bereit in der Rückrunde für diesen Verein über die Schmerzgrenze zu gehen.

Der Coach und die Mannschaftsstruktur

Manuel Baums Hauptaufgabe bestand aus meiner Perspektive in der Winterpause darin, in Einzelgesprächen und innerhalb der Mannschaft diese dezidierten Führungsspieler zu identifizieren und so zu stärken, dass der ein oder andere aktiver führen darf und kann und diese Rolle auch gegen Widerstände übernimmt. Dies bedeutet auch, dass vom Trainer nicht mehr nur die sportliche Leistung alleine honoriert wird, sondern auch die Identifikation. Wenn bei Spielern die Identifikation und damit in entscheidenden Situationen eventuell der Einsatz nicht groß genug sein sollte, dann darf aus meiner Sicht gerne mehr rotiert werden als in der Hinrunde. Fehler sind menschlich und werden auf dem Feld immer wieder passieren. Welche der Spieler sind bereit auch Fehler von Mitspielern auszumerzen und nicht nur für sich sondern in das Team Energie zu investieren? Dies ist für mich ein entscheidender Aspekt im Hinblick auf die sportliche Entwicklung in 2019.

Das Team gewinnt

Zu dieser Einschätzung gelange ich, wenn ich mir anschaue, wie wir in anderen Jahren Erfolg hatten. Am Ende steht das Jahr 2018 bezeichnend für eine schleichende Entwicklung beim FC Augsburg. Wir hatten in den ersten Bundesligajahren immer tolle Teams, bei denen die Spieler zusammen mehr geleistet haben, als man ihnen zugetraut hätte. Am Anfang war dies der Klassenerhalt und später der Einzug in die Europa League. Mittlerweile haben wir deutlich bessere Einzelspieler. Das Team aus diesen Einzelspielern leistet nun weniger, als deutlich weniger begabte und veranlagte Mannschaften der Vergangenheit. Für die Zukunft muss klar werden, dass auf diesem Niveau und in dieser Liga nur funktionierende Teams Erfolg haben. Zumindest dann, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht die von Bayern München oder Borussia Dortmund sind. Ein Team kann Rückschläge besser wegstecken und verschafft sich selbst ein gutes Gefühl. Es bricht nicht auseinander in schwierigen Zeiten.

Gemeinsam zurück in die Erfolgsspur

Nachdem wir in Augsburg immer großartige Teams mit einem gewachsenen Gefüge hatten, war die Weiterentwicklung desselben – im Gegensatz zur Weiterentwicklung jedes einzelnen Spielers – vielleicht nicht genug im Fokus. In der Rückrunde kommt es nun darauf an, dass diese tollen Einzelspieler wieder mehr als Team zusammenarbeiten. Sich Chancen erarbeiten, indem sie Risiken eingehen und vielleicht Fehler machen. Sich gegenseitig helfen, wenn ein anderer einen Fehler gemacht hat. Keine Angst vor Fehlern haben. Sich motivieren und aufrichten. Sich ins Gesicht sagen, wenn etwas scheiße war. Denn anderen dennoch immer respektieren. Vielleicht ist das der wichtigste Aspekt, den ein junger Spieler lernen muss, um im Profifußball dauerhaft Erfolg zu haben. Ich glaube in jedem Fall, dass der FC Augsburg sich auf diesen Punkt konzentrieren muss, um sich in der jetzigen Situation weiterzuentwickeln und aus dem sportlichen Tal zu ziehen. Einzelschicksale sind dabei nicht so bedeutend. Ansonsten wird es in dieser Saison und in den kommenden Jahren schwierig. Manuel Baum konnte sich in schwierigen Situationen bisher immer anpassen. Konnte er auch in der Winterpause die richtigen Hebel umlegen? Ich bin gespannt, ob wir insgesamt wieder mehr ein Team sehen, was sich gemeinsam den Weg aus der Krise erarbeitet.

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