Für Steve Mounié hatte die Länderspielpause wenig mit Pause zu tun. So wenig der Neuzugang aus Frankreich für den FCA in den vergangenen Wochen im Einsatz war, so sehr wird er in seiner Nationalmannschaft gebraucht. Mounié ist nicht nur Nationalspieler seiner Nationalmannschaft, er ist sogar Kapitän. Und seine Nationalmannschaft ist die des Benin.
Selbstverständlich ist das nicht. Er ist mit dem Hintergrund von zwei Kulturen aufgewachsen. Seine Eltern wanderten aus dem Benin nach Frankreich aus, als Mounié 4 Jahre alt war und Mouniés Kindheitsjahre sind geprägt von zwei Zeiteinheiten im Jahr. Denen in Frankreich und denen in Benin. „Das lässt sich ja nicht wegdenken“, erklärt Mounié dazu im Gespräch. „Ich war während des Jahres immer in Frankreich und jeden Sommer ging es dann für einige Monate in die Heimat. Ich habe meine Heimatkultur in dieser Zeit sehr gut kennenlernen können“
Seine erste Erinnerung an den Benin ist dann auch eine, die ganz klar mit der Familie verbunden ist. Mouniés Familie betreibt ein Hotel in Parakou, Mouniés Geburtsstadt. „Hier habe ich schöne Erinnerungen an die Zeit am Pool im Sommer. Dazu ging es teilweise zu wie im Zoo. Es gab wilde Tiere im Hotel wie Krokodile und Wasserhunde.“ An diese Hotelatmosphäre denkt Mounié gerne zurück. Einerseits, weil dort die Familie zusammenkam. Andererseits, weil die vielen Tiere einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Wenn Mounié über Heimaterinnerungen spricht dann gehen diese direkt durch den Magen. „Das erste, was mir in den Sinn kommt, ist das Essen. Es ist so unterschiedlich zu europäischem Essen.“ Mounié mag kein scharfes Essen, und im Benin kann sich eine europäische Zunge wirklich dauerhaft verbrennen.
Benin ist grundsätzlich ein Land, das reich an Wundern der Natur ist. Im Pendjari Nationalpark, den Benin u.a. mit Burkina Faso teilt, kann man viele der großen, bekannten afrikanischen Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Momentan ist der Park für Besucher leider nicht zugänglich, weil bedingt durch Dschihadisten die Sicherheit der Besucher nicht gewährleistet werden kann. Neben den Tieren entgehen den Besuchern so momentan auch andere Naturspektakel wie Wasserfälle.
Insgesamt ist Benin ein weitläufiges Land. Auf ein Drittel der Größe Deutschlands kommen gerade einmal ca. 13 Mio. Einwohner. „Die Landschaft ist unvorstellbar schön. Es gibt lange Strandabschnitte, an denen man keine Seele trifft. Wenn man durch Benin fährt, ist überall grüne Natur.“
Was Mounié dabei sehr wichtig ist: „Benin ist ein friedliches Land. Oder hast Du schon mal von Unruhen oder Krieg im Benin gehört?“. Benin ist dabei nicht nur sicher, sondern auch divers. Viele Menschen unterschiedlicher Religionen und Stämme leben friedlich miteinander. Eine dieser Religionen wird in unseren Breitengraden besonders mit Aufmerksamkeit gesegnet, gerade durch Hollywood und die Popkultur. Es geht um Voodoo. Voodoo hat seinen Ursprung in Afrika, u.a. im Benin, bevor es nach Amerika und auch in die Karibik exportiert wurde. Dabei ist Voodoo an sich eine sehr naturverbundene Religionsform, die gerade nicht diesen dunklen Einschlag hat, der die westliche Faszination ausmacht.“Vodoo ist die Religion vieler Menschen im Benin und viele Vorurteile darüber stimmen nicht.“ ist es Mounié wichtig festzuhalten.
Die Verbreitung des Voodoo hat dabei auch einen bedrückenden Hintergrund. Benin diente in seiner Vergangenheit als ein zentraler Umschlagsplatz des Sklavenhandels. Bevor Benin ein Kolonialstaat wurde, hat die Herrscherfamilie den eigenen Reichtum des Landes durch den Sklavenverkauf in die USA vermehrt. In der Hauptstadt Edo erinnert hieran vieles. „Wir versuchen in Benin bewusst hieran zu erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholen kann. Die Welt muss wissen, was damals passiert ist.“ erklärt Mounié mir hierzu.
Wenn man mit Steve Mounié über den Benin spricht, dann kann man noch mehr lernen. Mouniés Familie gehört einem Stamm an, bei dem sich viel um Pferde dreht, da die Stammesmitglieder in früheren Zeiten berittene Krieger waren. So gibt es jedes Jahr im September ein großes Festival, bei dem in Vorführungen gezeigt wird, was Mensch und Pferd zusammen leisten können. „Da sieht man wahrlich verrückte Dinge auf Pferderücken. Und man kann die Stammeskultur hautnah kennenlernen.“
Wenn Mounié jetzt nach Benin reist, dann wird auch von ihm erwartet, dass er zusammen mit seinen Mitspielern Großes leistet. „Es ist irgendwie komisch, dass ich an den seltsamsten Orten erkannt werde.“ gibt er zu. „Die Menschen überhäufen uns mit ihren Hoffnungen und wir haben als Mannschaft und ich als Kapitän speziell schon einen großen Druck, die Menschen nicht zu enttäuschen.“ Wenn er selbst in den Benin reist, dann bleibt er meist im Kreise seiner Familie. Seine Eltern sind in den Benin zurückgekehrt. Sein Sohn soll das Land im kommenden Sommer das erste Mal erleben. „Ich habe während der Saison nicht viel Zeit mit der Familie. Dafür nutze ich den Sommer dann intensiv.“
Bis dahin fühlt sich Mounié in Augsburg schon gut angekommen. „Gerade die Herzlichkeit und Lebensfreude der Menschen ist mir besonders positiv aufgefallen, auch auf dem Oktoberfest. Wir wohnen direkt im Stadtzentrum und fühlen uns sehr wohl.“ Augsburg ist eine Stadt in der gleichen Größenkategorie wie Parakou. Auf meine Frage, ob sich beide Städte ähneln muss Mounié lachen: „Nein, da gibt es keinerlei Ähnlichkeit. Das kann man überhaupt nicht vergleichen.“ Wahrscheinlich muss man es erlebt haben, um es zu verstehen. Mounié mit seinen Eindrücken und Erfahrungen ist in jedem Falle eine Bereicherung für den FCA.
Als Masaya Okugawa im Sommer zum FCA gewechselt war, habe ich mich besonders gefreut. Kam doch mit ihm ein japanischer Spieler nach Augsburg. Japan ist eines der Reiseländer, in dem ich zwar noch nie war, das ich aber besonders gerne mal bereisen würde. Nachdem ich schon in der Vergangenheit immer mal wieder gerne mit Spielern über ihre Heimat gesprochen hatte, wollte ich dies gerne mit Okugawa fortsetzen. Und Masaya nahm sich auch die Zeit, sich mit mir zusammen zu setzen und meine neugierigen Fragen zu beantworten. Lest selbst, was ich über Japan gelernt habe:
Andy: Hallo Masaya, du spielst nun schon seit 8 Jahren in Österreich und Deutschland Fußball. Was war die größte Veränderung damals?
Masaya: Da gibt es einiges, das Essen zum Beispiel. Was mich aber immer noch am meisten irritiert – und zwar jedes Mal, wenn ich aus Japan wieder her komme – ist der Rechts-Verkehr. In Japan gibt es wie in England Linksverkehr und ich muss mich immer erst umgewöhnen.
Andy: Du kommst ursprünglich aus Koka. Was kannst Du uns über deine Heimatstadt erzählen?
Masaya: Koka ist keine besonders große Stadt. Das mag ich. Dazu ist es die Stadt der Ninjas und es gibt einige Ninja-Sehenswürdigkeiten. Ninjas sind cool.
Andy: Später hast Du in Kyoto Fußball gespielt. Was magst Du uns über Kyoto erzählen?
Masaya: Kyoto ist eine sehr touristische Stadt und es gibt viele Tempel und Sehenswürdigkeiten. Es ist durch die vielen Touristen immer recht voll. Als ich dort gelebt habe, habe ich das ein oder andere besichtigt an meinen freien Tagen, aber ich bin nicht so der große Tempelgänger. In meiner Freizeit mag ich es lieber Aktivitäten zu unternehmen.
Andy: Japan ist berühmt für seine Kulinarik. Was sind deine Lieblingsgerichte?
Masaya: Ich esse gerne Sushi an Geburtstagen oder bei Feierlichkeiten. Rahmen sind für mich als Sportler nichts. Sie sind zu fett. Aber was ich jeden Tag essen könnte, sind Udon-Nudeln. Die mag ich wirklich gerne.
Andy: Wie steht es an der Dessert-Front? Hast Du dich in der ganzen Zeit auch für Mehlspeisen begeistern können oder magst Du japanische Süßspeisen lieber?
Masaya: Kaiserschmarrn mag ich sehr gerne. Den gab es in Österreich immer als Snack und das war ein Highlight. Aber ich mag auch Mochi.
Andy: Für mich auch typisch japanisch sind Videospiele. Ist das etwas – nachdem Du Aktivitäten magst – was Du in deiner Freizeit gerne spielst?
Masaya: Ich bin da nicht der absolute Crack, aber Zelda und Anime-Spiele wie Dragonball spiele ich ab und zu ganz gerne.
Andy: Wenn wir schon bei japanischen Freizeitaktivitäten sind, wie steht es mit Karaoke?
Masaya: Oh, Karaoke. Das macht ja jeder. Es gibt in Japan Boxen unterschiedlicher Größen, die man mietet. Ich habe das ungefähr 2x im Monat mit Freunden gemacht und man muss auch nicht unbedingt selbst singen. Die Boxen sind sehr günstig zu mieten, weshalb Karaoke schon Schulkinder regelmäßig machen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man wie in Deutschland zum Beispiel beim Einstand bei einem neuen Team, vor dem ganzen Team singen muss. Vor Gruppen aufzutreten ist mir eher unangenehm. Aber japanisches Karaoke im kleinen Kreis mag ich sehr gerne.
Andy: Bleiben wir bei Freizeitaktivitäten. Wie findest Du Onsen? (Anm. d. Red.: Die Japaner nennen ihre heißen Quellen „Onsen“. Die Onsen sind eine der angenehmen Nebenerscheinungen von Japans bewegter Erde, Folge seiner Lage auf dem Pazifischen Feuerring)
Masaya: Onsen sind toll. Sehr entspannt. Man kann sich einmieten wie in Hotels und sich treiben lassen. Das Wasser ist angenehm warm. Das ist genau mein Ding.
Andy: Thermalquellen kennen wir hier auch. Kommen wir auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland und Japan zu sprechen: die Kommunikationskultur. Wie kommst Du mit der unterschiedlichen Art zu kommunizieren mittlerweile zurecht?
Masaya: Das bleibt für mich immer noch ein bisschen befremdlich. In Deutschland wird sich eher auf die Einzelperson konzentriert, während in Japan das Wir im Vordergrund steht. Dazu kommunizieren wir zurückhaltender und sehr demütig. Wir entschuldigen uns immer als Erstes. Ich versuche in Deutschland etwas direkter zu kommunizieren, aber ich kann auch nicht aus meiner Haut.
Andy: Gibt es noch etwas, das du mir über Japan erzählen willst?
Masaya: Ich wollte schon immer wissen, warum es in Deutschland keine Kotatsu gibt. Ein Kotatsu ist ein beheizbarer Tisch. Als Japaner sitzen wir ja mehr auf dem Boden und nicht auf Stühlen und bei diesen Tischen kann man seine Hände und Beine unter eine Decke stecken und das Ganze wird beheizt. Das ist das Beste. Hier sind die Winter noch kälter als in Japan und trotzdem gibt es keine Kotatsu. In Deutschland ist es im Winter einfach zu kalt und ungemütlich.
Andy: Wie feiert ihr denn Weihnachten und den Jahreswechsel?
Masaya: Weihnachten wird bei uns nicht in dem Umfang gefeiert und es gibt auch kein Feuerwerk zum Jahreswechsel. In der Phase des Jahres haben aber alle frei und wir verbringen gemütliche Tage bei Essen und Spielen mit unseren Familien. Es ist eine sehr schöne Zeit. Wenn Du einmal nach Japan reisen willst, dann im Winter. Das ist meine liebste Zeit.
Andy: Das werde ich beherzigen. Auf was freust Du dich denn dann, wenn Du wieder aus Japan nach Augsburg zurück kommst? Was gefällt Dir hier?
Masaya: Ich mag die Augsburger Altstadt mit ihren alten Häusern. Auch auf der Maxstr. bin ich gerne, weil es dort verkehrsberuhigt ist und man entspannt bummeln kann.
Andy: Danke Dir für die vielen Einblicke! Ich wünsche Dir noch eine tolle Zeit in Augsburg!
Beliebte Webseiten und (Online-)Magazine bringen des Öfteren Formate wie „Stadtauswahlen“ oder „Regionalauswahlen“ heraus. Mittendrin sind dort Spieler, die aus der Region stammen oder eine längere Zeit (z.B. seit der Kindheit) dort verbracht haben. Da stellt sich mir doch direkt die Frage: Wie sähe die aktive Auswahl bayerisch Schwabens aus? Dies hat bis dato keine*r näher betrachtet. Unsere schöne Region steht wie so oft im Windschatten des „großen Nachbarn“ aus München. Aber ich finde, unsere Auswahl kann sich sehen lassen. Seht selbst:
Torwarttrio
Im Tor stünde dann vermutlich ein gebürtiger Augsburger: Ioannis Gelios. Der 30jährige Deutsch-Grieche steht heute bei Bandırmaspor in der Türkei unter Vertrag, zuvor unter anderem bei Hansa Rostock und Holstein Kiel. Als dritter Torhüter war Gelios beim FCA oftmals Teil des Bundesligakaders, gespielt hat er jedoch nur für die „Zwote“ (111 Einsätze). Gelios absolvierte für Holstein Kiel 63 Zweiligaspiele sowie für Hansa Rostock 37 Drittligapartien im Tor.
Als Ersatz steht mit dem gebürtigen Augsburger Kevin Malone (19), zuletzt bei den A-Junioren des 1. FC Nürnberg unter Vertrag, bereit. Kevin Malone, jüngerer Bruder von Maurice Malone, spielte zuvor in der Jugend des FC Augsburg. Aktuell ist er – seit Sommer 2022 bereits – ohne festen Verein.
Abgerundet wird die Zunft der Torhüter durch Raif Husic (26): Der gebürtige Zusmarshauser (Lkr. Augsburg) spielt seit 2019 in seiner Heimat beim TSV Zusmarshausen in der Bezirksliga. Husic galt einst als großes Torwart-Talent, wechselte nach zwei Jahren in der Augsburger Jugend zum FC Bayern. Dort spielte er sowohl in der U17 als auch in der U19. Zudem durfte er acht Einsätze für die Zwote des FCB in der Regionalliga bestreiten. In der Saison 2013/14 saß Husic an mehreren Spieltagen auf der Ersatzbank der Profis des FC Bayern, da Neuer und Starke zum damaligen Zeitpunkt verletzt waren. Für rund 100.000 € wechselte er sodann zum SV Werder Bremen, dort kam er jedoch nur in der Regionalliga Nord zum Einsatz, sodass er 2016 zum Drittligisten VfR Aalen wechselte. Seine letzte Station war der damalige Regionalligist Wacker Burghausen. Aufgrund nicht genügender Trainingsleistung wurde der Vertrag jedoch im selbigen Wechselfenster noch aufgelöst.
Abwehrverbund
Vor Gelios im Abwehrverbund spielt eine Viererkette, angeführt von Raphael Framberger (27, derzeit verliehen an den SV Sandhausen) auf dem rechten defensiven und Simon Asta (21, Greuther Fürth) auf dem linken Flügel. Asta hat sich mittlerweile beim Zweitligisten aus Fürth durchgesetzt und spielt dort überwiegend als rechter Verteidiger. Der ebenso wie Asta gebürtige Augsburger Raphael Framberger, dessen Bruder Daniel schon einst beim FCA kickte, wurde zuletzt für eine Halbrunde an den Zweitligisten SV Sandhausen verliehen.
Die Innenverteidigung bilden Jozo Stanic (23) und Marco Thiede (30). Stanic ist in Augsburg geboren und steht beim FCA unter Vertrag, derzeit aber an den kroatischen Club NK Varazdin verliehen. Marco Thiede spielt eigentlich als rechter Verteidiger beim Karlsruher SC in der zweiten Bundesliga. Der gebürtige Augsburger hat zwischen 2004 und 2011 beim FCA im Nachwuchs gekickt, entstammt aber ursprünglich der Jugend des SSV Dillingen. Zudem durchlief Thiede die U17 und U19-Auswahlen des FCA, stand darüber hinaus 37 Mal für den FCAII auf dem Platz und sogar einmal für die Profis im DFB Pokal. Am 25.10.2011 durfte Thiede stolze 84 Minuten als Rechtsaußen gegen RB Leipzig agieren.
Als Ergänzungsspieler steht der gebürtige Augsburger Arif Ekin (27) vom TSV Rain bereit, der in der Regionalliga Bayern als Linksverteidiger aufläuft. In der Innenverteidigung können Oliver Merkel (31) vom Regionalligisten Bischofswerdaer FV 08 und Maik Uhde (28) vom TSV Schwabmünchen als Ersatz fungieren. Uhde wurde in Schwabmünchen geboren und schnürte die Fußballstiefel zwischen 2007 und 2016 für den FC Augsburg. Merkel indes spielte nie für einen Augsburger Club, sondern stammt aus der Jugend von Dynamo Dresden.
Offensive Flügel
Im Mittelfeld bieten sich mehr Alternativen als in der Defensive. Auf Linksaußen fällt die Wahl auf den gebürtigen Münchner Lasse Günther (19), der jedoch schon länger in Augsburg wohnhaft ist und dort in der Jugend ausgebildet wurde. Aktuell ist Günther an den Zweitligisten Jahn Regensburg verliehen, wird aber zum Sommer 2023 wieder in der der Fuggerstadt erwartet. Sein Ersatz auf dem linken Flügel ist der Altöttinger Bastian Kurz (30), der beim Bayernligisten Schwaben Augsburg kickt. Zwischen 2013 und 2017 spielte Kurz beim FCA in der Jugend und in der zweiten Mannschaft.
Auf dem rechten Flügel findet sich der gebürtige Ulmer Erik Thommy (28) wieder. Fußballerisch aufgewachsen ist der Mittelspieler in Kleinbeuren (Landkreis Günzburg) beim hiesigen SV Kleinbeuren. 2010 wechselte Thommy in die Jugendabteilung des FCA und schaffte 2014 sogar den Sprung in den Profikader. Aktuell spielt er bei Sporting Kansas City in der amerikanischen MLS. Sein Backup ist Manuel Feil (28), geboren in Augsburg und derzeit beim SV Elversberg in der dritten Liga tätig. Beim FCA spielte er nie, dafür u.a. beim TSV Gersthofen in der Jugend. Der Günzburger Dennis Chessa (30) spielt derzeit als rechter Mittelfeldspieler beim SSV Ulm in der Regionalliga, bei einem Augsburger Club war er indes nie zugegen.
Defensives und offensives Mittelfeld
Im zentralen Mittelfeld führt kein Weg an Florian Neuhaus (25, Borussia Mönchngladbach) vorbei. Der gebürtige Landsberger ist aktueller deutscher Nationalspieler und entstammt der Jugend des VfL Kaufering. Eine Option zu Neuhaus, ggf. etwas defensiver ausgerichtet, spielt der aus dem schwäbischen Rögling (Lkr. Donau-Ries) stammende Marco Schuster (27). Schuster spielt derzeit in der zweiten Liga für den SC Paderborn. Zwischen 2010 und 2017 spielte er für den FCA, u.a in der zweiten Mannschaft.
Ein möglicher Ersatz ist im defensiven Mittefeld der gebürtige Dachauer Tim Rieder. Rieder (29) ist derzeit beim TSV 1860 München unter Vertrag und spielte zwischen 2010 und 2020 beim FCA. Dort gehörte er auch zeitweise dem Profikader an. Eine weitere Alternative zu Neuhaus und Co. ist der gebürtige Augsburger Felix Schwarzholz (23), der überwiegend im defensiven Mittelfeld spielt und dies heute für den 1. FC Schweinfurt in der Regionalliga Bayern. Zudem steht der gebürtige Dachauer Tim Civeja (22) noch als Option zur Verfügung: Der derzeit an die Schanzer in die dritte Liga ausgeliehene Mittelfeldspieler kann diese Position sowohl defensiv als auch offensiv bekleiden. Sein Vertrag beim FCA läuft noch bis 30.06.2024 .
Im offensiven Mittelfeld spielt ein echter Weltmeister: Mario Götze, geboren 1992 in Memmingen im Allgäu. Derzeit kickt der 30 Jahre alte Mittelfeldspieler bei Eintracht Frankfurt. Mit dem gebürtigen Friedberger Lukas Petkov (22) schafft es ein aktueller Spieler des FCA-Profikaders in diese Auswahl. Der polyvalente Mittelfeldspieler kann sowohl zentral als auch auf den offensiven Flügeln spielen.
Eine weitere Option ist hier der gebürtige Neu-Ulmer Romario Rösch, der derzeit in der Heimat für den SSV Ulm aufläuft. Zwischen 2013 und 2019 spielte Rösch für diverse Mannschaften des FCA. Zuletzt sei als an dieser Stelle der gebürtige Augsburger Gabriel Vidovic (19) als vielversprechende Option genannt, der aus der Augsburger Jugend stammt und derzeit beim FC Bayern unter Vertrag steht. In dieser Saison wurde er leihweise zu Vitesse Arnheim transferiert.
Sturm
Im Sturm spielen zwei richtige Granaten: Der Marktoberdorfer (Lkr. Ostallgäu) Kevin Volland (30) und der gebürtige Friedberger Marco Richter (25). Während Volland seine Jugendjahre überwiegend beim TSV 1860 München verbrachte, erlernte Richter das Fußballspielen in der Akademie des deutschen Rekordmeisters. Aber noch zu Jugendzeiten wechselte er in seine schwäbische Heimat in den Nachwuchs des FCA. Dort konnte er sich durchsetzen und schaffte sogar den Sprung in den Profikader. Dort erspielte er sich auf dem offensiven Flügel einen Stammplatz, bevor er 2021 zu Hertha BSC Berlin wechselte.
Als Backup Stürmer fungiert Christoph Daferner (24) aus Pöttmes (Lkr. Aichach-Friedberg). Der Mittelstürmer stammt aus der Jugend des TSV Pöttmes und verweilte zwischen 2012 und 2014 beim FCA. Nach Stationen beim SC Freiburg, Erzgebirge Aue und Dynamo Dresden spielt er heute beim 1. FC Nürnberg in der zweiten Liga. In der Saison 2022/23 gelangen ihm in 17 Einsätzen drei Tore.
Neben Daferner könnte Jonas Greppmeier (23) vom TSV Rain in einer zweiten Elf auflaufen. Der gebürtige Friedberger spielte zwischen 2014 und 2019 für den FCA. Zu guter letzt sei an dieser Stelle der gebürtige Augsburger Maurice Malone (22) genannt. Er steht derzeit beim FCA unter Vertrag, ist aber an den österreichischen Erstligisten Wolfsberger AC ausgeliehen.
Trainer
Für die Auswahl(en) stehen der gebürtige Augsburger Armin Veh zur Verfügung, der derzeit ohne Anstellung im Fußballgeschäft ist. Der Name Veh wird immer eng mit dem FCA verknüpft sein. Veh spielte einst selbst aktiv beim FCA und übernahm anschließend zweimal die Rolle des Trainers bei den Augsburgern. Schon fast überheblich klingt, dass die B-Auswahl von Julian Nagelsmann, geboren in Landsberg am Lech, gecoacht wird. Im echten Leben ist dieser seit 2021 Trainer beim FC Bayern München. Seine ersten Gehversuche im Fußballgeschäft (genauer gesagt als Scout und Co-Trainer) tätigte Nagelsmann in den 2000er Jahren beim FCA. Dort war er auch selbst als Fußballspieler aktiv (1999-2002 sowie 2007-2008), musste jedoch verletzungsbedingt früh seine Karriere beenden. Oder soll doch lieber der derzeit beschäftigungslose Thomas Tuchel, gebürtiger Krumbacher (Lkr. Günzburg), die B-Elf coachen? Der heute 49jährige stand selbst einst als Libero für die Augsburger Jugend auf dem Platz und coachte den FCA zwischen 2005 und 2008 gleich selbst. Zeit hätte der Weltklasse-Coach jedenfalls nun reichlich.
Fazit an dieser Stelle: Die Qual der Wahl auf dem Trainerposten!
Eure Meinung?!
Aber was ist das bitte für eine coole Auswahl mit einer richtigen Trainerelite an der Spitze!? Schade, dass es vermutlich nie eine bayerisch-schwäbische Elf dieser Art geben wird. Das hätten wir doch gerne mal auf dem Platz gesehen. Und einen Thomas Tuchel am Seitenrand in bayerisch Schwaben. Nun seid aber ihr gefragt: Wie sieht eure aktive bayerisch-schwäbische Traumelf aus den obengenannten Spielern aus? Fällt euch sonst noch jemand ein, den wir nicht auf dem Schirm hatten? Wer schafft es in eure Aufstellung? Wer ist euer favorisierter Trainer? Schreibt es sehr gerne in die Kommentare.
Hinweis: Dies ist eine Auswahl aus aktiven Spielern, daher wurden Ehemalige wie Haller, Biesinger und Co. nicht berücksichtigt. Aber das schreit doch nach einem weiteren Artikel zu einer Legenden-Elf, oder? 🙂
So eine Fußballmannschaft ist ja schon ein bunter Haufen. Das bleibt er auch in Augsburg. Manche Spieler stechen aus solch einem bunten Haufen ein bisschen mehr heraus als andere. In Augsburg ist das definitiv Rafal Gikiewicz, der polnische Schlussmann des FCA. Ich lerne ja immer wieder gerne etwas zur Heimat unserer Fußballer und so habe ich mich mit Rafal kurzgeschlossen und er hat mir von Polen erzählt. Jetzt möchte ich gerne nach Polen. Wohin genau? Rafal hat es verraten…
Andy: Du kommst ursprünglich aus den Masuren. Ich würde gerne mit einem Text starten, den ich über die Masuren gelesen habe. „Die Legende besagt, dass Gott nachdem er die Erde erschaffen hatte, während er sich nach harter Arbeit ausruhte, ein tiefes Loch entdeckte. Um die Mulde zu füllen, trug er mit seinen Händen Steine und Gebirgsfelsen aus aller Welt und formte daraus die Hügel. Er holte Sand und Lehm aus dem Tiefland, aus dem er den Boden bildete. Mit seinen Händen brachte er Wasser aus den Meeren und Ozeanen und goss es in die Mulden, aus denen sich Seen bildeten. Er teilte die Wildnis in viele Wälder auf und aus den zahlreichen Sümpfen des Landes brachte er Lagerstätten von Eisenerz und Torf. So ist das heutige Masuren aus einem Loch entstanden.“
Rafał: Ich habe das noch nie gehört, aber ich glaube, es stimmt. Wirklich! Olsztyn ist meine Heimatstadt. Allenstein heißt sie auf Deutsch. Alleine in meiner Stadt gibt es 16 oder 17 Seen. Da gibt es in jeder Ecke viel Wasser. Und es ist sehr sauberes Wasser. Das kann man mit den Seen in Augsburg oder München gar nicht vergleichen. Das ist ein großes Privileg. In der Freizeit fährt man mit der Familie, mit einem Kumpel oder der Frau / Freundin an einen See und geht schwimmen und das gute Wetter genießen. Jeder See hat wirklich eine tolle Qualität.
Andy: Das heißt, durch die Seen fährt man am Wochenende gar nicht ans Meer?
Rafał: Genau. Bei uns ist es so: Wenn du am Wochenende ans Meer fahren willst, dann musst du von meiner Stadt aus 2 bis 2,5 Stunden fahren. Da sagen viele Leute: „Jetzt ist das Benzin teuer. Bleiben wir einfach in Olsztyn.“ Die Stadt hat viel Geld investiert – in den Plaża Miejska (Anm. der Red.: Jachthafen). Da gibt es viele Plätze mit Sand zum Volleyball spielen, viele Restaurants, frischen Fisch. Für Familien und Kinder ist das ein Paradies. Leider kann ich nur einmal im Jahr dort sein.
Andy: Olsztyn hat auch eine sehr ähnliche Größe wie Augsburg. Ich finde das eine sehr angenehme Größe der Stadt. Es ist nicht zu groß, man kann schnell überall hinkommen.
Rafał: Genau. Ich muss sagen, ich bin wirklich ein sehr großer Fan von Augsburg. Ich war zwei Jahre in Berlin und wenn du dort zum Beispiel einen Termin bei einem Arzt hast, dann fährst du eine Stunde und dreißig Minuten lang, weil viel Verkehr ist. Dann bist du eine halbe Stunde im Termin und fährst wieder 1,5 Stunden zurück. Da verlierst du vier Stunden, in denen du deine Familie nicht siehst. In Augsburg oder meiner Heimatstadt ist das anders. Jetzt zum Beispiel fahre ich von Neusäß zur WWK-Arena 10 Minuten. In Berlin Köpenick war das brutal 2 Jahre lang, obwohl ich nur 5 Kilometer zum Stadion hatte. So viele Autos habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Und dann musst du Strafe zahlen, wenn Du zu spät kommst, und jede Minute kostet viel Geld. Manchmal war ich mit dem Auto unterwegs, aber alle standen Richtung Stadion. Dann bin ich einfach zurück nach Hause, habe die Vespa genommen und bin mit der Vespa zwischen den Autos durchgefahren.
Andy: Das ist dann die Weisheit des Alters irgendwann, dass man nicht mehr die ganz großen Städte braucht.
Rafał: Ich glaube, das kann man auch gar nicht vergleichen. Ich habe zwei Kinder und eine Frau. Mir macht das Spaß, mittags die Kinder abzuholen und mit beiden zum Training zu fahren. Wenn du Papa bist und seit 15 Jahren eine Frau hast, dann hast du andere Prioritäten. Mein Tag ist ein bisschen anders organisiert als der der jüngeren Spieler. Natürlich macht es Spaß, manchmal nach München oder in eine andere große Stadt zu fahren. Aber wir fühlen uns in Augsburg seit fast 2,5 Jahren sehr wohl.
Andy: Die Kurve zurück einmal nach Olsztyn. Da hast du ja auch mit dem Fußballspielen angefangen. Wie würdest du deinen Homeground beschreiben, wo Du mit deinem Bruder zum Fußball gekommen bist?
Rafał: Ich muss sagen, das war eine schwierige Zeit, weil wir zwei Zwillingsbrüder sind und immer zusammen waren. Wir waren laut. Wir hatten viel Energie. Unser Papa hat bei unserem ersten Verein, Stomil Olsztyn, gearbeitet. Wir waren viel unterwegs und konnten nicht bei unserem Heimatverein spielen. Ich bin dann zu unterschiedlichen Vereinen gewechselt. Sokol Ostroda, Drweca Nowe Miasto Lubawskie, DKS Dobre Miasto. Die waren immer so 50 bis 60 Kilometer weit weg und wir mussten immer mit unseren Eltern nach der Schule fahren, trainieren, und wieder zurück, Hausaufgaben machen, schlafen und wieder zur Schule gehen. Es war eine anstrengende Zeit für uns, aber wir hatten einfach einen riesigen Traum. Kein Talent, aber wir hatten Bock, hart zu arbeiten. Und seit ich 11 oder 12 war, weiß ich, dass ich Fußball spielen will. Wir hatten immer eine Philosophie mit unserem Papa. Wir wollten jedes Jahr eine Liga höher wechseln und nicht zu große Schritte nach oben machen und dort dann keine Rolle spielen. Uns systematisch weiterentwickeln. Wir haben immer für ein Jahr einen Vertrag unterschrieben und mit 20 Jahren einfach einen riesigen Schritt in die beste polnische Liga gemacht – die heißt Ekstraklasa – zu Jagiellonia Bialystok. Und dann ging es schnell. Mit Slask Wroclaw sind wir Meister geworden, haben den Pokal gewonnen und den Supercup. Ich habe gegen Hannover Europa League-Quali und auch Champions League-Quali gespielt. Und dann kam es zum Bruch durch eine komplizierte Situation mit meinem Bruder und einem Mitspieler. Ich stand hinter meinem Bruder und durfte dann mit 15, 16 Jahre alten Spielern nur noch laufen und nicht mehr mit der ersten Mannschaft trainieren. Und dann habe ich eine Anfrage von Eintracht Braunschweig bekommen, ob ich zum Probetraining kommen kann. Ich hatte und ich habe nie in meinem Leben Angst. Also habe ich gesagt „Ja, ich kann kommen“. Ich konnte kein einziges deutsches Wort. Wirklich gar nichts! Null! Ich habe mit dem Torwarttrainer mit Händen und Füßen gesprochen und er hat mir gezeigt, was ich machen soll. Nach dem ersten Tag Probetraining hat er gesagt, dass er mich haben will. Und damit hat mir Alex Kunze – so heißt er – eine riesige Chance gegeben. Das ist meine 9. Saison in Deutschland und ich bin wirklich dankbar. Ich glaube, im Leben muss es einfach so sein. In Breslau lief es nicht so gut, dann kam Eintracht Braunschweig. Nach zwei Jahren wechselte ich dann von Braunschweig nach Freiburg und sie haben fast eine Millionen Euro bezahlt. All das auf Grund von harter Arbeit. Ich bin ohne großem Namen nach Deutschland gekommen. Ich musste wirklich hart arbeiten, ohne die Sprache zu können. Das erste Jahr war nicht einfach, aber ich war laut in der Kabine und ich hatte viel Spaß mit den Jungs, auch ohne die Sprache zu können. Ich bin mich einfach reingestürzt.
Andy: Das kann ich mir vorstellen. Lass uns noch mal nach Bialystok zurückspringen. Bialystok liegt ja noch östlicher als Olsztyn.
Rafał: Das liegt an der weißrussischen Grenze. Bis dahin sind es nur 50 bis 60 Kilometer.
Andy: Wie würdest du die Stadt beschreiben? Wie ist es dort? Gibt es Unterschiede zu Olsztyn?
Rafał: Ja, schon. Dort ist es nicht so farbig, es gibt kein Wasser und nicht so viel Natur. Aber ich habe dort meine Frau kennengelernt. Und ich bin immer noch mit ihr zusammen und wir haben zwei Kinder. Ich war drei Monate lang alleine in Bialystok nach meinem Wechsel dorthin und hatte eine Wohnung gemietet. Dann habe ich sie kennengelernt, bin zu ihr gezogen und bis heute mit ihr zusammen geblieben. Wir haben den Pokal gewonnen, hatten aber mit Jagiellonia Bialystok zehn Punkte abgezogen bekommen wegen Korruption. Aber trotzdem haben wir den Klassenerhalt geschafft. Ich glaube, wir waren auf dem 10. oder 11. Platz. Die Familie meiner Frau wohnt dort und wir sind deshalb regelmäßig da. Und egal, wann ich dort hinkomme und in die Stadt gehe, singen die Fans noch immer meinen Namen, weil wir den Pokal gewonnen haben. Das war das erste und letzte Mal bis heute. Das war wirklich eine geile Zeit. Nur zwei Jahre, aber wirklich sehr geil. Die Stadt ist auch schön, viel besser als 2010 oder 2012. Aber Olsztyn und Bialystok kann man eigentlich nicht vergleichen. Beide sind gut, aber Olsztyn ist fast besser.
Andy: Olsztyn klingt aus touristischer Sicht schöner…
Rafał: Ja und nach Bialystok kommen viele Leute aus Weißrussland oder Litauen. Sie kaufen dort Fernseher in den Supermärkten und nehmen sie mit nach Hause, weil die in Bialystok billiger sind als in Weißrussland.
Andy: Gut, dann weiß man, wann man in welche Stadt reisen muss. Nicht ganz zwischen beiden Städten – jetzt kommen wir zu einer polnischen Legende – liegt ein Ort, über den ich auch gelesen habe, als ich mich vorbereitet habe. Und zwar die Nikolaiken (Mikołajki).
Rafał: Die kenne ich zwar nicht, aber erzähl mir davon.
Andy: Der Stintkönig – sagt dir der was? Das ist wohl ein masurischer See, der von einem großen Fisch beherrscht wird. Dieser Fisch ist dort wohl gefesselt und muss den Anglern Glück bringen. Du kennst den Ort nicht?
Rafał: Nein. Vielleicht habe ich davon gehört, aber als ich jung war hatte ich keinen Spaß daran, mir Legenden anzuhören. Ich hatte nur Spaß daran mit meinem Bruder Fußball zu spielen. Ich kenne ein paar andere Legenden, weil es so viele Seen gibt und die Leute Fisch mögen. Es soll Glück bringen, wenn du die Haut eines Fisches in dein Portemonnaie legst. Oder unter den Tisch legst, wenn du mit deiner Familie zu Mittag isst. Oder auch an Weihnachten unter den Tisch legst. Aber das, was du mir jetzt erzählt hast, habe ich noch nie gehört. Aber die Legende gibt es sicher.
Andy: Ich finde es total spannend, mit Dir darüber zu sprechen. Man hat ja bei anderen Ländern – Schottland zum Beispiel – im Blick, dass es dort solche Legenden gibt. Loch Ness kennt ja jeder. Mir kommt es jetzt, wo ich ein bisschen darüber gelesen habe, so vor, als ob es in den Masuren sehr ähnlich ist. Es ist nur nicht so bekannt. Dafür ist es touristisch auch nicht so überlaufen. Ist das vielleicht ein Vorteil, weil man noch in Ruhe Urlaub machen und einfach eine gute Zeit haben kann ?
Rafał: Christian Streich zum Beispiel fährt in die Masuren. Als ich bei Freiburg war, hat er mir erzählt, wo er war und er war da fast jedes Jahr. Ich habe ihm gesagt, ich habe da ein fast 6.000 Quadratmeter großes Grundstück mit privater Seelinie. Die Linie ist 50 Meter entfernt und du hast freien Blick aufs Wasser. Es kommen viele Deutsche dorthin und mieten solche Häuser, weil man dort wirklich Ruhe hat. Dazu sehr gutes Essen. Du kannst dir ein Boot mieten und die Zeit genießen. Fast wie in Kroatien. Klar, man hat nicht so gutes Wetter wie in Kroatien, aber für mich ist es ein Privileg. Du hast fast ein halbes Jahr Urlaubsatmosphäre, weil Du in zwei, drei freien Stunden Zeit, kannst Du alles mögliche machen.
Andy: Kommen wir zum Essen. Du hast gemeint, es gibt sehr, sehr gutes Essen. Davon wirst du wahrscheinlich nicht mehr alles essen, weil Du kein Fleisch mehr isst. Was sollte man in den Masuren essen?
Rafał: Einfach Fisch. Ich esse kein Fleisch, genau, aber man kann – zwar nicht im Zentrum meiner Heimatstadt, aber fünf oder zehn Kilometer entfernt – regionale Produkte wie Eier, Fleisch, Fisch direkt von den Erzeugern kaufen. Und alles schmeckt anders als hier. Wenn du in Augsburg zwei Eier kaufst, dann kannst du die nicht mit denen aus Polen vergleichen. Oder Wurst! Die Leute hier finden deutsche Wurst so toll. Wenn ich polnische Wurst mitbringe, dann essen sie aber eine Woche lang nur polnische Wurst. Die deutsche Wurst ist wirklich Kreisliga. Die polnische Wurst ist 1. Bundesliga. Bei uns verdienen die Leute weniger Geld. Deswegen backen sie zum Beispiel selber Brot. Bei uns schmecken Brot oder Brötchen ein bisschen anders als hier von der Bäckerei und bleiben länger frisch.
Andy: Deine dritte große Station – du hast es ja schon gesagt – war in Polen Breslau. Breslau kann man als Großstadt bezeichnen, oder?
Rafał: Top 3: Warschau, Krakau und Breslau.
Andy: Wie würdest du das Leben dort beschreiben und deine Zeit? Wie war das für dich und würdest du es vielleicht auch mit deutschen Großstädten vergleichen?
Rafał: Zum Leben ist es wirklich eine sehr schöne Stadt. Warschau, Krakau und Breslau bieten zum Leben eine hohe Qualität, für die Leute gibt es Arbeit und für die Kinder gibt es viele internationale Schulen. Es gibt viele große Firmen, da kann man einen guten Job finden. Das ist schon gut. Aber ich war auch in den letzten drei, vier Jahren nur ein oder zwei Mal pro Jahr dort, einerseits durch Covid und andererseits, weil es von München aus keinen guten Flug nach Breslau gibt. Aber wir haben viele Freunde in Breslau, wie wir sie in Bialystok und Olsztyn nicht haben. In Bialystok und Olsztyn haben wir einfach nur Familie und in Breslau haben wir noch viele Kontakte mit Leuten, weil ich da wirklich eine erfolgreiche Zeit mit Slask Wroclaw hatte.
Andy: Man kann sich gar nicht vorstellen, dass ihr euch nach der Karriere entscheiden könntet, an einem einzigen Ort zu leben.
Rafał: Wir schauen, was unsere Kinder machen wollen und ich glaube, das ist das Wichtigste. Auch was meinen nächsten Schritt angeht. Piotr ist aktuell in der 6. Klasse. Und der Kleine geht in die 1. Klasse. Und wenn du zwei Kinder hast, dann kannst du nicht einfach nur deinen Willen durchsetzen.
Andy: Man merkt, wenn man sich mit dir unterhält, dass du eine sehr starke Beziehung zu deiner Heimat hast und familiär und freundschaftlich dort sehr verwurzelt bist und deine Heimat sehr, sehr gerne magst.
Rafał: Aber ich kann gerne in den nächsten 10 Jahren in Augsburg bleiben und ein paar Bälle für junge Torhüter im Nachwuchsleistungszentrum oder in der zweiten Mannschaft schießen. Oder noch besser in der ersten Mannschaft, das ist auch ein großer Traum. Das ist auch kein Problem. Aber weißt du, wenn du noch fit bist, dann denkst du nicht so viel daran.
Andy: Wie hast du durch deinen Umzug nach Deutschland festgestellt, dass du dich als Pole definierst? Wo sagst du „So wie ich bin, das ist typisch polnisch, das ist gut so, das ist nicht so, wie es in Deutschland ist“?
Rafał: Ich kann dir sagen, was in Deutschland ein Skandal ist. In Polen ist jede Wohnung möbliert. Bei uns geht das nicht unmöbliert. Du hast alles, zahlst einfach eine Summe und hast wirklich alles. Und in Deutschland hast du gar nichts, du zahlst Strom auf deinen Namen und musst dich um alles selber kümmern. In meiner ersten Wohnung in Braunschweig im ersten Jahr, da war nicht mal ein Klo in der Wohnung. Ich musste ein Klo kaufen. Ohne Witz, wirklich! Das habe ich in meinem Leben so noch nie gesehen. Du gehst rein und sagst „Topwohnung und Toplage“, aber es gibt keine Küche, eine Toilette gibt es nicht und die sagen „Ja, eine Küche kannst du dir bestellen“, musst aber 5 Wochen darauf warten. Aber ich will ab morgen da wohnen?! Oder WLAN und Internet: Da musst du wieder 6 Wochen darauf warten. Das gibt es nur in Deutschland. Das ist ein Skandal, wirklich.
Andy: Ich habe selber mal ein Jahr im Ausland gewohnt und man stellt da schnell fest, dass das hier irgendwie anders abläuft.
Rafał: Jedes Land hat eine andere Mentalität, das ist klar. Aber als ich 2014 meinen Vertrag in Braunschweig unterschrieben habe, hat meine Oma gesagt: „Oh, du gehst nach Deutschland?!“ Weißt du, die alte polnische Generation hat noch Adolf Hitler im Kopf. Sie konnten nicht glauben, dass ich nach Deutschland gehe und da mein Leben mit der Familie genießen kann. Sie zahlen mir auch noch deutsches Geld. Wie kann ich das so einfach akzeptieren und dort leben? Weil diese Generation hat einfach noch diese schlechte Zeit für die ganze Welt und das ganze Land im Kopf. Aber die junge Generation, die ist fast international. In jeder Stadt hast du eine Mischung, so wie in der Kabine. Ich sage, du musst im Kopf wirklich offen sein und eine andere Perspektive kennenlernen. So muss man das einfach machen, weil du kannst nicht danach leben, was 1897 zwischen Polen und Deutschland passiert ist.
Andy: Nein, das kann man nicht. Wenn du offen bist, stellt du fest, dass man im Sommer in Olsztyn lebensfreudige Polen erleben und eine sehr gute Zeit haben kann. Das habe ich zumindest gelernt. Wenn man sich darauf einstimmen will: Welche Musik hörst du, die dich mit deiner Heimat verbindet?
Rafał: Nein, polnische Musik nicht. Das höre nicht so oft. Ab und zu polnische Rap-Musik, sonst einfach international. Ich höre vor dem Spiel gerne Andrea Bocelli oder ein bisschen mehr Klassik.
Andy: Klassische Musik ist etwas, was dich vor dem Spiel runter bringt und beruhigt?
Rafał: Ja, ja. Auf dem Weg vom Hotel zum Stadion höre ich klassische Musik und will meine Ruhe haben. In der Kabine wärme ich mich schon ein bisschen auf und auf dem Platz gebe ich 100 Prozent Vollgas und Fokus. Die ruhige Musik gibt mir einfach ein bisschen mehr Power vor dem Spiel.
Andy: Wohin führt uns diese Power dieses Jahr in Augsburg?
Rafał: Wir wollen besser spielen als in den letzten zwei Jahren. Ich habe den Traum, in jedem Spiel volles Haus zu haben in der WWK-Arena. Du kannst ein Spiel verlieren, aber wenn wir attraktiven Fußball spielen, dann haben die Leute Spaß mit ihren Kindern im Stadion. Ich glaube, nur gemeinsam können wir in der Liga bleiben. Das wird eine schwierige Saison aus meiner Sicht, aber ich sehe uns schon auf einem sehr guten Weg mit der Mannschaft und mit dem neuen Cheftrainer Enrico Maaßen. Wir müssen einfach eine starke Mannschaft aufbauen – auf dem Platz und neben dem Platz. Wir wollen den Fans zuhause etwas bieten und aggressiv ab der ersten Minute sein. Egal, wer kommt, dürfen die keinen Bock haben, nach Augsburg zu fliegen, weil wir eine geile und aggressive Truppe sind. Dann kannst du jeden Gegner schlagen. Es ist wirklich ein Traum von mir: zwei oder drei Spiele in Folge zu gewinnen. Wenn du so eine gute Serie hast mit zwei, drei, vier Siegen oder fünf, sechs Spielen ohne Niederlage, die wir ja auch schon hatten, dann kommt das Selbstvertrauen und die jungen Spieler bekommen ein super Gefühl. Dann hast du noch mehr Spaß dabei, zusammen zu trainieren und bei den Spielen. In jeder Woche, egal, wo du spielst, ob in Leverkusen oder in Dortmund. Wir müssen einfach so auf den Platz gehen, dass wir nichts zu verlieren haben. Die anderen haben alles zu verlieren, weil alle sagen, dass Bochum, Augsburg und Schalke die Abstiegskandidaten Nummer 1 sind. Und das muss uns einfach Energie geben und wir müssen einfach allen zeigen, dass wir besser sind als sie glauben Und fertig! Und dann nach dem letzten Spieltag hoffe ich einfach, dass wir die Klasse gehalten haben und die anderen nach unten schauen müssen.
Andy: Das ist ein perfektes Schlusswort. Ich danke dir für deine Zeit.
Rafał: Ich gehe jetzt, weil wirklich gleich das Essen fertig ist. Ciao!
Andy: Danke dir, Rafał!
Wie die Saison ausgehen wird, steht natürlich noch in den Sternen. Bei aller Lautstärke und Redegewandheit ist Rafal Gikiewicz mit Sicherheit jemand, der hart arbeitet und immer vollen Einsatz für den FCA geben wird. Dazu kann ich mich mit ihm persönlich sehr identifizieren. Er ist ein Macher, der die Dinge selbst in die Hand nimmt und dessen Familie eine große Rolle in seinem Leben spielt. Dazu glaube ich, dass man eine Menge Spaß mit ihm haben kann. Gerne würde ich einen Tag in den Masuren mit ihm und seiner Familie an einem See verbringen. Ob ich mehr aushalten würde? Er gibt selbst zu ein lautes Energiebündel zu sein. Vielleicht müsste ich mich danach erstmal erholen von der Anstrengung. Aber auch für die Erholung sollte es dann in der Umgebung beste Möglichkeiten geben und der Tag wäre es mit Sicherheit wert gewesen. Giki ist dann doch jemand, den man schnell ins Herz schließt. Gerade weil er die Dinge frei heraus benennt und sich nicht nur kalkulierend diplomatisch verhält. Möge sein Mut und der Mut der Mannschaft in dieser Saison belohnt werden.
Für Carlos Gruezo war es anfänglich keine einfache Saison in Augsburg. Ame Ende hatte er allerdings auch unter Markus Weinzierl seinen Platz gefunden in der Rotation mit Arne Maier im Mittelfeld. Dass es am Ende nur zu Einsätzen in der Hälfte der Spiele gereicht hat, ist mit Blick auf den versöhnlichen Saisonausklang und seine Verletzungen im Saisonverlauf zu verschmerzen. Und mit Blick darauf, dass er mit Ecuador zur WM in Katar fahren darf. Als Kapitän der Mannschaft seines Heimatlandes.
Carlos hat sich dankenswerterweise im Saisonendspurt die Zeit genommen, sich mit mir über seine Heimat zu unterhalten. Im gemeinsamen Gespräch habe ich verstanden, warum die Reisen zur Nationalmannschaft für manchen Spieler auch förderlich sein können und, dass es viel in Ecuador zu entdecken gibt. Aber lest selbst:
Andy: Servus Carlos und danke, dass du dir die Zeit nimmst. Es geht um deine Heimat, um Ecuador. Und ich muss vorausschicken, ich war noch nie in Südamerika. Ich bin zwar viel gereist, aber in Südamerika war ich noch nie. Vielleicht fangen wir fußballerisch an. Ecuador hat sich ja für die WM in Katar jetzt qualifiziert mit dir als Kapitän. In den letzten Turnieren lief es für uns Deutsche jetzt nicht besonders gut. Wir hatten vor ein paar Jahren einen großen Erfolg, aber in letzter Zeit war es eher frustrierend. Es kann also sein, dass sich der deutsche Fan oder auch der Augsburger ein zweites Team suchen muss, das er dann nach der Vorrunde unterstützt. Das könnte ja Ecuador sein. Was spricht für euch?
Carlos: Mannschaftliche Geschlossenheit. In der ganzen Quali war sehr wichtig, dass wir als Team zusammengefunden haben. Wir sind ein Team. Wir haben versucht, dass jeder seinen Beitrag leistet, als Mannschaft zusammen mit dem Trainerteam. Wir haben unsere Chance gewittert, uns zu qualifizieren. Und wir sind glücklich, weil wir als Mannschaft unser Ziel erreicht haben. Und ich glaube, wir waren eine Überraschung in der Quali.
Andy: Ja! Ich habe eine taktische Analyse gelesen. Es scheint so, dass eure Art Fußball zu spielen sogar ein bisschen so ist wie die des FC Augsburg. Weniger Ballbesitz, sehr aggressiv gegen den Ball und dann schnell vertikal.
Carlos: Ja, wir versuchen so zu spielen, weil es in Südamerika viele gute Mannschaften wie Brasilien und Argentinien gibt, die immer sehr viel Ballbesitz haben. Wenn wir zum Beispiel gegen Kolumbien spielen – Kolumbien ist immer sehr stark und hat viel Ballbesitz – dann versuchen wir kompakt zu stehen, den Ball zu erobern und dann schnell nach vorne einen Konter zu fahren. So haben wir, glaube ich, manchmal die Gegner überraschen können und viele Punkte eingefahren.
Andy: Also seid ihr in Südamerika so etwas wie der FC Augsburg der Bundesliga.
Carlos: Ja, fast. Es ist etwas pauschal, das so zu sagen, weil es natürlich in jedem Spiel eine andere Taktik gibt. Wenn wir zum Beispiel zu Hause in Ecuador spielen, dann haben wir mehr Ballbesitz, als wenn wir in Chile spielen. Aber wenn wir zu Hause spielen, dann versuchen wir den Ball mehr zu halten. In Quito liegt das Stadion sehr hoch. Die anderen Mannschaften kommen nach Quito und versuchen zu pressen und vorne drauf zu gehen. So funktioniert das aber nicht, weil du nach fünf Minuten am Ende bist. Deswegen versuchen wir es in Quito mit mehr Ballbesitz und mit mehr Ballkontakten und ein bisschen mehr Positionsspiel.
Andy: Ist es in Ecuador so, dass alle eure Heimspiele in Quito gespielt werden?
Carlos: Ja, normalerweise spielen wir immer in Quito. Aber in dieser Qualifikation haben wir zwei Mal in Guayaquil gespielt. Gegen Bolivien haben wir 3:0 gewonnen und das letzte Spiel gegen Argentinien haben wir auch in Guayaquil gespielt. Dort ist das Wetter fast genauso wie in Katar und wir haben ein bisschen versucht, uns an das Klima zu gewöhnen und probiert, wie sich das bei diesem Klima anfühlt. Wir haben auch gegen Argentinien versucht, viel Ballbesitz zu haben. Ich denke, dass wir ein gutes Spiel gezeigt haben. Argentinien ist für mich eine der besten Mannschaften der Welt. Sie haben viele gute Spieler und mit Messi den besten Spieler in ihrer Mannschaft.
Andy: Das ist ja auch eine der Besonderheiten in Ecuador. Es gibt viele unterschiedliche Landschaften: Wüste (Sierra), Küste (Costa) und die Anden und mit Ihnen die Höhe. Wo bist du am liebsten?
Carlos: Ja, die Landschaften sind wirklich sehr unterschiedlich. In Ibarra, Quito und Ambato bist du in der Höhe und in Esmeraldas oder Guayaquil bist du unten. Wir haben viel Meer und es ist ein tolles Land. Ich liebe Esmeraldas und die Costa und bin gerne am Strand.
Andy: Beachtime. Nicht in den Alpen auf die Berge kraxeln…
Carlos: Das ist mir ein bisschen zu kalt. Ich liebe den Sommer und die Sonne.
Andy: Davon hat es bei Dir zu Hause ja genug. Du bist bei Barcelona Guayaquil Profi geworden, bevor du nach Stuttgart gewechselt bist. Wie war das damals?
Carlos: Ich habe zwei Jahre bei Barcelona (Guayaquil) gespielt. Das ist eine große Mannschaft in Ecuador und es war eine gute Zeit für mich. Ich war damals 17 Jahre alt und zwei Jahre später bin ich schon nach Stuttgart gewechselt. Ich erinnere mich gerne an meine ersten Profijahre.
Andy: Kannst du dir vorstellen, in der Zukunft – jetzt bist du ja gerade im besten Fußballeralter – aber so in 10 Jahren wieder zurück zu kommen und dann nochmal ein paar Jahre in Ecuador die Karriere ausklingen zu lassen?
Carlos: Ja, das ist eine Möglichkeit. Wenn ich in 5 – 6 Jahren wieder nach Ecuador zurück komme, ergibt sich vielleicht die Chance, noch einmal für Barcelona zu spielen. Oder vielleicht für Nacional. So heißt meine Mannschaft in Ecuador.
Andy: Und von Stuttgart bist Du dann in die USA. Was hast du aus der USA mitgenommen?
Carlos: Als ich in Stuttgart war, war ich sehr jung. Ich bin sehr früh hierher gekommen. Das war für mich eine ganz andere Liga. Und auch ein ganz anderes Leben. Das erste Jahr war gut in Stuttgart, das zweite nicht so. Da war ich auch verletzt und habe nicht so viel gespielt. Das hat sich mit dem Wechsel nach Dallas geändert. Deshalb war die Zeit in den USA für mich sehr wichtig. Wir waren dort 3,5 Jahre und haben eine andere Kultur und eine andere Lebensweise ausprobiert. Und in den 3 Jahren haben wir zwei Mal den Titel gewonnen.
Andy: Und was läuft in der Kabine der Nationalmannschaft für Musik? Julio Jaramillo (ein berühmter ecuadorianischer Sänger) oder doch amerikanischer Rap?
Carlos: Keins von beiden. Wir hören viel Salsa. Wir singen in der Kabine oder im Hotel oder im Bus oder auch im Flugzeug. Wir kommen immer mit einer großen Boom Box. Wir spielen dann auch Karten und immer läuft Musik. Ich glaube, das ist gut für die Stimmung in der Mannschaft. Wir sind alle zusammen, verbringen Zeit miteinander und tauschen uns aus. Wir sind alle viel unterwegs, kommen dann zur Nationalmannschaft und haben ja dann nur diese Zeit, die wir miteinander verbringen und uns austauschen können über das, was bei uns, in unseren Clubs, Städten und Ländern so los ist. Es ist immer eine gute Zeit.
Andy: Dann gibt es natürlich auch Essen. Was isst man dann? Gibt es Bolon de verde (Grüne Bananenfleischbällchen)?
Carlos: Das ist sehr lecker. In Ecuador gibt es viel typisches Essen. Wenn du in Esmeraldas bist, gibt es Bolon de verde. Wenn du nach Quito oder in den Bergen bist, gibt es eher Suppe. Das Essen ist in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich. Und ich kann die Speisen nicht richtig gut übersetzen oder erklären.
Andy: Aber es ist alles scharf. Also ich hab von Aji hot sauce gelesen…
Carlos: Nein, es ist nicht alles scharf. Das ist in Mexiko. Bei uns isst man nicht so scharf.
Andy: Stell Dir vor, Du bist auf Länderspielreise und hast deine Familie getroffen. Ihr habt gemeinsam gegessen und hattet eine gute Zeit. Im Anschluss bleibt uns ein Tag, um drei Dinge in Ecuador anzuschauen. Welche wären das?
Carlos: Du musst zuerst die Sierra sehen. Dann musst du nach Guayaquil, weil es in der Nähe vom Meer ist. Und die ganze Ruta del sol (die Pazifikstrände zwischen Puerto López und Salinas) ist sehr schön. Das gibt es auch sehr gutes Essen. Und nach Galapagos solltest du auch. Das ist eine Insel und die ist sehr schön.
Andy: Dort gibt es die Schildkröten, oder? Ist das nicht sehr weit weg?
Carlos: Ja und das ist nicht so weit. Ich glaube, du brauchst so 2,5 Stunden mit dem Flugzeug direkt von Quito nach Galapagos. Wenn ich zur Nationalmannschaft fliege, brauche ich 16 Stunden nach Ecuador. Im Gegensatz dazu ist das ein Katzensprung.
Andy: Und dann kommst du zurück nach Augsburg und das ist dann kulturell schon ein kleiner Unterschied. Worauf freust du dich wieder, wenn du in Augsburg bist?
Carlos: Ich vermisse meine Freunde und meine Familie. Und auch das Essen, weil es ganz anders ist. Aber wir sind zufrieden. Ich bin mit meiner Frau und mit meinen Kindern nun seit fast drei Jahren hier und wir haben uns schon ein bisschen an die Kultur und das Essen gewöhnt. Das finde ich auch wichtig. Ich bin Fußballspieler und ich denke nicht so viel darüber nach, was anders ist als in Ecuador oder auch nicht. Mein Fokus liegt auf dem Spiel und darauf, eine gute Zeit zu haben.
Andy: Mit Blick auf die Atmosphäre im Stadion: Ist mein Bild richtig, dass es in Ecuador bei den Spielen schon noch ein bisschen verrückter zugeht als in Deutschland?
Carlos: Ja, das ist ganz anders. Das kann man gar nicht vergleichen. In Ecuador sind die Leute ein bisschen verrückt vor dem Spiel. Und hier haben die Leute mehr Respekt vor den Spielern und allen. Es ist eine ganz andere Kultur. Ich mag aber beides.
Andy: Ja, Unterschiede machen das Leben erst lebenswert. Danke für die Zeit, Carlos, und die Erklärungen zu Ecuador!
Carlos: Gerne, gerne, immer gerne. Danke auch für deine Zeit. Und hab einen schönen Tag!
Es ist zwischen Union und Freiburg. Nachdem ich schon früher mit Jan Moravek und Alfred Finnbogason über ihre Heimat gesprochen hatte, bin ich heute mit Michael Gregoritsch verabredet, um virtuell über seine österreichischen Wurzeln zu reden. Gregerl ist stolzer österreichischer Nationalteamspieler und konnte sich im Sommer bei der EM ins Geschichtsbuch seiner Fußballnation eintragen. Das alles hat uns während unseres Gesprächs derweil gar nicht interessiert. Aber lest selbst, was ich gelernt habe, außer wie man am besten von Augsburg nach Graz kommt.
Andy: Es ist Sonntagmittag, 11 Uhr. Der FCA hat am Samstag um 15:30 Uhr gespielt, gewonnen und ich weiß nicht, irgendein Österreicher wird das Siegtor geschossen haben. Ich hatsch‘ relativ zerknautscht vor der Arena rum, weil ich mein Handy verloren habe beim Spiel und ich eben am Suchen bin, wo es denn rumliegt. Dann laufen wir ineinander und kommen so ein bisschen ins Quatschen. Dann sagst du: „Ach weißt was, Andy? Jetzt machen wir mal was ganz anderes. Ich fahre jetzt in die Heimat. Kommst du mit?“ Und jetzt hoffe ich, dass du nicht mit der Vespa unterwegs bist…
Gregerl: An einem sonnigen Sonntag schwer, aber okay. Erstmal fahren wir nach Graz. Wir fahren über die A8 über München, bleiben noch in Dachau kurz beim McDonald’s stehen und holen uns was zum Essen und Trinken. Dann weiter auf der A8 nach Salzburg. Walserberg, nochmal in die Tankstelle, eine Kleinigkeit zum Trinken holen, ein Eis vielleicht, und natürlich eine Vignette kaufen. Und dann geht die Phase los, wo wir ein bisschen österreichische Musik anmachen. Wir fahren entweder über Schladming oder über Oberösterreich. Und sind, wenn wir um 11:00 Uhr wegfahren um gut 15:30 Uhr daheim in Thal bei Graz bei meinen Eltern und setzen uns da erst einmal in den Garten und machen uns was zum Essen.
Andy: Gegessen wird viel, gell?
Gregerl: Gegessen wird viel.
Andy: Eins hast du schon erwähnt: Dass wir irgendwann mal Musik an machen. Österreichische Musik, um uns ein bisschen einzustimmen. Was machst du genau an?
Gregerl: Da gibt’s auf Spotify eine super Austropop-Playlist. Die höre ich öfter, wenn ich Heimweh habe oder wenn ich das Gefühl habe, ich würde jetzt gerne zuhause sein. Das ist dann entweder Austropop Klassiker oder normaler Austropop. Die Playlist ist ganz einfach zu finden, weil Albert Einstein die Zunge auf dem Foto bei Spotify rausstreckt. Es laufen die Klassiker von Fendrich, S.T.S, Danzer, Ambros, auch Wanda mittlerweile und Seiler und Speer.
Andy: Wird mitgesungen oder bist du still?
Gregerl: Zumindest wenn ich alleine bin, wird laut mit geschrien. Und wenn du dabei bist, wird mit gesummt.
Andy: Vielleicht würden wir gemeinsam laut mitschreien. Bei McDonalds: Ein-Euro-Cheeseburger oder komplettes Menü?
Gregerl: Big Mac-Menü, Pommes, Cola, Fish Mac, zwei Cheeseburger, 6 Chicken Nuggets und Currysoße. Das sollte für uns beide reichen. Ich lade dich ein.
Andy: Großartig. Und dann im Garten: Was gibt’s daheim zu Essen, wenn du nach Hause kommst? Was weiß die Mama schon, dass sie das auf den Tisch stellen muss?
Gregerl: Zu Hause gibt es einen Klassiker. Das gibt’s gefühlt, seit ich auf der Welt bin: Hähnchenbrust mit einer etwas schärferen Rama Cremefine-Paprika-Soße mit Lauch. Dazu Reis und einen Himbeersirup. Das war’s. Ganz einfach. Ganz leicht zum Nachkochen auch in Deutschland. Das kriegt man überall her.
Andy: Das machst du dir auch selber?
Gregerl: Ja, natürlich mache ich mir das selbst. Das war, glaub ich, das erste Essen, was ich mir jemals selbst gekocht habe. Hähnchenfleisch anbraten, ein bisschen gewürzt mit Paprikapulver, ein bisschen Chili dazu. Hähnchen raus, Rama Cremefine dazu mit dem Öl und mit dem Hähnchensaft vermengen und ein bisschen Paprika, Lauchzwiebeln rein und fertig ist das Ding.
Andy: Mega. Und ich denk mir so, irgendein schöner Strudel oder…?
Gregerl: NA! Meine Mama kann einen Kuchen sensationell. Den Rest kriegen wir von Nachbarn oder sonst woher. Aber einen Kuchen gibt’s. Das ist ein ganz leichter Joghurt – Becherkuchen mit ein paar Aprikosen dabei. Marillen sagen wir in Österreich. Das ist der einzige Kuchen, den es bei uns gibt. Oder ein Erdbeertiramisu. Aber das ist ein Rezept von Rani Khediras Mama.
Andy: Gut, dann sind wir angekommen, haben gegessen. Dann sitzen wir da und sind in sehr positiver Laune, weil es lief ja am Samstag super und der Trainer hat euch länger frei gegeben. Bleiben wir sitzen oder ziehen wir nochmal in die Grazer Innenstadt?
Gregerl: Gut, am Sonntag ist in der Grazer Innenstadt noch weniger los als in Augsburg. Wenn es ein Samstag wäre, dann ja, ziehen wir ein bisschen rein und treffen meine Jungs, gehen wieder was Schönes essen und bleiben dort auch sitzen und trinken ein bisschen was. Und dann geht’s entweder ab ins Univiertel oder man bleibt dort im Restaurant oder in der Bar sitzen.
Andy: Aber ganz geschmeidig.
Gregerl: Ja, ganz gemütlich. Das ist völlig unaufgeregt in Graz. Da gibt’s keinen Riesenclub. Es gibt ein paar Lokale, da kennt man sich und da geht man auch gerne rein.
Andy: Das ist jetzt – da musst du mir weiterhelfen – von der Größe her schon einen Ticken größer als Augsburg?
Gregerl: Alles sehr vergleichbar. Die Innenstädte sind sehr vergleichbar. In Graz ist die Uni sehr nahe an der Innenstadt. Vom Hauptplatz zu Fuß zu erreichen. Dort spielt sich eigentlich das meiste ab im Univiertel. Die ganzen Lokale und Bars sind da. In der Innenstadt kannst du aber auch gut essen gehen. Und es hat eine Hauptstraße, vergleichbar mit der Maxstraße. Die ist aber bei uns eine reine Fußgängerzone. Da gibt’s ein riesiges Shoppinghaus, so eine Art Galeria Kaufhof. Das ist der Kastner. Da gibt’s ganz oben eine super Dachterrasse, wo man wunderschöne Fotos machen kann mit dem Uhrturm, weil der Kastner direkt am Fuße des Schlossbergs steht, unserem Wahrzeichen. Und ja, es ist sehr vergleichbar.
Andy: Das passt jetzt super, weil jetzt haben wir ja den Sonntag abgeschlossen. Jetzt haben wir den Montag beide frei. Und jetzt sagst du: „Andy ein paar Sachen muss ich dir jetzt noch zeigen, damit du hier die offizielle Tour bekommen hast.“
Gregerl: Ich zeige dir den Schlossberg. Auf jeden Fall hoch, entweder mit der Gondel – also mit der Schlossbergbahn – oder eben zu Fuß. Wobei zu Fuß hoch, wenn ich gespielt habe, eher nicht. Aber wenn du möchtest, können wir auch zu Fuß hoch gehen. Dann gehen wir an der Mur entlang, die Murinsel anschauen. Das Kunsthaus. Das reicht aber teilweise, wenn man das von außen sieht. Und die Altstadt zeige ich dir und die Spargasse. Und dann sind wir in Graz nach gut drei Stunden durch und gehen am Hauptplatz zum Würstelstand und essen ein Käsekrainer-Hotdog.
Andy: Das klingt ganz nach meinem Geschmack. Jetzt bin ich ja so ein bisschen ein Fußballnerd. Jetzt möchte ich eigentlich schon gerne mal den Platz sehen, wo du dich wirklich zuhause fühlst, beim Grazer AK.
Gregerl: Dann müssen wir wieder in Richtung meiner Eltern rausfahren und kommen dann zum 2004 damals größten Trainingsgelände Europas. Das war damals wirklich unfassbar. Es ist auch heute immer noch unfassbar riesig mit, glaub ich, 6 Rasenplätzen, einem Kunstrasenplatz, einem Sprinthügel und einem Basketballplatz. Aber eigentlich noch wichtiger: Ich zeig ich dir den Platz, an dem jetzt leider Wohnungen stehen, wo ich immer mit meinem besten Kumpel gekickt habe. Da haben wir wirklich Stunden verbracht – morgens bis abends – und haben Gas gegeben. In Graz waren in meiner Jugendzeit auch Trainingslagermannschaften zu Gast und haben Testspiele im neuen Stadion, das dann damals gebaut wurde, ausgetragen. Da hat zum Beispiel mal Schalke gegen die Nationalmannschaft aus Bahrain gespielt. Im Jahr 2008. Und da sind dann halt auch Bälle geklaut worden. Wenn da ein Ball drüber geflogen ist, dann war der halt weg.
Andy: Der ist ja nicht geklaut worden. Der ist einfach verloren gegangen.
Gregerl: Der ist verloren gegangen. Also ich weiß jetzt mittlerweile, wo unsere Bälle landen. Oder ich hoffe es zumindest, dass viele Kinder sich daran dann erfreuen.
Andy: Wenn man sich deine fußballerische Reise anguckt, dann bist du aber ja trotzdem dann von Graz weg gegangen. Du hast ja nicht beim Grazer AK den Sprung zu den Herren gemacht, sondern du bist mit dem Papa mit gegangen. Nach Kapfenberg, das mir überhaupt nichts sagte. Was ja aber gar nicht weit weg ist.
Gregerl: Das ist circa 60 Kilometer nördlich.
Andy: Genau. Und das ist ja auch immer noch alles Steiermark. Also bist du sehr lange in der Steiermark verhaftet geblieben.
Gregerl: Ja, ja. Also bis ich 18 war. Ich bin ja mit 14 vom GAK nur weg, weil die in Konkurs gegangen sind und die Akademie kurz davon war, sich aufzulösen. Und dann sind wir nach Kapfenberg. Sechs, sieben Spieler aus der steierischen Auswahl, die eigentlich zum GAK hätten gehen sollen. Wir haben eine super Mannschaft gehabt. Es sind aus den Jahrgängen einige Bundesligaspieler geworden. Der Prietl ist ja ein bisschen älter, aber der war da. Der spielt jetzt in Bielefeld. Dann gab’s Ylli Sallahi, der hat bei Bayern gespielt. Das einzige Spiel, das der gute Pep Guardiola damals verloren hat hier in Augsburg. Dann Albert Vallci, das ist einer meiner besten Freunde bis heute noch, der in Salzburg spielt. Bei Red Bull Salzburg. Und das war damals eine ganz unscheinbare Akademie. Aber wir haben damals slowenische und kroatische Jugendtrainer gehabt. Die haben uns ein technisches Spiel beigebracht, wie das damals Ajax Amsterdam gespielt hat. Ein Kontakt und mit 3 Stürmern und einem offensiven Mittelfeldspieler dazu. Und dann war das für mich damals so sicher die beste Ausbildung. Zusätzlich dazu natürlich, dass mein Papa (Anm.: Werner Gregoritsch) dort gearbeitet hat. Aber mit dem hatte ich eigentlich die ersten zwei Jahre kaum was zu tun. Außer wir haben zufällig gleichzeitig trainiert, dann habe ich ihn halt gesehen. Ich war im Internat wie alle anderen. Doch ich durfte relativ früh mit 2, 3 anderen oben mit trainieren. Und dann gab’s ja irgendwann den Tag, an dem sich meine Karriere komplett verändert hat.
Andy: Ja faszinierend. Der Internatsweg wurde in Österreich teilweise extrem früh eingeschlagen.
Gregerl: Ich musste ja die Schule wechseln. Ich konnte nicht in der 9. Schulklasse – bei uns ist es die Fünfte – sagen: „Okay, ich bleibe jetzt noch zwei Jahre in Graz und gehe dann erst in eine andere Schule.“ Ich musste zur 9. Klasse in eine andere Schule gehen. Ich hatte im ersten halben Jahr Heimweh deluxe. Ich bin jeden Mittwoch nach Hause gefahren und am Donnerstag in der Früh wieder hoch. Aber es war die mit Abstand beste Zeit, die ich hatte.
Andy: Ja, Endphase Schule. Wenn man da die richtige Gruppe hat, dann ist es eine super Phase.
Gregerl: Ja, Wahnsinn. Von 14 bis 18 waren dort gut 60 verrückte Jugendliche. Und ich habe sicher noch ungeschaut – also in Österreich sagt man ungeschaut – mit 10 regelmäßig Kontakt so alle zwei Wochen. Mit 20 zumindest alle drei Monate. Mit 50 Prozent von der Gruppe habe ich mit Sicherheit noch Kontakt. Die waren ja teilweise 4 Jahre älter und am Ende dann 3 Jahre jünger. Und das ist schön. Kürzlich haben wir gesagt, wir müssen jetzt mal ein Internatstreffen haben. Und mein Abitur jährt sich auch zum zehnten Mal, das heißt, da stehen demnächst einige Treffen an für mich.
Andy: Eine Frage so zur kulturellen österreichischen Verhaftung. Skifahren?
Gregerl: Seitdem ich 14 bin, bin ich nicht mehr gefahren.
Andy: Das ist ja mal was außergewöhnliches. Darf man das in Österreich laut sagen?
Gregerl: Ja, dort wo ich herkomme – in Graz – sind nicht so viele Berge. Ich fahre eineinhalb Stunden bis zum nächsten Skigebiet. Aber das hab ich mit 14 abgeschlossen. Erstmal sind mir die alle um die Ohren gefahren, meine Jungs. Die sind ja dann, als ich eben ins Internat gegangen bin, weil sie aus der Obersteiermark kommen, quasi mit den Skiern in die Schule gefahren. Da hatte ich überhaupt keine Chance mehr mitzuhalten. Und es war mir zu gefährlich. Ich wollte mir nie vorwerfen lassen, ich falle ein halbes Jahr oder 3 Monate aus, weil ich beim Skifahren blöd gestürzt bin.
Andy: Und du hast dich nicht einfach nur auf die Hütte mitnehmen lassen, ne?
Gregerl: Nein, nein, nein. Da bin ich lieber nach London Boxing Day – Spiele anschauen gegangen.
Andy: Nach der Schule ging es dann weg aus der Steiermark. Nach Hoffenheim. Wie ging es dir da so? Wie bist du da angekommen?
Gregerl: Heidelberg war ein Kulturschock, als ich mir beim allerersten Mal, nachdem ich eine Wohnung hatte, raus gegangen bin und ein Schnitzel bestellt habe und die mir eine Jägersoße gebracht hat. Das war ein Kulturschock! Ich war ein Landei. Ich war einfach unerfahren,. Für mich gab’s bis ich 18 war nur Kürbiskernöl zum Salat. Ich wusste nicht, dass man zum Salat theoretisch auch ein Joghurtdressing essen kann. Das hat mich nicht interessiert. Und dann hab ich mit 18 das erste Mal alleine gelebt und bin auch wirklich teilweise richtig einsam gewesen.
Andy: Ja, Anschluss finden und…
Gregerl: Das war brutal schwer. Da hab ich auch gelebt, wie es nicht mit Fußball zusammen passt. Bis 04:00 Uhr morgens mit den Leuten geskypt und geschrieben und PlayStation gespielt. Dann bis 08:00 Uhr geschlafen. In Hoffenheim im Trainingsgelände gefrühstückt und trainiert und Mittag gegessen und dann wieder heim und 5, 6 Stunden Mittagsschlaf gemacht. Und dann wieder bis 2, 3, 4 Uhr nachts wach gewesen. Ich war– vielleicht war’s auch gut – schlecht vorbereitet. Ich habe das einfach auf mich zukommen lassen. Ich bin nach Heidelberg und einfach naiv gewesen. Und dann habe ich irgendwie Glück gehabt. Die erste Wohnung, die ich gesehen habe, ist im Nachhinein eine Weltklasse–Wohnung gewesen. Direkt auf den Rhein geschaut und auf die alte Brücke in Heidelberg. Es waren nur drei Minuten zu Fuß in die Fußgängerzone. Und 15, 20 Minuten zum Trainingsgelände nach Hoffenheim, wo ich dann die ganzen 20 Minuten Weg telefonieren konnte mit meinen Eltern oder sonst jemandem. Ich dachte auch, ich komm da raus und spiele hier mal das Spiel in der Bundesliga. Da war ich fest überzeugt davon, da gab’s für mich keine andere Möglichkeit. Und dann bin ich da hin und dann sind die mir um die Ohren gelaufen wie vom anderen Stern. Ich war schwerst überfordert. Im Nachhinein gesehen muss ich „Danke“ sagen an Markus Babbel und Andy Müller, den Sportdirektor damals, dass die mich überhaupt so lange bei den Profis trainieren haben lassen.
Andy: Und dann geht ja die Geschichte weiter. Dann bist du nach St. Pauli und von St. Pauli aus nach Bochum.
Gregerl: Genau. Bochum war dann so, dass ich gesagt habe „Gut, das ist jetzt fürs Erste einmal meine letzte Chance in Deutschland und wenn nicht, dann müsste ich eigentlich zurück nach Österreich gehen.“ Zu irgendeinem mittelmäßigen Club in Österreich. Weil die Guten hätten mich ja damals auch noch nicht direkt geholt. Doch dann hat es funktioniert. Peter Neururer war mit Christian Hochstätter zusammen in Bochum verantwortlich. Christian Hochstätter ist ja ein gebürtiger Augsburger. Die waren wie Ziehväter für mich. Christian Hochstätter hatte auch einen Sohn, der in meinem Alter war. Die haben mich auch so ein bisschen bei sich aufgenommen. Auch Peter Neururer hat mir richtig geholfen.
Andy: Oder hast du über deine Karriere entdeckt, wie Routinen vieles erleichtern?
Gregerl: Ja, ich glaube, man entwickelt sich einfach immer wieder weiter. So ist das halt und da muss man echt sagen, auch Profi sein muss man lernen. Mal behandeln lassen, mal länger da bleiben, dann nachmittags nochmal zum Training zu gehen, ohne dass Training ist. Das lernt man dann im Laufe der Zeit und ich hatte immer gute Hilfe.
Andy: Jetzt bist du ja quasi nach dieser ganzen Reise und mit Unterbrechung auf Schalke wieder in Augsburg zurück. Was ist in Augsburg so, dass du dich daheim fühlst und dass du mittlerweile sagst nach der ganzen Zeit, dass es jetzt erst einmal nicht weg geht und dass du die Chance nochmal suchst? Was löst das in Augsburg bei dir aus?
Gregerl: Also erst einmal muss man sagen, meine Freundin ist dabei eine Riesenunterstützung. Dazu habe ich in Augsburg alles. Also wenn jetzt ein neuer Spieler nach Augsburg kommt, dem könnte ich eine Stunde lang erzählen, was und wo er wie machen könnte. Jetzt hab ich einen kleinen Hund – einen Welpen – und dadurch weiß ich sogar, welche Wälder schön sind und an welche Seen ich kann und wo man mit dem Fahrrad hin kommt. Zusätzlich weiß ich, wo kann man gut essen gehen kann. Ich kenne mich einfach aus. Ich habe jetzt schon ein paar Mal gesagt, Augsburg ist eine zweite Heimat geworden für mich. Ich kenne mich in Augsburg teilweise besser aus als in Graz. Einfach weil sich in Graz ja auch Dinge verändern, wenn man dann wieder hin fährt und ich fahre in Augsburg weniger mit Navi als in Graz.
Andy: Definitiv. Kann ich sehr gut nachvollziehen.
Gregerl: Wie schon gesagt, Augsburg und Graz sind ähnlich, das lässt mich heimisch fühlen. Und da haben wir noch nicht über Fußball geredet. Hier beim FCA begleiten mich ja auch viele Personen schon über Jahre. Also Dominik ist ja seit Beginn weg hier, Marlene, Salva, Martin Miller, ein Physio ebenfalls. Dazu viele Kollegen der Geschäftsstelle wie Evi. Das ist ein tolles Umfeld und sind Leute, mit dem man mal ein bisschen quatschen kann und auch mal fragt „Wie läuft es zuhause?“ und „Wie geht es daheim?“ oder „Wie läuft es da“. Das macht es ebenfalls wertvoll und sorgt dafür, dich heimisch zu fühlen.
Andy: Dir scheint es ja gut zu gehen und Du scheinst da deinen Platz gefunden zu haben und bist ja auch jemand, der dann zurück gibt mit deinem Spendenverein. Ich möchte da gerne mal drauf aufmerksam machen. Was hat dich dazu bewogen, das zu machen und da deine Zeit rein zu stecken?
Gregerl:Erst einmal war Andi Luthe ein Riesenvorbild mit „In safe hands“. Als damals „Common Goal“ startete begannen ja einige Spieler 1 Prozent ihres Jahresgehaltes zu spenden. Und ich wollte dann auch bei „Common Goal“ spenden. Doch dann sagt Andi „Du, pass mal auf, ich frag dich jetzt ganz blöd: Warum spendest du das nicht bei mir? Wäre doch cool, wenn wir da ein bisschen was zusammen kriegen.“ Dann hab ich gesagt: „Alles klar, finde ich super.“ 5 Tage später war Weihnachten, ich sitze mit meinem Bruder abends zusammen – ein, zwei Wein getrunken gehabt – und dann sagen wir: „Was könnten wir machen?“ Die Idee war immer, wir bringen ins Kinderkrankenhaus Spielzeuge und Bälle. Es ist aber nicht so einfach, dass du zum Sportgeschäft gehst und ein paar Bälle und Spielzeuge kaufst und fertig. Aber an dem Abend haben wir beschlossen selbst etwas für sozial benachteiligte Kinder in Graz auf die Beine zu stellen. Und dann haben wir das irgendwann ausgeweitet auf Kinder mit Down-Syndrom, weil in meinem Bekanntenkreis jemand ein Kind mit Down-Syndrom hat. Und der Vater des Kindes hatte erzählt, dass es zum Beispiel keinen Schwimmkurs für Kinder mit Down-Syndrom gibt. Die können das aber eigentlich nur unter sich lernen. Wir haben dann eine Woche Camp innerhalb von zwei Wochen organisiert, weil die Sommerferien ja dann schon vor der Tür standen. Und da waren wir auch wieder völlig naiv. Wir haben geglaubt, drei Betreuer reichen für 12 Kinder. Reicht halt nicht, sechs brauchst Du mindestens. Das hat sich jetzt auch weiterentwickelt. Ich war letztes Jahr da. Sonst geht es sich leider nie zeitlich aus, dass ich da sein kann. Es war einer der besten Tage, die ich in meinem Leben je hatte. So viel Liebe, die sie einem Menschen zurück geben, so bedingungslos. Da läuft man mit ihnen eine Runde und dann nehmen die dich bei der Hand und sagen „Komm, wir laufen noch eine“ oder man quatscht mit denen. Da haben wir uns jetzt weiterentwickelt und versuchen das auszuweiten, und gleichzeitig weiter familiär zu bleiben. Wir wollen das so machen, dass es allen Spaß macht. Wenn ich sehe, wie viele Leute sich da mittlerweile beteiligen, das ist schon was besonderes. Viele Spieler unterstützen uns mit ihren Trikots oder spenden auch selbst. Das ist schon eine Hausnummer. Ein großes Dankeschön an alle, die uns unterstützen.
Andy: Ja, das ist doch super und es ist, glaube ich, auf einer ganz anderen Ebene befriedigend zu sehen, dass man eine positive Auswirkung selbst schaffen kann. Wenn man Sachen anpackt und versucht, in die richtige Richtung zu lenken. Einerseits, wenn Leute spenden und unterstützen, dann ist das auch wichtig. Selbst sich einfach auch zu trauen, Projekte umzusetzen Jahr um Jahr konstant, nicht einfach aus einer Laune heraus, weil man denkt, das ist wichtig, halte ich für sehr beeindruckend und sehr toll!
Gregerl: Dankeschön!
Ich glaube, dem Gregerl und mir wäre auf der Fahrt nach Graz nicht langweilig im Auto geworden und vielleicht kommt irgendwann die Gelegenheit. Insgesamt habe ich mich einfach irrsinnig gerne mit ihm unterhalten und jegliche Debatten über Körpersprache auf dem Platz hin oder her, muss man diesen Kerl einfach gerne haben. Er hat eine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, für seine Karriere hart gearbeitet und seine Lektionen gelernt. Dazu trägt er ein großes Herz am rechten Fleck. Wenn er morgen hier vor meiner Tür steht und mir zuruft: „Andy, steig ein.“ dann mache ich genau das.
Randnotizen:
Wer die Spotify Playlist gefunden hat und an so etwas gefallen findet, der sollte direkt auch bei Roy Bianco und die Abbrunzati Boys rein hören. Mitsingen garantiert.
Bei der passenden Gelegenheit einen Ball mitgehen zu lassen hat ja Tradition bei Augsburger Spielern. Ihr wisst, was ich meine.
Wäre es zu viel verlangt gewesen, auf Herausgabe des Erdbeertiramisu-Rezepts von Rani Khediras Mama zu pochen?
Wenn wir schon dabei sind: Gregerls Top3 Lieferdienste und Restaurants würde ich auch nehmen.
Im Gegenzug sollte der FCA die Erlöse aus Gregerls Flock direkt seinem Spendenverein zukommen lassen. Ich würde mir sofort ein Heimtrikot kaufen. Und warum sollte sich nicht jeder Spieler eine Charity raussuchen, für die er die Saison über spielt? Das hätte mal Vorbildcharakter und gibt es so ähnlich in der NFL an einem Spieltag der Saison.
Grindavík ist eine Stadt in West-Island mit ca. 2.500 Einwohnern. In Island geht das nach Aussage von Alfreð Finnbogason schon als Großstadt durch. In der Woche vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach, in dem Alfreð immer noch auf Grund einer Wadenverletzung fehlte, unterhielt er sich mit mir über seine Heimat und einige der Dinge, die er in seiner langen Profikarriere gelernt hat. Einem, dem in Königsbrunn mit seinen 30.000 Einwohnern schon die Decke auf den Kopf fiel, begreiflich zu machen, wie es ist aus Island zu kommen und dort zu leben, ist dabei als Aufgabe an sich nicht zu unterschätzen. Wenn man allerdings wie ich, vieles in seinem Leben an der Qualität seiner zwischenmenschlichen Beziehung fest macht, dann ist Island sicher eine Reise wert, wenn alle Menschen dort so freundlich und offen sind wie Alfreð selbst.
Zusammen durch Island
Wenn wir in Island einen Tag zusammen verbringen würden, dann ginge es vom Flughafen zur Blue Lagoon. „Das sind ja nur 10 Minuten vom Flughafen. Von dort würden wir weiter fahren zur Hallgrímskirkja mitten in Reykjavik. Da hat man einen tollen Blick. Das ist auch ein Klassiker. Und von da aus dann auf die Hauptstraße in Island und erst einmal kurz zum Hafen. Wenn man dann noch Zeit hat, dann ginge es zum Geysir, wo das Wasser in einer Fontäne aus dem Boden aufsteigt. Das kann man an einem Tag schaffen und es wäre ein guter Tag.“
Alfreðs Familie besitzt ein Unternehmen, das im Fischfang und der Fischverarbeitung tätig ist. „Die meisten Menschen wohnen an der Küste. Die Fischindustrie ist wohl immer noch die Hauptindustrie in Island.“ erläutert Alfreð in unserem Gespräch. Fisch isst er selbst immer noch am Liebsten. Wenn er die Wahl hat, dann vor allem isländischen Hummer. „Da muss man Glück haben, das man mal einen bekommt. Die Lieferkette von Fisch nach Süddeutschland ist eher länger. Guter Fisch ist teurer und schwerer zu bekommen“. So wie ich als Kind durch den Hühnerstahl meiner Urgroßeltern gestapft bin, ist Alfreð mit Fisch aufgewachsen.
Bolzplatz Held
Essen würden wir gemeinsam sicher hervorragend. „Im Urlaub esse ich fast täglich Fisch, weil er sehr sehr gut und frisch ist. So bin ich auch aufgewachsen.“ Und übernachten würden in Grindavik“ scherzt Alfreð selbst während des Interviews „um am nächsten Tag noch mehr Zeit zu haben.“ Neben dem Salzfischmuseum könnten wir dann vielleicht auch bei Alfreðs Home Turf vorbei schauen. „Da müssten wir zu der Schule, auf die ich im Alter zwischen 11 und 16 Jahren gegangen bin. Ein Hartplatz. Kleine Tore. Dort habe ich die meiste Zeit verbracht. Und immer wenn ich zu Hause Langeweile hatte, bin ich 5 Minuten dort hin gegangen und habe dort alleine oder mit Freunden gespielt. Gute Zeiten! So einen Platz muss man haben, um die Basis zu lernen und zu spielen“.
Kulturell ist Island sowohl geprägt von europäischen als auch amerikanischen Einflüssen. Björk macht für Alfreð eher Musik für ältere Menschen. Das Wikinger Klischee ist daneben wahrscheinlich genau so ausgelutscht, wie jeder Verweis, den man als Deutscher aufs Oktoberfest im Ausland erleiden muss. Alfreð ist bekennender Oasis Fan. Seine Jugend verbrachte er weniger in der Natur als auf dem Bolzplatz. Fünf gegen fünf. Immer wieder und aus Spaß an der Sache. Die Natur hat er erst später zu schätzen gelernt, seit er Urlaub in Island macht. „Was ich am besten finde, sind die warmen Quellen. Dorthin muss man teilweise eine Stunde wandern. Aber dort bin ich gerne und es ist sehr entspannt.“ Björk und das Wetter vermisst er immer noch nicht. Seine Träume sind andere: „Es ist immer noch meine große Hoffnung, dass Oasis wieder zusammen kommt und ein Konzert spielt, bei dem ich dabei sein kann.“
Aus Rückschlägen gelernt
Aus Island wegzugehen war dabei nicht immer leicht. Erste Erfahrungen hat Alfreð in diesem Zusammenhang gemacht, als er noch während der Schulzeit für sieben Monate zu einer Gastfamilie nach Sardinien zog. „Die Sprache nicht zu können, ist anstrengend. Immer im Kopf übersetzen zu müssen. Es dauert immer eine gewisse Zeit bis man die Sprache lernt. Wenn ich isländisch spreche mit meiner Familie und meinen Freunden, dann muss ich gar nicht nachdenken. Wenn man eine fremde Sprache spricht, dann muss man immer nachdenken. Es kostet viel Energie. Und die ersten paar Monate in einem neuen Land, spürt man die Müdigkeit, weil man immer nachdenken muss. Das ist der größte Teil.“ Daneben kennt man sich in Island, wie in einem kleinen Dorf, und es ist sehr sicher. Die Polizei trägt keine Pistolen. In Italien gab es in der Klasse genau einen Schüler mit dem er sich auf englisch verständigen konnte. „Ich konnte auch viel besser englisch als der italienische Englischlehrer. Das war ganz witzig.“ Daneben war Sardinien eine wunderschöne Insel mit den schönsten Stränden in Europa. Alfreð hat dann eben viel Zeit investiert, um selbst italienisch zu lernen und den Anschluss zu finden. Sonst hätte ihn am Wochenende vielleicht niemand mit zum Strand genommen.
Auch der Durchbruch im Profifußball war kein einfacher. Auf seiner ersten Profistation in Lokeren war der Beginn famos, bevor es dann schnell schwierig wurde. „Ich dachte, dass ich sehr gut vorbereitet wäre. Aber es gibt wenig, was dich darauf vorbereitet, in einem anderen Land alleine zu sein ohne Freunde und Familie, wenn es fußballerisch nicht läuft. Ich war jung und ehrgeizig und wusste nicht, was richtig und falsch ist. Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht, aber das war sehr lehrreich. Das war meine schwierigste Zeit als Profi. Ich kam und in den ersten 4-5 Spielen ging es richtig gut und zwei Monate später war ich nicht mehr im Kader. Es ging sehr schnell in beide Richtungen. Wenn es läuft muss man bodenständig bleiben und ruhig, weil es kann zum Beispiel mit Verletzungen und neuen Trainern so schnell in eine andere Richtung gehen.“ Eine der wichtigsten persönlichen Lernerfahrungen von Alfreð, war es in den vielen Jahren mit Rückschlägen umzugehen zu lernen. In Schweden und auch in den Niederlanden konnte er dann wieder mit seiner Treffsicherheit glänzen.
Glück muss man sich erarbeiten
Nach mittlerweile über 10 Jahren, die er außerhalb von Island Fußball spielt, ist Alfreð die Rolle von Glück bewusst. Es wird ihm im Fußball zu schnell geurteilt, ob jemand gute oder schlechte Arbeit leistet. „Menschen gehen unterschiedlich damit um, wenn es nicht läuft. Ausschlagend ist doch, wie du mit diesen schlechten Phasen umgehst. Wie du da weiter arbeitest. Im Fußball wird oft auf das Ergebnis geschaut und es wird vergessen, was dahinter steckt. Wenn du erfolgreich bist, dann ist es egal wie. Wer Erfolg hat, hat Recht. Und das ist für mich nicht immer richtig. Es gibt für mich schon eine richtige Art die Dinge zu machen. Professionell und mit Respekt“. Derweil gilt aber auch: kein Erfolg ohne harte Arbeit. „Klar, wenn es läuft, dann läuft es. Aber ich glaube nicht zu viel an Glück. Glück muss man sich auch erarbeiten. Aber Kleinigkeiten entscheiden oft, ob man nach einem Spiel der Held oder der Depp ist. Nur mit der Hoffnung auf Glück wird man nicht erfolgreich.“ Das er an sich arbeitet und immer lernen will, erkennt man auch daran, dass er ein abgeschlossenes Sportmanagement Studium hat. Und wir das Interview in fließendem Deutsch führen können.
Seit mittlerweile über 5 Jahren ist Alfreð nun in Augsburg und hat ein Faible für unsere grünen Trikots. „Ich habe mich immer gut in grün gefühlt“ gibt der Profi eine gewisse emotionale Verbundenheit zu. Das Grün unserer aktuellen Auswärtstrikots entspricht genau dem Grünton im Wappen von Breiðablik Kópavogur, der ersten fußballerischen Station Alfreðs im Erwachsenenbereich. Die weiteren Vereinsfarben von Breiðablik Kópavogur sind übrigens – welch Zufall – rot und weiß. Die beiden Bedeutungen des Spitznamens Blikar, den die Mannschaft von Breiðablik Kópavogur laut Wikipedia trägt, waren Alfreð dagegen nicht bekannt. Die eine ist „die Glorreichen“, die andere „die Enten“. Wer darin im Moment nicht die Mannschaft des FC Augsburg wiedererkennt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Vorbild und Führungsspieler
Am Ende des Gesprächs habe ich nicht nur Island besser kennen gelernt. Ich glaube auch, einen soliden Eindruck von Alfreð Finnbogason selbst erhascht zu haben. Als Rekordtorschütze unseres verehrten Clubs in der Bundesliga (35 Tore bis dato) strahlt er ein natürliches Selbstbewusstsein in seine Fähigkeiten aus. Er weiß, wie er mit schweren Phasen umzugehen hat und dass er sich über harte Arbeit das Glück zurückerobern kann. Und bleibt dabei immer bescheiden.
Die Zeit für das Interview ist verflogen. So viele Fragen verbleiben auf meinem Zettel. Was hat es mit dem isländischen „ð“ auf sich? Über seine Zeit in Schweden, wo auch ich ein Jahr verbrachte, konnten wir gar nicht sprechen. Gibt es Ähnlichkeiten in der Kultur, die es ihm dort leichter gemacht haben, durchzustarten? Wo sollte man in San Sebastian essen gehen? In welchem Umfeld fühlt er sich grundsätzlich am wohlsten und was wird er irgendwann aus Augsburg mitnehmen? Aber wer wird von Abschied sprechen wollen. Ein Mensch wie Alfreð Finnbogason ist eine Bereicherung für jedes Team. Wenn wir von Gerüstspielern sprechen, dann ist er jemand, bei dem sich junge Profis viel abschauen können. Hoffentlich noch lange. Ich werde in Zukunft noch genauer hinschauen, gerade wenn wir wieder mal in grün antreten.
Es ist der Montag vor dem Spiel gegen RB Leipzig. Ich bin in Augsburg, weil mein Bruder tags zuvor seinen 30. Geburtstag gefeiert hatte und hoffe auf einen Interviewtermin mit Jan Morávek. Ob das Interview zustande kommt, hängt vom Trainingsplan ab. Montags ist eigentlich trainingsfrei, doch Dirk Schuster hat ein Einsehen mit mir und beordert seine Spieler auf den Platz. Das nächste Spiel steht schon am Freitag an. Keine Zeit für einen freien Tag. Welch ein Glück. Nachmittags betrete ich die Geschäftsstelle im Stadion und warte geduldig im Pressekonferenzraum, bis Jan für mich Zeit hat. Wir begrüßen uns per Handschlag und ich gratuliere kurz zu seinem Einsatz gegen Bayer 04 Leverkusen. Heute soll es aber nicht um die Geschehnisse auf dem Platz gehen. Jan wirkt ruhig, gut gelaunt und hat sich bereit erklärt mit mir über seine Heimat zu sprechen.
Andreas Riedl (AR): Du kommst aus Prag, korrekt?
Jan Morávek (JM): Stimmt.
AR: Wie nennt sich der Stadtteil aus dem Du kommst? Ist das Prag IV? Was ist das für ein Stadtteil?
JM: Stimmt. Das ist nicht direkt im Zentrum oder bei der Altstadt. Der Stadtteil liegt etwas außerhalb, aber mit der U-Bahn ist man in 10 Minuten auf dem Veticlav Platz. Und wenn man aus Prag rauskommen will, geht das von hier aus auch schnell. Es ist einfach schön da zu wohnen.
AR: Was wohnen dort für Menschen?
JM: Prag VII ist dafür bekannt, dass dort ärmere Menschen wohnen. In Prag IV wohnen ganz normale Prager.
AR: Kneipen, Restaurants, Geschäfte?
JM: Es gibt schon Möglichkeiten gut zu essen, aber wenn man wirklich besonders gut essen will, dann muss man ins Zentrum fahren. Im Viertel gibt es Möglichkeiten zu studieren, es gibt Schulen, ein Gymnasium. Im Prinzip ist alles da, was man im Alltag benötigt.
AR: Du hast ja in deiner Jugendzeit auch komplett bei Bohemians Prag gespielt. Ist das da in dem Viertel?
JM: Mein Verein liegt in Prag X, aber Prag X liegt direkt neben Prag IV. Es war für mich natürlich praktisch, dass ich mit der Straßenbahn in 15 Minuten im Stadion war. Da habe ich auch das Gymnasium besucht, direkt gegenüber vom Stadion. Ich war vormittags im Gymnasium und nachmittags hatte ich einen individuellen Lernplan. Nachmittags hätte ich eigentlich auch in der Schule sein sollen, aber ich habe nachmittags immer trainiert. Ich bin also einfach nur über die Straße gegangen. Wenn am Vormittag Training war, war ich 2 Stunden bis 10 Uhr in der Schule und um 10 Uhr war ich auf dem Platz. Bei Training am Nachmittag war es umgekehrt. In nicht mal 5 Minuten war ich vom Klassenzimmer aus in der Kabine.
AR: Du hast ja dann auch im Ďolíček Stadion gespielt. Würdest Du dieses Stadion als dein Heimatstadion bezeichnen?
JM: Auf jeden Fall. Bohemians spielt immer noch seine Heimspiele im Ďolíček Stadion. Trotzdem gibt es immer wieder Diskussionen, wem das Stadion gehört. Es geht viel um Geld. Fast jedes Jahr gibt es Theater, ob Bohemians dort spielen darf oder ob sie woanders spielen müssen. Aber diese Saison spielen sie im Ďolíček Stadion. Es ist mein Heimatstadion, auch wenn ich dort nicht so viele Spiele gemacht habe. Vielleicht 30 Spiele, weil ich nur 3 Jahre für die Herrenmannschaft gespielt habe, aber in meiner Jugendzeit war es ein Traum da zu spielen. Mit 6 Jahren habe ich bei Bohemians angefangen, mit 17 habe ich mein erstes Spiel für die Herrenmannschaft gemacht, da bedeutet dieses Stadion viel für mich.
AR: Mit welchem Stadion in Deutschland würdest Du es am ehesten vergleichen?
JM: Poah…
AR: Ich habe Fotos gesehen und es ist schwierig.
JM: Es ist richtig schwierig. Da passen ja nur ca. 7000 Menschen rein, oder so.
AR: Es haben ja früher viel mehr reingepasst. So knappe 20.000. Es sieht ein bisschen wie in Fürth aus, bevor dort die Tribünen aufgestellt wurden, finde ich.
JM: Kann sein, ja ja…
AR: Gut, die weiß-grünen Trikots…
JM: …die passen auch, richtig.
AR: Die Abweichung kommt dann beim Känguru. Was hat es damit auf sich?
JM: Es ist das Symbol des Vereins. Bohemians war in der Vergangenheit, ich weiß nicht genau wann, in Australien. 1905 wurde der Club gegründet und bald danach sind sie zu einem Turnier nach Australien geflogen und dort haben Sie das Känguru von einer australischen Mannschaft geschenkt bekommen (1927, Anm. d. Red.). Seit dieser Zeit ist das Känguru das Wappentier des Vereins.
AR: Bei Bohemians hast Du dann in der Herrenmannschaft gespielt, hattest dann Probetrainings bei Schalke, bevor dich Schalke verpflichtet hat. Was hast Du Dir damals dann gedacht in der ersten Zeit, nachdem Du aus Deinem Umfeld in Prag weggezogen bist, weg von der Heimat im Alter von 19 Jahren?
JM: Es war schon echt schwer. Wenn du da sitzt, und du hast die Möglichkeit bei so einem Verein einen Vertrag zu unterschreiben, ist das schon geil. Aber du hast gar keine Ahnung, was auf dich zukommt. Ich war 19, es ist so ein riesiger Schritt und dann sind die ersten Wochen echt schwer. Es wartet eine komplett neue Welt mit einem riesigen Verein, der für dich fast alles machen würde. Du bekommst ein Auto, bist erst in einem 5 Sterne Hotel, dann in einer Wohnung, Deutschunterricht, komplett neue Kabine, Felix Magath dazu. Du sprichst nicht gut deutsch, aber auch nicht super englisch. Die einfachen Sachen schaffst du schon alleine, aber du musst dich irgendwie organisieren. Man kann sich in der Kabine nur ein bisschen unterhalten. Es ist schon richtig schwer. Die ersten Tage waren mehr ein Erlebnis. In eine Kabine zu kommen, in der Kuranyi, Neuer, Rakitic, Halil (Altintop, Anm. der Red.) sitzen, das war schon ein geiles Gefühl. Aber nach ein paar Wochen, nach einem anstrengenden Trainingslager, wo du unter Magath einfach komplett platt warst, da kommen natürlich Tage, wo du dich fragst: War das ein guter Schritt, das zu machen? Wäre es nicht besser zu Hause mit der Familie, mit deinem Verein, wo sie dich schätzen. Ich habe dort von null angefangen, komplett ohne Namen. Das war schon richtig schwer. Aber es wäre zu einfach, nach einem halben Jahr aufzugeben und zu sagen: Sorry, war vielleicht der falsche Schritt, ich gehe doch wieder nach Hause. Aber ich glaube, so geht es vielen Ausländern, die in ein anderes Land gehen. Sie haben dieses Gefühl, dass sie alleine sind. Ich hatte wirklich Glück, dass Tereza (seine heutige Frau, Anm. der Red.) die ganze Zeit bei mir war. Das war echt eine sehr große Unterstützung. Sie hat sich um viele Dinge gekümmert, Möbel ausgesucht, gekocht. Ich kann sagen, dass ich es ohne Tereza nicht geschafft hätte.
AR: Sie ist dann auch mitgekommen damals?
JM: Ja.
AR: Felix Magath hat ja auch die Sprachkurse vorangetrieben, wenn ich das richtig gelesen habe. Er hat auch gefordert, dass neue Spieler deutsch lernen?
JM: Ja, wir haben einfach per SMS die Termine bekommen, wann in der Woche Deutschunterricht ist. Zwischen Trainingseinheiten oder nach dem Training war 2 oder 3 mal pro Woche 1 Stunde Unterricht. Erstmal die fußballerischen Begriffe und dann auch ein bisschen Grammatik dazu. Ich kann nur sagen, dass ich regelmäßig hingegangen bin, aber die Südamerikaner, die hatten nicht so viel Bock.
AR: Würdest Du sagen, dass es im Nachhinein wichtig war, sofort mit der Sprache anzufangen jetzt auch für die Zukunft? Du bist ja mittlerweile seit 7 Jahren in Deutschland…
JM: Ja, auf jeden Fall. Wenn ich sehe wie wichtig das mit der Sprache ist, dann war es für mich schon gut, dass ich im Gymnasium schon ein bisschen deutsch gelernt hatte. Aber jeder Deutsche weiß das schon zu schätzen, wenn man es wenigstens probiert. Wenn du längere Zeit in Deutschland bist und immer englisch sprichst, dann bist du schon ein bisschen faul. Es ist auch eine verpasste Chance. eine neue Sprache zu lernen. Es macht nicht riesig Spaß zu Hause ein Heft zu öffnen und zu lernen, aber danach ist es ein schönes Gefühl, wenn Du im Ausland bist und du kannst dich mit den Menschen ganz normal unterhalten.
AR: Als du nach Schalke gekommen bist, bist du sicher auch noch regelmäßig in die Heimat zurückgereist. Hat das jetzt abgenommen und bist du jetzt weniger in der Heimat als früher?
JM: Nein, vielleicht ein bisschen. Am Anfang war das Gefühl, dass ich meine Heimat vermisse, einfach extrem. Es war schon ein bisschen brutal. Wir sind immer 800km mit dem Auto gefahren. Mit Magath war es nicht möglich zu wissen, wann man die freien Tage bekommt. Flüge wären von Düsseldorf nach Prag zu teuer gewesen. Wir sind immer an einem Tag 800km gefahren. Dann waren wir einen ganzen Tag zu Hause und danach sind wir wieder 800km zurückgefahren. Das haben wir am Anfang immer gemacht, wenn ich 2 Tage am Stück frei hatte, ca. einmal in 6 Wochen. Auch jetzt, wenn wir 2 Tage frei haben, fahren wir nach Prag und bleiben 1,5 Tage dort. Aber von hier sind es nur 3,5 Stunden.
AR: Was machst du in Prag? Du bist bei deiner Familie, du triffst Freunde. Was sind die Dinge, die du abseits von Personen nur in Prag machen kannst, weil sie besonders und speziell sind?
JM: Einfach dieses Gefühl zu Hause zu sein mit den Eltern, der Schwester, dem Schwager. Zusammen in Ruhe Essen zu gehen, der Blick auf die Prager Burg. Wenn Bohemians spielt, gehe ich ins Stadion, wenn es zeitlich passt. Und auf jeden Fall ins Kino. Einfach in Ruhe Filme in der Muttersprache genießen. Hier gehen wir auch ab und zu ins Kino, aber es ist schon etwas anderes. Hier musst du dich zwei Stunden auf die Sprache konzentrieren und übersetzen und wir schauen nur einfachere Filme. Bei den Besuchen ist es aber das wichtigste, die Familien zu sehen.
AR: Ich war noch nie in Prag. Was sollte ich mir anschauen?
JM: Auf jeden Fall die Altstadt. Eine gute Kneipe im Zentrum, in der es gutes Bier gibt. Das ist gar kein Problem. Es gibt einen Turm namens Petřín, von dem man einen schönen Blick auf die ganze Stadt hat. Das lohnt sich. Vielleicht zum Eishockey. Fußball kann ich nicht so empfehlen. Es ist nicht so viel Qualität in der Liga, da ist es vielleicht besser zum Eishockey zu gehen.
AR: Gibt es Dinge, die man in Prag meiden sollte?
JM: (Lange Pause)
AR: Es ist ja schön, dass einem zu seiner Heimatstadt nicht sofort etwas einfällt, das man nicht tun sollte.
JM: Man muss echt auf seine eigenen Sachen aufpassen. Handy, Geldbeutel und bisschen teurere Sachen, weil es ab und zu gefährlich ist.
AR: Ist dir das schon mal selber passiert?
JM: Nein, nein. Aber es steht wirklich überall wo du fährst, in der U-Bahn, Straßenbahn. Überall sind die Schilder, dass man auf seine Habseligkeiten aufpassen soll.
AR: Also wie auf dem Oktoberfest?
JM: Ja, ja, ganz genau.
AR: Wenn ich dann abends in eine Kneipe gehe, was muss ich unbedingt essen? Gibt es ein typisches Gericht, das du mit Prag verbindest?
JM: Das geht auch in die Richtung vom Oktoberfest. Ente, Rotkohl und ein typischer Knödel. Bei uns sehen die Knödel etwas anders aus, aber sie sind auch sehr gut.
AR: Was hast Du nach Augsburg importiert von den Sachen, die du aus Prag gerne magst?
JM: Das ist eine gute Frage. Vielleicht nach diesen paar Jahren, dieses Gefühl, dass ich hier auch ein bisschen zu Hause bin. Dieses Gefühl hatte ich in Gelsenkirchen und Lautern nicht gehabt. Aber nach allem, was ich hier in Augsburg erlebt habe, da muss ich schon sagen, wir fühlen uns ein bisschen wie zu Hause. Es ist nicht dieses Gefühl wie in Prag, aber es geht in diese Richtung.
AR: Hast Du bestimmte Orte in Augsburg, außerhalb vom Stadion, wo du dieses Gefühl am meisten hast? Welche Ecken gefallen Dir am besten?
JM: Siebentischwald, Kuhsee. Eher so die Natur. Das Zentrum mag ich aber auch gerne. Wir haben aber auch eine gute bekannte Familie, wo die Frau Tschechin ist und der Mann Deutscher. Er hat Eltern hier, die uns oft einladen und wo wir uns immer nett unterhalten.
Ich komme aus Augsburg. Ich bin dort geboren und in Königsbrunn aufgewachsen. Vor einigen Jahren bin ich nach Frankfurt gezogen und habe hier eine neue Heimat gefunden. Ich bin hier ein „Zuozogener“. In dem Stadtviertel, in dem wir wohnen, sind wir die Fremden. Es gibt gewachsene gesellschaftliche Strukturen, ein Vereins- und Gemeindeleben. Mir ging es ähnlich wie vielen Fußballspielern, die zu einem neuen Club kommen, wie all den Flüchtlingen, die ihr Land verlassen mussten, um eine sichere Unterkunft zu erreichen. Ich war fremd, als ich angekommen bin, musste mich orientieren und war darauf angewiesen, von anderen aufgenommen und integriert zu werden. Dabei waren die Hürden nicht annähernd so groß wie bei den vielen Flüchtlingen, die in unser Land kommen. Wie viele auf dem Weg sterben, wird schon gar nicht mehr registriert. Es ist beschämend und traurig.
In diesen Tagen liest man viele Meinungen. Personen mit fremden Wurzeln sind in der eigenen Nachbarschaft nicht gern gesehen oder ein gewisses Unwohlsein auf Grund der Fremdartigkeit von Verhaltensweisen schleicht sich ein. Angetrieben von rechten Hetzern, die aus ihren Löchern gekrochen sind, um auf den Zäunen ihre rassistischen Parolen verbreiten, werden Ängste geschürt. Es brennen Flüchtlingsunterkünfte. Viele der Menschen, die sich gerade verängstigen lassen, sitzen am Wochenende im Stadion, um Spielern aus vielen Ländern dieser Welt zuzujubeln. Diese Spieler waren zu Beginn genau so fremd in ihren Vereinen, wie ich es in Frankfurt war oder es all diese hilfsbedürftigen Flüchtlinge in unserem Land meist immer noch sind.
Mir ist es als Blogger in diesem Zusammenhang wichtig, Position zu beziehen. Ich hatte daher die Idee, mich mit Spielern des FC Augsburg zu unterhalten, um mich über diese Fremdartigkeit auszutauschen. Wo kommen unsere Spieler her? Wie empfinden die Spieler, wenn sie nach Augsburg kommen? Es ging dabei nur am Rande um Fußball, um das was auf dem Platz passiert. Es geht um die Menschen. Fremdartigkeit sollte nicht angsteinflößend sondern faszinierend und bereichernd sein. Wir sollten unsere Sinne schärfen und von fremden Ideen und Einflüssen lernen. Ich habe mir zumindest Mühe gegeben. Das wir dabei selbst manchmal befremdlich wirken können, sollte uns bewusst sein. Uns Augsburgern mit unserem Gegrantel noch am ehesten.
Ein von Andreas Riedl (@andyriedl) gepostetes Foto am
In einem ersten Interview habe ich mich mit Jan Moravek zusammengesetzt. Unser Gespräch könnt ihr bald hier nachlesen. Ein weiteres Gespräch ist zumindest schon angedacht. Man kann sich mit Fußballern auch gut über Geschehnisse abseits des Platzes unterhalten. Manchmal muss man nur fragen.
Wer sich nun denkt: Was soll das? Warum geht es nicht um Fußball? Ich würde euch bitten, offen an die Sache heranzugehen. Jegliche Hetze oder rechte Propaganda dürft ihre euch jedoch schenken. Es wird keiner dieser Kommentare veröffentlicht werden. Wer etwas in diese Richtung kommuniziert braucht meine Texte nicht zu lesen und auf meinen Blog nicht zurückzukommen. Ich bin auf eure Klicks nicht angewiesen. „Kein Fußball den Faschisten“ sollte nicht eine politische Äußerung sondern gesellschaftlicher Konsens sein. Auf diesem Blog wird dies immer einer der Grundsätze sein.
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