Entscheidungsfaktor

Man möchte sich schon wieder nur auf den sportlichen Bereich fokussieren beim FC Augsburg. Zu spannend ist die Phase unter Jess Thorup. Zwischendurch will ich weiterhin einen Blick auf Themen abseits des Rasens werfen. Am Ende der abgelaufenen Saison war eines der heißen Themen der mögliche Investoreneinstieg bei der DFL, der deutschen Fußballliga, der auch durch die Sitzung in der letzten Woche immer noch ein Thema ist. Der Einstieg platzte damals, die Clubs stoppten das Verfahren und der FCA war mittendrin. Und das war dann in dieser Form zumindest ein bisschen unerwartet. Es folgt ein kurzer Rückblick, der zeigt, welchen Einfluss der FCA im Ligaverbund mittlerweile hat.

Hintergründe zum Investoreneinstieg bei der DFL

Gedankenspiele bzgl. eines Investoreneinstiegs gab es eine ganze Weile, bevor das Thema entscheidungsrelevant wurde. Aus den Gedankenspielen wurde über die abgelaufene Saison hinweg ein konkreter Plan. DFL-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki hielt den Einstieg für notwendig. Über den Einstieg sollte ein Teil der zukünftigen Einnahmen der DFL, hauptsächlich Fernsehgelder, für einen Einmalbetrag an ein Private Equity Unternehmen verkauft werden, dass im nächsten Schritt ausgewählt werden sollte. Andere Ligen hatten es vorgemacht, in Deutschland wählte man den Weg des schlechten Imitats. In Frankreich bedauert man die Entscheidung mittlerweile. Dafür waren gewisse Einflussmöglichkeiten abzugeben. Aus den Beiträgen sollten zweierlei Ausgaben – sehr vereinfacht meinerseits – getätigt werden. Einerseits sollte die DFL selbst gerade im Streaming und Multimedia-Bereich zukunftstauglich gemacht werden. Andererseits wäre der größte Teil der Einnahmen den Clubs zu Gute gekommen, quasi zur freien Verfügung. Gerade die Clubs, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden, hatten hieran ein großes Interesse.

Meinungsbild abseits der DFL

Die Fans lehnten die Idee eines Investoreneinstiegs mehrheitlich ab. 2/3 aller Anhänger waren gegen einen Einstieg, bezogen auf den FCA sogar fast 3/4. Der Kicker hatte eine entsprechende Umfrage durchgeführt. Das Thema war sichtbarer Mittelpunkt von Fanprotesten Die von Leki angeführte Notwendigkeit war natürlich teilweise Quatsch, gerade abseits der multimedialen Zukunftstauglichkeit. Zudem gibt es auch keine komplett gleichgerichteten Interessen zwischen Private Equity Investor und Liga. Die Liga sollte eine langfristigere Strategie verfolgen als der Investor und zudem die Rolle des Fußballs über gewinnorientierte Strukturen hinaus begreifen. Sozialverträglichkeit ist ein Stichwort, dass man in diesem Zusammenhang nicht gelesen hat.

Wann kann man sich in Augsburg mit dem FC Bayern identifizieren? Wenn Fans der Bayern (wie die des BVB auch) gegen den Investoreneinstieg bei der DFL protestieren. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Insgesamt war so das Meinungsbild außerhalb der DFL-Gremien in der Mehrheit gegen den Investoreneinstieg gerichtet. Selbst die Clubs hatten viele Fragen vorgebracht, um die Pläne der DFL aufzuklären. Etwas, was in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht in ausreichendem Maße vorhanden war: Transparenz. Ein möglicher Investorendeal wurde hinter den Kulissen von den DFL-Verantwortlichen angebahnt und selbst den Clubs wurden nicht alle Informationen für die Entscheidung zur Verfügung gestellt. Skepsis sah man vielerorten, auch wenn man von außen vor der Abstimmung nicht gedacht hätte, dass die Vereinsvertreter den Prozess stoppen würden. Zu süß wirkte die Aussicht auf einen schnellen Geldregen.

Entscheidung vor dem Saisonende

Die Abstimmung über den Investoreneinstieg fand dann auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der DFL am 24.05. statt. Der Zeitpunkt war natürlich geschickt gewählt, denn die Bundesliga befand sich in der spannendsten Endphase seit vielen Jahren und das Thema drohte deshalb unterzugehen. Es brauchte eine 2/3 Mehrheit der Clubs, damit der Prozess weiter vorangetrieben würde.

Diese fand die DFL-Führung nicht. Die 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga hatten nicht mit der nötigen Mehrheit der weiteren Anbahnung eines Private Equity Investoreneinstiegs zugestimmt. „Dieser Prozess ist mit dem heutigen Tag zu Ende“, sagte Hans-Joachim Watzke. Die DFL ist nun gezwungen, über andere Alternativen für ihre Zukunft nachzudenken, oder – wie in den letzten Tage bekannt wurde – einen neuen Versuch in Richtung Investoreneinstieg zu starten. Ein Verein, der gegen den DFL-Vorschlag stimmte: der FC Augsburg.  

Einfluss des FC Augsburg

FCA Geschäftsführer Michael Ströll stand kurz nach der Entscheidung dem Rasenfunk für ein Interview zur Verfügung, das Eingang in ein überaus ausführliches und informatives Tribünengespräch fand. Er machte dort klar, dass auch er die Notwendigkeit sieht, dass sich die DFL zukunftsfähiger aufstellt. Er sieht hier aber auch weitere Finanzierungsoptionen, die nun in der Breite diskutiert werden müssten. Fragen, die sich aus Sicht von Michael Ströll stellen sind dabei: Was wollen wir als Verbund der 36 Clubs? Welche Strategie wollen wir?

Es wird spannend, wann und in welcher Form die DFL diese Fragen weiter angehen wird. Wahrscheinlich wird nun zuerst die nächste TV-Rechtevergabe vorbereitet. Für den FCA ist die Positionierung spannend. Ist man doch selbst ein Club, bei dem 99% der Anteile von Investoren gehalten werden, bzgl. derer man aber mehr Unabhängigkeit anstrebt. Eine Entscheidung pro Investor hätte hier die Glaubwürdigkeit beschädigt. Hinzu kommt, dass einige Vereine ihre wirtschaftlichen Probleme mit einem Geldsegen ausgleichen hätten können. Der FCA hat solche Probleme momentan nicht und kann seinen hart erarbeiteten Wettbewerbsvorteil erhalten. Unter dem Radar hat der FCA diese Situation geschickt für sich genutzt. Chapeau!

Interessant ist es in jedem Fall, dass auch neben dem FCA einige Clubs den Investorendeal abgelehnt haben, aus welchen Gründen auch immer. Manche der zustimmenden Clubs werden intern diskutieren müssen, wie sie die Zustimmung teilweise gegen Mitgliedervoten geben konnten. Festzustellen ist: Nach 12 Jahren Bundesliga ist der FCA in der Gruppe der Clubs ein mit entscheidender Faktor der ernst zu nehmen ist und der dabei seine Mitglieder nicht verrät. Ich habe mir den Tag rot im Kalender angestrichen, um ihn den Nörglern von außerhalb beizeiten vorhalten zu können. Für die FCA Verantwortlichen muss es die Aufgabe sein, hieran nun weiter anzuknüpfen. So sind die veröffentlichten Werte dann nicht nur ein Marketingkonstrukt.

Investorenclub FC Augsburg 1907

Unter der Woche platzte die Bombe. Unkontrolliert. Und was die Augsburger Allgemeine als auch der kicker unterschlagen haben: es war die Legio Augusta, denen aufgefallen war, dass sich im Handelsregister bei der Hofmann Investoren GmbH, etwas geändert hatte.

Die Hofmann Investoren GmbH ist die Gesellschaft mit der Klaus Hofmann und andere Investoren (wie es sogar der Name schon sagt) die Anteile an der FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA von Walther Seinsch übernommen hatten. Die Hofmann Investoren GmbH gehören mehr als 99% der Aktien am Profibereich des FC Augsburg bis hinunter zur U17. Schon im Februar 2020 wurde laut Handelsregister eine Kapitalerhöhung bei der Hofmann Investoren GmbH vorgenommen. Diese diente wohl in der Vorbereitung dazu, nun den Anteilsverkauf vornehmen zu können, zu der schließlich durch Eintragung im Handelsregister im Februar 2021 evident wurde.

Schon vor einiger Zeit konnte sich Klaus Hofmann über einen ganz besonderen Deal für seine Investorengesellschaft freuen. Den Mitgliedern des Vereins, von denen er gewählt wurde, hatte er nichts mitzuteilen. (Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/Pool via Imago)

Die Bolt Football Holdings (Germany), L.P. (im Nachfolgenden: „Bolt“) übernahm 45% der Anteile an der Hofmann Investoren GmbH. Hinter Bolt steckt David Blitzer, ein schwerreicher US Amerikaner, der schon in mehrere Sportunternehmen investierte. Detlef Dinsel und Marcus Höfl verkauften ihre Anteile im Rahmen der Transaktion im Gesamten, Thilo Sautter und Michael Reuss gaben einen Teil ihrer Anteile ab. Klaus Hofmann selbst behielt seine Anteile wie gehabt.

Spekulationsgewinne

Und während es Klaus Hofmann im Interview mit der Augsburger Allgemeinen als üblich bezeichnete, dass Anteile nach 6 Jahren weiter verkauft werden, stellt sich doch die Frage, zu welchen Konditionen dies geschah. Zudem müssen die beiden ausscheidenden Anteilseigner schon früher ihren Willen zum Verkauf geäußert haben. Es ist davon auszugehen, dass die Transaktion monatelang vorbereitet wurde. Eine Kernfrage in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht: Wie viel haben Dinsel und Höfl damals für die Anteile bezahlt und wie viel haben sie nun im Rahmen des Verkaufs für ihre Anteile bekommen? Wie sieht es bei den anderen Anteilseignern aus? Gerade weil es zu den Leistungen der Investoren – inwiefern hier Know-How und Vitamin B zum Tragen kamen ist fraglich ohne die nötige Transparenz – keine Informationen gibt. Als Fan und Mitglied dieses Vereins finde ich es doch eine sehr interessante Frage, ob sich einzelne Personen an der Entwicklung des FCA bereichert haben. Und Vorsicht: in der Presse ist teilweise von einem Preis i.H.v. 5,5 Mio. EUR die Rede, die Blitzer bezahlt haben soll. Dabei handelt es sich schlicht um den Nennwert der Anteile. Wie viel Blitzer bezahlt hat ist bisher nicht öffentlich geworden. Es wird allerdings ein vielfaches des Nennwerts gewesen sein.

Wortklauberei

Klaus Hofmann hat sich im Interview mit der Augsburger Allgemeinen dagegen verwehrt, dass David Blitzer als „Investor“ bezeichnet wird. Schauen wir uns doch mal kurz an, was David Blitzer getan hat: Er hat mit Geld Anteile an der Hofmann Investoren GmbH gekauft. Klaus Hofmann hat ihn als Minderheitsgesellschafter bezeichnet. David Blitzer hält nun mehr Anteile als jeder andere Investor an der Hofmann Investoren GmbH. Er hält mehr Anteile als Klaus Hofmann selbst. Es ist Wortklauberei, wenn Klaus Hofmann sich bei einem Anteilseigner an der Hofmann Investoren GmH am Begriff Investor stört. Diesen schlicht als „Minderheitsgesellschafter“ zu bezeichnen, trifft den Sachverhalt noch weniger in der Wortwahl. Neuerdings wird von Seiten des FC Augsburg auch der Begriff „Partner“ verwendet. Ein Investor bleibt ein Investor, egal wie man es drehen und wenden mag.

Identifikation

Welche Verbindung hat David Blitzer zum FC Augsburg? War er schon mal da und hat sich ein Spiel angeschaut als dies noch möglich war? Verfolgt er die Bundesliga? Genau so intensiv wie die belgische Liga oder Crystal Palace, wo er auch investiert ist? Welche Beweggründe wird der Investor verfolgen, wenn es um Entscheidungen betreffend den FCA geht? Eventuell wird er – auf Grund seines großartigen Vermögens und seiner Liebe zum Sport generell – nicht zum schnellen Gewinn optieren. Er wird allerdings in keinem Fall die Identifikation mitbringen, die wir Fans und Mitglieder haben. Für uns ist der FCA die Nummer 1. Bei David Blitzer ist die Liste lang. Die Identifikation auf der Investorenebene abseits von Klaus Hofmann selbst scheint grundsätzlich ein Problem zu sein. Anscheinend kam es zu dem Investorenwechsel erst dadurch, dass sich die genannten zwei Mitinvestoren von ihren Anteilen trennen wollten.

Finanzielle Stabilität

Know-How soll der neue Investor mitbringen. Im ersten Artikel der Augsburger Allgemeinen ist von Finanzstärke die Rede, die der Investor mitbringt. Derweil finanziell beim FCA nichts ankommt. Laut Hofmann gab es seit 2014 keine Kapitalerhöhung bei der FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA mehr und es ist trotz Corona und den ersten Verlusten seit Jahren auch nichts geplant. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. So verkauft ja nicht der FC Augsburg 1907 e.V. Anteile. Der hat ja schon kaum welche mehr. Von Anteilsverkäufen profitieren wie oben beschrieben wenn dann nur noch die verkaufenden Investoren. Wer nun zusätzlich einmal in die Meldungen zum Höfl-Engagement zurückblickt, der entdeckt auch dort schon all die Thesen zu Netzwerk, Marketing, etc. Wie viel ist davon beim FCA angekommen? Gerade jetzt wo der Investorenwechsel in einem Atemzug mit den ausgebliebenen Einnahmen in der laufenden Saison gemeinsam kommuniziert wurde, wird hier durch den gewählten Narrativ ein etwas schiefes Bild geschaffen. Mehr finanzielle Mittel beim FCA wären schön, sind allerdings nicht in Sicht. Und inwiefern David Blitzer wirklich sein Netzwerk und seine Kontakte einbringen wird, werden wir hoffentlich alle noch sehen oder eben auch nicht.

Sonnenkönig Klaus Hofmann

Dietmar Hopp, Martin Kind, Klaus Hofmann. Selbst wenn Hofmann nach dem Einstieg von David Blitzer nicht mehr das größte Anteilspaket am FC Augsburg hält, so hat er doch im Exklusivinterview mit der Augsburger Allgemeinen direkt klar gemacht, dass weiterhin alle Entscheidungen schlussendlich von ihm getroffen werden. Er verbleibt einziger Geschäftsführer der Hofmann Investoren GmbH. Die Entscheidungsstrukturen beim FC Augsburg verbleiben wie bisher. Hofmann regiert über allen. Diesmal indem er indirekt Anteile am FC Augsburg an einen amerikanischen Investor verkauft, der bisher keine erkennbare Beziehung zum FC Augsburg hatte. Den schlicht er seit 20 Jahren kennt. Nichts neues beim FC Augsburg, kann man an dieser Stelle feststellen. Der Verein ist seit dem ursprünglichen Verkauf der Anteile an Walther Seinsch monarchisch geprägt und folgt vielen Mustern, die das Fußballgeschäft mittlerweile aufweist.

Timing

Und jetzt kommen wir zu einem Punkt, der dies nun alles noch etwas unangenehmer macht. Klar, die Bezeichnung „Sonnenkönig“ ist wertend. Gemeint ist ein Alleinherrscher, der andere nicht in seine Entscheidungen mit einbezieht. Mit anderen sind vor allem die Mitglieder des FC Augsburg 1907 e.V. gemeint, die Klaus Hofmann vertritt. Diese haben wie alle anderen durch die Meldung der Legio Augusta vom Anteilsverkauf bei der Hofmann Investoren GmbH erfahren. Und genau an dieser Stelle sieht man, wie diese beide Rollen des Klaus Hofmann (des Investors und des Präsidenten) nicht zusammenpassen.

Hofmann, Ströll und Co. Die Entscheidungsstrukturen beim FCA bleiben wie gehabt. Mehr Transparenz und eine klare institutionelle Verankerung von 50+1 auch über den Aufsichtsrat der KGaA fehlt weiterhin. (Foto: Christian Kolbert/kolbert-press/Pool via Imago)

Hofmann mag das Präsidentenamt ehrenamtlich ausfüllen, in seiner Rolle als Investor ist er vermögensverwaltend tätig. Anstatt schon frühzeitig die Mitglieder zu informieren und transparent mit dem Vorgang umzugehen, hat er seine Mit-Investoren geschützt und den Vorgang abgeschlossen. Erst nach Veröffentlichung durch die Legio Augusta nahm auch die Presse den Ball auf und es erfolgte eine ausführliche Erklärung in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Eine offizielle Information der Mitglieder des FC Augsburg 1907 e.V. steht weiterhin aus. Ob, wie nun kommuniziert wurde, eine Information nach der englischen Woche erfolgt wäre, hätte sich der FCA mitten im Abstiegskampf befunden, kann jeder für sich selbst beurteilen. Wann der FC Augsburg eine Lösung findet, um eine Jahreshauptversammlung auch virtuell zu veranstalten, steht in den Sternen. Die Mitglieder einzubinden hatte schlicht nicht die höchste Priorität. Michael Ströll hat im Interview bei Sky gestern eingestanden, dass man die Kommunikationsstrategie nicht zu Ende gedacht hatte. Jetzt gilt es für die Zukunft strukturell die Einbindung der Mitglieder sicherzustellen.

Zusammenfassung

Der FCA war und ist ein Investorenclub. Nun gab es einen Wechsel in der Investorenschaft, der für die aussscheidenden Investoren eventuell einen netten Spekulationsgewinn eingebracht hat. Wie der Ausstieg der Alt-Investoren zeigt, war von deren Seite keine allzu hohe Identifikation mit dem FC Augsburg vorhanden. Viel schlimmer kommt es nun mit dem Neu-Investor David Blitzer wohl auch nicht. Kurzfristige Vorteile für den FCA sind nicht zu erwarten und entsprechend hat die Transaktion momentan keine Auswirkungen. Es wird sich im Zeitablauf zeigen, wenn uns Klaus Hofmann mit David Blitzer angeschleppt hat.

Robert Götz hat seinen Kommentar betitelt mit: Neuer US-Investor: Die FCA-Fans müssen vertrauen – anderes bleibt ihnen nicht. Dem möchte ich widersprechen. Aufsichtsratsstrukturen bei einem Verein sind ja nicht nur zum Spaß vorhanden. Insofern würde ich als Mitglied des Vereins gerne wissen, wann Vereinspräsident Klaus Hofmann den Aufsichtsrat der FC Augsburg 1907 e.V. über den Investorenwechsel informiert hat. Zudem gilt es aus Mitgliedersicht zu prüfen, wie der Verein auf den Investorenwechsel reagiert hat. Ich könnte mir vorstellen als Mitglied, die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen des FC Augsburg 1907 e.V. vor der nächsten Jahreshauptversammlung anzufordern.

Darüber hinaus gilt es aus Mitgliedersicht darauf zu drängen, dass die Mehrheit der Plätze im Aufsichtsrat der FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA durch Vereinsvertreter besetzt wird. Zudem sollte darauf gedrungen werden, dass die FC Augsburg 1907 GmbH & Co.KGaA alle Anstrengungen unternimmt, Anteile an den FC Augsburg 1907 e.V. langfristig zurückzuführen. Wer hier nun schon etwas länger mit liest, der erkennt kaum etwas neues. Dies sind Forderungen, die ich schon seit längerem vertrete. Vielleicht hat der Anteilsverkauf nun doch dem ein oder anderen zusätzlich die Augen geöffnet, wie schnell auch die weiteren Anteile am FC Augsburg verkauft werden könnten, ohne dass es jemand mitbekommen würde. Es ist höchste Zeit strukturell anzupassen, um sich nicht erneut verwundert die Augen reiben zu müssen in der Zukunft. Fußballclubs sollten keine Spekulationsobjekte sein! Es ist so ähnlich wie im Abstiegskampf in früheren Jahren: Es ist Zeit aufzuwachen, bevor es zu spät ist.

„Babylon Berlin“

Als der FCA am Samstag in Köpenick den Samstag gemütlich ausklingen ließ, boten die Verantwortlichen des anderen Berliner Bundesligavereins bei ihrem Auswärtsspiel in Wolfsburg derweil einmal mehr einen kuriosen Anblick. Ein breites schwäbisches Grinsen zierte das Gesicht des neuen Berliner Hoffnungsträgers und mit ihren überdimensionierten Camouflage Daunenjacken wirkte der Trainerstab wie eine ironische Anspielung auf das aktuell 11Freunde Cover in Bling-Bling Optik. Eine Szene wie aus der Großraumdisko. Nur leider ist die Hertha im Jahr 2020 weit entfernt von jeglicher Selbstironie.

Rhetorische Blutgrätschen

Die Ankündigung, dass sich ein Investor mit einem dreistelligen Millionenbetrag bei der Hertha einkaufen und den Hauptstadtclub zu einem Spitzenverein in Europa machen wolle, ist mittlerweile auch einige Tage alt. Dem Investorengeld folgte mittlerweile Jürgen Klinsmann als Trainer, der den glücklosen Ante Covic ablöste. Klinsmann wurde bereits vom Investor in den Aufsichtsrat geholt und auch die kurzfristige und kurzzeitige Lösung als Trainer war im Sinne des Mäzen. Jürgen und Lars, das passt.

Da war er auf einmal ein Berliner: Jürgen Klinsmann. (Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Seitdem wird in der Hauptstadt Schwäbisch-Denglisch großgeschrieben und in endloser Redundanz auf den ‚Big City Club‘ verwiesen. Alles Dank des ‚Commitments‚ von Lars. „Berlin und Deutschland haben einen ‚Mega Club‘ verdient„. Klingt irgendwie wie eine Strafe für etwas, was man gar nicht getan hat. Auch das neue Berliner Umfeld zeigt sich in diesen Tagen rhetorisch mindestens ebenso stilsicher und besticht durch völlig ironiefreie Beiträge wie dem Bogen, den Klinsmanns Performance Manager Arne Friedrich vom US Militär zum Fußballplatz spannt. Alles mega.

Ein Windhorst braucht die Stadt

Dem Commitment von Jürgen folgten auch die erwartbaren Reflexe. So ziemlich jeder einigermaßen bekannte Nationalspieler, der im In- und Ausland keine tragende Rolle mehr spielt, wurde schon mit Berlin in Verbindung gebracht. Der eigene Nachwuchs spielt dagegen keine Rolle mehr, auch jüngere Verstärkungen wie Eduard Löwen konnten nach nur wenigen Monaten wieder gehen. Die perspektivische Verpflichtung von Lucas Tousart einmal abgesehen, war der Königstransfer in der Winterpause dann aber nicht ein Mario Götze oder ein Julian Draxler. Sondern Santiago Ascacibar, der vom VFB Stuttgart kam.

Nicht von ungefähr benennt Klinsmann Hoffenheim und Leipzig als Vorbilder, denen noch als Feigenblatt Gladbach quasi im Nachsatz nachgeschoben wird. Ist das der Weg, den man sich kaufen möchte, um als Big City Club auf der europäischen Bühne zu tanzen? Immerhin ist es nicht frei von Risiko. Andere Vereine haben eindrucksvoll vorgemacht, wie man das Geld der Investoren in den norddeutschen und niederbayerischen Sand setzen kann.

Fußballerische Gentrifizierung

Wer durch Berlin streift, der erkennt den Charme einer Stadt nicht in Geld und Größenwahn. Die Hauptstadt besticht durch einen ganz eigenen Stil. Ein Stil, bei dem der Bänker im Nadelstreifen auf dem Heimweg im Bus sein billiges Feierabendbier trinkt. Es ist nicht das hippe Berlin sondern das etwas angesiffte, das große Sympathien weckt. Trotzdem ist Berlin leider auch die Bühne der Investoren, des Umbaus und Aushängeschild der Gentrifizierung.

Es wirkt, als wolle die Hertha zum Spiegelbild der Hauptstadt werden. In dem Investoren die Hauptrolle übernehmen, ganze Projekte übernehmen und für ihre Klientel mit großem Geld erneuern. Nur welche Klientel, welches Publikum ist das?

Und wenn Lars Windhorst (rechts) keinen Bock mehr hat, dann verschwindet er halt wieder. (Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Natürlich wäre es naiv anzunehmen, dass der Erfolg der großen Clubs ohne Geld möglich gewesen wäre und gerade zukünftig sein wird. Die Sponsoreneinnahmen der Bayern übersteigen das Geld des Investors vermutlich um ein Vielfaches. Und auch in Augsburg hat man in etwas begrenzterem Umfang Erfahrungen mit Investoren. Es geht auch nicht um Fragen von Tradition und Erfolg oder den Einfluss Einzelner trotz 50+1 Regel. Es geht vielmehr um das grundsätzliche Verständnis und das Leitbild, dass sich die Bundesliga geben will. Es hat nichts mit Fußballromantik zu tun, wenn man den Versuch kritisch beäugt, einen Koffer voller Geld über einem Verein auszuschütten, um sich Erfolg – oder besser: Popularität – zu erkaufen. Erfolg kann man sich vermutlich auf lange Sicht schon kaufen, Popularität eher nicht.

Andere Vereine zeigen in eindrucksvoller Weise, wie man zu einem Aushängeschild einer Stadt werden kann. Man denke an die Frankfurter. Oder die Berliner. An der Alten Försterei.

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