Durchhaltevermögen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist Hochstimmung beim FC Augsburg. 10 Spiele in Folge ist man mittlerweile ungeschlagen, und hat damit einen neuen Vereinsrekord aufgestellt. Zuletzt hatte man nach 10 Jahren wieder auswärts beim BVB gewonnen und direkt einen Heimsieg gegen Wolfsburg nachgelegt. Mit 38 Punkten wird in Punkto Abstiegskampf keine Sorge mehr aufkommen. Man kann dem Team und den sportlich Verantwortlichen nur Respekt für die Leistungen zollen und zum bisherigen Saisonverlauf gratulieren. Kurz vor Weihnachten hätte das noch kaum jemand für möglich gehalten.

Die Leistungen sind dabei nicht vom Himmel gefallen, sondern basieren auf einem starken Fundament. In den 1,5 Jahren, in denen Marinko Jurendic nun beim Club ist, hat sich etwas getan. Und viele seiner Maßnahmen hatten den gewünschten Effekt und führen nun sportlich zu den gezeigten Ergebnissen.

Der Trainer

Jurendic und Co. hatten sich nach einer ganz schwachen Phase zu Beginn der vorherigen Saison entschieden, Enno Maaßen den Laufpass zu geben. Konzeptionell war seine Art des Fußballs teilweise erfrischend, allerdings war seine Kommunikation am Ende unglücklich und auch sein Umgang mit den erfahrenen Spielern ungeübt. Deshalb entschied man sich in Jess Thorup für einen Trainer mit Erfahrung, dessen Ausstrahlung immer ruhig und professionell ist. Seine Art des Fußballspiels – allem voran das „Offensive Mindset“ – löste direkt von Beginn an Euphorie aus.

Die Honeymoon-Phase zog aber auch bei Jess Thorup vorüber. Gute Auftritte wechselten sich mit schlechten ab. Gerade nach desolaten Auswärtsauftritten wirkte Thorup enttäuscht und auch ein bisschen ratlos. Das Spiel in Kiel kurz vor Weihnachten war besonders denkwürdig. Danach war im Umfeld eher die Frage, wann man sich von Thorup trennt als ob. Es ist dem FCA hoch anzurechnen, dass man dieses Mal in Bezug auf den Trainer sich auch von äußeren Einflüssen nicht zu sehr hat leiten lassen. Im Zweifel zur Konstanz zu tendieren war „früher“ in Augsburg öfter der Fall, teilweise mit sehr positiven Resultaten wie in der ersten Weinzierl-Phase. Thorup könnte den FCA nun zu ähnlichen Erfolgen führen. Und die Geduld hätte sich ausgezahlt.

Der Kaderumbruch

Es war – positiverweise – im Sommer viel Bewegung im Kader. Der FCA hatte sich von vielen Spielern getrennt, die ganz offen schon länger mit einem Abschied vom FCA liebäugelten. Eine Einheit mit gemeinsamen Zielen war so vorher grundsätzlich nur schwerlich zu erreichen. Nachdem im Sommer mit Felix Uduokhai und Ermedin Demirovic zwei Leistungsträger wechselten, deren Absichten lange bekannt waren, zog es im Winter auch Ruben Vargas weg vom FCA.

Cedric Zesiger ist direkt für den FCA zum Leistungsträger geworden. Bemerkenswert! (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Verein ging damit ein hohes Risiko ein. Einerseits musste er viele Spieler sportlich ersetzten. Andererseits wackelte die Mannschaftsstruktur gehörig. Gerade sportlich haben die Verantwortlichen die Situation grundsätzlich sehr überzeugend gelöst. Von Uduokhai spricht man nicht mehr. Zu gut sind Matsima und mittlerweile Zesiger angekommen. Auch Schlotterbeck und Banks liefern regelmäßig ab. Die Erinnerung an Ruben Vargas verblasst sehr deutlich hinter den Leistungen von Alexis Claude-Maurice, den man ablösefrei an Bord nahm. Einzig Ermedin Demirovic‘ Impact im Sturm ist nicht 1:1 zu ersetzen gewesen, aber auch dort hat man im Winter mit der Rückholaktion von Mergim Berisha etwas getan. Eventuell zahlt sich auch hier die Geduld noch aus?

Die Ambition

Eins scheint beim FCA dabei grundsätzlich angekommen zu sein: Nur weil man immer wieder Personen austauscht, ändert sich noch nichts. Trainer um Trainer kamen und gingen in den letzten Jahren. Immer wieder fand man sich im Abstiegskampf wieder. Immer enger wurde es mit dem Klassenerhalt. Unter Enno Maaßen war es dann schieres Unvermögen der Stuttgarter Konkurrenz, das den FCA rettete. Auch letztes Jahr hat sich unter Jess Thorup gezeigt, wie schwer es ist, die Zielsetzung des Teams zu verändern und über die eigene Ambition des Klassenerhalts hinaus Erfolg zu haben.

Gerade nach dem Spiel in Kiel ist im Winter wohl auch viel geredet worden. Über Anspruch und Ambition zum Beispiel. Und über die harte und konstante Arbeit, die es Spiel für Spiel braucht, diese auch zu erreichen. Geändert hat sich der Zungenschlag. In diesen Tagen hört man beim FCA immer noch, dass man von Spiel zu Spiel denkt. Es ist eine der größten Floskeln der Fußballwelt. Auf der anderen Seite klingt es etwas anders. Nach dem Kiel-Spiel bedeutet es eben vor allem, dass man in jedem Spiel eine gute, konstante Leistung abrufen will. Und es gelingt mittlerweile mehr, auch weil im Hintergrund eine solide Ambition, nach oben zu schauen anstatt nach unten, verborgen liegt. Und der identifizierte Weg nach oben liegt eben in wöchentlichen konstanten Leistungen Spiel für Spiel. Manchmal sind die Veränderungen sehr klein, aber trotzdem äußerst bedeutend.

Ausblick

Der weitere Weg ist für den FCA schwer vorherzusehen. Serien reißen über kurz oder lang immer. Das Momentum wird sich verändern und es wird sich zeigen, wie das Team von Jess Thorup damit umgeht. Aber auch, wenn die Kurve etwas abflacht, dann ist doch Hoffnung angebracht. Einerseits hat Jess Thorup erneut gezeigt, dass er lernfähig ist und eine Mannschaft über Strecke führen kann. Andererseits sind die Aktivitäten von Marinko Jurendic im Hintergrund als sehr erfreulich zu werten.

Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt. Der FCA hat im direkten Vergleich der Saisons nicht allzu viele Punkte mehr auf dem Konto als in der Vorsaison. Die Durststrecke zwischendurch war schwierig. Dass dabei einige Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum mitmischten, war zwischenzeitlich das einzig Erfreuliche. Hier geht aber auch immer noch mehr. Warum Mert Kömür gegen Wolfsburg nicht noch kam? Man weiß es nicht. Der mannschaftliche Erfolg überlagert hier doch einiges. Momentan lädt der FCA wieder zu Träumen ein. Jetzt heißt es weiter durchzuhalten, damit sie dieses Jahr in Erfüllung gehen.

Noch nicht fertig

Es ist Länderspielpause und auch in Augsburg kehrt ein bisschen Ruhe ein. Der FCA steht dennoch mehr im Fokus als sonst. 10 Spiele hat man in Serie nicht mehr verloren, zuletzt gegen Wolfsburg und in Dortmund gewonnen. Fortschritte sind auf dem Feld aber auch in der Tabelle sichtbar. Im Vergleich zur guten letzten Saison steht man noch ein bisschen besser da, zumindest was die Punkte angeht. Jess Thorup ist Stand jetzt der FCA-Cheftrainer mit dem höchsten Punkteschnitt in der Bundesligageschichte des Vereins. Es ist ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem ruhigen Dänen zusammenzusetzen, der einerseits noch positiver wirkt als sonst, andererseits aber auch klar macht, dass man immer noch ambitioniert ist in dieser Saison.

Andy: Was macht ein gutes Fußballteam aus, außer dass es 10 Spiele am Stück nicht verliert?

Jess: Man merkt es an den alltäglichen Abläufen. Bei einem guten Team fühlt sich jeder zugehörig. Jeder will mehr und will den nächsten Schritt machen und keiner klinkt sich aus.

Andy: Wie unterscheidet sich dieses Team von anderen guten Teams, die Du im Laufe deiner Trainerkarriere trainiert hast?

Jess: Es hat eine Weile gedauert, aber dieses Team hat eine klare Identität in der defensiven Stabilität gefunden. Klar, jedes Team will offensiv Akzente setzen. Es gibt aber immer etwas, was Teams besonders auszeichnet. Hier ist es gerade nun die mannschaftlich geschlossene Arbeit gegen den Ball.

Andy: Im Sommer gab es einen großen Umbruch im Kader. Hat dieser verhindert, dass die Mannschaft sich schon früher so gefunden hat?

Jess: Der Umbruch hatte einen großen Einfluss. Das waren viele Wechsel im Sommer und es ist unser Ziel, dass dies nicht jede Transferphase so ist. Wenn das in jeder Transferphase in diesem Umfang der Fall wäre, kann schwerlich Kontinuität entstehen.

Andy: War dir von Vornherein klar, dass der Kern dieses Teams die defensive Stabilität ist?

Jess: Nein, das habe ich nicht von Anfang an erkannt. Wir probieren ja immer viele Dinge aus und versuchen dazu zu lernen. Wir hatten gegen den Ball lange große Probleme und deshalb mussten wir etwas verändern. Mit ein bisschen Abstand war es dann im Winter so, dass wir entschieden haben, auf die Defensive einen besonderen Fokus zu legen.

Andy: Inwiefern war das letzte Spiel in Kiel mit dieser deutlichen Niederlage in Kiel vielleicht sogar förderlich, weil Veränderungen von der Mannschaft besser angenommen wurden?  

Jess: Diese Niederlage hat auf jeden Fall einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Wir hätten aber in jedem Fall im Winter Anpassungen vorgenommen, weil wir defensiv schon vorher Themen hatten. Nach dem Spiel gegen Kiel war aber jedem klar, dass wir vieles überprüfen müssen, und im Nachhinein war das auch hilfreich für den Prozess.

Andy: Mittlerweile könnt ihr auch Gegner kontrollieren, wo das im Herbst noch nicht möglich war. Woran liegt das?

Jess: Das Wichtigste im Fußball sind Erfolgserlebnisse. Nach den Spielen gegen Union und Werder hat sich die Stimmung gedreht und durch den Stimmungswechsel haben die Spieler auch das Zutrauen gefunden, mit dem Ball anders zu agieren.

Andy: Wie viel der derzeitigen Erfolge basiert auf Konstanz und wie viel auf neuen Ideen, die über die Zeit entstehen?

Jess: Einerseits ist es wichtig auf einem Fundament aufzubauen, das wir mit der defensiven Stabilität nun gefunden haben. Andererseits haben wir immer neue Ideen – auch von Spiel zu Spiel – die wir ausprobieren und umsetzen. Und da setzen wir sowohl für die Mannschaft als auch für Einzelspieler immer wieder Impulse, um uns stetig zu verbessern.   

Andy: Im Herbst und Winter kam ja auch viel Kritik an deiner Person auf. Wie gehst Du damit um?

Jess: Ich kenne die Abläufe im Fußballgeschäft ja nun schon viele Jahre und versuche Meinungen von außerhalb des Vereins auszublenden. Ich fokussiere mich auf meine Arbeit und die Themen, die ich selbst verändern kann.

Andy: Glaubst Du, dass es grundsätzlich so ist, dass Vereine, die diese schwierigen Phasen gemeinsam überwinden können, langfristig erfolgreicher sind?

Jess: Davon bin ich zu 100% überzeugt. Ich stehe selbst für diese Kontinuität, auch in der Mannschaft und im Staff. Der nächste Trainer macht es auch nicht unbedingt besser und kurzfristige Impulse verpuffen schnell. Ich mag das in Augsburg, dass hier Kontinuität auch eine der Vorgaben ist.  

Andy: Intern wird es dennoch das ein oder andere kritische Wort gegeben haben?  

Jess: Natürlich. Ich tausche mich fast täglich mit meinen Chefs aus und wir besprechen auch die kritischen Themen gemeinsam. Das ist für uns auch wichtig, damit wir ein gemeinsames Verständnis der Lage haben und insgesamt die richtigen Schritte unternehmen.

Andy: Auch in der Arbeit mit der Mannschaft bist Du nicht alleine, sondern hast ein Trainerteam mit dem Du zusammen arbeitest. Jetzt wird mit Lars Knudsen im Sommer schon der dritte Co-Trainer den FCA erneut verlassen, weil er anderswo eine tolle Chance erhält (Knudsen wird Trainer der dänischen U21 Nationalmannschaft). Wie sehr schmerzen diese Abgänge bei aller Freude für die Kollegen?

Jess: Klar ist das schade. Ich habe die Kollegen nicht zum FCA geholt, damit sie möglichst bald wieder gehen. Auf der anderen Seite gehören diese Wechsel dazu und sind auch für uns eine Möglichkeit, erneut zu überprüfen, welche Qualifikationen wir im Trainerteam haben wollen. Hier machen wir jetzt für den Sommer unsere Hausaufgaben, um uns gegebenenfalls sogar zu verbessern.

In welche Richtung soll es für den FCA laut Jess in dieser Saison noch gehen? Hoch! Wofür das dann noch reicht? Wir werden sehen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Andy: Wenn wir nun einmal auf den Rest der Saison schauen: Ihr werdet definitiv die Klasse halten. Darüber brauchen wir gar nicht mehr zu sprechen. Kann es denn überhaupt noch ein anderes Ziel geben in dieser Situation als Europa?

Jess: Ich verstehe deine Frage. Auf der einen Seite weiß ich sehr zu schätzen, wie sehr die Augsburger Fans sich über Europa freuen würden und ich bin selbst mit einer gewissen Ambition nach Augsburg gekommen. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Ziele lieber greifbarer formulieren und die Augen noch nicht auf den Horizont richten. Unser Fokus liegt jetzt zuerst auf den nächsten Spielen. Und wenn die nächsten Spiele weiter gut laufen, dann werden wir schon sehen, wohin uns das führt.

Andy: Auch in der letzten Saison war man früh gesichert und dann war irgendwie die Luft raus. Warum wird es diese Saison anders sein?

Jess: In der Nachschau waren wir einfach noch nicht so weit. Einerseits hatten wir letzte Saison dann viele Verletzungen und konnten das in der Breite nicht auffangen. Andererseits kennen wir die Situation nun grundsätzlich schon. Ich bin optimistisch, dass wir es dieses Jahr besser machen.

Andy: Ein Faktor ist vielleicht an dieser Stelle auch, dass die Jungs in dieser Saison aus dem Nachwuchsleistungszentrum deutlich involvierter sind. Wie beurteilst Du das?

Jess: Das hat der Verein als konkrete Zielsetzung ausgegeben. Mit Henri, Mert und Noki haben wir dieses Jahr drei Spieler im Kader, die schon sehr viele Einsätze hatten und die der Mannschaft auf unterschiedlichste Weise helfen konnten. Wir bekommen die Brücke aus dem Nachwuchsleistungszentrum immer besser hin, auch was die Integration der Jungs in den Trainingsbetrieb angeht. Auch Felix Meiser war z.B. jetzt mehrmals im Kader dabei und ich glaube sowohl der Verein als auch jeder der Jungs ist auf einem guten Weg.

Andy: Greift Dir Kritik dann auch zu kurz, wenn es z.B. nach dem Spiel in Wolfsburg heißt, Mert Kömür hätte hier eingewechselt werden müssen?

Jess: In der einzelnen Wechselsituation überlegen wir immer, welcher Spieler der Mannschaft mit seinen Fähigkeiten am besten helfen kann. Da gibt es dann auch keinen Jugend-Bonus und keine Geschenke. Am Samstag haben wir in der Situation Möglichkeiten gesehen, dass uns Steve Mounié mehr helfen kann als Mert und das kann am kommenden Wochenende schon wieder anders sein. Und ja, da sollte man das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.

Andy: Das Gesamtbild sowohl bei den Jugendspielern als auch tabellarisch spricht momentan für sich. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass im Sommer auch wieder Gerüchte zu deiner Person aufkommen, gerade auch weil Du im letzten Jahr nur um 1 Jahr verlängert hast bis 2026. Ist das ein Thema für dich?  

Jess: Damit beschäftige ich mich momentan gar nicht. Ich fühle mich in Augsburg zusammen mit meiner Familie sehr wohl und will hier noch viel erreichen.  

Andy: Gibt es konkret etwas, dass der FCA bei den Rahmenbedingungen noch verbessern kann?

Jess: Ich mag hier gar nicht über einzelne Dinge sprechen. Für mich ist wichtig, dass der Verein seine Identität auch nach vielen Jahren erster Liga nicht aus den Augen verliert. Obwohl der Fußball ein großes Geschäft ist, ist beim FCA alles sehr familiär, man steht eng zusammen und versucht sich gemeinsam zu verbessern. Das sollte auf jeden Fall so bleiben.

Andy: Bei Dir sticht heraus, wie gut Du selbst kommunizieren kannst und immer jeden mitnimmst. Wo liegt hier dein Geheimnis?

Jess: Kommunikation ist mit das wichtigste Thema. Ich versuche selbst, mit den Menschen so umzugehen, wie ich mir das für mich selbst wünsche. Ich bin vor allem offen und ehrlich, und dann weiß jeder woran er ist, egal um wen es sich dabei handelt. Jedem muss klar werden, dass er dazu gehört und dass wir alle zusammenarbeiten. Dazu kommt, dass ich ein ruhiger Typ bin, der Themen durch seine Erfahrung einordnen kann.

Andy: In diesem Sinne mag ich mich selbst für deine Zeit bedanken und freue mich darauf, wenn wir hoffentlich bald offiziell über Europa reden.

Hand in Hand

Als FC Augsburg Fan denkt man über Weihnachten noch lange darüber nach, was im Auswärtsspiel gegen Kiel schief gelaufen ist. Schnell könnte man „vieles“ sagen. Mir geht aber vor allem die Auswechslung von Keven Schlotterbeck nicht mehr aus dem Kopf. Als Schlotti verletzt raus musste, entschied sich Jess Thorup dafür Youngster Henri Koudossou zu bringen und Giannoulis in die 3er Kette zu ziehen. Danach kassierte der FCA direkt ein Gegentor und im Spielverlauf noch vier mehr.

Hätte es Alternativen zu dem Wechsel gegeben? Klar. Mit Noahkai Banks saß ein Innenverteidiger auf der Bank. Er hätte positionsgetreu die Rolle von Schlotterbeck übernehmen können. Auch Robert Gumny, der wieder zurück ist, hat schon in der 3er Kette gespielt. Im Nachhinein hätte es mit Banks nicht schlechter laufen können. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Der mentale Zusammenbruch

Ich hatte einmal das große Vergnügen mir von einem professionellen Sportpsychologen den Zusammenbruch der brasilianischen Nationalmannschaft im WM-Halbfinale 2014 erklären zu lassen. Man hat beim FCA gegen Kiel und in den Spielen z.B. gegen Heidenheim den gleichen Verlauf mannschaftspsychologischer Abläufe erkennen können. Wenn Spiele einen solchen Verlauf nehmen, dann geht es nicht mehr darum, dass die Spieler nicht mehr wissen, was sie zu tun hätten. Sie verlieren den mentalen Zugriff aufs Spiel und „ergeben sich“.

Was kann hier in Zukunft helfen? Einerseits kann das Trainerteam auf Spielsituationen vorbereiten, so dass die Spieler auch mit Rückschlägen mental besser umgehen können. Der FCA hat in der Winterpause passenderweise sein Funktionsteam um einen Sportpsychologen erweitert. Anscheinend sah man hier auch Handlungsbedarf. Andererseits kann eine gesunde Mannschaftsstruktur mit gewachsenen Führungsspielern helfen, solche Situationen zu vermeiden. Sie können Kollegen wachrütteln, Impulse geben und einen Zusammenbruch verhindern. Der FCA hat auf jeden Fall Nachholbedarf, was das Vermeiden solcher Zusammenbrüche angeht, nachdem man in einem halben Jahr nun gegen Leipzig, Heidenheim und Kiel auswärts richtig her gespielt wurde.

Verzahnung von Verein und Region

Hier zeichnet sich nun auch eine Diskrepanz zwischen dem sportlichen Bereich und dem Rest des FCA ab. Während sich der Club rund um Präsident Krapf einen abrackert, um wieder mehr Verzahnung mit der Region hinzubekommen, kann man sich mit dem Team auf dem Rasen momentan nur schwer identifizieren. Im Nachgang zum Spiel gegen Kiel war ich selbst Teil von Diskussionen, wo es um mögliche Rückenflocks auf Trikots geht. Welchen Namen würdet ihr euch momentan flocken lassen?

Während es Jahre gab, in denen man sich nur schwer entscheiden konnte, ob man nun Hahn, Baier, Werner, Bobadilla oder Mölders hinten drauf packt, ist die Auswahl an Identifikationsfiguren gering. Jeffrey Gouweleeuw ist seit Jahren im Club und hat sich Respekt verdient. Philipp Tietz ist in seinem zweiten Jahr, übernimmt sichtlich Verantwortung und spielt mit seinen Toren auch sportlich eine wichtige Rolle. Danach wird es dünn. Maxi Bauer wäre vom Typ her einer, sportlich reicht es oft (noch?) nicht ganz. Rexhbecaj, Jakic, und Co. sollen Führungsrollen übernehmen, waren aber z.B. in Kiel diesbezüglich unsichtbar. Und dann fällt die Identifikation schwer.

Verantwortung übernehmen

Und so sieht es ganz danach aus, als ob man sportlich momentan auch daran scheitert, dass man bei den Neuzugängen und Spielern zu wenig Wert auf Charakter und Persönlichkeit gelegt hätte. Und an dieser Stelle mag ich eines betonen: ich behaupte nicht, dass die Spieler nicht gut spielen wollen oder, dass es an Einsatz fehlt. Man hat es meiner Meinung nach versäumt, um einige Kernspieler herum, ein gesundes Mannschaftskonstrukt zu schaffen. Und so wiegt am Ende ein Abgang des Kapitäns Demirovic schwerer, als in anderen Teams. Demirovic war in der vergangenen Saison über seine zugängliche Art ein wichtiger Spieler für den Zusammenhalt des Teams. Auch mit ihm war das Team nicht reich an Führungsspielern. Das Vakuum, das durch seinen Abgang entstand, konnte allerdings nicht gefüllt werden.

Der FCA kommt nicht darum herum, festzustellen, dass er mit dieser Mannschaftsstruktur in der nächsten Zeit Probleme haben wird. Im Gegensatz zum Sommer wird es aber nun Zeit, dieses Thema anzuerkennen und nicht nur wieder wie wild nach sportlicher Qualität von überall her Spieler zu verpflichten, sondern mit einem klaren sportlichen Bild eine Mannschaft aufzubauen. Der Prozess im Sommer glich ja eher eine Dekonstruktion. Das man Neuzugängen schwer erklären kann, wie die sportliche Identität aussieht, wenn man noch nach ihr sucht, macht das Problem nicht kleiner.

Für die Heimat spielen

Derweil ist Identität etwas wichtiges. Neben dem Wertegerüst wird es nach vielen Jahren nun aber auch Zeit sportlich eine klare Richtung zu haben, auch durch Ergebniskrisen hindurch. Ich mag lieber den offensiven Thorup sehen, der ein Spiel gegen Mainz zu Hause verliert anstatt diese Auswärtsbegegnungen gegen Heidenheim oder Kiel, in denen man keinen Mut erkennen kann. Defensive Stabilität passiert doch eben auch, in dem der Gegner selbst defensiv Respekt vor dem FCA haben muss. Davon ist momentan gar nichts zu sehen.

Wenn nun zusätzlich das Ziel ist, dass Verein und Region an einem Strang ziehen, dann muss man den sportlichen Strang schon auch benennen können. Und dann stellt sich die Frage, für was dieses Team steht. In den besten Jahren des FCA war der Zusammenhalt im Team sichtbar. Und auf der Tribüne hat man gesehen, wie sich gegenseitig geholfen und angefeuert wurde. Und dadurch sind Spieler über sich hinaus gewachsen. In dieser Zeit war nicht immer alles leicht. Aber Spieler haben in Augsburg ihre Heimat gefunden und für diese gespielt.

Der Bruch mit den Wiederholungen

Vielleicht ist auch jetzt der Moment, in denen man sich daran erinnert, wie man das erste Halbjahr unter Markus Weinzierl überwunden hat. Man hat einem Trainer mit seiner Philosophie den Rücken gestärkt. Man hat gezielt die Mannschaft verstärkt (André Hahn!). Und Führungsspieler wurden in die Verantwortung genommen und haben sich bewiesen. Vor ein paar Tagen habe ich die Kontinuität hinterfragt. Augsburg hält zusammen, bedeutet aber auch nicht jedes Jahr einen guten Trainer in Frage zu stellen. Nicht immer wieder zu wechseln, ohne zu wissen, warum es danach besser werden sollte.

Aus meiner Sicht sollten wir schleunigst aufhören, immer wieder dem Fehlglauben zu erliegen, dass ein neuer Trainer Besserung bringt. Wir sollten aber auch nicht tolerieren, dass Trainer ihre Philosophie über Bord werfen, wenn es Ihnen passt. In diesem Sinne: Jess, bring verdammt noch mal das Offensive Mindset zurück und hauche den Spielern Selbstbewusstsein ein. Wir haben gesehen, Du kannst es. Der FCA hat bisher 17 Tore geschossen, bis zum Saisonende will ich weitere 30 sehen. Mindestens.

Es gibt keine Situation, in der ich glaube, dass wir damit schlechter fahren als bisher. Und ich bin bereit, den sportlichen Erfolg des FCA darauf zu wetten. Nach all diesen mittelmäßigen Jahren ohne Fortschritt muss sich etwas ändern. Es wird Zeit, dass jemand mit Mut vorangeht. Der Rest folgt dann schon. Hand in Hand in 2025. Heja FCA!

Fehlende sportliche Identität

Wenn man sportlich auf das Jahr 2024 des FC Augsburg zurück blickt, dann ist die sportliche Entwicklung recht erschreckend. Schon zum Ende des Jahres 2023 hat der Club nach seiner sportlichen Identität gesucht (und ich hatte das damals schon thematisiert). Nach dem Weggang von Stefan Reuter, der Neubesetzung der sportlichen Zentrale mit Marinko Jurendic und Heinz Moser und dem Trainerwechsel von Enno Maaßen zu Jess Thorup war es Ende 2023 allerdings noch verzeihlich, dass dieser Prozess nicht abgeschlossen war.

Nun – ungefähr 1 Jahr später – muss man sich bemühen, um Fortschritte zu sehen, die sich in der Leistung des Profiteams widerspiegeln. Nach dem 1:5 in Kiel muss man sogar ganz genau hinschauen. Mir springen dagegen sofort all die Punkte ins Auge, die nicht funktionieren. Auch, weil sich viele Themen immer wieder wiederholen.

Sportliche Ausrichtung

Der FCA in 2024 hat keine stabile sportliche Ausrichtung gefunden. Von „Offensive Mindset“ hat Jess Thorup zu seinen Anfangszeiten geredet. Wir sind an dem Punkt, wo man sich gegen den Tabellenletzten zu Hause ein 1:0 ermauert und Glück hat, dass man einen Elfmeter bekommt. Wie soll dieses Team ganz grundsätzlich auftreten? Es ist ein Mysterium.

Die Sollbruchstelle wird nur noch frappierender durch das „Sexy“-Zitat von Michael Ströll aus dem Sommer. Derweil Ströll einen richtigen Anspruch formuliert hat. Diesen umzusetzen ist die Aufgabe der sportlichen Leitung im Gespann Manager und Trainer. Gerade des Trainers Aufgabe ist es, dass die sportlichen Ansprüche über Grottenfußball hinausgehen. Davon ist momentan wenig zu sehen.

Das richtige Personal

Um sportliche Ansprüche umsetzen zu können, braucht es die passenden Kicker. Nun hat man mit Matsima, Claude-Maurice, Essende und Onyeka im Sommer Qualität verpflichtet. Die Qualität der einzelnen Spieler ist aber nur ein Aspekt, wenn es darum geht, in einer Teamsportart zusammen Leistung zu bringen.

Und hierüber ist nach dem Spiel im Kiel, z.B. hörenswert im Viererkette-Podcast der Augsburger Allgemeinen, ausführlich gesprochen worden. Wer sind die Stützpfeiler dieses Teams, die den anderen Spielern Struktur geben und diese integrieren? Auf der einen Seite gibt es einen alten Kapitän mit Jeffrey Gouweleeuw, der nicht der integrativste Charakter ist. Hinter ihm ist Kristijan Jakic der Vizekapitän, der in dieser Saison mehr nach seiner eigenen Form sucht als nach allem anderen. Eine Aufzählung, wer hier in den letzten Jahren den Verein verlassen hat, hilft nicht. Wer den Einbruch in Kiel gesehen hat, der weiß, dass es hier ein Vakuum gibt. Gestellt hat sich der Presse und den Fans am Ende einzig Philipp Tietz. Zu wenig für ein Team, wo jeder einzelne Spieler nicht nur mit sich selbst beschäftigt sein sollte.

Die Augsburger Werte

Wenn es schlecht läuft, dann zeigt sich der wahre Charakter. So heißt es zumindest. Hier ist dann schon auch löblich zu erwähnen, dass sich Marinko Jurendic direkt und entschieden vor Trainer Thorup gestellt hat. Gerade auch weil der strukturlose Kader aus Einzelspielern eben auch in seinen Verantwortungsbereich fällt. Thorup macht schon was er kann, und muss aber eben auch sportlich an Tietz und Rexhbecaj festhalten, wenn es sportlich bei beiden nicht so läuft, weil er sonst gar keine Struktur mehr in seiner Truppe hat.

Was dann dennoch erschreckt, sind grundsätzliche Verhaltensweisen. Gegen Kiel war die Mannschaft nicht in der Lage, in der zweiten Halbzeit zumindest nochmal einen Versuch zu unternehmen, diesen Teil der Begegnung positiv zu gestalten, auch für die vielen mitgereisten Fans. Da blieben dann auch Grundtugendenden unsichtbar. Unangenehm zu spielen war das für die Kieler nicht. Ganz im Gegenteil hatten sie im zweiten Teil der Begegnung, wo sie den Fuß vom Gas nehmen konnten, nicht mit allzu großem Augsburger Widerstand zu kämpfen.

So wie man sich in der zweiten Hälfte dann verhalten hat, auf dem Ausflug nach Kiel, so lief dann auch die Verabschiedung von den Fans. Und hier muss man auch Jess Thorup in die Pflicht nehmen. Der nette Däne braucht nicht auf jeder Pressekonferenz von „den tollen Fans“ reden, wenn er es zulässt, dass sich sein Team nach einem solchen Auswärtsspiel vor der Kurve drückt. Die Auswärtsfahrer hatten das Team unermüdlich auch in der zweiten Halbzeit unterstützt, nur damit außer Tietz und Bauer keiner aus dem Team es für nötig hielt, sich nach dem Spiel für die Unterstützung zu bedanken. Von Augsburger Werten war dann hier hinten und vorne nichts zu sehen. Und das Römertrikot wurde zu einem Trikot der Schande an diesem Tag.

Grundsätzliches fehlt

In Kiel ist offensichtlich zu Tage getreten, dass es im Augsburger Team an Grundsätzlichem fehlt. Einerseits fehlt die Wertschätzung für Bundesliga-Minuten, auch wenn sie bei großem Rückstand und in schwierigen Situationen kommen. Diese Minuten sollten erst recht die Möglichkeit bieten, zu zeigen, was in einem steckt. Andererseits fehlt die grundsätzliche Übernahme von Verantwortung. Spieler als auch sportlich Verantwortliche müssen sich nach einem solchen Spiel offen der Kritik stellen. Da gibt es nichts schönzureden.

Im November 2023 hatte ich den Begriff des Heimatclubs für Spieler als ein mögliches Zielbild für den FCA eingeworfen. Wenn ich einen Club als meine Heimat sehe, dann verhalte ich mich auf eine andere Art und Weise, als wenn der Club nur eine Durchgangsstation ist. Im Sommer haben sich viele Spieler entschieden, ihre Zukunft woanders zu suchen. In den besten Zeiten des FCA sind Spieler gerne gekommen und auch gerne geblieben. Der Verein hatte zudem ein glückliches Händchen, die Spieler zu halten, die der Mannschaft eine klare Struktur gaben und gewisse Werte durchsetzten. Das war dann auch eine Charakterfrage. Und diese Frage nach Persönlichkeiten und Charakteren sollte von ganz oben in 2025 wieder in den Mittelpunkt des Vereins gestellt werden. Weil sich eben in den schwierigen Zeiten zeigt, ob man eine Identität hat.

Wiederholungen

Man konnte nicht anders, als das Dasein als FCA-Fan über die Feiertage zu verfluchen. Zu tief sitzt der Stachel des 1:5 in Kiel, den das Team von Jess Thorup sich 3 Tage vor Heiligabend im Norden eingefangen hat. Dieses einzelne Spiel. Als solches könnte man es abtun. Andererseits steht das Spiel symbolisch für so viele Spiele des FCA in 2024 und auch davor. Es tut weh, diese Parallelen zu erkennen und zu sehen, dass gewisse Themen immer wieder auftreten. Mittlerweile hat das Jahr 2025 begonnen. Es ist Zeit, sich der Aufarbeitung zu stellen, auch wenn die Themen mehr als nerven. Aber nach Kiel war klar: Schönreden bringt es auch nicht. Also lege ich den Finger in die Wunde. Los geht’s!

Die ersten 15 Minuten

Fangen wir bei Kleinigkeiten an. Es war nun in dieser Saison nicht das erste Mal, dass Keven Schlotterbeck raus musste. Im Spiel gegen Gladbach kam für ihn Chrislain Matsima. Direkt nach Matsimas Einwechlsung, beim nächsten Eckball, war man unorganisiert und kassierte ein Tor. Umstellungen nach Wechseln sind somit schon in anderen Situationen nicht gut für den FCA ausgegangen. Gegen Gladbach reichte es trotzdem zum 2:1 Sieg, weil man danach wieder defensiv stabil stand und die Offensivbemühungen der Borussen wegverteidigt bekam. Gegen Kiel nicht.

Vielleicht wären es aber auch gegen Gladbach mehrere Gegentore geworden, wenn die Auswechslung in einer anderen Spielphase von Statten gegangen wäre. Die Auswechslung gegen Kiel fiel nun in eine Spielphase, in der der FCA in dieser Saison immer wieder Probleme hat. Wir reden natürlich von den ersten 15 Minuten im Spiel. 9 von 32 Gegentoren kassierte der FCA in den ersten 15 Minuten des Spiels in dieser Saison. Das der Ausgleich dann so früh viel, überraschte dann die wenigsten FCA Fans.

Auswärts

Aber was war wirklich schon überraschend in Kiel? In Leipzig hatte man schon hoch auswärts verloren und das ist auch schon anderen Teams passiert. Aber der FCA hat in dieser Hinrunde eben auch gegen Heidenheim auswärts eine unwürdige Klatsche bekommen. Anscheinend gab es keinen hinreichend langanhaltenden Lerneffekt aus dem Heidenheim-Spiel, der dazu geführt hätte, solche Ergebnisse zumindest in der näheren Zukunft zu verhindern. Über 1000 Fans des FCA waren auswärts in Kiel dabei und hatten sich zuvor einlullen lassen von der Hoffnung auf bessere Auswärtsspiele. Nur damit der FCA mal wieder auswärts nicht gewann. Noch nie gelang das diese Saison in der Bundesliga. Und das hat seine Gründe.

Dabei waren ja nicht nur diese Auswärtsauftritte schwierig. Gegen Karlsruhe konnte man sich zuletzt noch rausreden, dass es im Pokal nur ums Weiterkommen geht. Derweil war die zweite Halbzeit genauso lustlos und zum Vergessen wie gegen Kiel. In Freiburg war es nicht viel besser. Und so kommt es, dass man als FCA Fan in dieser Saison noch keinen sehr guten Auswärtsauftritt seines Teams gesehen hat, sei es nur weil man sich wie gegen Frankfurt geschehen, die Bälle mit dem eigenen Arsch ins eigene Tor gelenkt hat.

Defensive Stabilität

Das Spiel ist aber auch bestens geeignet, einen anderen Mythos zu demontieren. Der FCA soll angeblich unter Jess Thorup zu einer defensiv stabilen Mannschaft geworden sein. Dieses Team, das im letzten Monat gegen Kiel 5, zu Hause gegen Leverkusen 2, in Frankfurt 2, in Karlsruhe 2 Gegentore kassierte. Ja zu Hause gegen Bochum spielte man zu 0. Das macht trotzdem im letzten Monat mehr als 2 Gegentore im Schnitt. Dieser FCA war im letzten Monat kein defensiv stabiles Team.

Diese defensive Stabilität war sowieso nur ein Pflaster, das auf sportliche Entwicklung geklebt wurde, die schlichtweg nicht zufriedenstellend verlaufen war. Für die viel gepriesene defensive Stabilität hat man die Offensive vollkommen geopfert. Gegen das schlechteste Team der Liga reichte es zu Hause zu einem Elfmeter-Tor. Gegen Karlsruhe und Schalke war das Ballbesitzspiel der Zweitligisten mindestens ebenbürtig. Der FCA ist sportlich weit weg von dem Ideal, mit dem der Trainer angetreten war.

Wie geht es weiter?

Jess Thorup hatte in seinen ersten Monaten attraktiven und phasenweise erfolgreichen Fußball in Augsburg spielen lassen und für gute Stimmung in der Fuggerstadt gesorgt. Auf schlechte Ergebnisse mit seiner Art Fußball zu spielen („Offensive Mindset“) folgte allerdings nun eine Abkehr von dieser. Wo er vorher noch kommunizierte, er würde keinen Bus parken, tat er dies später. Und stritt es zudem ab.

Auch dies ist eine Wiederholung. Schon unter Enno Maaßen und vorher gab es krass schlechte Auswärtsspiele. Auch Enno Maaßen kam und wollte ein System mit Ballbesitzspiel umsetzen und schwenkte um. Und war dann schnell wieder weg. Beide Trainer sind grundsätzlich sympathisch und gute Typen.

Man muss dann in der jetzigen Situation kein Prophet mehr sein um festzustellen, dass Jess Thorups Zukunftsaussichten in Augsburg zumindest getrübt sind, auch wenn man in der sehr kurzen Winterpause nun von Seiten des Vereins kein Fass aufmachen wollte. Bleiben die Ergebnisse weiter aus, muss der FCA im Frühjahr handeln, auch weil Thorups Spiel nicht mehr attraktiv ist und keine Hoffnung ausstrahlt. Und das ist doch auch der Hauptpunkt. Ich kann mir momentan nicht vorstellen, dass der FCA mit diesem Setup auch in die neue Saison gehen will. Es ist nun an Jess, den Kreis der Wiederholungen zu brechen und zu seiner Art des Fußballs zurückzufinden. Wer den FCA in den letzten Jahren beobachtet, der mag nicht viel Hoffnung haben. Und wahrscheinlich liegt es noch nicht mal in der Hauptsache am Trainer.

Ein bleibender Eindruck?

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de.

Als Fan des FC Augsburg sind es momentan nicht die schlechtesten Zeiten. Der Club steht mit 16 Punkten aus 13 Partien zwei Wochen vor Weihnachten im Mittelfeld der Tabelle. Ja, man kann noch abrutschen. Das Tabellenbild hat mir aber schon mal mehr Schrecken eingejagt als momentan. Dazu kommt, dass Verlieren momentan beim FCA nicht sehr häufig vorkommt. Gegen die Bayern in der Allianzarena musste man in der zweiten Halbzeit die Flügel strecken. Die Niederlage zuvor war am 19.10. in Freiburg. Ergebnisseitig kann man sich nun nicht beschweren.

In dieser Woche ist zudem etwas passiert, was in Augsburg Seltenheitswert hat. Der FCA ist ins Viertelfinale des DFB-Pokals eingezogen. Glorreich ging es weder zu Hause gegen Schalke noch nun auswärts in Karlsruhe zu. Der FCA hatte sogar einiges an Glück, um in der Nachspielzeit der Verlängerung noch auszugleichen und dann im Elfmeterschießen zu gewinnen. Bei diesem Erlebnis überlagert bei mir als jemand, der im Stadion live im Gästeblock war, die Euphoriewelle und das seelige Gefühl nach dem Ende, den Frust und Ärger über die sportlich ungenügende Leistung.

Zwischen Frust und Zufriedenheit

Dieser Zwischenraum zwischen „Ach, passt schon“ und „Was spielen die eigentlich wieder für einen Scheiß“ ist dann auch das momentane, tägliche Brot des FCA-Fans. Einerseits hat man sich gegen die Bayern gut gehalten, andererseits kam man in der zweiten Halbzeit kaum mehr aus der eigenen Hälfte raus. Einerseits hat man gegen Bochum gewonnen, andererseits war es offensiv sehr mau und man brauchte einen Elfmeter für das einzige Tor. Einerseits hat man gegen Hoffenheim einen Punkt geholt, andererseits war der Gegner nicht in der besten Verfassung und es hätte auch mehr sein dürfen.

Diese Liste ließe sich nun beliebig fortführen. Einerseits haben wir beim FCA schon schlimmere Zeiten erlebt, andererseits hat doch selbst Michael Ströll im Sommer von Sexyness gesprochen. Und hat nicht Jess Thorup immer vom „Offensive Mindset“ gesprochen? Die Erinnerungen verschwimmen schon ein bisschen, und man mag es nicht mehr so ganz glauben, wenn man all die Spiele in der letzten Zeit gesehen hat.

Das Selbstbewusstsein wächst, und bleibt hoffentlich. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Die Entwicklung

Derweil ist die sportliche Entwicklung schlüssig, wenn man sie mit ein bisschen Abstand betrachtet. Nach der ersten guten Rumpf-Saison unter Jess Thorup und dem großen personellen Umbruch im Sommer war der Trainer wohl sehr darauf aus, sportlich direkt bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Einzig, defensiv wollte es so gar nicht funktionieren. Heidenheim, Leipzig beides Desaster. Zu Hause gegen Mainz und Bremen Gegentore ohne Ende. Ja, auch in Freiburg sah es nicht gut aus.

Der Fokus rutschte also auf die Defensive. Hinten gut stehen, den Gegner zu Fehlern zwingen. Und man gewann mit dieser Devise gegen Dortmund und Bochum. Punktete gegen Hoffenheim und auswärts in Wolfsburg. Not too bad, wie man heutzutage sagt. Aber abseits aller Pokaleuphorie ja auch recht traurig, was man da so auf dem Rasen beobachten durfte.

Warum habe ich diese Woche nicht nur theoretisch Hoffnung? Weil ich am Samstag in Frankfurt vor Ort war. Und dort war es defensiv gut, als auch offensiv mit Plan. Tietz/Essende wirkten wie ein eingespieltes Sturmduo und legten sich gegenseitig die Bälle auf. Wolf konnte über rechts immer wieder mit nach vorne stoßen. Und man schoss in Frankfurt 2 Tore und konnte beim 2:2 einen Punkt mitnehmen. Verdient, auch weil Labrovic ein Granatenrückhalt im Moment ist (Ja, es war die Woche der Torhüter. Grüße gehen raus an den Elfmeter-Killer Finn Dahmen nach seinem Pokalauftritt. Liebe für euch beide).

Zementieren

Zwei Spiele sind es jetzt noch bis zur Winterpause. Gegen Leverkusen und Kiel. Und die Ausgangslage ist eindeutig. Der FCA muss gegen Leverkusen erneut diesen Mut zeigen, der gegen Frankfurt so viel Spaß gemacht hat. Und -auch wenn Jess Thorup, das vor dem Spiel gegen Kiel wieder klein reden wird – in Kiel auswärts kontrolliert gewinnen. Und damit den positiven Eindruck und die Tendenz zementieren, die ich zumindest in dieser Woche habe. Es geht – gefühlt – voran. Genug? Die nächsten beiden Wochen werden es zeigen.

Stabil genug?


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de.

Wenn man den Saisonstart des FC Augsburg betrachtet, dann kommen gemischte Gefühle auf. Einerseits hat der FCA sieben Punkte gesammelt und zumindest zweimal gewonnen. Das war in der letzten Saison schlechter. Auch im Pokal ist man weitergekommen. Dennoch ist die sportliche Situation unbefriedigend. Es hätten auf Grund der komischen Heimspiele gegen Bremen und Mainz auch mehr Punkte sein können. Auf der anderen Seite sind die bisherigen Auswärtsspiele gegen Heidenheim und Leipzig absolute Stimmungskiller. Zweimal 0:4 und viel zu wenig abgeliefert.

Eine Statistik haut aber über den Saisonstart hinweg gesehen ganz besonders rein: 15 Gegentore hat der FCA in den ersten 6 Bundesligapartien bisher kassiert. Das sind 2,5 Gegentore im Schnitt. Schlechter sind in dieser Kategorie bis dato nur Holstein Kiel und die TSG Hoffenheim. Wenn es nur darum ginge, dann wäre der FCA abstiegsreif. Nach einem stabilen Team sieht das in der Gesamtschau bisher nicht aus. Es gibt Anzeichen, die meiner Meinung nach allerdings auf eine nachhaltige Verbesserung hindeuten:

Nicht eingebrochen

Gegen Gladbach hat man zwar ein Gegentor kassiert. Tim Kleindienst ließ es sich nicht nehmen, eine Ecke einzuköpfen. Das verminderte den Vorsprung der Augsburger auf einen Treffer. Die Mannschaft fand aber in diesem Falle schnell wieder zu ihrem Spiel zurück und ließ kaum Unsicherheit aufkommen. So sollte es sein, wenn man ein Spiel an sich gut gespielt hatte bis zu diesem Zeitpunkt. Der FC Augsburg glänzte allerdings in den letzten Wochen auch dadurch, dass er Treffer gerne mal im Doppelpack kassierte. Gegen Mainz zu Hause oder gegen Leipzig auswärts. Aber nicht gegen Gladbach. Man ist einmal ausgerutscht, aber nicht gefallen. Ein Schritt nach vorne.

Stabilität auch in den Randphasen

Das Team hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Probleme in den ersten 15 Minuten beider Halbzeiten. Es hat schlicht gedauert, bis man als Team im Spiel war und Mannschaften wussten das auszunutzen. Gegen Gladbach begann man in der ersten Halbzeit bewusst zurückhaltend. Aber man fand dann eben auch den eigenen Rhythmus und konnte sich immer mehr die Oberhand erarbeiten. Auch nach der Halbzeit gelang den Gladbachern nicht direkt der Ausgleich. Es ist noch nicht alles Gold was glänzt, und Freiburg wird gerade mit Blick auf einen schnellen Start ins Spiel den FCA testen. Erstmal sieht es so aus, als ob Jess Thorups mentale Sensibilisierungen angeschlagen wären.

Der X-Faktor ist da

Wenn Jess Thorup über seine Spieler spricht, dann hebt er manchmal den ein oder anderen hervor, der den X-Faktor hat. Spieler mit X-Faktor erlauben es einem Club, geduldig sein und im Spiel mit dem Ball sich auf deren Qualität verlassen zu können. Ermedin Demirovic hat in der letzten Saison gezeigt, dass er den X-Faktor hat. Ruben Vargas kann ein Spieler sein, der solche Momente kreiert. Demirovic ist allerdings weg und Vargas momentan verletzt. Da kam die Frage auf, wer diese Momente nun liefern kann. Und wenn die erste Antwort ein Innenverteidiger ist (Schlottis Abschluss sei an dieser Stelle trotzdem besonders hervorgehoben), dann muss man sich um ein Team Sorgen machen.

Wenn Neuzugänge wie Chrislain Matsima immer mehr ankommen, dann wird das Augsburger Team eventuell noch besser (Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

In Augsburg haben sie aber im Sommer mehr als nur einen Spieler gefunden, der den X-Faktor auf den Rasen bringt. Frank Onyeka sorgt immer wieder für große Unruhe, wenn er aus dem Mittelfeld nach vorne stößt. Gegen Gladbach war dann auf einmal Alexis Claude-Maurice da, der eine gehörige Portion offensiver X-Faktor Ideen mit auf den Rasen brachte. Und man mag nicht vergessen, dass Samuel Essende recht mühelos in den ersten Wochen der Saison seine Wucht und Torgefährlichkeit unter Beweis gestellt hat.

Zusammenfinden

Diese vielen unterschiedlichen Charaktere müssen weiter zusammenfinden. Bei so manchem ist da noch deutlich Luft nach oben. Steve Mounié agierte bisher eher unglücklich. Auch Marius Wolf darf nun gerne mal 90+X Minuten voll überzeugen und in der Innenverteidigung kehrt keine Ruhe ein, weil sich Schlotti den Oberschenkel gezerrt hat. An dieser Stelle wird es aber weiter voran gehen, gerade vor dem Hintergrund zwischenzeitlicher Erfolgserlebnisse. Siege führen zu Vertrauen und stärken die Gemeinschaft, weil der Glaube an die gemeinsame Perspektive neue Luft erhält.

Nur die Ruhe

Wenn ich mir die Mannschaft des FCA anschaue, dann kommen mir regelmäßig Fragen. Warum wechselt der Trainer schon wieder das System? Wie kann man nur so leichte Tore kassieren? Auswärts so spielen? Und überhaupt, warum passt das nicht zu Beginn der Halbzeiten? Es läuft wahrlich noch nicht alles rund. Auf der anderen Seite hatte ich prognostiziert, dass es eine Übergangssaison für den FCA werden würde, alleine schon wegen des großen Kaderumbruchs. An die TOP10 mag ich da gar nicht denken. Dafür läuft es gar nicht so schlecht. Und es sind immer wieder positive Anzeichen zu erkennen, die weitere Hoffnung geben. Wichtig waren da vor allem die 3 Punkte gegen Gladbach, weil dadurch etwas Ruhe einkehrt. Fußball bleibt ein Ergebnissport und der FCA hat sich durch seine Ergebnisse erarbeitet, dass er seine Entwicklung weiter vorantreiben kann. Bei mir mittlerweile wieder mit mehr Hoffnung. Aber das nächste Auswärtsspiel kommt bestimmt. Oh…

Kurz vor der Ratlosigkeit

Wer FCA-Cheftrainer in diesen Tagen beobachtet, der wird erkennen, dass sich das ein oder andere wiederholt. Hatte man vor dem Spiel in Leipzig noch gehofft, dass die Leistung in Heidenheim ein einmaliger Ausrutscher war, so wurde man durch die erneute 0:4 Klatsche eines Besseren belehrt. Wenn man sich die Abwehr als einzelnen Mannschaftsteil nimmt, dann wurden Probleme nun über mehrere Wochen nicht gelöst.

Der FCA kassiert einfach zu viele Gegentore. Und immer wieder ist man zu Beginn des Spiels und nach der Halbzeitpause nicht voll da. War es Thorup nach seiner Ankunft noch gelungen, der Mannschaft wieder Selbstvertrauen einzuhauchen, so gelingt es seinem Team nun mehr nicht mal mehr Flanken ordentlich zu verteidigen. Oder konzentriert zu Beginn einer Spielperiode auf dem Platz zu stehen. Trübsal ist in Augsburg angekommen.

Einfache Fehler

Was dabei besonders auffällt: die Mannschaft scheitert nicht an komplexen Themen. Es sind die kleinen Dinge, die jeder Profi auf einem gewissen Niveau beherrscht, die momentan nicht abgerufen werden. Die zuvor genannten Flanken resultieren z.B. aus Einwurfsituationen, die schlecht verteidigt werden. Der FCA ist insgesamt im letzten Drittel zu passiv. Vom Thorupschen „Offensive Mindset“ ist ein Jahr nach seiner Ankunft nicht mehr viel zu sehen.

Als Ausrede lässt sich momentan noch verwenden, dass die Mannschaft sehr stark durcheinander gewürfelt wurde. 40 Transferbewegungen gab es auf dem Papier in diesem Sommer. Die halbe Stammelf wurde getauscht. Von den 5 Spielern in Abwehr und Tor sind 4 neu. Man kann also schon nachvollziehen, warum noch nicht alles perfekt läuft. Warum es trotzdem so viele einfache Fehler gibt, die leicht abstellbar sein sollten, verstehe ich persönlich nicht mehr. Wenn man die schlechte Schlussphase der letzten Saison noch zusätzlich mit beachtet, wird es Zeit den Kreislauf der negativen Ergebnisse langsam aber sicher mit einer kleinen Serie zu durchbrechen.

Konkurrenzkampf vs. Vertrauen

Dafür müssen Fehler aber auch Konsequenzen haben. Einerseits hat Jess Thorup in den letzten Wochen immer mal wieder darauf hingewiesen, dass er im Kader eine gewisse qualitative Breite zur Verfügung hat. Auf der anderen Seite hat er nun in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Gladbach betont, wie jeder seiner Spieler seine Rolle im Kader kennt und weiß, was von ihm erwartet wird. Über die Woche will er den Spielern das notwendige positive Gefühl und Vertrauen geben, so dass sie ihre Leistung abrufen können.

Einerseits bin ich kein Freund von erratischen Kaderreaktionen. Nur weil mal ein Fehler passiert, heißt das nicht, dass es ein Spieler grundsätzlich schlecht macht. Wenn nun aber eine personelle Konstellation, wie die in der Abwehr des FCA, über Wochen keine guten Leistungen abliefert und anscheinend nicht dazu führt, dass Spieler ihr Leistungsmaximum erreichen, muss sich etwas ändern. Es liegt dann am Trainer auch mal zu wechseln und nicht immer wieder die gleichen Spieler von Anfang an spielen zu lassen. Darauf warte ich bei Jess Thorup gerade. Oder seine Mannschaft straft uns alle, in dem sie nun endlich mal konstant ihre Leistung abruft.

Jeffrey Gouweleeuw fällt momentan – wie die gesamte Abwehr – mehr durch Schiedsrichterdiskussionen auf als durch gelungene Klärungen. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Systemfrage

Was bis dahin auch nicht verschwinden wird: die Systemfrage. Thorup wechselt bei den Grundformationen von 4er Kette auf 3er Kette und wieder zurück, Immer wieder stellt er um, ohne dass sich die Leistung dauerhaft verändert. In der Pressekonferenz wurde er nun diese Tage gefragt, wohin das führen soll und was sein langfristiger sportlicher Plan an dieser Stelle ist. Leider konnte er die Frage nicht so beantworten, dass ich verstanden hätte, wohin er langfristig will. Kurzfristig soll wohl die beste Elf spielen unabhängig vom System. Das kann ja im Umkehrschluss nur bedeuten, dass er entweder kein Wunschsystem hat, von dem er überzeugt ist, oder hierfür nicht die richtigen Spieler.

Alles in allem führt die Systemwechselei aus meiner Perspektive nur zu mehr Problemen. Ich hatte schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass bei diesen vielen Transferbewegungen zu viele taktische Variabilität jetzt am Anfang nicht sinnvoll ist.

Welche Impulse kommen?

Thorup hat weiterhin ein Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung, um der Mannschaft einen Schubs zu geben. Er könnte sich auf ein taktisches System festlegen, um schneller Automatismen zu schaffen und hierdurch vielleicht schneller Ergebnisse zu erzielen. Er könnt aber auch schlicht Spieler wechseln und anders einsetzen, so dass es besser klappt. Muss Jeffrey Gouweleeuw in der 3er Kette die mittlere Innenverteidiger-Position besetzen oder wäre Keven Schlotterbeck hierfür evtl. besser geeignet?

Es wird auf jeden Fall Zeit, dass der FCA aus der Passivität erwacht. Es muss ein Ende haben mit den schlechten Starts in die Halbzeiten. Das Team muss zeigen, dass es hellwach und bereit ist für die Aufgabe. Ansonsten wird der FCA nicht drum herum kommen – auch wenn Thorups Vertrag gerade erst verlängert wurde – die jährliche Trainerdebatte intern zu führen, ob die Impulse nicht von jemand anders kommen müssten. Das Geschäft ist an dieser Stelle sehr vorhersehbar. Im Gegensatz zum letzten Jahr bin ich in diesem Jahr noch nicht überzeugt, dass der Zeitpunkt schon gekommen ist. Enno Maaßen hatte 5 Punkte gesammelt bis zu seinem Abschied. Thorup hat momentan 4 Punkte auf dem Konto. Die weiteren Berechnungen dürft ihr selbst unternehmen.

Und jetzt?

Wenn man bei dem Spiel des FCA gegen St. Pauli bei Hamburger Bildern bleiben mag, dann war das ein toller Abstecher auf die Reeperbahn. Am Tag danach klingt das Erlebnis noch nach und es ist doch mal schön, an einem Montag das Grinsen nicht aus dem Gesicht zu bekommen. Am Dienstag nimmt das dann schon wieder etwas ab und jetzt in der Mitte der Woche steht die Frage im Raum: Und jetzt?

Pflichtaufgabe erfüllt

St. Pauli ist bis jetzt noch nicht in der ersten Liga angekommen. Cheftrainer Hürzeler ist im Sommer gegangen und das Team – so stabil es zusammen geblieben ist – zeigt momentan nicht die Substanz für die Bundesliga. Zumindest bisher. Gegen den FCA ist den Hamburgern wenig gelungen. Gerade offensiv war das – bis auf das Tor- harmlos. In der Defensive ergaben sich selbst für einen in letzter Zeit nicht vor Offensivkompetenz strotzenden Verein wie den FCA viele Chancen.

Ich hatte es vor dem Spiel im Millernton-Podcast gesagt: Wenn nicht gegen St. Pauli, gegen wen sonst sollte der FCA gewinnen. Es war der zwingende Zeitpunkt um die negative Ergebnisserie endlich zu beenden und mal wieder einen Dreier in der ersten Liga einzufahren. Das war der Anspruch gegen St. Pauli und den konnte man auch erfüllen. Mehr aber auch nicht. Bei allem Realismus: der FCA hätte es in der zweiten Halbzeit fast schon wieder geschafft, wie schon gegen Bremen, eine Führung noch aus der Hand zu geben.

Die Trickkiste weit geöffnet

Für das dennoch gute Spiel musste Jess Thorup aber auch alle Tricks auspacken, die er zur Verfügung hatte. Im ersten Spiel nach seiner Vertragsverlängerung stellte er um auf ein System mit 3er Kette in der Abwehr und gab zum ersten Mal Marius Wolf auf der rechten Schiene die Möglichkeit sein Talent von Beginn an auf den Platz zu zeigen. Das war aber nur einer von 5 Wechseln in der Startaufstellung. Dazu durfte auch Maxi Bauer in der Abwehr ran, genau wie Frank Onyeka nach gefühlt 1,5 Trainingseinheiten mit der Mannschaft im Mittelfeld den Vorzug vor Arne Maier bekam. Zusätzlich rutschte Ruben Vargas – nachdem nun alle Transferfenster geschlossen sind- wieder in die Startelf, wo er mit Rückkehrer Kristijan Jakic zusammen auflaufen durfte. Insgesamt hat der FCA so bisher 22 Spieler in der bisherigen Bundesligasaison eingesetzt. Kein anderer Club kommt bisher auf mehr.

Frank Onyeka war einer der neuen beim FCA, der für ordentlich Wirbel sorgte. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Einerseits ist das ein klares Mehr an Qualität auf dem Rasen gewesen. Die Neuzugänge kommen so langsam in Augsburg an und Jakic‘ Blessuren sind zumindest vorerst auskuriert. Das neue System hat zudem dazu geführt, dass der FCA prinzipiell – bis auf in einer schwächeren Phase in der zweiten Hälfte (wo kam die schon wieder her?) – stabil stand und auch nach vorne einiges an Gefahr erzeugen konnte.

Bonuspunkte bekommt Thorup an dieser Stelle von mir, weil Henri Koudossou sein Bundesligadebüt geben durfte und anscheinend auf der rechten Schiene als kompetent genug angesehen wird. Koudossou war zwar derjenige, der sein Debüt als eigener Nachwuchsspieler feierte, aber damit war es mit der Jugend und Thorup am Sonntag noch nicht vorbei. Auch der 20jährige Yusuf Kabadayi wurde erneut eingewechselt und konnte in der Nachspielzeit direkt den Deckel drauf machen auf die Partie mit seinem Treffer zum 3:1. Thorup hat mittlerweile in seiner Zeit in Augsburg drei eigenen Jugendspielern zum Debüt verholfen und gibt den ganz Jungen auch in wichtigen Situationen ihre Chancen. Es kommen Manuel Baum Gefühle auf und das ist zumindest in Bezug auf die Jugendförderung etwas Gutes.

Was ist es wert?

Jetzt am Freitag geht es direkt weiter. Und die einfache Antwort auf die Frage nach dem Wert des Siegs gegen St. Pauli ist: 3 Punkte. Die werden aber erst dadurch abgerundet, in dem der FCA auf dieser Partie aufbauen und gegen Mainz am Freitag, erneut zu Hause, direkt nachlegen und den nächsten Dreier einfahren kann.

Was wäre der Unterschied? Mainz hat ähnliche Ambitionen wie der FCA und ist längst in der Liga angekommen. Zuletzt hatten die Mainzer eine sehr gute Ergebnisserie und blieben vor der Partie gegen Bremen in 11 Spielen ungeschlagen. Mainz ist ein echter Gegner auf Augenhöhe und damit steht ein Kräftemessen an, bei dem sich zeigen wird, wer von beiden Teams einen guten Saisonstart für sich verbuchen kann. Und wer den Erwartungen dann doch weiterhin hinterherhinkt. Wo St. Pauli ein absoluter Pflichtsieg war, ist das Spiel gegen Mainz ein Fingerzeig. Ich bin gespannt, in welche Richtung es geht.

1,2,3,4,5,6,7: Thorup zählt sich selbst an

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Nur drei Pflichtspiele standen an, bevor die erste Länderspielpause schon wieder den Spielbetrieb der Vereine unterbrach, damit sich die Nationalmannschaften bei der Nations League miteinander messen können. Als FCA-Fan war ich nach dem Pokalspiel gegen Viktoria Berlin erstmal erleichtert. Immerhin hatte sich der FCA nicht blamiert und war gegen einen unterklassigen Club nicht ausgeschieden. Aber die entscheidenden Partien absolviert der FCA nicht im Pokal sondern in der Bundesliga, und hier war der Start enttäuschend.

Die Serie wächst an

Gegen Bremen war der FCA sauer auf den Schiedsrichter, der eine Elfmeterentscheidung verkackte. Auf der anderen Seite hatte der FCA selbst das Spiel nach der Halbzeitpause aus der Hand gegeben und den SV Werder ausgleichen lassen. Ganz unbeteiligt war das Team also nicht daran, dass Bremen einen Punkt aus der wwk Arena mitnahm und der FCA somit im sechsten Spiel in Folge (saisonübergreifend) in der Bundesliga nicht gewann.

Auf die Partie gegen Bremen folgte in Heidenheim ein erstes Debakel in dieser noch jungen Saison. Der FCA machte einfache Fehler in der Abwehr und geriet früh in Rückstand. Das Team hatte zwar in der Folge relevante Spielanteile, nach vorne fehlte aber die letzte Konsequenz und Durchschlagskraft. Ganz im Gegensatz dazu trat Heidenheim sehr durchschlagskräftig auf. Und so verlor man am zweiten Spieltag mit 0:4 gegen einen Gegner, gegen den man in der Vorsaison zweimal gewonnen hatte. Und der FCA bleibt somit auch im siebten Spiel in Serie in der Bundesliga ohne Sieg.

Selbstvertrauten ade?

Ein Grund, weswegen der Verein in der Vorsaison nach dem Spiel gegen den SV Darmstadt den Trainerwechsel von Enno Maaßen zu Jess Thorup vornahm, war das fehlende Selbstbewusstsein des Teams. Dieses Selbstvertrauen scheint auch im Moment nicht vorhanden zu sein. Dazu kommt, dass es für Jess Thorup im Moment auch nicht einfach ist, dieses wieder aufzubauen. Einerseits gab es in der Sommerpause viele Spielerwechsel. Kapitän Demirovic wechselte nach Stuttgart. Mit Felix Uduokhai und Niklas Dorsch wechselten weitere Spieler, die in der Vergangenheit schon die Binde beim FCA getragen hatten, den Verein. Als Ersatz kamen im Sommer vor allem Spieler, die mit Liga und Verein noch nicht vertraut sind. Woher soll das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Selbstvertrauen momentan kommen?

Der ein oder andere wird nun anmerken: Glücklicherweise ist doch jetzt Länderspielpause. Ja, aber der FCA verfügt über so viele Nationalspieler wie lange nicht und genau die sind jetzt in der Länderspielpause nicht beim FCA sondern mit ihren Nationalmannschaften unterwegs. Etwas unglücklich alles, aber so richtig voran geht es dann gerade auch nicht.

Wie sieht Thorups sportliche Lösung aus?

Aber auch auf dem Platz ist Jess Thorup als Lösungsfinder gefragt. Neben dem, dass er eine Mannschaft formen muss, die auf dem Platz auch als solche auftritt, stellen sich sportliche Fragen. Eine, die den FCA nun schon länger begleitet: aus welcher Grundformation heraus will man eigentlich antreten? Gegen Bremen hat man 60 Minuten mit der Raute gespielt und dann auf ein System mit 3er Kette gewechselt. Die 3er Kette hat gut funktioniert. Gegen Heidenheim orientierte man sich zurück zur 4er Kette und kassierte eine Klatsche.

Wenn Thorup mit den Medien redet, dann wird er meistens nicht besonders konkret. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

Es mag mir nicht in den Kopf, dass die Phase, in der ich so viele neue Spieler wie selten zuvor integrieren muss, die richtige ist, um von System zu System zu wechseln. Um schnell zu eingespielten Abläufen in kurzer Zeit zu kommen, kann es aus meiner Sicht nicht förderlich sein, immer wieder von System zu System zu wechseln. Und wie einen Gegner auseinander nehmen, wenn man halbgar einstudierte Systeme auf den Platz bringt und nicht ganz auf der Höhe ist, hat zuletzt Heidenheim eindrucksvoll gezeigt.

Ist Thorup überhaupt voll beim FCA?

Insgesamt sprechen die sportlichen Leistungen nun somit schon seit einer geraumen Weile nicht mehr für Jess Thorup als Trainer beim FCA. Dennoch hatte der kicker noch im Mai berichtet, dass der FCA den Vertrag über den Sommer 2025 hinaus verlängern wollte, um Konstanz auf dem Trainerposten zu schaffen. Eine Vollzugsmeldung gab es über den gesamten Sommer hinweg allerdings nicht.

Dies kann nun zweierlei bedeuten. Einerseits kann sich das Interesse des FCA geändert haben bzw. man hat sich entschieden, das Thema bis nach die Transferperiode zu verschieben. Andererseits kann es sein, dass Thorup gar kein längerfristiges Interesse daran hat, beim FCA zu bleiben. Ganz konkret ist Thorups Co-Trainer Interims-Nationaltrainer in Dänemark. Thorup hat die Nationalmannschaft immer als einen von zwei Traumjobs bezeichnet (neben der Trainerstelle in Kopenhagen, die er schon inne hatte). Bei seinem Absprung nach Kopenhagen war dieser auch früh während einer Saison erfolgt – Anfang November, um genau zu sein. Evtl. schielt Thorup auch auf einen Posten bei einem größeren Verein. Der FCA sollte hier im eigenen Interesse schnell für Klarheit sorgen. Im amerikanischen wird ein Trainer, der keine Zukunft mehr bei seinem Verein hat, als „lame duck“ übersetzt „lahme Ente“ bezeichnet, weil im die Glaubwürdigkeit fehlt, Konsequenzen durchzusetzen. Eine solche Situation sollte der FCA zwingend vermeiden.

Am Scheidepunkt

Und so kommt es, dass beim FCA schon sportlich früh in der Saison Spannung aufkommt. Wie geht es konkret weiter? Aus meiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Einerseits könnte man mit Thorup verlängern. Thorup hat auch schon letzte Saison sportliche Abläufe nach seiner Ankunft vereinfacht und seiner Mannschaft Selbstbewusstsein eingeimpft. Warum sollte er die Kurve nicht noch einmal bekommen? Dann bleiben die ersten beiden Spiele eine Randnotiz. Andererseits will der FCA vielleicht erst die sportliche Entwicklung abwarten, und sollte sich bei fehlender Überzeugung oder bei Fragezeichen bzgl. Thorups mittelfristiger Verfügbarkeit schneller von Trainer Thorup trennen als letztes Jahr von Enno Maaßen.

Vielleicht sieht es intern viel deutlicher aus. Nach außen vermittelt der FCA durch seine sportlichen Ergebnisse und die unterbliebene Vertragsverlängerung von Thorups Fragezeichen auf der Trainerposition. Mal schauen, wann sich diese auflösen. Bis dahin bleibt es spannend, rund um unseren Lieblingsclub. Etwas anderes war ja aber auch gar nicht zu erwarten.

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