Wird Leistung belohnt?

Wenn man die Mannschaftsaufstellung von Jess Thorup beobachtet, dann ist schnell ersichtlich, dass er regelmäßig immer wieder den gleichen Spielern vertraut. Im Spiel gegen Freiburg musste er zwar in der Innenverteidigung Maxi Bauer für Jeffrey Gouweleeuw auf Grund von Jeffs Gelbsperre einsetzen. Ansonsten war es ein gewohntes Bild. Freddy Jensen kam rechts in der Raute zum Zug, Elvis Rexhbecaj links und Ruben Vargas vorne. Ob wir genau diese Rautenbesetzung in Darmstadt wiedersehen? Manch Spieler lieferte Argumente dagegen:

Arne Engels

Offensiv ist Arne Engels besonders veranlagt. 3 Tore und 3 Vorlagen stehen bei 960 Einsatzminuten in dieser Saison zu Buche. Zweimal sorgte er mittlerweile für den spielentscheidenden Treffer. Am Sonntag markierte der belgische Jungspund mit einem humorlosen Abschluss den Siegtreffer der Augsburger. Entscheidend cool für einen 20jährigen. Mal wieder. Das ein oder andere gruppentaktische, defensive Detail ist noch verbesserungswürdig, aber am Ende kommt es wohl gegen Darmstadt auch darauf an, wie man das Bollwerk der Darmstädter knacken will.

Im Vergleich dazu hat Elvis Rexbehcaj bei ca. doppelt so vielen Einsatzminuten nur 2 Tore beigesteuert. Bei Freddy Jensen stehen bei 1074 Einsatzminuten auch 5 Torbeteiligungen auf dem Konto. Bei einer offensiven Ausrichtung hätten Jensen und Engels hier die Nase vorn.

Arne Maier

Mit Arne Maier drängt ein zweiter Spieler für das Spiel gegen Darmstadt in die Startelf. Auch er hat nach seiner Einwechslung gegen Freiburg für einige offensive Momente gesorgt und hätte selbst fast ein Tor geschossen. Schon gegen Bochum hatte er entscheidenden Anteil an der Aktion, die zum Ausgleich führte. Die Qualität seiner Abschlüsse und seiner Pässe und Spieleröffnungen ist in jedem Fall etwas, was ihn von den Konkurrenten abhebt. Gerade im Passspiel und unter Druck findet Maier sehr gute spielerische Lösungen.

Arne Maier auf dem Weg nach vorne. Am Samstag in Darmstadt auch von Anfang an? (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Bei Maier stellt sich die Frage, auf welcher Position er am besten eingesetzt werden sollte. Er könnte sowohl auf der 8 aber auch auf der 10 spielen, und stellt sowohl eine Alternative für die o.g. Spieler als auch Ruben Vargas dar. Bei Vargas bleibt der statistische Impact hinter den Erwartungen zurück. Erst ein Tor und eine Vorlage stehen auf dem Zettel. Arne Maier hätte sich aus meiner Sicht seine Chance verdient.

Wünsch Dir was

Auch Niklas Dorsch war am Sonntag am Ende wieder auf dem Platz und will mehr spielen. An Kristijan Jakic scheint es aber auf der zentralen Position vor der Abwehr kein Vorbeikommen zu geben. Ist Dorsch eine Alternative auf den 8er Positionen? Der Trainer muss sich etwas einfallen lassen und es ist wahrlich kein einfaches Puzzle.

Rein von außen wünsche ich mir für das Spiel gegen Darmstadt, dass Arne Maier seine Chance in der Startelf erhält. Gerade er ist für mich für das Darmstadt-Spiel ein Spieler, der durch seine spielerischen Möglichkeiten den Unterschied machen kann. Engels darf dann gerne wieder früh eingewechselt werden, wenn der Gegner schon unter der Abnutzung zu leiden hat. Engels ist als Joker eine echte Waffe. Die Besetzung im Mittelfeld bleibt über die nächsten Spiele spannend. Gelbsperren werden für zusätzliche Rotation sorgen und als Gegner würde mich das momentan eher beunruhigen. Ja, der FCA hat in diesen Bereichen sehr starke Spieler zur Verfügung. Und die wechselnden Konstellationen können für ein Überraschungselement sorgen.

Und Jess Thorup? Der muss dafür sorgen, dass alle sein Vertrauen spüren. Auch Spieler wie Pep Biel, der hier nun gar nicht aufgelistet wurde. Er muss aber auch dafür sorgen, dass die beste Mannschaft spielt. Solange er die Spiele gewinnt, schreiben wir über Luxusprobleme. Am Ende kommt es somit vor allem darauf an, sportlich Lösungen zu finden – zusammen. Und am Ende werden wir durch die Unwägbarkeiten des Fußballs auf die Beiträge vieler Spieler angewiesen sein. Gut, dass sie alle da sind.

Erster großer Thorup-Rückschritt

Vor den Spielen in Bochum und Mainz haben der Kollege Andy und ich zwei ähnliche Artikel veröffentlicht: Quo vadis, FCA? Was ist diese Saison drin? Europa oder Abstiegskampf?

Die Kernaussage: Geht es gut, darf man nach oben schauen. Wirds nichts, dann war’s das vorerst. Nun sollte man die Saison nicht an einzelnen Spielen festmachen, aber klar ist: Der FCA hat beide wegweisenden Duelle verpatzt. In Bochum rettete die Thorup-Elf der Videoassistent mit einem Elfmeter in der Nachspielzeit zum Remis, in Mainz verlor man verdient mit 0:1.

Diese beiden Spiele sind ein herber Dämpfer in dieser Saison und ein erster großer Rückschritt unter Thorup. Der neue Coach hatte im Klub eine Euphorie entfacht. Die Mannschaft spielte für Augsburger Verhältnisse attraktiv. Das Publikum honorierte das, was man etwa an der guten Zuschauerquote in dieser Saison sieht. Der FCA schien auf einem richtig guten Weg.

Gegen Leverkusen, Bayern und Leipzig machten die Augsburger ein tolles Spiel. Aus diesen drei Duellen hätte man mehr als nur einen Punkt verdient gehabt. Die beiden letzten Auswärtsspiele haben die Stimmung allerdings sehr getrübt.

Der FCA kann ein Spiel (noch) nicht spielerisch prägen

Klar ist nun: Auch Jess Thorup gelingt es nicht, gegen vermeintlich schwächere Gegner zu überzeugen. Muss der FC Augsburg das Spiel machen, versagt er. „Der FC Augsburg, der nur lange Bälle geschlagen hat, gehört der Vergangenheit an.“ Dieser Satz stammt von Philipp Tietz, im Nachgang an das Leipzig-Spiel. Letztlich wurde der FCA dann doch recht schnell von dieser vermeintlich überwundenen Vergangenheit eingeholt.

Gegen Mainz wirkten die Schwaben vollkommen ideenlos. Elvis Rexbehcaj hatte zwar einen schönen Abschluss aus der Distanz, aber nicht einen guten Pass in der Offensive. Sein Mittelfeldkompagnon Arne Engels – eigentlich einer der talentiertesten Spieler im Kader – tat es ihm gleich und hielt sich aus dem Augsburger Angriffsspiel ebenso raus. Er verbuchte am Ende die zweitmeisten langen Bälle im Spiel (8). Die Statistiker zählen einen langen Ball ab 30 Meter. Die meisten davon spielte einmal mehr Jeffrey Gouweleeuw. Er brachte von seinen zehn Versuchen aber auch nur zwei an den Mann. Und wo wir schon bei gruseligen Passquoten sind: Kevin Mbabu spielte fast jeden dritten Pass zum Gegner oder ins Aus.

Die Augsburger kamen in Mainz laut Kicker auf eine Passquote von 71 Prozent, schlechter war man unter Thorup nur zweimal: In Köln (70) und in Bochum, wo unterirdische 62 Prozent aller Pässe an den Mitspieler gelangten. Bedeutet: Der FCA ist nach wie vor kein Team, das einem Spiel seinen Stempel aufdrücken kann. Zu oft reagiert die Mannschaft, statt zu agieren. Zur Wahrheit gehört ja, dass dieses Konzept gegen viele Teams in der Liga funktioniert. Umso bitteres ist es, dass es dann genau gegen die schwächeren Konkurrenten nicht klappt.

Am Ende eines gruseligen Spiels gab es dann noch einen echten Aussetzer. (Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Jetzt kommen die entscheidenden Spiele

Wie ist das Auftreten in Mainz nun einzuordnen? Rückschritte sind in einer Entwicklung normal und sogar nötig, um langfristig Erfolg zu haben. Aber wenn man vor der Saison laut über die Conference-League orakelt (Demirovic), muss man sich irgendwo auch daran messen lassen. Nicht falsch verstehen, niemand erwartet Tabellensphären à la Rang Sieben. Das wäre nach dem Fast-Abstieg der vergangenen Spielzeit vermessen. Wenn man allerdings sieht, wer aktuell so zwischen Rang sieben und zehn platziert ist, muss man sich als FC Augsburg vor niemandem verstecken. Die Mannschaft ist gut genug, um vor Bremen oder Heidenheim in der Tabelle zu stehen. Sie muss es nur regelmäßig zeigen. Auch und vor allem gegen vermeintlich schwächere Gegner.

Die Chance dazu hat der FCA in den kommenden Spielen. Freiburg, Darmstadt, Heidenheim, Wolfsburg, Köln. Noch immer ist die Chance da, aus der aktuellen Saison eine gute zu machen. Mit dem Abstiegskampf hat Rot-Grün-Weiß nach wie vor wenig zu tun. Sieben Punkte vor dem Relegationsplatz sind nicht ohne. Ausruhen sollte sich der FCA aber keineswegs. Denn dass die Lage vergleichsweise entspannt ist, liegt (mal wieder!) mehr am Unvermögen anderer als an der eigenen Leistung. Denn tatsächlich hat der FCA aktuell weniger Punkte als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison …

Nachholbedarf bei der Kaderplanung

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Letzten Winter hatte der FC Augsburg recht viele Neuzugänge auf der Spielerseite. Cardona, Mbuku, Beljo und Colina kamen unter anderem um für Optionen offensiv zu sorgen. Im Sommer kehrte Freddy Winther von einer Leihe zurück, dazu stießen Patric Pfeiffer und später Japhet Tanganga zum FCA. Alle drei sollten in der Abwehr helfen. Und irgendwie war keiner der oben genannten in der Hinrunde der Saison 2023/24 ein sportlicher Faktor beim FCA.

Jeder Experte, der sich mit dem FCA in der letzten Zeit beschäftigt hat, hat schnell benannt, dass der FCA zu viele Spieler im Kader hat. Um Patric Pfeiffer und Dion Beljo kamen schon Transfergerüchte auf. Irvin Cardona wurde mittlerweile zum AS St. Etienne verliehen, genau wie Aaron Zehnter zum SC Paderborn wechselte. Um in Ruhe weiterarbeiten zu können, wird es für den FCA essentiell sein, weiteren Spielern eine Perspektive an anderer Stelle zu eröffnen. Aber warum ist denn der Kader so groß?

Umbruch: nicht geglückt

Der FCA hätte so manchem Spieler im Sommer keine Steine in den Weg gelegt. Felix Uduokhai wollte zuerst wechseln bevor er seinen Vertrag verlängerte. Jeffrey Gouweleeuw wurde kommuniziert, dass sein Vertrag im Sommer 2024 nicht verlängert wird und man hätte ihm wohl keine Steine in den Weg gelegt. Und auch bei Iago stehen die Zeichen schon seit einer ganzen Weile auf Abschied. In den Hinrunde waren alle drei wieder Konstanten im Kader.

Der FCA hatte angekündigt, mit manchen Transfers einem Umbruch vorgreifen zu wollen. Dieser Umbruch fand dann nicht im gewünschten Maße statt. Und die Spieler, deren Perspektive sich durch die Abgänge verbessern sollte, sitzen nur auf der Bank und Tribüne und kommen nicht zum Zug.

Es können immer nur 11 spielen und Jess Thorup hat die Qual der Wahl (Photo by THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images)

Opfer der sportlichen Ausrichtung

Bei den Innenverteidigern kommt noch ein anderer Punkt dazu. Der Kader sieht sowohl in der Innenverteidigung als auch auf der Position der Schienenspieler eher auf eine 5er Kette in der Abwehr ausgelegt. Dieses Thema war seit der Ankunft von Jess Thorup beerdigt und die 4er Kette scheint alternativlos. So kommt jedes Spiel ein Spieler auf dieser Position weniger zum Einsatz. Pfeiffer, Bauer, Tanganga und Winther sind zwangsläufig die Leidtragenden.

Ähnliche verhält es sich auch bei anderen Spielern. Arne Maier ist hier einer, für dessen Qualifikationen auf der 10 der FCA wenig Verwendung hat. Hieran hat auch Jess Thorup nichts geändert, der auf andere Spieler sein Vertrauen setzte.

Kein Perspektive für die Jugend

Wie schon oft erwähnt führt die derzeitige Situation auch für die eigenen Jugendspieler nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Aaron Zehnter war links die Nummer 3 oder 4 und entschied sich nun seine Zukunft in Paderborn zu suchen. Mert Kömür hängt im Kader hinter vielen anderen Offensivoptionen fest. Und auch ansonsten ergibt sich bei dieser Kaderstruktur keine Lücke, damit einer aus der Jugend mal nach oben vorstoßen könnte. Der Kader ist schlicht zu dicht bestückt.

Der FCA ist damit auch wieder weit weg von seinem Idealbild, junge Spieler weiterzuentwickeln, egal ob sie aus der eigenen Jugend oder von anderen Vereinen kommen. Einziger Ausreißer: Arne Engels. Und dessen Einsatzzeiten gingen unter Jess Thorup auch zurück.

Marinko Jurendic muss nun Spielern realistisch kommunizieren, wie ihre Perspektive aussieht (Photo by Selim Sudheimer/Getty Images)

Weg vom Mittelmaß

Der Weg bzgl. der Kaderplanung ist für die nächsten Perioden somit vorgezeichnet. Gerade jetzt und im Sommer wird sich zeigen, wie gut Marinko Jurendic und Jess Thorup zusammenarbeiten können. Welche sportliche Ausrichtung soll der FCA unter ihnen beiden haben? Welche Anforderungsprofile haben die beiden?

Der Weg muss dabei weg vom Mittelmaß. Es bringt doch für einen Club wie den FCA nichts, 4er und 5er Kette beide mittelmäßig spielen zu können. Es ist Zeit sich auf eine Systemausrichtung festzulegen. Es bringt auch nichts 32 Spieler zur Verfügung zu haben, die jeweils mehrere Positionen ganz okay beherrschen. Wenn jemand seine Position nur so ganz okay beherrscht, dann will ich auf dieser Position lieber ein Top-Talent sehen, dass sich entwickeln darf. Gerade die letzten Perioden zeigen, dass es nichts nützt einfach nur Spieler zu holen. Gerade die Transferphase vor einem Jahr mit der Verpflichtung vieler Spieler wirkt hier – auch wenn man bei Arne Engels Glück hatte – verfehlt.

Nicht ausruhen auf den ersten Erfolgen

Wenn Thorup und Jurendic für sich bestimmt haben, wie die sportliche Ausrichtung des Teams aussehen soll, dann wird es in einem ersten Schritt wichtig sein, Spielern, deren Perspektive beschränkt ist, dieses mitzuteilen. Im Optimalfall führt dies im Winter zu mindestens 6 Abgängen entweder dauerhaft oder als Leihe, wovon zwei durch die Abgänge von Cardona und Zehnter schon stattgefunden haben. Auf der anderen Seite sollte sich der FCA ehrlich damit beschäftigen, an welchen Stellen der Kader stärker besetzt sein könnte. Dort sollte der FCA aber dann keine Lückenfüller holen, sondern lieber 1-2 echte Verstärkungen, so wie Finn Dahmen im Sommer eine wahr. Ich schiele hier auf die Positionen der offensiven Außen. Auch Jess Thorup hat gerade erst öffentlich Qualität gefordert.

Die Veränderungen in der Kaderstruktur können nun in der Rückrunde den Unterschied ausmachen, ob der FCA solide mit Mittelfeld spielt oder nochmal zittern muss. Nachdem für Thorup und Jurendic die erste gemeinsame Phase ein Erfolg war, hoffe ich nun, dass sie mit größter Dringlichkeit auch bzgl. der Kaderausrichtung die notwendigen Schritte tun.

Euphorisch, aber…

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

6 Spiele sind unter Jess Thorup mittlerweile gespielt. Dazu kommt eine Länderspielpause, die er Zeit hatte, um mit der Mannschaft zu arbeiten. Der bayrische Rundfunk hatte zuletzt Thorup und Jurendic als das neue Erfolgsduo beim FC Augsburg betitelt. Bei 3 Siegen und 3 Unentschieden sind das Worte, die zumindest treffend sind, wenn man nur die letzten Ergebnisse betrachtet. Für ein langfristiges Urteil ist es noch zu früh. Nach so kurzer Zeit ist es schwerlich möglich eine Aussage zu den langfristigen Aussichten von Jurendic und Thorup zu treffen, so sehr ich mir den Erfolg selbst wünsche. Und so sehr ich heute auf die Tabelle schaue und grinse.

Diese ersten Ergebnisse bringen vor allem: Ruhe. Was nun nach dieser ersten Phase auch auftaucht sind kleinere Widersprüche. Schwerpunkte, die anders gesetzt werden als vor 6 Spielen. Themen, die nun einen anderen Zungenschlag erhalten haben. Was an manchen Stellen erstmals sehr vielversprechend aussah, ist stellenweise etwas eingetrübt. Fußball ist ein Ergebnissport und ich freue mich über die Siege. Aber klar, wir wären nicht in Augsburg, wenn nicht der ein oder andere – in diesem Fall ich – den Blick direkt auf das mögliche Verbesserungspotential lenken würde.

Offensive Mindset oder Clean Sheet?

Das Erlebnis des Auswärtsspiels in Heidenheim hat sich bei mir eingebrannt. „Offensive Mindset“ war das Stichwort. In der zweiten Halbzeit nachzulegen und nicht die eigene Offensive zu vernachlässigen, obwohl man in Führung liegt. Gegen Frankfurt hat man es erneut gut gemacht und überzeugt. Hat nachgelegt und Demi hätte den FCA sogar mit 3:0 in Führung bringen können.

Gerade vor dem Spiel gegen Union Berlin sah es da schon anders aus. In seinem Eingangsstatement auf der Pressekonferenz vor dem Union-Spiel hob Jess Thorup selbst ein paar Verbesserungen hervor, die ihm mit der Mannschaft gelungen waren. Er betonte u.a. wie die Gegentore pro Spiel gesunken waren, dass die Mannschaft mehr Zweikämpfe gewinnt und, dass nun einmal zu null gespielt werden müsste. Das „Clean Sheet“, das „zu Null“-Spiel, ist die goldene Gans, der der FCA hinterherjagt. Aber warum eigentlich? Die „zu Null“-Spielen werden kommen, wenn der FCA weiterhin mit „Offensive Mindset“ attackiert.

Die verpatzte Bewährungsprobe

Im Spiel gegen Union kam es dann auch zum Schwur. Jess Thorup entschied sich, defensiv nachzurüsten als er 1:0 in Führung lag. Es ging nicht darum, die Offensive zu verstärken und das Spiel zu entscheiden. Thorup machte aus der 4er Kette eine 5er Kette. Der FCA konnte weiterhin keinen Zugriff aufs Spiel finden und Union kam kurz vor dem Ende zum Ausgleich.

Am Ende geht der Blick auf diesen späten Ausgleich. Auf seine Wechsel angesprochen, erklärte Thorup nach dem Spiel seine Entscheidung mit Blick auf die Unioner Offensivbemühungen. An sich mag ich bei der Beurteilung der Entscheidung auch nicht einfließen lassen, wie das Spiel am Ende ausging. Es ist für mich allerdings klar erkennbar, dass Thorup in dieser Situation konservativer agiert hat als noch vor ein paar Wochen und ich heiße das persönlich nicht gut. Da lobe ich mir die Spielentwicklung gegen Frankfurt. Da wünsche ich mir jetzt Konstanz in diesen Entscheidungen.

In der Systemfrage variabel?

Eine andere Frage die sich im gleichen Atemzug auftut: ist der Trainer systemflexibel, so wie er bei seiner Ankunft dargestellt wurde. Thorup hat einen Kader der deutlich auf 5er Kette ausgerichtet ist mit Mbabu und Iago oder Pedersen auf den Außen. Alleine die vielen Innenverteidiger im Kader sprechen schon für dieses System ohne im Übermaß geeignete Außenverteidiger für die 4er Kette zu haben.

Jess Thorup hat sein Team bisher zu positiven Ergebnissen getrieben. Reicht das langfristig? (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Gegen Union Berlin begann der FCA erneut mit 4er Kette. Warum? Man hätte den Gegner überraschen können nach der Länderspielpause. Derweil stellte man erst in der zweiten Halbzeit um und zeigte die eigenen Karten. Ein möglicher Überraschungseffekt ist nun verpufft. Was sich in diesem Zusammenhang zeigen wird: Ist Thorup in der Systemfrage wirklich variabel oder ist er nicht doch ein 4er-Ketten Trainer? Maaßen hat die 5er Kette jedenfalls nicht stabil aufgesetzt bekommen. Thorup schwenkte gegen die Eintracht zur 4er-Kette zurück. Bleiben wir nun dabei?

Jugend adé?

Freddy Jensen fehlte krankheitsbedingt gegen Union. Ansonsten bleibt der FCA weiterhin von schwereren Verletzungen verschont in dieser Saison. Und für die eigene Jugend ist dann kein Platz im Kader. An dieser Stelle mag man sich einmal fragen, ab wann man als Fan zumindest einzelne Minuten einzelner Spieler sehen will, um dem FCA wieder abnehmen zu können, dass er sich auf den eigenen Nachwuchs fokussiert.

Von einzelnen Minuten sind wir aber weit weg, wenn noch nicht einmal ein einziger Spieler aus dem eigenen Nachwuchs es bis in den Kader schafft. Was ist hier die Idee und wie lange soll es brauchen? Im 13. Bundesligajahr ist der FCA dann mal wieder ohne Talente aus dem eigenen Nachwuchs unterwegs. Komplett ohne. Das ist für das 13. Jahr schlichtweg zu wenig, gerade wenn man sich die Investitionen in die Infrastruktur vor Augen führt. Das ist ein Punkt an dem Jurendic und Thorup anpacken müssen. Lieber früher als später.

Identität gesucht

Es bleibt dann an dieser Stelle auch eine Wiederholung, dass man beim FCA momentan noch nicht genau weiß, wo die sportliche Reise hingeht. Die Verantwortlichen sind noch frisch beim Verein und brauchen Zeit. Auf der anderen Seite gilt es bei Fehlentwicklungen früh den Finger zu heben. Scheiß auf „zu Null“-Spiele. Geht auf den Sieg. Unsere Vereinswerte enthalten eben „Mut“ und wenn der abhanden kommt, dann werde ich meckern.

Auf der anderen Seite bin ich mit Blick auf die eigene Jugend die Hinhalterei einfach leid. Zehnter und Kömür sollen eine faire Chance erhalten. Erst war Weinzierl Schuld, der angeblich keinen Bock hatte. Maaßen kam als Jugendförderer und auf einmal fehlte der Jugend die Qualität und Maaßen der Mut. Ich will wissen, woran wir an Thorup bei diesem Thema sind.

Insgesamt ist es Zeit für den FCA, nicht weiter sportliches Chamäleon zu spielen. Welche sportliche Ausrichtung priorisieren wir und warum? Wie leben wir dabei unsere Werte. Es wird Zeit, dass wir uns festlegen. Die Ergebnisse der letzten Phase sollten uns die Sicherheit geben, jetzt direkt Entscheidungen in dieser Hinsicht zu treffen. Aus der Sicherheit heraus und nicht erst, wenn es wieder brenzlig wird.

Zum Zuschauen verdammt

Breit ist der Kader des FC Augsburg. Dazu sind fast alle Spieler fit. Außer Reece Oxford fehlt im Moment niemand langfristig. Eine seltene Situation bei einem Bundesligisten. Wenn man dazu noch aus 4 Spielen 8 Punkte holt und nicht verliert, bewegt sich wenig im Kader. Dies hat nun vor der Länderspielpause bedeutet, dass einige Spieler überhaupt nicht mehr zum Einsatz gekommen sind und sich nicht mal mehr im Kader wiederfanden. Ein Blick auf die Spieler, die man am wenigsten in dieser Situation erwartet hätte:

Patric Pfeiffer

Felix Uduokhai wollte den FCA verlassen. Jeffrey Gouweleeuw wurde mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht mehr verlängert würde. Anfang der Saison hat man sehnlichst darauf gewartet, dass Patric Pfeiffers Rot-Sperre aus Darmstadt endlich abgesessen wäre, so dass er schnellstmöglich dem FCA sportlich helfen könnte. Einige Wochen später spielen Uduokhai und Gouweleeuw wieder in der Innenverteidigung. Selbst während einer Sperre von Uduokhai kam Maxi Bauer zum Einsatz. Pfeiffer schafft es derweil noch nicht mal in den Kader. Ich bin vor der Saison fest davon ausgegangen, dass Pfeiffer ein fixer Bestandteil des Teams sein würde. Wie man sich doch irren kann.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch Freddy Winther keine Einsatzchancen in Augsburg bekommt, durch die Fülle von Innenverteidigern.

Dion Beljo

Mergim Berisha ließ man im Sommer auch deshalb ziehen, weil man mit einem gewissen Selbstbewusstsein davon ausging, dass man auf den Abgang vorbereitet sei. Dion Beljo kam im Winter aus Kroatien zum FCA und lieferte in der Rückrunde schon einige Tore ab. Nur ist Beljo momentan nicht gefragt, denn ihm wurde von Sommer-Transfer Philip Tietz der Rang abgelaufen. Tietz ist auch körperlich präsent und stark im Festmachen von langen Bällen. Tietzi, der gerüchteweise bei Nagelsmann für die Nationalmannschaft zumindest in Betracht kam, ist in der Form seines Lebens und Beljo kommt schlicht nicht vorbei. Das Glück des einen ist das Pech des anderen. Ich glaube trotzdem, dass Beljos Zeit noch kommt.

Irvin Cardona und Nathanael Mbuku

Im Winter zusammen mit Dion Beljo gekommen, um für die Offensive mehr Optionen zu schaffen. Beide sind momentan keine Option. In Einzelgesprächen hat ihnen Jess Thorup erklärt, warum es momentan nicht reicht. Gerade die gute Form von Freddy Jensen und die offensive Variabilität von Sven Michel machen beiden einen Strich durch die Einsatzrechnung. Cardona kam in der abgelaufenen Saison in der Rückrunde zumindest zum Einsatz. Kann man bei Mbuku schon von einem Fehlgriff sprechen? Für beide keine zufriedenstellende Situation.

David Colina hängt im Kader hinter Iago und Mads Pedersen fest. Wie lange noch? (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

David Colina

Iago wollte wechseln und Mads Pedersen hat im Sommer seinen Vertrag verlängert. Nun gab es keinen Interessenten, mit dem Iago und der FCA über einen Wechsel überein gekommen wären. David Colina hat es nun erwischt, denn mit den beiden etablierten Kräften kann er nicht mithalten und so reicht es – solange die Kollegen gesund sind und Iago weiterhin beim FCA spielt – noch nicht einmal für den Kader. Talente zu kaufen, nur um sie dann doch nicht zu entwickeln, ist dann auch nicht der richtige Weg. Ob wir beim FCA noch herausfinden, welches Potential in Colina steckt? Ein Winter-Abgang von Iago könnte hier die Türe öffnen.

Arne Maier

Ja, Arne Maier ist momentan verletzt. Aber auch in seiner letzten Partie vor der Verletzung war er nicht im Kader. Ganz ehrlich: Wenn sollte man für ihn momentan nicht nominieren? Sven Michel? Es ist schwierig, weil Maier auch an Arne Engels, dem belgischen Wunderkind, nicht vorbeikommt. Engels liefert auch in begrenzter Einsatzzeit genug positive Momente und hat eines der Spiele unter Jess Thorup eigenhändig gedreht und verbreitet viel Hoffnung. Maier dahingegen hat mal wieder -auch systembedingt – seinen Platz eingebüßt. Kann er erneut überraschen und zurückkommen?

Systemfrage

Die große Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: welche sportliche Ausrichtung präferiert Jess Thorup? Ändert sich etwas durch die Hinzunahme eines neues Co-Trainers? Bis jetzt hat sich an der taktischen Ausrichtung des Teams kaum etwas getan. Die Länderspielpause bietet sich natürlich dafür an, neue Systemvarianten einzustudieren, gerade weil beim FCA nicht übermäßig Spieler auf Länderspielreise sind.

Gerade für die verteidigende Zunft stellt sich die spannende Frage, ob Jess Thorup es in Betracht zieht, 3er Kette spielen zu lassen. Dies scheint in der Kaderplanung der Maaßensche Plan gewesen zu sein. Ansonsten wird es im Kader einen Abgang von klassischen Schienenspielern und Innenverteidigern geben müssen, für die man schlicht nicht mehr die geplante Verwendung hat (und Robert Gumny wird weiter als klassischer Rechtsverteidiger zum Einsatz kommen).

Auf die Systemfrage aufbauend wird sich auch zeigen, welche der oben genannten Spieler überhaupt eine Zukunft in Augsburg haben. Der Augsburger Kader ist zu groß und Marinko Jurendic hat mir im Gespräch gesagt, dass dieser weiter ausbalanciert werden soll. Man braucht nun kein Prophet sein, um anzunehmen, dass drei der oben genannten Spieler im Februar nicht mehr in Augsburg unter Vertrag stehen werden. Nur welche werden es sein?

Auf der Suche nach der sportlichen Identität

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de. 

Kaum ein Verein in der Bundesliga (ja, die Hertha ist abgestiegen), hat in den letzten 18 Monaten so viel Bewegung auf den Positionen seiner Entscheider gesehen, wie der FC Augsburg. Erst verkündete Präsident Klaus Hofmann kurz vor dem Saisonabschluss 21/22 seinen Rückzug. Kurz danach erklärte Markus Weinzierl nach dem letzten Spiel, das er nicht für ein weiteres Engagement zur Verfügung steht. Der FCA war schlagartig auf der Suche nach zwei führenden Köpfen.

Erste Unruhewelle

Zuerst besetzte man – nach langem Suchprozess und bei ansteigender Ungeduld im Umfeld – die Trainerposition. Enno Maaßen kam von der Dortmunder U23 und sorgte für Aufbruchsstimmung. Er stand für den Wunsch, dass junge Spieler entwickelt werden sollten. Er stand zudem dafür, seinen Teams Ballbesitzfußball näher zu bringen. Und sein Spielansatz sollte sichtbar intensiv sein.

Im Herbst desselben Jahres fand der FCA einen neuen Präsidenten. Kneipenwirt Max Krapf übernahm die Position. Kommunikativ und stark in der Stadt vernetzt ging er nach seiner Ernennung unmittelbar dazu über, Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten zu führen, und sorgte in der Folge dafür, dass sich der ein oder andere mehr mitgenommen fühlte. Sportlich waren zudem unter Maaßen erste Erfolge zu verzeichnen. Es hätte Ruhe einkehren können.

Zweite Unruhewelle

Die weitere Entwicklung wurde dann davon getrieben, dass der FCA sich sportlich breiter aufstellen wollte. Es sollte ein Sportdirektor zur Unterstützung von Stefan Reuter kommen, nachdem Krapf im Tagesgeschäft nicht aktiv eingriff gerade im Vergleich zu Klaus Hofmann. Mit Marinko Jurendic fand man zum 01.08. einen neuen Mann für die Aufgabe. Allerdings kristallisierte sich im Prozess heraus, dass Reuter den Moment nutzen wollte, um selbst in den Hintergrund zu treten. Recht bizarr, wenn man bedenkt, dass ihm beim Abgang von Hofmann noch vorgeworfen worden war, in diesem Zuge seine eigene Macht stärken zu wollen.

In Freiburg war noch alles gut zwischen Maaßen und Jurendic, auch wenn am Ende wieder Christian Streich lachte. (Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Der nächste Wechsel wurde unumgänglich, weil Enno Maaßens Team sich selbst immer wieder Beine stellte und Maaßen keine Lösungen mehr fand. Der FCA sah sich gezwungen in der Saison 2023/24, den Wunsch nach Konstanz auf der Trainerposition kurzfristig wieder zu begraben. In der zweiten Länderspielpause im Oktober wurde Maaßen freigestellt und Jess Thorup als neuer Cheftrainer an den Lech geholt.

Gesammelte Abgänge und Visionen

Und wer hätte zu Beginn des Jahres 2022 gedacht, dass nicht einmal 2 Jahre später, weder Stefan Reuter, noch Klaus Hofmann, noch zwei Cheftrainer, die beide den Klassenerhalt gesichert hatten, nicht mehr beim FCA tätig wären. Zusammen mit den gesammelten Abgängen verließen auch viele Ideen und Visionen den Club. Daneben – und das ist ein Thema, welches in Zukunft noch näher betrachten werde – haben auch viele erfahrene Spieler den Club verlassen.

Klaus Hofmann wollte aus dem FCA ein Club formen, der auch international mit Spielern wie Ricardo Pepi für Furore sorgt. Stefan Reuter war ein Verantwortlicher mit ruhiger Hand, der vor allem für Konstanz stand. Die Trainer standen beide für einen aktiven Ansatz in der Spielanlage. Von Enno Maaßen erhoffte man sich, dass er Spieler entwickeln könne, was Weinzierl lieber bleiben ließ.

Wohin geht die Reise?

Gerade sportlich entstand durch die Wechsel kurzfristig ein Vakuum. Sowohl Michael Ströll, der letzte Verantwortliche aus der alten Garde, als auch Max Krapf sind nicht die Fußball-Experten. Krapf hat zu seinen Podcast-Zeiten bei taktischen Analysen immer gerne an die Kollegen übergeben, Ströll hat zwar selbst gespielt, seine Expertise liegt aber v.a. im kaufmännischen Bereich. Mit Jurendic und Heinz Moser hat man zwei dazu geholt, dazu kommt nun mit Jess Thorup ein neuer Trainer. Mit Timon Pauls hat zudem der Chefscout den Club verlassen und wechselte (Trommelwirbel) zur Hertha. Anscheinend steht er auf Unruhe im Umfeld.

Sportlich ist nun die Frage, wie das große Ganze aussehen soll. Krapf hatte in seinen ersten Monaten schon erwähnt, dass er gerne sehen will, dass Spieler auch mit Gewinn verkauft werden. Wirtschaftlich ist der FCA hierauf wohl auch angewiesen, um mit vergleichbaren Clubs auf Augenhöhe zu bleiben. Bei Berisha hat dies auch gleich im Sommer gut funktioniert. Auch bei Ricardo Pepi konnte man den Schaden kurzfristig minimieren und langfristig sogar noch ein bisschen Potential über eine Beteiligung am Weiterverkauf sichern.

Pro „Heimatverein“

Ist aber „Ausbildungsverein“ der richtige Begriff, für das Zielbild beim FCA? Sollen Spieler kommen, um auch wieder zu gehen? Es ist schön, wenn das klappt, aber es sollte nicht das Zielbild sein. Die Spieler sollten gerne in Augsburg ihre „beste“ Zeit haben. Sie sollten sich wohlfühlen und Topleistungen abliefern. Für manchen wird es zu mehr reichen. Andere werden hoffentlich bleiben und sesshaft werden. Es muss auch wieder Fälle wie den von Daniel Baier geben und nicht nur wild der nächste Baba gesucht werden.

Spieler sollten, wenn fit, gerne ihre Karrieren in Augsburg beenden können. Mir ist das zu viel Familien-Marketing und zu wenig Familiengefühl, wenn man sich das im Moment anschaut. Gerade aber das ruhige Umfeld und die Stadt mit ihrer hohen Lebensqualität sollten Spieler anlocken, die nicht den ganz großen Trubel wollen. Wenn ihnen der Club dann eine gewisse Wertschätzung entgegenbringt, die in der Vergangenheit auch immer mal wieder vermisst wurde (Stichwort: Verabschiedungen), dann werden wir auch wieder große Abgänge sehen, aber auch konstante Leistungsträger, die nicht nach mehr suchen. Dann wird auch für den ein oder anderen Spieler der FCA wieder zur Heimat. Und der FCA ist nicht nur für die Menschen auf den Rängen der „Heimatverein“.

Thorups Lieblinge?

Nicht einmal drei Wochen ist es her, seit Jess Thorup die Nachfolge von Enrico Maaßen als Trainer beim FC Augsburg angetreten hat. Trotzdem hat sich in der Zeit schon etwas getan. Vor allem Positives. In den beiden Spielen unter dem neuen Chef-Coach hat der FCA acht Tore erzielt, zwei Rückstände gedreht und sechs Punkte eingesammelt. Über so viel Action, die am Ende auch noch von Erfolg gekrönt ist, durfte man als FCA-Fan schon lange nicht mehr jubeln. What a feeling!

Auch beim Personal gab es mittlerweile Veränderungen. Die aber nicht ganz so ins Auge stechen wie die Tatsache, dass unser Verein nach wochenlanger Durststrecke plötzlich wieder gewinnt. Thorup hat an der Aufstellung gebastelt. Akteuren sein Vertrauen geschenkt, von denen man es nicht unbedingt erwartet hat. Und Stammplatzgarantien aus früheren Tagen bekräftigt bzw. ins Wackeln gebracht. Welche Spieler profitieren individuell vom Trainerwechsel? Das haben wir uns angeschaut.   

Feinfuß Jensen

Auf dem Platz ist er ein Tausendsassa und neben dem Platz immer für einen Spaß zu haben: Freddy Jensen stand in den beiden Matches unter Thorup jeweils überraschend in der Startelf und wurde mit seinen drei Vorlagen in Heidenheim völlig zurecht zu unserem Man of the Match gewählt. In 41 Spielen, die Vorgänger Enrico Maaßen leitete, startete der Finne, der seit 2018 Mitglied der FCA-Familie ist, lediglich acht Mal von Beginn an.

Sicherlich profitierte Jensen davon, dass Ruben Vargas, der seit Saisonbeginn verstärkt die Rechtsaußen-Position besetzt, verletzungsbedingt fehlte. Allerdings ist der Schweizer schon seit Längerem nicht mehr unersetzlich und Irvin Cardona hat als weitere Alternative derzeit Probleme, überhaupt ins Aufgebot zu kommen. Sofern die Gesundheit hält, was in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall war, dürften wir künftig häufiger in den Genuss von Jensens feinen Qualitäten, u.a. technischer Art (die Ecken!), kommen. Ich hätte absolut nichts dagegen. 

Emotional und lautstark feierte Phillip Tietz seine ersten beiden Treffer für den FCA. (Foto: FC Augsburg auf Twitter/X)

Erste Tietz-Treffer

Mit Phillip Tietz, der für die neue Saison aus Darmstadt geholt worden war, hat Dion Beljo, selbst zur Winterpause an den Lech gekommen, auf der Mittelstürmerposition Konkurrenz bekommen. Zwar gibt es etwa mit Kapitän Ermedin Demirović und Sven Michel weitere Kollegen im Sturm. Doch letztlich konkurrieren Tietz und Beljo am härtesten untereinander um Einsatzminuten. Unter Maaßen war die Bilanz der beiden noch recht ausgeglichen, allerdings schon mit leichter Tendenz zu Tietz, der öfter beginnen durfte. (Was aus Zuschauersicht manchmal nicht ganz nachvollziehbar war, weil dem Blondschopf außer einem Assist bis dahin noch nicht viel gelungen war…)

Unter Thorup verfestigte sich diese Tendenz nun. Den wilden Fight auf dem Heidenheimer Schlossberg konnte der 21-jährige Kroate nur von der Bank aus verfolgen, während der 26-jährige gebürtige Braunschweiger seinen ersten Treffer für den FCA feiern durfte. Da der nächste prompt daheim gegen Wolfsburg folgte, sieht es so aus, als wäre bei der Tietz der Knoten geplatzt. Das dürfte seine Aktien beim Cheftrainer wohl weiter steigen lassen. Sehr gerne! Aber nur, wenn er noch ein wenig mehr an seinen Abschlüssen arbeitet…   

Dorsch mit Kredit

Arne Engels war DIE Entdeckung der abgelaufenen Rückrunde. Ohne Wenn und Aber. Ich will an diesen Satz vom Januar erinnern, als der damals 19-Jährige vom Farmclub des FC Brügge zum FCA stieß:

„Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich der ‚hochveranlagte Mittelfeldspieler‘, wie Stefan Reuter von ihm schwärmt, auf der Stelle zur Stammkraft im Mittelfeld aufschwingen wird.“

Auszug aus meinem Text für die RoGaz vom 09.01.2023
Siegtreffer zum 3:2 gegen den VfL Wolfsburg! Was für eine Aktion von Arne Engels. (Foto: FC Augsburg)

Doch genau das hat der mittlerweile 20-jährige getan. Sein Marktwert ist von 100.000 Euro, die der FCA mutmaßlich nach Belgien überwiesen hat, auf schwindelerregende 7,5 Mio. Euro gestiegen. Seine Beorderung ins zentrale Mittelfeld, das er meist zusammen mit dem defensiver eingestellten Elvis Rexhbecaj bespielte, hatte aber auch damit zu tun, dass die ursprünglich dafür vorgesehenen Kandidaten Niklas Dorsch und Arne Maier durch langwierige Verletzungen bzw. ein langanhaltendes Leistungstief dem Trainer nicht oder nicht voll zur Verfügung standen.

Dorsch, den Thorup noch aus seiner Zeit beim KKA Gent kennt, hat sich mittlerweile zurückgearbeitet und will seine Führungsansprüche, die er u.a. als neuer Vize-Kapitän angemeldet hat, nun einlösen. Der Däne lässt ihm auch die Chance dazu. Zuungunsten von Engels, der beim FCH und gegen die Wölfe nur als Ersatzspieler fungierte. Gegen den VW-Club machte dieser mit einem Assist und seiner ersten eigenen Bude innerhalb von nur zwei Minuten aber so dröhnend auf sich aufmerksam, dass Thorup auch in dem jungen Belgier durchaus einen potentiellen Startelfkandidaten sieht, wie er auf der Pressekonferenz vor Köln schmunzelnd eingestanden hat. Wie dieser Fight ausgeht? Bleibt abzuwarten. Allerdings bin ich, sorry Dorschi, zugegebermaßen ein kleines Engels-Fangirl…

Dahmen auf Bewährung

Als Jess Thorup vor seinem ersten Spiel mit dem FCA mitteilte, dass auch Finn Dahmen im Tor keine Startplatzgarantie erhält, war ich erst überrascht. Und dann nicht mehr ganz so. Schließlich wollte der Däne in den ersten Wochen alles auf den Prüfstand stellen. Und dazu gehört eben auch der 25-jährige Ex-Mainzer, der in den ersten sieben Partien (noch unter Maaßen) im Schnitt fast 2,5 Gegentore kassierte. Klar, nicht ohne Zutun unserer oft wackeligen Defensive. Trotzdem sehen viele in ihm noch nicht den Dirigenten, der er hinter der Abwehr sein müsste.  

Mads Pedersen ist nach dem 1:0 gegen Union sofort auf seinen Teamkollegen zugestürmt und hat ihm zum lang ersehnten Sieg gratuliert. (Photo: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Thorup ließ ihm trotzdem den Vortritt, auch wenn er sich aktuell auf Bewährung befindet. Dadurch kann sich Tomáš Koubek Hoffnung auf mögliche weitere Einsätze machen. Im Frühjahr hatte Augsburgs Nr. 2 den verletzten Rafał Gikiewicz für sieben Spiele würdig vertreten und diese Zeit – vor allem den 1:0-Sieg gegen Union – extrem genossen. Koubek, dessen erste Zeit beim FCA bekanntlich ja gehörig in die Hose ging, ist bekannt als jemand, der jeden Tag hart arbeitet und Teamplayer durch und durch ist. Ganz egal, auf welchem Rang in der Torhüter-Hierarchie er gerade steht. Daher würde ich mich über ein paar Spielminuten, die ihm Thorup verschafft, sehr freuen.

Erfrischend gleich

Enorme personelle Umstellungen hat Jess Thorup in der Kürze der Zeit (noch) nicht vorgenommen. Und doch hat er Präferenzen aufblitzen lassen und in seiner Wunschaufstellung umgesetzt. Was unter dem neuen Mann beim FC Augsburg gerade passiert, finde ich extrem spannend und lässt mich mit Vorfreude auf die nächste Zeit blicken. Allein, dass der Coach für Samstag gegen Köln in Erwägung gezogen hat, seinem linksfüßigen Landsmann Freddy Winther mal wieder eine Chance zu geben und ihn auf die Position des gelb-rot gesperrten Felix Uduokhai zu stellen, ist erfrischend. Oder ob doch Japhet Tanganga zu seinem Debüt für den FCA kommt, obwohl er Rechtsfuß ist? Thorup wird es wissen. Ihm ist vieles zuzutrauen. Und das mag ich.   

Hier ist Thorup schon besser als Maaßen

Jess Thorups Einstand ist geglückt. Das erste Mal seit Martin Schmidt 2019 gelingt einem FCA-Trainer bei seinem Bundesligadebüt ein Sieg. Beim wilden 5:2 in Heidenheim lief zwar bei Weitem noch nicht alles glatt. Dennoch lassen sich bereits ein paar positive Beobachtungen ausmachen. Was läuft anders im Vergleich zu Enrico Maaßen? Das erste Spiel mit neuem Trainer im RoGaz-Check.

  • Startelf: Vier Wechsel im Vergleich zur Darmstadt-Niederlage. Am überraschendsten gewiss die Entscheidung pro Fredrik Jensen. Der Finne stand zuletzt Anfang April in der Startelf, übernahm die Standards und zahlte das Vertrauen prompt mit drei Vorlagen zurück. Außerdem: Thorup-Landsmann Mads Pedersen vor Iago, der unter Maaßen (und Reuter) degradierte Ex-Kapitän Jeffrey Gouweleeuw neben Uduokhai (Patric Pfeiffer Bank) und Finn Dahmen weiterhin im Tor. Thorup wollte dem jungen Keeper zuvor keine Stammplatzgarantie aussprechen. Diese scheinen ohnehin nur wenige Spieler zu haben (Dorsch, Demirovic).
Auch unter Thorup ist Ermedin Demirovic der Kapitän (der hier Mads Pedersen nach dessen Ausgleichstreffer feiert) (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
  • Kader: Erstmals nach seiner Verletzung war Neuzugang Masaya Okugawa dabei. Bedeutet auch: Die schon unter Maaßen unberücksichtigen Flügelspieler Nathanael Mbuku und Irvin Cardona haben es wohl auch unter dem neuen Coach schwer, ebenso die Defensivakteure Frederik Winther und David Colina.
  • Wechsel: Thorup brachte nach einer Stunde Iago für Michel, um die Defensive zu stärken, nach dem 4:2 kam Arne Engels. Interessant: Der junge Belgier agierte erstmals im FCA-Trikot auf Rechtsaußen. Diese Position spielte er zuvor auch in Brügge. Später brachte Thorup noch Bauer und Breithaupt, was für etwas Verwirrung bei Dion Beljo sorgte. Nachdem Tietz angezeigt hatte, ausgewechselt zu werden, machte sich Beljo mit auf den Weg zur Bank – musste dann aber draußen bleiben. Thorup wechselte nur viermal.
  • System: Vierer- statt Dreier- beziehungsweise Fünferkette in einem 4-2-2-2-System, das in ein 4-2-3-1 und 4-2-4 überging. Sven Michel agierte als der etwas defensiv versetztere Part hinter Phillip Tietz, Ermedin Demirovic wich vermehrt auf die Außen aus. Das Augsburger Spiel war sehr rechtslastig über den agilen Jensen. Demirovic ließ sich öfter nach links fallen und beteiligte sich so am Spielaufbau. Die Verlagerung von links auf rechts ging über die zentralen Elvis Rexhbecaj und vor allem Niklas Dorsch. Ihm kommt unter Thorup die Rolle des Spielgestalters zu. Im Spielaufbau agiert er als Box-to-Box-Spieler, der auch tief in der eigenen Hälfte anspielbar ist. Dorsch kennt Thorup noch aus Belgien, machte aber nur ein Spiel unter ihm, da der Trainer schon nach dem 2. Spieltag entlassen wurde.

Nun ist es schwer, aus einem Spiel große Rückschlüsse abzuleiten. Der FCA zeigte sich in der Anfangsphase in Heidenheim defensiv überfordert und bis zum 2:1 offensiv ideen- und harmlos. Danach machten die Augsburger aber ein richtig gutes Bundesligaspiel und gingen verdient als Sieger vom Platz. Das lag an ein paar Punkten, die unter Maaßen noch anders waren.

  • Hallo-Wach-Effekt genutzt: Wie so oft spielte der FCA erst nach einem Rückschlag auf. Anders als etwa gegen Darmstadt kam dieser nun aber rechtzeitig. Und anders als gegen Gladbach, als man ein 1:3 in ein 4:3 gedreht hatte, ließ der FCA nicht nach und hatte die Partie bis auf einen gefährlichen Heidenheimer Abschluss in der zweiten Hälfte im Griff.

  • Laufleistung: Der FCA lief gegen Heidenheim 126 Kilometer. Das ist mit Abstand der beste Saisonwert. Gegen Darmstadt waren es zehn Kilometer weniger, gegen Bochum sogar nur 108. Die meisten Kilometer in Heidenheim spulte übrigens Rexhbecaj (12,2) ab. Er war sehr präsent im Augsburger Mittelfeld.

  • Passquote: 80 Prozent sind für Augsburger Verhältnisse ein guter Wert. Unter Maaßen lag man hier meist drunter (in dieser Saison aber auch schon drüber).

Fazit

Ein gelungener erster Thorup-Auftritt, der freilich nicht makellos war – aber insgesamt Lust auf mehr macht. Wir freuen uns.

Ein verrücktes Debüt

Die Vorzeichen waren schon einmal schlechter, wenn neue Trainer eine neue Station angetreten haben. Die Zeichen standen sogar recht gut für Jess Thorups erstes Spiel in der Fußballbundesliga. Kommen wir zuerst zu den äußeren Umständen. Es war zwar ein Spiel Ende Oktober, aber das Wetter enttäuschte nicht. Die Sonne schien zu Beginn des Spiels noch ins Stadionrund, auch zu dieser späten Anstoßzeit. Das Wetter war mild und die Konditionen optimal für einen Bundesligaeinstand.

Auch ansonsten gab es schon Trainer, die bei ihrem neuen Club auf kompliziertere Konditionen getroffen haben. Einerseits ist der Kader der Augsburger fast vollständig fit, es fehlten nur wenige Spieler wie Ruben Vargas verletzungsbedingt. Auch steht der Club nicht im Tabellenkeller. Man hat schon gewonnen diese Saison und es ist noch nicht 5 vor 12. Dazu ist die Kulisse in Heidenheim im besten Sinne „beschaulich“. Von den Rängen wird zwar Lärm gemacht, aber es ist kein Vergleich mit Kulissen wie in Frankfurt oder Dortmund. Einschüchternd hätte das heute nicht wirken sollen.

Sportlich wenig Entwicklung

Bei dem, was dann auf dem Rasen zu beobachten war, war dann auch von der gegenüberliegenden Tribüne aus zu erkennen, dass Neutrainer Jess Thorup nicht zufrieden war. Da half dann auch sein Auftreten im blauen Anzug nichts: seine Mannschaft kassierte das 0:1 nach einem Standard, das 0:2 nach einer adretten Heidenheimer Kombination, die von seiner Mannschaft passiv hingenommen wurde. Die Standards waren auch vorher schon gefährlich. Finn Dahmen konnte sich bei einer früheren Ecke mit einem Klasse-Reflex zeigen.

Als Anhänger des FC Augsburg rieb man sich in der Mitte der ersten Hälfte verwundert die Augen. Einerseits hatte sich an der Aufstellung des Teams nur marginal etwas geändert. Thorup schickte das Team erneut in einem 4-2-2-2 auf den Rasen und rotierte nur marginal. Dorsch durfte anstatt Engels ran, Jensen ersetzte den verletzten Vargas. Die Mannschaft spielte nicht nur taktisch wie unter seinem Vorgänger. Auch auf dem Rasen blieb die Passivität und die individuellen Fehler.  Der Gästeblock verstummte zeitweise. Der Trainereffekt hatte sich früh abgenutzt. Ernüchterung kehrte ein.

Zum Haare raufen zwischendurch, bevor die Hände zum Jubeln erhoben wurden. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ungeahnte Wende

Aber Fußball ist eben doch eine unberechenbare Angelegenheit. Es begann erst unscheinbar. Erst stand Tietz nach einer Jensen-Ecke völlig blank und nutzte die Chance. Danach nutzte der FCA einen zweiten Ball nach einem Einwurf und Tietz legte auf Pedersen ab, der eiskalt vom Straftraumrand vollendete. Auf einmal war Heidenheim verunsichert. Unbedacht hatte man den FCA zurück ins Spiel kommen lassen. Kleindiensts gelbe Karte war in dieser Phase symptomatisch. In all diesem Durcheinander eroberte der FCA direkt nach dem Anpfiff erneut den Ball, Jensen legte von rechts herein und Demirovic rutschte den Ball ins Tor. 3:2 für den FCA nach 40 Minuten. Was ein Ritt und Wahnsinn.

Zu Beginn der zweiten Hälfte ist für den FCA alles beim Alten, wenn es darum geht, Konstanz ins eigene Spiel zu bekommen und defensiv sicher zu stehen. Das war auch nach den Gegentoren nicht immer sattelfest. Man mochte allerdings nicht prophezeien, wohin dieses Spiel sich noch entwickeln würde.

Offensives Mindset

Insgesamt wirkte das Ganze dann weiterhin nicht wie aus einem Guss. Der FCA ließ Heidenheimer Spieler auch in der zweiten Halbzeit frei vor Torhüter Dahmen auftauchen. Auch im eigenen 6er Raum war man in manchen Situationen weit weg von den Gegenspielern. Auf der anderen Seite waren die ersten Abweichungen zu den letzten Maaßen-Spielen zu beobachten. Uduokhai wagte sich nach 56 Minuten bei einem Dribbling offensiv mit nach vorne und sorgte für Unruhe. In der Folge hatten dann Tietz und Jensen jeweils gute Chancen um für die Augsburger weiter zu erhöhen. Zur Entscheidung kam es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Die Unterhaltsamkeit fand dann nach einer Ecke den Augsburger Höhepunkt, als Felix Uduokhai zum 4:2 aus Augsburger Sicht erhöhte. Erwähnenswert weiterhin im Spielverlauf: Arne Engels durfte später auf rechts für Freddy Jensen ran und eben nicht zentral. In der 80. Minute rührte Thorup den Zement an, und verstärkte die Defensive mit Bauer und Breithaupt für Tietz und Dorsch massiv. Das Elfmetertor von Elvis Rexhbecaj war am Ende die Kirsche auf der Sahne eines außergewöhnlichem 5:2 Auswärtssiegs. Dem ersten nach über einem Jahr Auswärts-Durststrecke.

Aussagekraft

Das Spiel des FCA in Heidenheim ist eine Einzelbeobachtung. Sehr unterhaltsam, aber einmalig. Wenig kann man aus diesem einzelnen Spiel ableiten. Einerseits wird kaum ein Gegner den FCA nach Fehlern – wie in der ersten Halbzeit – wieder ins Spiel kommen lassen. Andererseits wird auch kaum eine gegnerische Abwehr sich so löchrig präsentieren, wie die der Heidenheimer.

Einige Fakten bleiben. Zum ersten Mal 5 Auswärtstore. Zum ersten Mal nach 0:2 Rückstand noch gewonnen. Tietz das erste Bundesligator. Zumindest das Selbstbewusstsein sollte gewachsen. Aber wer würde nun eine Prognose abgeben wollen, wie es nach diesem verrückten Debüt weitergeht.

Die neue Ernsthaftigkeit

In der ersten Trainingswoche unter dem neuen Trainer Jess Thorup wurde am Mindset gearbeitet. Auch an taktischen Dingen. Aber eben auch am Mindset. In der Pressekonferenz vor dem Spiel war hier von Seiten Jess Thorup zu hören: „Für mich ist wichtig, wie wir auf dem Platz stehen.“ Und damit war nicht die Formation gemeint, sondern die Art und Weise der Umsetzung.

Mit diesen Aussagen und Eindrücken bestätigt sich das erste Bild, das Jess Thorup in seinen ersten Tagen beim FCA abgegeben hat. Der Familienmensch Jess Thorup erschien zu seiner Antrittspressekonferenz im Dreiteiler. Es wurde ersichtlich, dass es hier auch im Außenauftritt des älteren Trainers Thorup deutliche Unterschiede zu Enno Maaßen gibt. Er steht damit auch in einer dänischen Tradition beim FC Augsburg. Mads Pedersen hatte seine Vertragsverlängerung im formalen Zwirn unterschrieben. Beide zeigen auch mit ihrer Kleidungswahl die Wertschätzung gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Verbindlichkeit

Jess Thorup wirkt entsprechend in seinen ersten Tagen nicht nur älter als Maaßen sondern strahlt auch auf eine andere Art und Weise Autorität aus. Man kann in jedem Falle erkennen, dass Thorup ein anderer Typ ist. Wenn man nun den Ausführungen von Marinko Jurendic zum Suchprozess folgen mag, so hat sich im Anforderungsprofil wohl herausgebildet, dass eine reifere Persönlichkeit nötig ist, um mit der jungen Mannschaft zu arbeiten. Ob diese Rechnung aufgeht, werden wir alle zusammen beobachten können.

Maaßens Ansatz, der darauf basierte, dass die neue Generation der Spieler eine lockerere Ansprache benötigt, ist am Ende gescheitert. Von den erfahrenen Kräften blieb kaum einer übrig, das junge Team lieferte immer wieder schlechte Halbzeiten ab und machte sich über dumme Fehler selbst Spielverläufe kaputt. Evtl. ist hier auch diese ausstrahlende Verbindlichkeit ein kulturelles Element, das zukünftig positive Effekte erzeugen kann.

Jess Thorup auf dem Feld mit der Mannschaft. Seine Ausstrahlung ist nicht zu bestreiten. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Über das Fußballerische hinaus

Die Probleme der Mannschaft gehen dabei über die rein fußballerischen Themen hinaus. Die verkackten ersten Halbzeiten und die monströsen individuellen Fehler sind auf einer rein fußballerischen Ebene nicht erklärbar. Gerade deshalb hatte ich vor Wochen die mentale Entwicklung des Teams thematisiert. Thorup scheint hier anzupacken und nach Lösungen zu suchen.

Ein Fokus von Thorup liegt dann im Spiel gegen Heidenheim auf Mentalität und Einsatz, zu der er auf der ersten Pressekonferenz sagte: „Das kann jeder. Das muss ich von jedem sehen.“ Der Konkurrenzkampf ist eröffnet und auch die mannschaftliche Struktur wird durchgerüttelt. Während Keeper-Spezialisten die Leistungen von Finn Dahmen ansprechend fanden, obwohl er dem Team noch keinen Sieg durch individuelle Glanzparaden festhalten konnte, ist auch auf der Torhüterposition der Konkurrenzkampf angeschürt. Eine Einsatzgarantie für Dahmen gab es vorerst nicht. Einzig Ermedin Demirovic bleibt hier außen vor. Er bleibt vorerst Kapitän und ist durch seine Torgefährlichkeit auch sportlich aus der Mannschaft nicht wegzudenken. Für alle anderen gilt es, sich zu beweisen und zu zeigen, was sie drauf haben.

Neue Chancen

Entsprechend ergibt sich für den FCA die schöne Situation, dass durch den Wechsel nun viele neue Chancen bestehen. Spieler wie Arne Maier oder Niklas Dorsch können wieder hoffen, mehr in den Fokus zu rücken, um sich beweisen zu dürfen. Bei all dem strahlt Thorup eine große Verlässlichkeit aus. Es wird Zeit brauchen, bis sportlich mehr von dem zu sehen ist, was er umsetzen will. Rein von der Herangehensweise ist ein neuer Zeitgeist eingekehrt.

Dabei teile ich die Meinung, dass diese Ernsthaftigkeit jetzt das ist, was die Mannschaft auch braucht. Thorup kann wie ein Stützpfeiler wirken, an dem sich das Team nach und nach aufrichtet. Ernsthaftigkeit ist auch etwas, dass ich bei allen Profis im Hinblick auf ihre Leistungen erwarte, abseits allen Spaßes und aller Lockerheit. Der FCA und das Team ist vielen Menschen wichtig. Es ist schön zu sehen, dass der neue Trainer zumindest mir das Gefühl gibt, dass er hier Ansätze findet um auch über sein Wirken auf die Mannschaft die Leistungen positiv zu beeinflussen. Kurz vor dem Heidenheim-Spiel bin ich optimistisch, dass dieser Ansatz funktionieren kann. Und damit ist nach einem Jahr ohne Auswärtssieg schon viel erreicht und mehr konnte man von Thorup als Fan nicht erwarten.

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