Unter dem Radar

In diesen Tagen hat eine Person beim FC Augsburg betont, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie für einen professionellen Fußballclub sei. Die Aussage wurde rund um die Verpflichtung von Jess Thorup von Marinko Jurendic getätigt. Jurendic wollte in diesem Zusammenhang wohl hervorheben, warum es wichtig war, sich für die Entscheidung für einen neuen Trainer Zeit zu nehmen. Jurendic konnte auch schlecht sagen, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie ist nach dem sportlich Verantwortlichen: ihm selbst.

Der Sportdirektor im Fokus

Nach dem Wechsel auf dem Präsidentenposten, vom im Tagesgeschäft eingebundeneren Klaus Hofmann zu Max Krapf, und dem Rückzug von Stefan Reuter in eine beratende Rolle, kann die Debatte nun beginnen, wer beim FC Augsburg für die mittel- und langfristige Entwicklung des Vereins die wichtigste Rolle einnimmt. Einerseits wäre hier der alleinige Geschäftsführer Michael Ströll zu nennen, der gerade im kaufmännischen Bereich die Fäden in der Hand hält und nachhaltig Strukturen aufgebaut hat. Andererseits spricht dies momentan auch gegen Ströll. Der kaufmännische Bereich ist geordnet, die Strukturen sind aufgebaut, der FCA ist wirtschaftlich gesund und läuft.

Umso mehr ist Ströll und der FCA darauf angewiesen, dass Marinko Jurendic seinen Job macht und auch im sportlichen Bereich für Ordnung und eine langfristige Vision sorgt. Als jemand, der neu im Verein ist, muss er zudem lernen, wie der Club tickt und sich Stück um Stück dem Wertegefüge annähern. Jurendic selbst war bis dato auch noch nicht im Auge des öffentlichen Interesses, wie es seine Rolle und Bedeutung vermuten lassen würde. Dies verwundert auch nicht, war doch bei seiner Verpflichtung noch nicht kommuniziert worden, dass Stefan Reuter sich zurückziehen würde. Und es hatte ja auch niemand gedacht, dass er so schnell „die wichtigste Personalie des Vereins“ neu zu klären hätte.

Kommunikativ und offen

Als ich in Heidenheim vor Ort war und das Spiel – ganz gegen meine Gewohnheiten – von der Pressetribüne aus verfolgte, traf ich im Nachgang zum Spiel erstmals persönlich auf Jurendic. Die Stimmung war gelöst nach Jess Thorups erstem Sieg und Jurendic nahm sich reichlich Zeit für die Journalisten vor Ort. Ich kann hier nun keine konkrete Aussage hervorheben, die mir im Gedächtnis geblieben wäre. Eine gewisse Grundskepsis bei sofort nach Spielen getätigten Aussagen ist sowieso immer angebracht. Man merkt direkt nach Spielen allen Beteiligten eine gewisse Grundanspannung weiterhin an. Seine offene kommunikative Art stach allerdings schon dort hervor.

Umso mehr habe ich mich gefreut, dass „Jure“ sich die Zeit genommen hat, um mir meine Fragen zu beantworten und sich mit mir auszutauschen, so dass ich mir selbst einen Eindruck von einer Person und seiner Herangehensweise verschaffen konnte.

Der Teamplayer

Als erstes hatte mich dabei interessiert, warum Jure sich für die Herausforderung beim FCA entschieden hatte. Nach einer ersten Anfrage im Februar und einem Stadionbesuch in Augsburg im Laufe der Rückrunde, vertagte er eine konkrete Entscheidung bis nach der Saison. Mir erscheint in diesem Zusammenhang wichtig, dass es für ihn die richtige Herausforderung zur richtigen Zeit war. Nach 5 Jahren in Zürich, in denen er auch Meister wurde, stellte er nach der Anfrage fest, dass der Weg nach Augsburg kein weiter ist. „Ich musste erstmal googlen, wo Augsburg überhaupt genau liegt. Ich hatte eine grundsätzliche Vorstellung, aber detailliert hatte ich mich mit Stadt und Verein noch nicht beschäftigt. Das habe ich dann im März erstmals gemacht.“ Man denkt immer, man kennt sich im Fußballzirkus. In diesem Fall jedoch nicht. Jurendic kam zum ersten Mal mit Michael Ströll und Stefan Reuter in Kontakt, obwohl er grundsätzlich affin mit der deutschen Bundesliga war. Auf der anderen Seite war er wohl überzeugt von seinem eigenen Kompetenzprofil und traute sich den Sprung in die größere Liga zu.

Ich habe wohl gemerkt, wie er bezüglich der Entscheidungsfindung die Rolle seiner Frau und seines Sohns betont hat. Jurendic ist ein Familienmensch, der die eigene Karriere nur im Einklang mit dieser vorantreibt und das macht ihn sympathisch. Auf der anderen Seite betonte er, wie wichtig für ihn in Augsburg die Personen waren, die den Kontakt aufnahmen. Zudem musste das Umfeld passen. Mit Michael Ströll und Stefan Reuter lag er auf einer Wellenlänge und so ist die Entscheidung eine, die abseits des Potentials beim FCA vor allem davon getrieben war, sich in das bestehende Team einzubringen. „Ich habe mir das Ganze dann auch vor Ort angeschaut. Dort wurde das Gefühl, dass ich durch die Gespräche hatte, bestätigt, dass sehr viel Potential vorhanden ist und sehr gute Leute am Werk sind.“ Nach dem Saisonabschluss folgte die feste Zusage.

Das Ende der Transferperiode

Jurendic kam erst zum 01.08., weil er in Zürich noch die Vorbereitung auf die jetzige Saison abschließen wollte. Er wollte im Guten gehen und das spricht für ihn. In Augsburg waren derweil schon viele Dinge im Hinblick auf die Saison geregelt. Einerseits hatte man sich entschieden nach ausführlicher Analyse mit Enno Maaßen weiterzumachen, auch wenn der Saisonabschluss verkackt wurde. Andererseits war so manche Kaderentscheidung getroffen worden. Dass sich Stefan Reuters Rolle ändern würde, war allen Beteiligten bewusst. Wie genau, die Rollen gelebt würden, hat sich seitdem gefunden. „Für mich war klar, dass ich die operative Verantwortung im sportlichen Bereich haben würde. Ich wusste, was ein Sportdirektor in Zürich zu tun hat. In Augsburg ist für mich wichtig, dass ich seit Beginn der Gespräche mit den gleichen Menschen im Austausch stehe und wir gemeinsam an den Strukturen arbeiten.“

Einer der ersten Erfolgsmomente: Die Vertragsverlängerung mit Felix Uduokhai (Bild: FCA)

Jurendic erkannte gewisse Lücken, die man noch angehen wollte. Der FCA und in diesem Fall direkt Jurendic selbst, musste erst einmal seine Hausaufgaben auf der Abgangsseite machen, weil es hierfür eine wirtschaftliche Notwendigkeit gab und der Kader auch schon sehr groß war. Gerade nach dem Abgang von Berisha zur TSG Hoffenheim war man wieder in der Lage, Spieler zu verpflichten. „Wir wollten den Kader ausbalancieren. Wir haben Stanic, Sarenren Bazee und Malone zusätzlich zu Berisha transferiert. Zusätzlich wollten wir die Position rechts hinten doppelt besetzt wissen und eine gewisse Breite in der Innenverteidigung schaffen.“ Die Transfers von Mbabu und Tanganga waren vorher sondiert worden und konnten so auch in kurzer Zeit noch realisiert werden. Nicht das schlechteste Ende einer Transferperiode.

Keine Ruhephase

Jurendic hatte mit Sicherheit darauf gehofft, dass Ruhe einkehren würde. Sportlich war dies aber nicht der Fall. Eine blamable Pleite im Pokal, ein maues Unentschieden gegen Bochum und diverse Niederlagen, v.a. gegen nicht überzeugende Freiburger und zu Hause gegen Darmstadt, sorgten für Druck von außen, auch wenn rein tabellarisch die Situation noch nicht kritisch war.

Nun hatte der Verein entschieden, mit Maaßen in die neue Saison zu gehen und diese Entscheidung schon nach wenigen Spielen zu revidieren, hätte auf großen Wankelmut und wenig überzeugende Argumente für Maaßen hingedeutet. „Für mich war es wichtig, selbst ein Gefühl für die Situation zu entwickeln, um eine fundierte Meinung zu bilden und Entscheidungen auf einer soliden Grundlage zu treffen. “ Andererseits befand sich der FCA zu diesem Zeitpunkt in einer saisonübergreifend, sportlich schlechten Phase. Aus Jurendic‘ Sicht ergab sich das Problem, dass er Maaßen noch nicht gut genug kannte, um schnell zu einem abschließenden Urteil zu kommen.

Wechsel notwendig

Spätestens nach dem Darmstadt-Spiel war dann offensichtlich, was für viele im Umkreis des Vereins schon länger festgestanden hatte: es konnte mit Maaßen nicht weitergehen. „Man muss in solchen Situationen auch eine gewisse Geduld zeigen. In der Länderspielpause haben wir alles in Ruhe angeschaut und sind zu dem Entschluss gekommen, in Anbetracht des Gesamtbilds und unserer Ziele eine Änderung vornehmen zu müssen.“ Jurendic, Ströll und Co. stellten Maaßen frei und begaben sich auf die Suche nach einem neuen Trainer. Hierbei stand im Vordergrund, einen Trainer zu finden, der das Anforderungsprofil des Vereins erfüllte.

Jurendic war in der Formulierung des Anforderungsprofils beteiligt. „Wir sind schnell zu der Überzeugung gekommen, dass wir eine Person benötigen, die Erfahrung im erfolgreichen Führen von Mannschaften wie auch in der Entwicklung von Spielern hat.“ Mit Jess Thorup – seines Zeichens Meistertrainer in Dänemark und Entwickler einiger Toptalente – sieht es momentan so aus, als ob er einen passenden Trainer gefunden hätte, der nun hoffentlich auch mittel- und langfristig Erfolg in Augsburg hat. „Jess Thorup passt nicht nur gut zu den kurzfristigen Bedürfnissen und Anforderungen an die Mannschaft, die wir identifiziert hatten, sondern auch zur langfristigen Ausrichtung des Clubs, die schon vor meiner Zeit festgelegt wurde.“ Erneut: nicht die schlechteste Entscheidungsfindung von allen Beteiligten.

Weitere Arbeit notwendig

Und als wir dort so sitzen und uns über den FCA und seinen jetzigen Zustand nach den ersten Thorup-Spielen austauschen, ist es dann auch Jurendic selbst, der eine Baustelle beim FCA direkt anspricht: die Perspektiven der eigenen Jugendspieler. Die Jungprofis Kömür, Zehnter und Lubik sollen ihre Chance bekommen und es ist an Jurendic, den Kader so zu gestalten, dass dies auch funktioniert. Sich vermehrt – mit Heinz Moser zusammen – um die Perspektiven der Jugendspieler zu kümmern, ist bei ihm eine Priorität. „Wir müssen den Kader so planen, dass wir unserem Anspruch als Ausbildungsverein gerecht werden und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.“ Dies sollten positive Signale für den FCA Nachwuchs sein, der in den letzten Jahren etwas zu kurz kam.

Und neben der Arbeit an den Strukturen des FCA im sportlichen Bereich, geht der Blick von Jurendic natürlich auch schon Richtung Wintertransferperiode. „Die Kaderentwicklung ist ein laufender Prozess. Unser Ziel ist es, eine klare sportliche Ausrichtung zu definieren, um die richtigen Spieler hierfür verpflichten zu können.“ Kurzfristig geht es nun darum, in Ruhe zu verstehen, welche Art von Spieler Thorup benötigt für sein präferiertes System. Dabei ist Jurendic bewusst, dass der FCA in der jüngsten Vergangenheit viele erfahrene Kräfte abgegeben hat und es wird bei der Analyse auch eine Rolle spielen, ob es hier weiteren Bedarf gibt.

In guten Händen

Nachdem ich nun zweimal die Gelegenheit hatte, Jurendic im persönlichen Austausch zu erleben, habe ich das Gefühl, dass der FCA im sportlichen Bereich in guten Händen ist. Dies liegt nicht nur daran, dass Jurendic nicht im luftleeren Raum agiert und mit Michael Ströll einen gewieften Verhandler und erfahrenen Geschäftsführer an seiner Seite hat. Dies liegt vor allem daran, dass Jurendic einen klaren Blick auf die Situation beim FCA hat, Prioritäten benennen und Entscheidungen begründen kann. Seine offene Art der Kommunikation ist hier ein großes Plus.

Jurendic ist dabei mit Sicherheit – gerade in der Zusammenarbeit mit Thorup – gerade erst dabei, sich einzugroven. Beide brauchen anhaltenden sportlichen Erfolg, damit Ruhe einkehrt. Beiden schadet es wahrscheinlich auch nicht, gewisse Grundprinzipien festzulegen. Was meine ich damit? Ich könnte mir vorstellen, dass man immer mind. einen Bankplatz für einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs reserviert, damit dieser zum Zuge kommen kann, wenn man – wie gegen Heidenheim in der zweiten Halbzeit – sich in einer eindeutigen Spielsituation befindet. Jurendic wird zudem, mit längerer Vereinszugehörigkeit, schneller in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Er weiß dann mehr, was der Verein braucht und wie der FCA basierend auf seinem Wertegerüst handeln sollte. Man mag ihm an dieser Stelle zurufen: Nur Mut, Jure. Viel schwieriger als zuletzt wird es nicht mehr werden und das lief doch bisher schon recht gut.

Der Sportdirektor für die Zukunft?

Auch ich hatte vom FCA als der grauen Maus in der Bundesliga geschrieben, und das ist nun gar nicht lange her. Bis vor kurzem konnte ich mir eine solche Unruhe, wie sie kurz vor dem Ende der abgelaufenen Saison durch den Rücktritt von Klaus Hofmann und den Abschied von Markus Weinzierl aufgekommen war, nicht vorstellen. Wo Weinzierls Abschied zwar in der Sache nicht vollkommen überraschend war, war die Art und Weise ein Paukenschlag. Und fällt auch auf die weiterhin Verantwortlichen des FC Augsburg zurück.

Und gab es in der Hinrunde der Saison, gerade nach der Partie in Mainz, Diskussionen über die Person des Sportdirektors, so bauten sich diese nun zu einem Sturm der Entrüstung in seine Richtung auf. Selten waren in den sozialen Medien in Augsburg so viele eindeutige Kommentare zu lesen. Der Sog des Shitstorms und der Entrüstung zog viele in seinen Bann. Mit ein paar Tagen Abstand war uns klar, dass wir nicht einfach nur „Reuter raus“ mit brüllen wollten. Das Handeln unseres Managers in über 10 Jahren Tätigkeit für den FC Augsburg in unterschiedlichen Konstellationen machte aus unserer Sicht eine detaillierte Auseinandersetzung in seiner Serie von Artikeln notwendig. Diese schließen wir hiermit ab, nachdem wir uns Stefan Reuters Arbeit in Bezug auf Trainer, Transfers, Kommunikation und Jugend angeschaut haben. Sorgfältig und mit Bedacht haben wir uns ein Bild gemacht.

Das Positive

Stefan Reuter ist mit dafür verantwortlich, dass der FC Augsburg über so viele Jahre hinweg in der Bundesliga tätig ist und bisher den Abstieg in die zweite Liga vermeiden konnte. Einerseits hat er zu Beginn seiner Amtszeit an Markus Weinzierl festgehalten und damit die sportlich erfolgreichste Phase des FC Augsburg in seiner Geschichte eingeleitet.

Er hatte auch in vielen Fällen ein geschicktes Händchen auf dem Transfermarkt und der Baba-Transfer hat das Zeug für eine Legendengeschichte. Aber auch die Verpflichtung von Spielern, die sich nachhaltig beim FCA verbessern konnten und hier den Sprung zu Größerem geschafft haben, gelang in vielen Fällen sehr gut. Stefan Reuter hat zudem in der Phase des Übergangs von Seinsch zu Hofmann für Stabilität gesorgt. Kaum eine Person im Club steht nach außen mehr für Kontinuität als Stefan Reuter.

Der Verbesserungsbedarf

Zuallererst sind hier die Trainerentscheidungen hervor zu heben. Nach Weinzierl kam Schuster. Und nach Baum kamen Schmidt und Herrlich, als auch Weinzierl zum zweiten Mal. Außer unter Manuel Baum hat es nach Markus Weinzierl unter keinem Trainer mehr etwas länger gepasst. Die Quote ist schlecht, zumindest für Augsburger Verhältnisse. Man kann nur hoffen, dass Enrico Maaßen uns hier positiv überraschen wird.

Aber auch bei anderen wichtigen Entscheidungen lag Reuter mal daneben. Hier ist dann auch so manch teurer Transfer zu nennen, mit Tomas Koubek an vorderster Front. Gerade weil der FC Augsburg nicht oft viel Geld in die Hand nimmt, müssen gerade diese Transfers dann sitzen. Bei Hinteregger hat man nur einen minimalen Transfergewinn erwirtschaftet und bei Ricardo Pepi wird man noch sehen müssen. Alles in allem ausbaufähig.

Der Knackpunkt in diesem Bereich ist die Kommunikation. Der FCA und Reuter selbst reagieren auf Kritik sehr abwehrend. Gerade in Zeiten der Unruhe wird nicht bis kaum kommuniziert. Für die vielgepriesene FCA Familie gibt es anstatt klarer Kommunikation, die Vorstellung der Gastro Partner über Social Media. Das ist schlicht nicht ausreichend.  

Wie geht es weiter?

Unter Walther Seinsch hat es sich eingebürgert, dass zwischen Trainer, Manager und Präsident Einigkeit bestehen muss, bevor gehandelt wird. Zu dieser bestehenden Troika hat sich nun in den letzten Jahren mit dem Geschäftsführer Finanzen Michael Ströll eine weitere Person gesellt. Zuletzt wirkte es eher so, als ob die vielen Köche den Brei verderben würden. Es fiel gar das Wort „Machtkampf“. Nun ohne Präsident und mit einem neuen, selbst-ausgesuchten Trainer sollte die Handlungsfähigkeit wiederhergestellt sein und Stefan Reuter zeigen können, welche Impulse er selbst setzen kann.

Insgesamt ist Reuters Schicksal nun sehr mit der Arbeit von Enrico Maaßen verknüpft. Sollte Maaßen Scheitern mag man sich gar nicht vorstellen, was aus der gerade abebbenden Welle der Kritik dieses Sommers erneut werden würde. Es scheint schwer vorstellbar, dass Reuter sich dann halten könnte, ohne dass eine deutliche Entfremdung von den Fans und Mitgliedern rapide voranschreiten würde. Einem Präsidenten ist die Entscheidung in jedem Falle nicht anzulasten.

Konstanz vs. Veränderung

Interessant ist in jedem Fall der Blick auf andere, vergleichbare Vereine. Einerseits sei hier Mainz zu nennen, die auch ihr Tal an sportlichen Krisen durchschreiten mussten, bevor nun mit Heidel und Schmidt bekannte Gesichter zurück in der Verantwortung sind. Andererseits ist Freiburg zu nennen, die weiterhin mit Christian Streich, die Trainerpersönlichkeit der Bundesliga an vorderster Front haben. Hier zeigt sich, dass manchmal eine mehr an Kontinuität auch ein Mehr an mittel- und langfristigem Erfolg bringt. Ein Blick nach außen zeigt auch, dass der FCA bei weitem immer noch nicht der größte Chaosclub des Landes ist, auch wenn es uns selbst so vorkommen mag. Die Hertha und andere stechen hier noch viel mehr hervor.

Andererseits erreicht man in manchen Konstellationen manchmal, auch ohne dass man es selbst realisiert, die Grenzen seiner Möglichkeiten. Vielleicht sind wir mit Stefan Reuter hier angekommen und es braucht einen neuen Impuls. Die Frage ist nun, wie viele Versuche man dem Ganzen noch gibt, bevor man die Flinte ins Korn wirft. Und hinterher ist man dann immer schlauer. Zumindest für die Saison 2022/23 gibt es jetzt mindestens noch einen Versuch mit Stefan Reuter als Sportdirektor.

Was die Zukunft bringt, sehen wir dann früh genug. Und gegrantelt wird ja sowieso. Einzig sollten wir schauen, dass unser Zweifel und Vorbehalte sich nicht auf die Mannschaft übertragen. Ich bin zumindest gespannt, was Maaßen und Team mit der Unterstützung der Fans auf den Rasen bringen können und freue mich jetzt schon auf den Start der neuen Saison. Aber ich bin halt an mancher Stelle auch ein hoffnungslos Hoffnungsvoller. Es wird Zeit, dass der FCA mal wieder positiv überrascht, damit mir das nicht irgendwann vergeht.

Wir können Stefan Reuter vertrauen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Während der Winterpause passieren meist wenige wirklich aufregende Dinge, die einen Fußballverein auf Jahre hinaus prägen. Die Weichen für die Saison werden in der Sommerpause gestellt. Spieler, die bei ihren Vereinen eine tragende Rolle einnehmen, können in der Winterpause meist nicht verpflichtet werden. Trainerwechsel sind in Augsburg sehr selten und wenn es dann doch mal so weit kommt, dass man den Trainer entlässt, dann wird wie bei Dirk Schuster nicht bis zur Winterpause gewartet. Wir können uns daher schon jetzt darauf einstellen, dass diesen Winter nicht viel passieren wird. Dies liegt in dieser Saison auch daran, dass die Winterpause durch die WM zwei Wochen kürzer ist als sonst. Ich hoffe zumindest darauf, dass wir keinen Leistungsträger der Vorrunde abgeben. Dann brauchen wir auch keinen Ersatz.

Und so gibt es in den letzten Jahren nur wenige Entscheidungen und Verpflichtungen in der Winterpause, die entscheidenden Einfluss auf unsere Clubgeschichte genommen haben. Zeit für eine kleine Top 3?

3. Platz 3 geht für mich an die Leihe von Dong-Won Ji im Winter 2014. Im ersten halben Jahr in Augsburg schoss uns Dong-Won Ji eindrucksvoll mit zum Klassenerhalt und war kaum aufzuhalten. Leider war er danach nie wieder so torgefährlich, aber diese erste Zeit in Augsburg hat uns 2013/14 mit die Klasse gerettet. Ein wahrer Game Changer.

2. Vor sieben Jahren begann die zweite Phase der Legende Daniel Baier in Augsburg und der FCA hat ihn damals fest verpflichtet, nachdem er in der Saison 2009/10 schon als Leihspieler in Augsburg anzutreffen war. Daniel Baier war seitdem einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Liga. Der Wechsel von Daniel Baier war wohl die prägendste Spielerverpflichtung seit dem Neustart unter Walther Seinsch.

1. Platz eins geht allerdings nicht an einen Spieler, sondern an die große Konstante der letzten 5 Jahre. Denn ziemlich genau vor 5 Jahren hat Stefan Reuter seinen Dienst beim FCA angetreten. Er hat direkt Markus Weinzierl so gestützt, dass dieser seine Linie in der Bundesliga fand und die Mannschaft zum Klassenerhalt bugsierte. Danach hat er mit Weinzierl zusammen ein Team geformt, dass den Einzug in die Europa League schaffte und die Gruppenphase überstand. Nach zwei Trainerwechseln geht der Blick in der Tabelle schon wieder nach oben und unsere Spieler sind in ganz Europa im Munde. An wem sonst sollte das liegen, wenn nicht an Stefan Reuter.

Nicht ganz in die Top 3 haben es die Wechsel von Alfred Finnbogason und Jeffrey Gouweleeuw vor 2 Jahren geschafft. Ende 2013 kam auch ein gewisser Dominik Kohr nach Augsburg, für den es allerdings auch nicht für einen Platz in der Rangliste gereicht hat.

Stefan Reuter hätten noch im Frühjahr oder Sommer des Jahres 2017 wohl auch nicht alle Fans des FC Augsburg so prägend eingestuft. Derweil war genau diese Phase äußerst bedeutend dafür, wie Reuter auch in Jahren noch gesehen werden wird. Insgesamt sollte man Reuter immer zu Gute halten, dass er sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellt. Er verrichtet seinen Job emotional engagiert und mit viel Herzblut. Sein eigenes Schaffen stellt er dabei – sehr sympathisch – gerne mal in den Hintergrund.

Derweil hat sich Stefan Reuter zu einem der besten Manager in der Bundesliga gemausert. Seine Verdienste stechen dabei mittlerweile wie Leuchttürme hervor. Der FCA ist hochprofitabel. 8 Millionen Euro Gewinn standen bei der letzten Mitgliederversammlung im Berichtsheft. Das meiste stammt aus schlauen Transfers und entsprechenden Transfererlösen. Derweil steht die Mannschaft im gesicherten Mittelfeld der ersten Bundesliga. Der FCA ist unter Reuter kein einziges Mal abgestiegen. Das hätte ich vor fünf Jahren so auch nicht vermutet. Naja, aus der Europa League vielleicht – aber das zählt nicht. Und obwohl unser Budget immer noch keine großen Sprünge ermöglicht und erst seit kurzem mehrere fähige Jugendspieler im Profibereich dazu stoßen, hat Reuter es Jahr um Jahr geschafft, eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen und zudem einen Generationenwechsel eingeleitet. Ich werde beim ersten Rückrundenspiel ein Bierchen auf Stefan Reuter trinken. Die Kurve sollte ein Liedchen anstimmen. Wir sollten alle hoffen, dass er noch lange bleibt. Und wenn die nächste schwächere Phase kommt, dann sollten wir alle wissen, dass Stefan Reuter besser als viele andere weiß, was er tut und ihm vertrauen.

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