Während zu Wochenbeginn der neue Präsident des FC Augsburg e.V. medial verkündet wurde (wir berichteten), bereiteten sich die Profis des Clubs auf die wichtige Auswärtspartie gegen Bundesligaaufsteiger Werder Bremen vor. Neu-Präsident Markus Krapf gab sogleich die Marschroute vor: „Man muss wieder zusammenrücken“ – ergo: es geht nur gemeinsam! Schön zu sehen daher, dass rund 500 FCA-Fans die über 700 Kilometer und sieben Autofahrtstunden gen Norden in Kauf nahmen. Und dies an einem Freitagabend um 20:30 Uhr – absolut fanunfreundliche Anstoßzeit auswärts im weit entfernten Weserstadion.
Vor dem Spiel
Außer den Langzeitverletzten (Strobl, Uduokhai, Oxford, Dorsch) waren alle Mann an Bord und traten die Reise nach Bremen an. Leicht angeschlagen war vor der Partie lediglich Arne Maier, der immerhin auf der Bank Platz nahm. Auch Freddy Jensen und Iago kehrten pünktlich vor dem Spiel zurück und stellten daher ernsthafte Optionen für die Startaufstellung dar.
Geburtstagskind Jensen blieb zu Beginn jedoch erstmal auf der Bank, stattdessen starteten Gruezo und Rexbecaj im zentralen Mittelfeld. Vorne in der Sturmzentrale begannen – recht ungewohnt – gleich drei Angreifer mit Niederlechner, Berisha und Demirovic. André Hahn ersetzte Daniel Caligiuri auf dem rechten Flügel. Enno Maaßen verwarf gedanklich vor der Partie also sein obligatorisches 3-5-2 und besann sich vielmehr auf ein 4-4-2 mit starkem Offensivdrang.
FCA-Trainer Maaßen am DAZN-Mikro vor dem Spiel
„Es wird auch aufgrund der Wetterbedingungen ein sehr intensives Spiel.“
Werder-Coach Ole Werner nahm eine Veränderung im defensiven Mittelfeld vor: „Königstransfer“ Jens Stage, an dem vor nicht allzu langer Zeit auch der FCA konkretes Interesse hatte, startete für Niklas Schmidt. Dies begründete der Bremen-Trainer vor der Partie wie folgt:
„Augsburg wird vermehrt auf lange Bälle setzen. Da wird es zu vielen Duellen in der Luft und um zweite Bälle kommen.“
Bremen-Coach Ole Werner via Deichstube
Erste Halbzeit
Es regnete Freitagabend ziemlich stark im Bremer Umland – dementsprechend nass und rutschig war auch das Geläuf. Trotz dessen kamen 41.000 Fans ins Weserstadion. Die Augsburger Mannen zeigten sich direkt von Beginn an engagiert und hatten in Minute zwei die erste Chance des Spiels. Berisha suchte mit der flachen Hereingabe Sturmpartner Niederlechner, doch Werder-Goalie Pavlenka konnte den Ball parieren. Auch die nächsten Chancen in den ersten zehn Minuten verzeichneten die Augsburger, doch entweder stand ein Mitspieler im Abseits (Hahn, Niederlechner) oder ein Bremer konnte noch klären. In der achten Minute ergab sich so die beste Chance bis dato für den FCA: Flo Niederlechner, einmal nicht im Abseits, legte sich die Kugel am Hintermann der Bremer vorbei, verstolperte diese jedoch ins Toraus.
Werders erste richtige Chance ereignete sich in Minute zehn, Ducksch und danach Stage per Kopf, doch Gikiewicz im Augsburger Kasten hatte keine Mühe, diese beiden Abschlüsse zu parieren. Gefühlt war dies aber ein Hallo-Wach-Effekt für die Bremer, die sodann mutiger nach vorne spielten und die Abschlüsse suchten. So in Minute 14, als Stage auf Ducksch spielte, der direkt abziehen konnte, aber in Gikiewicz seinen Meister fand. Wenn der FCA gefährlich wurde, dann waren entweder Berisha oder Demirovic entscheidend beteiligt. In der 26. Minute brachte Augsburgs letzter Neuzugang eine zielgenaue Ecke an den ersten Pfosten, der aufgerückte Innenverteidiger Bauer kam an die Kugel, aber Füllkrug konnte (mit der Schulter) schlimmeres verhindern.
Bremen musste sodann in Minute 30 erstmals wechseln: Der angeschlagene Pavlenka musste mit bandagiertem Oberschenkel vom Platz, Zetterer kam mit 27 Jahren zu seinem Bundesligadebüt. Dieser Wechsel schadete den Bremern nicht, ganz im Gegenteil: In der 31. Minute erzielten die Grün-Weißen das vermeintliche 1:0 – jedoch wurde das Tor aufgrund einer Abseitsstellung per Videobeweis zurückgenommen. Der Bremer Jung befand sich einen Schritt im Abseits und blockte bei der Torerzielung durch Füllkrug zwei Augsburger entscheidend. Danach schienen beide Mannschaften ein wenig den Fuß vom Gaspedal nehmen zu wollen und es ging nicht mehr ganz so viel nach vorne. Einzig Florian Niederlechner köpfte kurz vor der Halbzeit eine Bogenlampe auf die Bremer Torlatte. Nach vier Minuten Nachspielzeit ging es für alle 22 Mannen verdientermaßen in die Kabinen zum Pausentee.
Eine Führung der Augsburger wäre – aufgrund der vielen Chancen – nicht unverdient gewesen, jedoch muss man die eklatante Chancenverwertung hier bemängeln und sich freuen, dass die Bremer das vermeintliche Führungstor nicht anerkannt bekommen hatten. Das wäre wohl ein deftiger Nackenschlag für offensiv deutlich bemühtere Augsburger gewesen. Eine von Zweikämpfen geprägte Partie war es bis dato allemal. Der verletzte Bremer Leonardo Bittencourt urteilte in der Halbzeitpause im DAZN-Interview: „Augsburg hatte schon die eine oder andere Aktion mehr im Strafraum, deswegen ist das 0:0 gerade noch gerecht.“
Zweite Halbzeit
Beide Mannschaften kamen unverändert aus den Kabinen und der FCA gab direkt Vollgas. Erst schloss Berisha – etwas übereilt – nach Ballgewinn ab, setzte den Ball aber deutlich über das Bremer Gehäuse, dann zog Niederlechner aus rund 18 Metern ab, Zetterer hatte damit aber keine Mühe. Wieder Niederlechner und Berisha, die jeweils etwas zu übereilt Schüsse aus der zweiten Reihe abgaben und nicht ihr Ziel fanden. Auch Bremen versuchte, die Offensivmannen im Sturmzentrum einzubinden, dies gelang jedoch nur selten, aber wenn, dann gefährlich. Erst konnte Weiser in Minute 59 einen Abschluss wagen, jedoch hatte Gikiewicz den Ball sicher. Dann kam Ducksch am zweiten Pfosten zum Kopfball, es war wieder Gikiewicz, der den Ball über die Latte lenkte.
Der bis dato beste Angriff der noch jungen Halbzeit führte zur Augsburger Führung: Gruezo auf Berisha, der mustergültig nach innen in den Strafraum gab, dort war Demirovic mitgelaufen und musste nur noch einschieben. Augsburg führte – und Bremen wechselte. Unter anderem kam Burke – der Bremer Superjoker – für Schmid. Jensen ersetzte beim FCA Torschütze Demirovic. In Minute 76 eine Großchance für den FCA. Berisha lupfte nach Fehlpass von Jung den Ball über Zetterer hinweg, aber der Ball ging nur an die Latte. Auch Bremen kam zu Chancen: Weiser auf Schmidt im Strafraum, doch Gikiewicz kam aus dem Kasten und parierte.
Die letzten knapp zehn Minuten der Partie waren dann kurios und rasant zugleich: Erst gab es einen umstrittenen Handelfmeter für Bremen. Bauer bekam ein Zuspiel von Ducksch aus kürzester Distanz an den Arm, die Szene wurde per Videobeweis aber nicht überprüft. Die Augsburger protestierten heftig, in Folge dessen sahen sowohl Gouweleeuw als auch Gruezo die gelbe Karte. Der in dieser Saison noch torlose Ducksch trat den Elfmeterschuss an – und Gikiewicz hielt. Nach einer angeblich provozierenden Armbewegung von Gikiewicz nach dem gehaltenen Elfmeter stürmten Bremer Fans in den Innenraum des Weserstadions, die Partie war sodann kurzfristig unterbrochen. Gikiewicz sah wegen der Geste in Richtung Fans die gelbe Karte. Caligiuri kam dann noch in der siebten Minute der Nachspielzeit für Berisha, keine Minute später dann der erleichternde Abpfiff einer intensiven Partie. Zum Elfmeter sagte Bauer nach dem Spiel: „Ganz ehrlich, was soll ich bei der Situation aus kürzester Distanz machen. Das ist für mich kein Elfmeter.“ Wohl wahr!
Erkenntnisse
Enno Maaßen wich von seiner bevorzugten Formation ab – und gewann prompt. Es war aber nicht alles gold, was glänzt(e). Am Ende der Partie hatte der FCA auswärts mehr Torschüsse (15:12 aus Augsburger Sicht), aber eine katastrophale Passquote (53 (!!) Prozent) sowie eine schlechtere Zweikampfquote (47 Prozent) als die Bremer. Besonders in puncto Ballbesitz war zu merken, dass das nicht das Maaßensche System darstellte, nur 30 Prozent Ballbesitz gegen einen Gegner auf Augenhöhe sprachen Bände. Das ist in dieser Saison die niedrigste Quote in Sachen Ballbesitz. Zum Vergleich: Gegen die Hertha und auch gegen Hoffenheim hatte der FCA mehr Ballbesitzanteile zu verbuchen. Gegen Freiburg (bei der 0:4 Niederlage) hatte der FCA gar mehr Ballbesitz (53 Prozent) als der Gegner selbst
Intensiv geführt wurden die Zweikämpfe, hier war der FCA in der ersten Halbzeit etwas bissiger als in der zweiten. Zudem war die Laufintensität und das Tempo konstant hoch. André Hahn lief beispielsweise 12,14, Iago 11,35 und Rexbecaj 11,29 Kilometer. Die Innenverteidiger hatten zum Teil ihre liebe Not mit den beiden agilen Bremer Angreifern, die Zweikampfquote sprach hier Bände: Während Marvin Ducksch und Niclas Füllkrug jeweils 67 Prozent ihrer Zweikämpfe gewannen, kam Jeffrey Gouweleeuw beispielsweise nur auf 25 Prozent. Maximilian Bauer kam immerhin auf 58 Prozent Zweikampfquote.
Die Torgefährlichkeit bzw. die Qualität der Abschlüsse lassen sich zum Teil auch auf den sogenannten xG-Wert zurückführen („expected goals“): „Das xGoals-Modell weist die Torerzielungs-Wahrscheinlichkeit für jeden Abschluss aus. Die Torwahrscheinlichkeit wird hierbei nach jedem Torschuss in Echtzeit berechnet, sodass Informationen über den Schwierigkeitsgrad des Schusses und die Wahrscheinlichkeit eines Treffers vorliegen.“ Für Bremen stand dort Freitagabend nach Abpfiff 1,84 zu Buche, für den FCA 1,78. Der Elfmeter, der den Bremern zugestanden wurde, schlägt beispielsweise mit 0,77 zu Buche. Das heißt im Umkehrschluss, Bremen hätte statistisch gesehen zwei Tore machen können, hat jedoch keinen Treffer erzielt. Das ist dann nicht besonders effizient. Auch der FCA hätte gut und gerne ein Tor mehr erzielen können.
Der FCA stand fünfmal im Abseits (gefühlt vier von fünf Mal war dies Florian Niederlechner). Bremen hingegen nur einmal. Durch das häufige Abseitsstehen nimmt man sich selbst gute Torchancen! Natürlich sagt das auch was über die Qualität der Hintermannschaft der Bremer aus, denn da saß die Abseitsfalle halt besonders gut. Aber es sagt auch was über das Stellungsspiel des Angreifers aus. Ggf. muss Niederlechner so Geschwindigkeitsnachteile kompensieren. So oder so, das häufige „im Abseits stehen“ wird einem schon bei den Junioren abtrainiert. Wenn ein Spieler im Speziellen da solche Probleme zu haben scheint, muss man da baldigst mal gegensteuern.
Fazit & Ausblick
Ein Drittel der Hinrunde ist nun ausgespielt. Sechs Punkte hat der FCA nun auf der Haben-Seite. Dieser Sieg – wenn auch knapp und etwas dreckig – war wichtig für die Mannschaft und deren Selbstbewusstsein. War wichtig für die geschundene Fanseele. Und war natürlich wichtig für FCA-Funktionäre und den Coach selbst. Geforderte und in Augsburg gern gesehene Attribute wie Galligkeit, Giftigkeit, Leidenschaft und Kampfgeist hat man in großen Teilen wieder auf dem Platz sehen können. Zudem hat man vorne in der Offensive nun gefühlt so viele qualitativ hochwertige Torabschlüsse gehabt, wie in den ganzen anderen Partien zuvor zusammen. Ggf. ist diese Formation halt doch passender für den existierenden Kader, als das von Enno Maaßen bevorzugte System mit dem Ziel Ballbesitzfußball. Der Ansatz war wichtig und richtig, die Umsetzung zum Großteil auch.
Werder und Augsburg Fans werden wohl aber keine Freunde mehr: Gikiewicz wurde eigenen Aussagen zu Folge die ganze Partie über beleidigt, zum Teil war das auch in den Interviews danach noch zu hören. Nach dem gehaltenen Elfmeter zeigte Gikiewicz eine „Pssst“-Geste Richtung Bremen Fans, die diese sichtlich gegen ihn aufbrachte. Auch wenn „Giki“ da sicherlich im und nach dem Spiel etwas über die Stränge geschlagen hat: Er hat den – unberechtigten – Elfmeter überragend halten können. So langsam entwickelt Rafa sich zum „Elferkiller“, denn das ist nun schon der zweite dieser Saison, den er bravourös hält.
Das Malträtieren des Elfmeterpunktes vor Ausführung durch Ducksch hätte er aber auch gut und gerne sein lassen können. Insgesamt hatten die Bremer Offiziellen dann ziemliche Wut auf die Augsburger Vertreter, so mochte Werder-Coach Werner Enno Maaßen gar nicht erst verabschieden und nach der Partie sagte Clemens Fritz, dass das Verhalten der Augsburger Bank in manchen Szenen alles andere als respektvoll war. Zuletzt blieb der FCA der obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel fern, angeblich, um den Flieger gen Heimat noch zu erwischen. Ganz schön viel Trubel.
„Auf die Emotionen im ganzen Stadion war der gehaltene Elfmeter eine perfekte Reaktion. Ich freue mich, dass ich jetzt zwei von zwei Elfern in dieser Saison gehalten haben, und wir nun sechs Punkte auf dem Konto haben. Aus dem Spiel können wir viel Selbstvertrauen tanken.“
Gikiewicz nach dem Spiel via Kicker
Bemühungen, offensiv wie defensiv hat man gegen Bremen eindeutig sehen können, der Aufwand wurde belohnt. Etwas Glück gehört immer dazu im Fußball. Generell sind wichtige Werte endlich mal wieder auf dem Platz zu sehen gewesen, das freut den Fan! Gegen den FC Bayern am kommenden Samstag wird sich nun zeigen, wie gut die Mannschaft wieder diese Werte wie mannschaftliche Geschlossenheit und Giftigkeit auf den Platz bekommt. Lehrmaterial haben die Augsburger von den Stuttgartern erhalten, die am sechsten Spieltag den Bayern ein 2:2 (in letzter Sekunde) abtrotzten.
Es wird wichtig sein, hier nicht offensiv ins Verderben zu rennen, aber auch nicht Beton anzurühren. Am wichtigsten wird wohl sein, sich nicht die Tordifferenz (die eh schon miserabel ist mit -6) weiter zu verderben. Ergo: Nicht zu viele Gegentore zu kassieren. Man hoffe nun, dass der Sieg der Mannschaft Aufwind gibt und sie sich gegen die schier übermächtigen Bayern so weit motivieren können, dass man zumindest nicht mit einer Vielzahl an Gegentreffern in die angrenzende Länderspielpause geht. Das wäre wohl wichtig für Club und Fans, Stichwort Zusammenhalt. Den neuen Präsidenten dürfte dies nun durchaus freuen: Zum Antritt gleich drei Punkte, ihm wichtige Attribute bei Fans und Mannschaft gesehen, drei Präsente für „El Presidente“.
Zuletzt wollen wir als Rosenau Gazette noch Danke sagen: Danke an E-Sportler Philipp, der nach fünf Jahren Zugehörigkeit zur eSport-Mannschaft des FCA seine Karriere beendet. Danke für alles Philipp und alles Gute!