Danke, Herr Hopp

Wie in der Spieltagsvorschau geschrieben, habe ich gerade Urlaub. Ich habe die Bundesliga abseits des Spiels unseres FCAs gegen Gladbach nur am Rande verfolgt und bin erst seit kurzem wieder im Lande. Im Nachgang habe ich nun vieles nachgelesen, was am Wochenende abseits des Rasens gerade bei den anderen Spielen passiert ist.

Die vielen Entwicklungen in diesem Zusammenhang überfordern einen ja doch. Jeden Tag tut sich nicht nur etwas neues, sondern immer eine ganze Menge. Wer gewartet hat, der konnte dann aber später auch viele gute, differenzierte Texte zum Thema lesen (z.B. hier, hier und hier). Nun hatten wir schon zu Anfang der Woche den Hang hier im Blog zu den Entwicklungen Stellung zu nehmen. Auch etwas zu sagen. Differenziert, aber auf den Punkt. Derweil reifte dann zumindest bei mir der Entschluss, die Entwicklungen etwas abzuwarten und sacken zu lassen. In der Lücke zwischen DFB-Pokal und Bundesliga nun hier meine Gedanken.

Eine kurze Zusammenfassung

Ich fasse kurz zusammen, was aus meiner Sicht passiert ist:

  1. Dietmar Hopp hat mit SAP einen der wenigen großen deutschen Softwarekonzerne gegründet und ein Vermögen erwirtschaftet. Damit hat der den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig gestärkt. Danke dafür!
  2. Dietmar Hopp hat dann – weil es die Politik nicht hin bekommt eine verfassungskonforme Vermögenssteuer einzuführen – sein Vermögen teilweise philantropisch in unterschiedliche soziale Projekte investiert. Danke dafür!
  3. Zudem hat Dietmar Hopp beschlossen seinen Heimatverein so mit Geld zu überschütten, dass es dieser in die Bundesliga schafft. Damit hat er frühzeitig aufgedeckt, wie wenig der DFB und die DFL wirklich 50+1 durchsetzen. Und wie viel der Verbände schlicht aufgesetzte Fassade ist. Damit hat er erheblich dazu beigetragen, die unterschiedlichen organisierten Fanszenen solidarisch zusammenrücken zu lassen. Danke dafür!
  4. Die Proteste der Fanszenen sind leider folgenlos geblieben und die Konstrukte haben sich zwischenzeitlich in der Bundesliga festgesetzt. Von mancher Kurve aus wurden die Proteste nachhaltig vorgetragen und auch im Ton verschärft. Fadenkreuze, sexistische Gesänge und Banner: für manche Fangruppierung gibt es in diesem Zusammenhang keine Grenze bei der Formulierung des Protests auf Bannern oder Spruchbändern. Der Protest rechtfertigt verbal und im Bild angeblich alles. Dietmar Hopp hat somit dafür gesorgt, dass die Fangruppierungen in ihrem Selbstverständnis über ihre Grenzen nachdenken mussten. Danke dafür!
  5. Nun ist es zwischen den organisierten Fanszenen und den Verbänden seit langem ein hin und her. Die Verbände haben sich ein eigenes Justizsystem geschaffen und es ist seit langem schwierig zu Kompromissen zu kommen. Immer wieder rücken die Verbände einseitig von getroffenen Zusagen ab. Dietmar Hopp hat mit seinem Widerstand gegen Beleidigungen unter der Gürtellinie, die Verbände dazu bewegen können, erneut eine Zusage aufzubrechen, indem gegen die Dortmunder Fans eine Kollektivstrafe ausgesprochen wurde. Es wurde dadurch klar, dass den Zusagen der korrumpierten Verbände weiterhin nicht zu trauen ist. Danke dafür!
  6. Danach haben sich die Fanszenen nun direkt wieder solidarisiert und mit diversen Spruchbändern und Bannern ihre Solidarität mit den Dortmundern gezeigt. Die Person Hopp und deren Beleidigung war dabei lediglich Mittel zum Zweck (siehe Schickeria-Stellungnahme). Die Beleidigungen in Richtung Dietmar Hopp haben aber gezeigt, dass die Verbände einschreiten könnten, wenn Sie denn wollten. Dafür haben sie den 3-Stufen-Plan wiederentdeckt, der rassistischen und diskriminierenden Fällen vorbehalten sein sollte. Den Plan könnte man ja aber auch in genau diesen Fällen in Zukunft gut anwenden (z.B. im Fall von rassistischen Beleidigungen gegen Jordan Torunarigha). Danke dafür!
  7. Dazu hat das nachhaltige Vorgehen Dietmar Hopps gegen den Protest und die Beleidigungen dafür gesorgt, dass in diesem ganzen Zuge erneut breiter und kritischer über 50+1, die Rolle der Verbände und den „modernen Fußball“ diskutiert wird, als jemals (oder zumindest seit langem). Man stelle sich vor, er hätte alles schlicht hingenommen. Der Protest hätte mittlerweile keine mediale Plattform mehr. Danke dafür!

Man könnte nun kurz annehmen, dass dank konsequenter Umsetzung des 3-Stufen Plans die Stadien ein Ort ohne Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und anderer diskriminierender Verhaltensweisen würden. Ohne offene Homophobie könnten wir zeitnah erste offen homosexuelle Spieler im Stadion begrüßen. Der Fußball hat eine tolle, verbindende Funktion. Wenn diese weiter gestärkt würde, so wäre dies toll. Die solidarischen Fanproteste und ein Einlenken des DFB könnte doch für alle positive Folgen haben. Für was man Dietmar Hopp dann noch alles zu danken hätte.

Nicht-endende Probleme

Kurzfristig ist dies alles leider nur ein entfernter Traum. Noch ist nicht alles gut und wird es auch kurzfristig nicht werden. Das liegt unter anderem an folgenden Problemen, die weiterhin bestehen:

  • Der DFB und viele andere Personen/Organisatoren stellen einen Zusammenhang zwischen Hopp-Bannern und -Spruchbändern und dem bestürzenden rassistischem Anschlag in Hanau her. Dies macht mich sauer, dass man rein zur öffentlichen Rechtfertigung unangemessener Maßnahmen solch sachfremde Vergleiche anstellt, und damit rassistische Anschläge wie in Hanau verharmlost.
  • Die Staatsanwälte drehen hohl und verfolgen die Beleidigungen gegen Hopp mit ca. 400 Einsatzstunden vor Strafantrag und ohne, dass Hopp als Zeuge aussagen muss. Bei Twitter wird von einer #LexHopp gesprochen. Dies alles, wo es wirklich drängendere Probleme gibt.
  • Beleidigt wird trotzdem auch noch in deutschen Fußballstadien. Manuel Neuer wurde mehrfach und wiederholt im DFB-Pokal Spiel auf Schalke genau so sexistisch beleidigt, wie auch Dietmar Hopp zuletzt. Bei Manuel Neuer ist das aber wohl ok, und auch die eigene Mannschaft sieht dann nicht die Notwendigkeit den Platz zu verlassen. Der Sponsor kommt vor dem eigenen Spieler. Es ist erbärmlich.
  • Dazu zeigen die Fragen der Zweitligisten an die Verbände, dass sich vor der Causa Hopp niemand Gedanken zur Anwendung des 3-Stufen Plans gemacht und diese kommuniziert hatte. Es gibt einiges zu klären, bevor der 3-Stufen-Plan sinnvoll wie vorgesehen in rassistischen und diskriminierenden Fällen zur Anwendung kommen könnte. Ich befürchte eher, dass der Plan in ein paar Wochen einfach wieder in der Schublade verschwindet, aus der man ihn gezerrt hat.
  • Mit der Umsetzung des 3-Stufen-Plans wird noch mehr Verantwortung bei den Schiedsrichtern abgeladen. Sie müssen nun aus dem Stand Banner und Spruchbänder beurteilen. Dies wird weiterhin zu Fehlern führen, wie am Wochenende bei der Beurteilung von Spruchbändern der Unioner gesehen.
  • Die Investoren in der Liga haben nicht dazu geführt, dass die Liga ausgeglichener geworden wäre. Hoffenheim ist ein langweiliger Mittelfeld-Club geworden, genau wie Wolfsburg vorher schon. Das Strohfeuer der Erstinvestition ist vorüber. Auch mit Investoren wird die Liga nicht aufregender. Die Einschätzungen der Verbände, die sich durch eine weiche Auslegung der 50+1 Regel mehr sportlichen Wettbewerb versprochen hätten, waren in den meisten Fällen falsch. In Leipzig bleibt abzuwarten, was passiert, wenn die ersten Jahre vergangen sind.

Ich habe mich an dieser Stelle schon vorher deutlich gegen sexistische und gewaltverherrlichende Beleidigungen positioniert (und bin damals von FCA Fans dafür angegangen worden). Derweil hat der Fußball vieles lange toleriert. Fans und Vereine verhalten sich z.B. regelmäßig rassistisch (nachdem Clemens Tönnies bei Schalke ohne weitere Konsequenzen zurück im Amt ist nach seinen rassistischen Äußerungen, hat sich zuletzt RB Leipzig erst wieder rassistisch verhalten). Zuerst darf sich hier jeder an die eigene Nase packen und das Thema offen als solches ansprechen, wenn es im eigenen Umfeld vorkommt – beim eigenen Verein oder beim Nebenmann oder der Nebenfrau im Block im Stadion.

Die Lösung

Die Lösung kann aus meiner Sicht nur im Dialog liegen. Werder Bremen hat vorgemacht, wie ein Verein hier öffentlich die Führung übernehmen kann. Ich würde mir wünschen, dass der FCA hier ähnlich kommuniziert und dabei mit den eigenen Fans zusammen nach Lösungen sucht, um Rassismus und Diskriminierung im eigenen Umfeld bewusst zu verringern. Vielleicht führt Dietmar Hopps nachhaltiges Engagement gegen manche Fans jetzt auch dazu, dass mancher Verein sich hinter seine Fans stellt. Aktiv und sichtbar. #Augsburghältzusammen nicht nur, wenn es um Marketing geht. Dann sage ich gerne: Danke, Herr Hopp.

Was wir über Montagsspiele gelernt haben

Am Montag vor mittlerweile mehreren Wochen trat der FC Augsburg in Dortmund an und holte einen Punkt. In der zweiten Hälfte war man Dortmund phasenweise überlegen und das Unentschieden war ein mehr als verdientes Ergebnis. Im zeitlichen Umfeld der Partie wurde allerdings weniger über das Spiel an sich gesprochen als über die Terminierung. Auch der FCA war in den „Genuss“ eines Montagsspiels gekommen. Noch dazu im fremden Dortmund, dass für Auswärtsfans aus Augsburg an einem Montagabend schwerlich günstig zu bereisen ist. Einige Zeit ist seitdem vergangen und der Nebel hat sich gelichtet. Was bleibt von diesem Montagsspiel? Einige Gedanken meinerseits möchte ich euch nicht vorenthalten:

Der Protest blieb nicht unbemerkt

Sowohl die organisierte Dortmunder als auch die Augsburger Fanszene boykottierten das Spiel. Insgesamt waren „nur“ knapp 55.000 Fans im Stadion. Dafür, dass das Dortmunder Stadion ca. 80.000 Menschen fasst, war die Auslastung nicht berauschend an diesem Montagabend. Mehr als nur die ausbleibende Menge fiel allerdings auf, wie leer die berühmte gelbe Wand am Montag aussah. Man hörte über die Außenmikrofone deutlich mehr Einzelstimmen und weniger Gesänge und stimmungsvollen Support. Ohne Stimmung ist ein Fußballspiel nicht das, was wir in den letzen Jahren gewohnt waren. Ohne Stimmung fällt auch das Erlebnis für den Fernsehzuschauer ab. Nachdem die Verteilung der Spiele auf mehrere Tage genau den Hintergrund hat, mehr Zuschauer vor dem Fernseher zu erreichen, traf der Boykott einen wunden Punkt bei der DFL und bei den Vereinen. Gerade bei diesem Spiel hat der Protest einen Effekt auch auf die Außendarstellung der Vereine gehabt.

Der Protest spaltet

Leider ließ sich durch die Proteste von zwei aufeinanderfolgenden Auswärtsspielen auch erkennen, dass der Protest außerhalb der organisierten Fanszene in Augsburg nicht auf breiten Rückhalt stößt. Der Boykott erfordert, dass die Fans – um für ihre eigenen Rechte einzutreten  -ihr größtes Mantra verraten, indem sie die eigene Mannschaft bei diesen Spielen nicht unterstützen. Auch wenn ich selbst der Meinung bin, dass dies notwendig ist, um der eigenen Rechte nicht immer mehr beraubt zu werden, so wird dies bei weitem nicht von allen Fans so gesehen. Weiterer Boykott könnte zu weiterer Spaltung führen und die Folgen hiervon sind für mich nicht überschaubar. Das Mittel des Protests ist daher leider auch mit Risiken verbunden.

Das Wettrennen ist aussichtslos

Die finanziellen Unterschiede zur Premier League sind nicht einholbar und die deutschen Vereine werden weiterhin regelmäßig ihre besten Spieler nach England abgeben müssen. Auch eine weitere Aufspaltung des Spieltags wird daran nichts ändern, genau wie immer  weitere Marketingmaßnahmen, die vom eigentlichen Spiel ablenken. Man wird sich von der Premier League auch nicht dadurch abheben, dass man jeden Quatsch nachmacht. Zum Beispiel eine weitere Aufspaltung des Spieltags. Auch die Vereine haben den neuen Spielterminen zugestimmt, da sie mittlerweile vornehmlich in Unternehmensstrukturen organisiert sind und immer größerem Profit hinterher rennen. Die Abstimmung bei der DFL war damals sogar einstimmig ausgefallen. Dies muss ein Ende haben, denn man wird sich abmühen, ohne am Ende das gewünschte Ziel zu erreichen.

Die Überzeugungsarbeit muss im eigenen Verein beginnen

Die Augsburger Fans haben einen guten Schritt gemacht, als sie eine Petition an die eigene Vereinsführung gestartet haben, damit sich diese mehr für ihre Belange einsetzt. Man fragt sich allerdings schon, wie es überhaupt soweit kommen kann, dass sich der eigene Verein immer öfter gegen seine eigenen Fans und Mitglieder wendet. Für wen setzt sich der Vereinspräsident durch sein Handeln beim Profiunternehmen ein? Es ist müssig darüber zu spekulieren. Deshalb müssen wir uns als Fans einig werden. Aus meiner Sicht geht es darum, den Fußball in seiner Essenz zu erhalten. In der Bundesliga grundsätzlich am Samstag um 15:30 Uhr. Möglichst ohne viel zusätzlichen Schnick Schnack. Dafür sollten sich unsere Vereine für uns einsetzen.Wir sollten Sie dahin bringen, dass sie dies einsehen, solange wir die Einflussmöglichkeiten dank 50+1 haben. Dafür, wie der eigene Verein überzeugt werden kann, gibt es wohl kein Patentrezept und die Situation kann sich verfahren, wie man momentan in Hannover sieht. Mitgliederversammlungen, informelle Gespräche und evtl. weitere Maßnahmen des Stimmungsprotests werden wohl notwendig sein. Es wird ein langer Weg.

Zusammenhalt unter den Fans muss wachsen

Wichtig wird dabei sein, dass wir andere Fans davon überzeugen, warum unser Anliegen wichtig ist. Es geht uns um den Erhalt einer ursprünglichen Erfahrung des Fußballs, die wir im Stadion erleben wollen. Als Fan und Stadiongänger wollen wir ernst genommen werden. Es geht uns um die Bundesliga und nicht den Wettbewerb mit anderen Ligen. Unser Fußball hier soll etwas besonderes bleiben. Samstags um 15:30 Uhr. Mit Bratwurst und einem Bier. Davon müssen wir auch unorganisierte Fans überzeugen (derweil ich selbst weiter unorganisiert bin). Davon müssen wir im Anschluss unseren eigenen Verein überzeugen. Aber bevor wir den Keil weiter durch den Verein treiben, heißt es, sich über Block- und Fangrenzen hinweg zusammen zu tun. Den am Ende ist die Sache mir zu wichtig, als dass ich hierüber nicht selbst im Familienkreis äußerst leidenschaftlich diskutiere. Es ist allerdings ein weiter Weg zurück zu den Umständen, die wir alle so zu schätzen gelernt haben. Viele von uns – auch ich selbst –  haben  lange desinteressiert weggesehen. Es wird Zeit, dass sich auch die unorganisierten Fans an die Seite der organisierten Szenen stellen. Es wird darüber hinaus Zeit, dass die organisierten Szenen akzeptieren, dass sie Wege finden müssen, um die weiteren Gruppen in den Protest zu integrieren. Der Protest muss vielfältiger werden und weitere Formen gewinnen. Es muss eine breitere Mobilisierung stattfinden, anstatt dem üblichen Lagerdenken. Denn nur wenn sich die breite Masse rührt, werden die Verein begreifen, dass sie auf dem Holzweg sind, bevor ein noch größerer Schaden angerichtet ist. Das Montagsspiel in Dortmund hat gezeigt, dass sich die breite Masse rühren kann, indem eine komplette Tribüne verwaist war. Dies ist ein Hoffnungsfunke, den es nun aufzugreifen gilt. Mehr als eine konkrete Richtung ist mir allerdings noch nicht klar.  Manchmal muss man allerdings die ersten Schritte machen, bevor man den Weg genau erkennen kann. Wer kommt mit?

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