Jungs, auf euch kommt es an

In diesen Tagen hat sich die Stimmung in Augsburg direkt gedreht. Heiko Herrlich wurde entlassen. Markus Weinzierl ist zurück. Sonnengebräunt, gut gelaunt und mit einigen präzisen Aussagen zu dem, was sich auf dem Platz ändern muss. Der FCA kann den Klassenerhalt immer noch aus eigener Kraft schaffen. Jetzt wird es Zeit, den Hebel umzulegen und wieder zu punkten.

Einige Dinge kann Markus Weinzierl zu diesem Zeitpunkt während der Saison allerdings nicht mehr beeinflussen. Neue Spieler gibt es keine. Auch die Struktur der Mannschaft und ihre Hierarchie wird er kurzfristig nicht komplett ändern können. Im Prinzip bedeutet das, dass – abseits des ein oder anderen personellen Wechsels – die Mannschaft, die im Köln-Spiel in der ersten Halbzeit wie Fallobst wirkte, es nun richten muss. Zumindest leise Zweifel und Sorgen bleiben dadurch doch.

Der Krater, der mal Verteidigung hieß

Die defensive Stabilität ist etwas, dass wir in Augsburg seit langem hochhalten. Grundsätzlich hinten gut stehen, um dann vorne gezielt zuzuschlagen. Das dann mal individuelle Fehler passieren, ist nur menschlich. Was es hierfür braucht, ist mannschaftlich geschlossenes Verhalten. Und das auch mal jemand das Heft des Handelns in die Hand nimmt.

Dabei blieb es allerdings ja nicht. Beim zweiten Gegentor wurde die Hereingabe von links nicht geblockt. Dann bekamen die Spieler am ersten Pfosten keinen Zugriff auf die Situation (und Jeff schaut in aller Gelassenheit zu). Der Ball hätte überhaupt nicht bei Florian Kainz landen sollen, wo dann Strobl nicht blocken und auch Framberger nicht mehr eingreifen kann. Beide waren deutlich zu weit weg vom Geschehen und reagierten zu langsam. Es ist eine dieser Situationen, in der man jeden Tritt gegen eine Sitzschale nachvollziehen kann.

Einflussmöglichkeiten eines Trainers

Und in diesen Situationen auf dem Feld, ist jeder Trainer machtlos. Das kann rein grundsätzlich kein Verhalten in einem Spiel sein, dass man von Bundesliga-Kickern erwartet. Und es gab quasi keine Unbeteiligten. Carlos Gruezo ließ vor dem 0:3 die Hereingabe in aller Seelenruhe zu, während in der Mitte Tobias Strobl erneut zu spät kam.

Eine weitere Hereingabe, die nicht verhindert wurde. Ein weiteres Gegentor. (Foto: Marcel Engelbrecht/firo Sportphoto/pool via Imago)

Tobias Strobl hat in seinen 42 Einsatzminuten keinen einzigen Zweikampf geführt. Bei Raphael Framberger waren es derer 5 und für Carlos Gruezo auch nur 12 bei deutlich längerer Spielzeit. Derweil andere Spieler zwar Zweikämpfe führten, aber verloren. Jeffrey Gouweleeuw derer 62%. Man könnte die Liste weiter fortführen. Genau 3 abgefangene Bälle und 7 klärende Aktionen sprechen doch im Gesamtbild eine sehr deutliche Sprache. Die Mannschaft ist schlicht in sich zusammengebrochen in dieser vermaledeiten Halbzeit.

Dieses Verhalten ist nichts, was ein Jugendtrainer oder Heiko Herrlich den Spielern vermittelt hätte. Das war einfach unterirdisch. Und wenn sich da in den Köpfen nichts tut, dann sieht es düster aus. Sehr düster.

Ich will Wiedergutmachung

Ja, die zweite Halbzeit war dann besser. Ja, 2 Tore haben wir noch geschossen. Aber es war dann ganz ehrlich auch kein Druck mehr da. Was willst Du in der Situation noch verlieren?

Ich fordere Wiedergutmachung während der letzten drei Spiele. Ich will von der Mannschaft die Basics sehen. Dass sie dem Druck standen halten und konzentriert auftreten kann. In die Zweikämpfe findet. Reaktionsschnell und aggressiv. Von Minute 1 bis zum Abpfiff. Und dann werden wir schon sehen, ob wir auf diesem Weg eher etwas holen. Ich sehe die Verantwortung hierfür allerdings nicht hauptsächlich beim Trainer.

Es gibt menschliche Grundtugenden wie Pünktlichkeit, respektvolles Verhalten und ein gewisses Set an Manieren, dass man grundsätzlich erwarten kann. Konzentration, ein gewisser Fokus auf den eigenen Aufgaben und gewisse Grundtugenden im Zweikampfverhalten wären defensiv das Äquivalent auf dem Platz. Fußballerisch fehlten diese in der ersten Halbzeit gegen Köln und kein Trainer und auch keine anderen Ausreden entschuldigen dies.

Über Motivation

Am Ende wird dann vielleicht doch wieder der Trainereffekt hervorgehoben werden. Manchmal fragt man sich schon, welche Motivation Menschen antreibt. Warum manchmal Menschen so wenig leistungsbereit ihrem Job nachgehen, wie die Mannschaft in der ersten Hälfte gegen Köln. Muss es immer der Trainer sein, der für Motivation sorgt? Wir sind doch nicht im Kindergarten.

Auf der ersten Ebene ist jeder einzelne für seine Leistungen verantwortlich, egal wie die Umstände aussehen. Liebe Mannschaft des FCA, welche Ausreden will jeder einzelne von euch anbringen? Wo war die Selbstverantwortung?

Auf einer zweiten Ebene kommt es dann auch auf die Gruppe in der Kabine an. Wer geht voran und treibt an? Wer ist eher ein Mitläufer? Für was hat es einen Kapitän und andere Führungsspieler? Wo waren die und wie haben sie sich verhalten? Jede(r) kann hier ihre eigenen Schlüsse ziehen.

Die Qualität des Kaders

Wie oft ich mittlerweile gelesen habe, dass mit diesem Kader mehr drin sein müsste. Dass die Qualität so hoch sei. Rein vom Talent und den individuellen Fähigkeiten her mag das auch stimmen. Aber das ist nun bei weitem nicht alles.

Wer in dieser Mannschaft schaut denn auch, dass es eine funktionierende Gruppe gibt? Sorgt dafür, dass neue Spieler integriert und junge Spieler verantwortlich eingebunden werden? Gerade deshalb hat man ja im Sommer auch erfahrene Kräfte dazu geholt. Was nun in der Kabine vorgeht, ist uns allen nicht bekannt.

Da können die Fußballschuhe noch so hübsch sein, wenn den Spielern grundsätzliche Qualitäten abgehen. (Foto: Peter Schatz / Pool via Imago)

Qualitäten eines Fußballers sind aber auch: die Drecksarbeit erledigen, einem Mitspieler zur Hilfe zu kommen, wachrütteln, abspielen, wenn ein anderer besser steht, die Kollegen in die Verantwortung nehmen und nicht nur auf sich selbst schauen. Nach der ersten Halbzeit gegen Köln, scheint es mir an Qualität in dieser Mannschaft zu mangeln. Ich lasse mich aber – entsprechend meiner vorherigen Ausführungen – gerne überzeugen, dass es sich hierbei um ein kurzfristiges Zerrbild handelt.

Jeder einzelne hat Verantwortung

Insgesamt richtet sich der Fokus nun natürlicherweise wieder auf den Trainer. Derweil jedem im Umfeld des FC Augsburg klar sein sollte, dass er/sie einen Teil der Verantwortung trägt. Gerade die Spieler, die auf dem Platz stehen. Das dieses Trikot in diesen Farben eine Verantwortung darstellt. Rot-grün-weiß ist zumindest für uns auf den Rängen nicht nur ein Label. Es wird nie nur eine Marke sein.

Eine weitere Darbietung wie die erste Hälfte gegen Köln wäre schlicht nicht akzeptabel. Mal ehrlich, es heißt ja auch nicht #Augsburgfälltauseinander sondern #Augsburghältzusammen. Gegen Stuttgart und in den weiteren restlichen Partien kommt es nun darauf an, dass die Elf auf dem Platz miteinander und füreinander Fußball spielen. Geschlossen und für das gemeinsame Ziel. Dafür kann sich ein jeder fragen, ob er diesem Ziel in letzter Zeit alles untergeordnet hat.

Domenico & Niko & Tayfun & Manuel

Nun ist sie also zu Ende gegangen, die Bundesligasaison 2017/18.
Liest man sich die Prognosen vor der Saison nochmals durch, muss man als Anhänger des FC Augsburg resümieren: Alles war besser als gedacht.
Weder die zu vielen Spieler, noch der Abgang wichtiger Säulen und die bescheinigte mangelhafte Qualität der Zukäufe konnten verhindern, dass der FCA im Mittelmaß angekommen ist und auch kommende Spielzeit noch in München, Dortmund und Schalke auflaufen darf.

Sicherlich, und das wurde an dieser Stelle auch schon oft genug bescheinigt, ist die Arbeit von Stefan Reuter und Manuel Baum nicht groß genug einzuordnen. Und auch nahezu alle eingesetzten Spieler haben teils sehr über ihrem erwartbaren Niveau gespielt. Jedoch muss die Frage gestellt werden, ob der FC Augsburg auch in einer Bundesligasaison so gut abgeliefert hätte, in der das generelle Niveau dann doch besser gewesen wäre, als es in dieser der Fall war.

Denn Fakt ist: Der FC Augsburg war an der Vizemeisterschaft genauso nah dran, wie Schalke an der Meisterschaft (je 21 Punkte). Ist man Werbefachmann beim Pay TV, könnte man dies mit griffigen Sprüchen wie „Die spannenste Liga aller Zeiten!“ umschreiben. Ganz falsch ist das nicht, denn in der Theorie ist für 17 Mannschaften von Platz 2 bis 18 alles drin. Dennoch muss man konsterniert feststellen, dass das Ergebnis vor allem mit der Art, wie in den vergangenen zehn Monaten in Deutschlands Königsklasse Fussball gespielt wurde, zusammenhängt.

Das Umschaltspiel wurde zum allumfassenden Modus Vivendi erhoben. Ballbesitz, Aufbauspiel – ein No Go.
Hingegen wird darauf gebaut, sich an den Gegner anzupassen, flexibel in der Grundformation zu agieren, um schließlich schnell umzuschalten und zu kontern. Meist über die Flügel, mit einem robusten und zugleich agilen Mittelstürmer. Gepaart mit einer gewissen Hoheit über den Luftraum bei Standardsituationen ergibt sich hieraus das Erfolgsrezept der aktuellen Stunde.
Keine Mannschaft perfektionierte diesen Fussball in der Saison 2017/18 so sehr wie Schalke 04 unter Trainer Domenico Tedesco. Mit der Eintracht aus Frankfurt unter Niko Kovac erreichte ein weiteres Team, das sich dieser Philosophie verschrieben hat, das DFB-Pokalfinale. Und mit Tayfun Korkut erlebte der VfB Stuttgart eine von so gut wie allen Experten in Deutschland nicht für möglich gehaltenen Aufschwung, der sie nun nach Europa führt.

Auch Manuel Baums Spielplan sieht die defensive Stabilität als Maxime des Erfolgs vor. Schnelles Umschalten durch Schlüsselspieler wie Khedira, Baier und Gregoritsch und ein flinker Abschluss durch Finnbogason beflügelten uns diese Saison . Es liegt nichts verwerfliches in dieser Art zu spielen, vor allem nicht wenn man wie Augsburg mit seinen wenigen Mitteln gut haushalten muss und in so gut wie jedem Spiel der Außenseiter ist.

Und wenn kommende Saison dann noch punktuell verbessert wird und die anderen Mannschaften weiter nicht offensiv spielen wollen, dann haben wir gute Chancen, dass es tatsächlich auch für uns noch besser werden kann.

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