Goldjunge Enrico Maaßen

Drei Wochen ist es her, dass der FC Augsburg Enrico Maaßen erst mündlich, dann schriftlich als neuen Chefcoach verpflichtet hat. Einige haben die Zwischenzeit genutzt, um Portraits oder Trainerprofile über den 38-jährigen gebürtigen Wismarer anzufertigen. Sehr früh auch der FCA.

Vereine wählen dieses Format gerne, um die Öffentlichkeit mit den wichtigsten Daten und Fakten zu ihrem neuen Mitarbeiter zu versorgen. Dass dabei dessen Karriereerfolge und Vorzüge oft im Vordergrund stehen, dürfte niemanden groß verwundern. Schließlich handelt es sich auch bei solchen Mitteilungen um einen Teil der externen Kommunikation, in der der Club seinen neuen Trainer in einem möglichst guten Licht präsentieren möchte (und damit auch sich selbst). Daher habe ich es nicht ganz verstanden, dass sich Pitt Gottschalk, Chefredakteur bei Sport1, kürzlich ausgerechnet am Trainerportrait unserer Fuggerstädter so gerieben hat. Aber sei’s drum, das soll hier nur eine kleine Randnotiz bleiben.

Auch wir von der Rosenau Gazette haben uns nochmal intensiver auf die Suche nach Material zur Person „Enno“ Maaßen gemacht. Wir wollen aber kein ‚klassisches‘ Portrait abliefern. Sondern vielmehr sehen, wie unser neuer Coach sich selbst beschreibt. Und auch, wie sein fußballerisches Umfeld das bisher getan hat. Ob da auch was Negatives dabei ist? Ihr werdet es sehen 😊

Maaßen über sich selbst

Wenn man Enrico Maaßen über sich sprechen hört (oder liest), stößt man immer wieder auf zwei Selbsteinschätzungen. Einerseits sei er ein sehr familiärer Mensch, der aus seiner Familie – er hat Frau und zwei Kinder – viel Kraft schöpft. Nicht umsonst ist es ihm auch bei uns in Augsburg wichtig, seine Familie möglichst bald nachzuholen. Selbst mit seinen Eltern und Schwiegereltern fährt er – nicht selten zur Verwunderung anderer Hotelgäste – gerne in den Urlaub, wie er jüngst am PK-Mikro verriet.

Die familiäre Seite des 38-Jährigen ist andererseits flankiert mit einer riesigen Leidenschaft für den Fußball. Und das nicht nur während der Arbeitszeit, sondern 24 Stunden am Tag. Ein Fußballverrückter ist er, sagte er schon zu Beginn seiner Trainerzeit 2014/2015 beim Niedersächsischen Oberligisten SV Drochtersen/Assel (D/A). Bei seinem Amtsantritt als U23-Trainer in Dortmund beschrieb er seine Fußballverrücktheit so:

„Als Trainer ist es natürlich schwer, das komplett beiseite zu schieben. Ich bin schon jemand, der das mit Haut und Haaren lebt.“

Enrico Maaßen im BVB-Interview vom 20.09.2020

Wenn sich Enno als Trainertyp einordnen soll, kommt man spätestens seit seiner Dortmunder Zeit nicht um den ganzheitlichen Trainer herum. Was er damit meint: Sich nicht nur auf einen Mannschaftsteil, z.B. die Defensive, zu konzentrieren und davon ausgehend Tore aus dem Umschaltspiel heraus zu erzielen (wie es der FCA ja lange praktiziert hat). Vielmehr legt er sowohl Wert auf die Defensive, die stabil sein soll, und das Spiel gegen den Ball, das mit einer hohen Pressinglinie geführt wird und sich ggf. flexibel am Gegner orientiert. Als auch auf die Offensive, das Spiel mit dem Ball, durch das mit variablem Positionsspiel und Kreativität möglichst viele Torchancen kreiert werden sollen. Zu diesem ganzheitlichen Trainer habe er sich mit der Zeit entwickelt.

Wie unser neuer Chefcoach selbst sagt, erledigt er seine Arbeit im Team auch mit einer positiven Grundstimmung, Ruhe, Empathie und Transparenz: Er sei grundsätzlich jemand, der

„sehr ruhig ist, der auch nah dran ist, dem es wichtig ist, eine gute Atmosphäre in der Mannschaft zu haben, keine Wohlfühlatmosphäre, aber eine, wo jeder gerne zum Training kommt, wo jeder weiß, da gibt’s ne gewisse Transparenz auch, dass jeder weiß, woran bin ich.“

Enrico Maaßen im BVB-TV vom 04.08.2020

Der FCA über Maaßen

An vielen Stellen konnte man bereits nachlesen, dass der FCA in Person von Sportgeschäftsführer Stefan Reuter Enrico Maaßen als seine absolute Wunschlösung auf dem Trainerstuhl bezeichnet. Das wurde er auch auf Maaßens Antritts-PK nicht müde zu betonen. Reuter zeigte sich rundum von ‚seinem‘ neuen Trainer beeindruckt: von dessen Kaderkenntnis, von dessen Spielidee, von dessen Energie und Willen, sich zu verbessern, den man permanent spüren könne. Maaßens Selbstbeschreibung als „positiv Verrückter“ hat Reuter schon vor der PK übernommen.

Auch von unseren Spielern hört man, dass sie ihren neuen Übungsleiter schätzen, „seinen Plan“. Niklas Dorsch, dessen Genesung nach seinem Schlüsselbeinbruch extrem schnell vorangeht (Thank God!), attestiert Maaßen im neuen Kicker – wie schon Reuter – „Freude“ und „Hunger auf Erfolg“, dass er sehr kommunikativ sei und das Team ums Team mit ins Boot hole. Man merkt, die Attribute fangen langsam an, sich zu wiederholen.  

Medien über Maaßen

Beim Blick in die Medien- und Bloglandschaft kommen dagegen noch ein paar weitere Facetten hinzu. In einem sehr frühen Interview auf Blog trifft Ball – Maaßen hatte damals als gerade 30-Jähriger bei D/A angeheuert – heißt es schon, er sei ein Trainertalent. Auch beschreibt der Interviewer seinen Gesprächspartner als ziemlich entspannt. Ennos Lockerheit sei ansteckend, wobei er immer wieder um Contenance und Bescheidenheit bemüht sei, z.B. als er bezweifelt, schon jetzt, während seiner ersten Trainerstation in Niedersachsen, einen „so wertvollen Lehrgangsplatz“ wie den des Fußballlehrers zu bekommen.

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Im August 2020 durfte sich Maaßen schließlich dann doch noch über seinen Fußballlehrer freuen, nachdem er sich schrittweise – über die B- und A-Lizenz – dazu hochgearbeitet hatte. Unter anderem deswegen sei er auch ein Vielbeschäftigter. 2015 war er nicht nur gelernter KfZ-Mechaniker und Sport- und Fitnesskaufmann. Daneben bildete er sich auch immer wieder erfolgreich weiter. Mit einem Sporttherapie-Fernstudium und seit Beginn seiner Trainerlaufbahn, die bis zum Schritt in den Hauptberuf beim Regionalligisten SV Rödinghausen 2018 immer noch nebenherlief, eben auch durch Trainerlehrgänge.

Bei all seinen Aktivitäten sei Maaßen trotzdem penibel, ein Perfektionist:

„Einer, der überall schraubt – sei es das Geschehen auf dem Rasen oder die Außendarstellung und externe Kommunikation. Wie er in der Öffentlichkeit zitiert wird, segnete er in Dortmund immerzu selbst ab – und regelte die sportlichen Geschäfte auf ähnliche Art und Weise.“

Der Kicker über Enno Maaßen am 09.06.2022

Frühere Weggefährten über Maaßen

Und da wären wir mit dem BVB, in dessen Diensten Maaßen seit 2020 als U23-Trainer stand, bei früheren Stationen angekommen, an denen er ebenfalls Eindruck hinterlassen hat. Was die Offiziellen beim BVB und Rödinghausen über ihn sagen, kommt einem nur allzu bekannt vor. Wunschtrainer, hier wie da. Bei Franz Pfanne, Mittelfeldspieler, den Maaßen aus Rödinghausen zu Dortmund gelotst hat, kommt nochmal unverkennbar der Perfektionist und Fußballverrückte zum Vorschein:

„Enrico ist ein Trainer, der sich wirklich über alles Gedanken macht. Also wirklich über alles. Egal ob auf dem Platz oder daneben. Der ist so fußballverrückt, das ist echt krass.“

Franz Pfanne über Maaßen im Schwatzgelb-Blog vom 20.02.2021

Besonders spannend fand ich aber auch Einschätzungen aus Fanforen. Für den DortmunderJungen z.B. war Maaßen schon längst vor seiner Verpflichtung bei den Schwarz-Gelben ein Traum. Für Molsiris danach dann ein absoluter Glücksgriff. Und TheKillingJoke imponiert, wie er das Team mitgenommen hat.

Ein Post eines Hansa Rostock-Anhängers, der früher mit dem gebürtigen Mecklenburger in der B-Jugend kickte, ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Denn er enthält so vieles davon, wie auch spätere Weggefährten – wie wir jetzt gesehen haben – Maaßen beschrieben haben:

„Ich kenne ihn noch aus der B Jugend in Grevesmühlen. Dort haben wir 1 Jahr lang zusammen gespielt. Er war damals schon ein sehr euphorischer Typ, der als Spieler schon das Spiel gelenkt hat und in der Halbzeit hin und wieder taktische Ideen hatte und generell komplett fussballverrückt war.“

User Draven_ im TM-Forum vom 06.01.2019

Stimmt’s oder stimmt’s nicht?

Sofern man den Selbst- und Fremdbeschreibungen von und zu Enrico Maaßen glauben mag, dürfen wir uns in Augsburg die nächsten drei Jahre über ein wahrliches menschliches und fußballerisches Genie an der Seitenlinie freuen. Die Frage, die sich jetzt aber noch stellt, ist: Stimmen diese Lobeshymnen auf ihn oder nicht? (Die Nähe der Überschrift zur Lieblingskategorie unseres Gregerls im FCA-TV-Format „Was woisch“ ist hier natürlich rein zufällig gewählt 😊.) Ich versuche das zum Schluss noch ein bisschen einzuordnen.

Maaßens Fußballverrücktheit – gerade in seiner ‚Freizeit‘ – ist schwierig zu beurteilen. Aber gerade die Aussagen der früheren (Mit-)Spieler finde ich überzeugend. Auch dass Maaßen sich als ganzheitlicher Trainer begreift, zu dem er geworden ist, leuchtet mir anhand seiner bisherigen Laufbahn komplett ein. Bei D/A ließ er ergebnisorientiert noch hauptsächlich umschalten. In Rödinghausen verlagerte sich sein Fokus auf die Offensive, während beim BVB die individuelle Spielerentwicklung hinzukam. Und dazu gab ihm der Erfolg einfach recht.

In der Tat wirkt Maaßen in Interviews sehr ruhig, sehr besonnen, sehr klar auf mich. Ich höre ihm gern zu. Daher kann ich es gut nachvollziehen, wenn beim FCA schon jetzt der Prozess des Mitnehmens angefangen hat. Den Maaßen selbst ja auch initiiert hat, indem er nicht nur gleich die Mannschaft kennenlernen wollte, sondern auch alle weiteren Player im Verein und drumherum. Schon jetzt fühlen sich viele (wieder) mitgenommen von diesem „Menschenfänger“, wie es die Viererkette kürzlich ausgedrückt hat. Die von Maaßen gleich selbst zum Hintergrundgespräch mitgenommen wurde.

Aber (und hier kommt das vorläufig einzige und sehr kleine Aber): Dass Maaßen das Wort „gemeinsam“ auf der PK so oft genannt hat, wirkte auf mich irgendwie gekünstelt. Fast wie ein einstudierter Teil der aktuellen FCA-Kommunikation, die ja mehr denn je, hat man den Eindruck, um die Wiederherstellung eines Miteinanders auf allen Ebenen bemüht ist. Vor anderen Kameras oder in anderen Zeitungen hat Maaßen das meines Wissens nach nicht so oft betont. Zumindest nicht im Zusammenhang mit dem gesamten Verein, sondern eher mit dem Mannschaftszirkel.

Trotzdem habe ich es Maaßen abgenommen. Vielleicht hat ja auch seine penibel geplante Außendarstellung Wirkung gezeigt? Egal. Ich finde ihn mitreißend. Vielversprechend. Vertrauenserweckend. Allerdings kann erst die nächste Zeit zeigen, ob die angestrebte Gemeinsamkeit zwischen allen Vereinsteilen auch wirklich praktiziert wird. Sollte das aber gelingen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass für den FCA mit Maaßen, diesem Goldjungen, wirklich goldene Zeiten anbrechen. Egal, ob Klaus Hofmann seine Aussage von neulich ironisch gemeint hat oder nicht.

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