Ricardo Pepi – sportlich

Ich konnte es auch nicht mehr hören. Das Thema Ricardo Pepi wurde in den letzten Tagen in den Medien einmal hoch- und runtergehandelt. Vom Finanzhaushalt über die Organisationsstruktur bis hin zum neuen „Investor“ des FC Augsburg (tatsächlich ist David Blitzer „nur“ Anteilseigner). Vom Spielerporträt Pepis über sein erstes Trainingstor bis hin zu überteuerten Trikots in den USA. Fast nichts in der Berichterstattung wurde ausgelassen. (Kurze Zwischenfrage: Fühlen sich Bayern-Anhänger*innen wegen der medialen Daueraufmerksamkeit für ihren Club eigentlich immer so? Falls ja: puh. Muss anstrengend sein.)

Am Sonntag erreichte mich dann eine Nachricht von Mats von Createfootball. Das ist eine Fußball-Consultancy, die im Bereich Datenscouting national wie international neben Fußballclubs auch mit Medienvertretern kooperiert. Mit ihr haben wir letztes Jahr schon eine kleine Datenreihe zum FCA herausgebracht. Diesmal hatte Mats einen kleinen Pepi-Datenreport für uns. Mein erster Reflex: Nicht noch ein Artikel, der auf den Pepi-Hypetrain aufspringt! Als ich aber gesehen habe, dass es darin vor allem um die sportlichen Qualitäten des inzwischen 19-jährigen US-Talents geht, habe ich mich umentschieden. Denn dazu wurde bisher noch nicht allzu viel berichtet. (Danke an dieser Stelle für den wieder mal interessanten Input!)

Gleichzeitig fiel mir dazu noch eine weitere der wenigen Veröffentlichungen der vergangenen Tage ein, die sich ebenfalls mehr für die sportliche Seite des Spiels Ricardo Pepis beim FCA interessiert. Und zwar von Justin Kraft für Spox, der vielen sonst bekannt ist als Bayern-Blogger. Er ist aber auch freier Autor und Journalist.

Ich will die beiden Einschätzungen nun miteinander vergleichen und sehen, was sie zur Spielweise des gebürtigen Texaners, aber auch des FC Augsburg zu sagen haben. Dabei zeigt sich: Es gibt einige Gemeinsamkeiten, aber auch kleinere Unterschiede, vor allem was Pepis Rolle in der Offensive des FCA betrifft. Welche Rolle er dort letztlich spielen könnte? Dazu habe ich am Ende eine klare Meinung. So, Vorspann is’ jetzt aber lang genug. Los geht’s!

Die Spielweise von Ricardo Pepi

Sowohl Createfootball als auch Kraft sehen in Augsburgs Neuzugang einen mitspielenden Stürmer („Mobile Striker“ nennt Createfootball diesen Spielertyp). Von den Anlagen her einem Erling Haaland nicht unähnlich arbeite sich Pepi mit kraftvollen und direkten Läufen ins Sturmzentrum vor, um sich dort regelmäßig äußerst gut zu positionieren und häufig angespielt zu werden, so Createfootball. Nicht von ungefähr komme daher auch sein Spitzname „El Tren“ (Der Zug). Pepis größte Stärke im Strafraum sei sein zielgenauer und zugleich kraftvoller Abschluss, vor allem mit dem rechten Fuß. Er kann aber auch gut mit links, erinnert uns Kraft.

Aus dessen Sicht nimmt Pepi aktiv an der Ballzirkulation teil, verlässt dafür häufig seine Position und ist für gegnerische Verteidiger durch seine klugen Laufwege und sein Verständnis für gefährliche Räume nur schwer greifbar. Mit seinen gegenläufigen Bewegungen könne er aber auch Räume für die restliche Offensive öffnen. Laut Createfootball wählt er als spielerisches Element gerne mal den Steckball als Passoption auf seine Mitspieler.

Auch bei Pepis Arbeit gegen den Ball sind sich beide Einschätzungen einig. Er pausiert selten (Kraft) und agiert stattdessen mit fast 25 Pressingaktionen pro 90 Minuten in dieser Kategorie sehr fleißig. Laut Createfootball ein extrem hoher Wert. In Ballbesitz sehen die Datenscouts beim Mittelstürmer dagegen noch Schwächen bei der Ballkontrolle und im Dribbling. Dabei wirke er teilweise (noch) etwas unbeholfen.

Da hilft alles Gestikulieren nix: Der FCA bleibt in dieser Saison im Angriff harmlos. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Die Spielweise des FC Augsburg

Ob Pepi seine Pressingqualitäten beim FCA allerdings auch zeigen und an oben genannten Wert herankommen kann, daran hat Createfootball Zweifel. Als Grund führt es den tiefstehenden Defensivstil der Augsburger an. Auch nach Kraft hat Trainer Markus Weinzierl bisher vor allem auf die Defensive als individuell am stärksten besetzten Mannschaftsteil gesetzt und mit ihr auf den Ansatz, nach Ballgewinn mit möglichst wenigen Kontakten in die Spitze zu spielen. So verlängern sich nicht nur die Wege bei Kontersituationen, was Pepi nicht gerade entgegenkomme. Seine Stärken liegen ja im Kombinationsspiel im letzten Drittel und nicht in langen Tempoläufen. Problematisch daran sei auch: Augsburg habe die Verbindung zwischen Defensive und Offensive zu selten herstellen können.

Genau auf dieses Problem, dass der bisherige Angriffsstil des FCA hemmend auf den Neuzugang wirken könnte, verweist auch Createfootball:

„Während Pepi in Dallas als alleinige Spitze vor allem vom zentralen Spielmacher Jesus Ferreira gefüttert wurde, vermeidet man in Augsburg Angriffe durchs Zentrum (zweitwenigste der Liga), agiert zudem wenig spielfreudig.“

Createfootball im Scoutingreport zu Ricardo Pepi vom 9.1.2022

Der FCA kann danach ligaweit nicht nur die zweitwenigsten Angriffe durchs Zentrum vorweisen, sondern hat auch generell Defizite im Abschluss. Das verdeutlicht Kraft zahlenmäßig: Nur Greuther Fürth kommt in der Bundesliga auf weniger Abschlüsse als der FC Augsburg (10,6 pro Spiel). Und auch bei den erwartbaren Toren anhand der Chancenqualität sind die Fuggerstädter Drittletzter (1,0 pro Spiel) in der Liga. Deshalb sei auch Vorsicht geboten bei der Diskussion, ob Pepi der nächste Haaland werden könnte.

Pepi als „Lückenfüller“?

Dass Ricardo Pepi neben seinem eigenen Torabschluss auch in der Lage ist, seine Mitspieler in Szene zu setzen, haben sowohl Createfootball (Steckbälle) als auch Justin Kraft (Raumöffnung) festgestellt. Allerdings gehen bei der Frage, welche Rolle Pepi gegenüber seinen Kollegen im Augsburger Sturm und Mittelfeld einnimmt, die Einschätzungen nun auseinander.

Nach den Datenscouts von Createfootball sind unsere beiden Stürmer Florian Niederlechner und Alfred Finnbogason dem 19-Jährigen ziemlich ähnlich. Beispielsweise in ihrer Abschlussfreude. Das heißt, von ihnen sind – genauso wenig wie aus dem zentralen Mittelfeld – vorerst wohl keine präzisen Zuspiele auf den US-amerikanischen Mitspieler zu erwarten und ein „Pepi-Fokus“ entfalle erst einmal.

Niklas Dorsch ist im Mittelfeld (zu) viel mit Verteidigen beschäftigt. (Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ganz im Gegensatz dazu sieht Kraft Pepi als einen Stürmer, der weiträumiger agiere als alle anderen Angreifer im Kader. Und genau dieser weiträumigere Aktionsradius des Youngsters könnte seiner Meinung nach schon einige Probleme beim FCA lösen. So könne der Pepi-Mehrwert vor allem darin bestehen, dass er die Zwischenräume vor Niklas Dorsch besser auffüllt, der im Mittelfeld bisher allzu oft auf sich allein gestellt war. Dadurch, dass Pepi sich im letzten Drittel klug freiläuft und in den Freiräumen Bälle festmacht, könne er seinen Mitspielern Zeit verschaffen – um aufzurücken und Konter häufiger abzuschließen. Auch unabhängig vom Torekonto, an dem Stürmer sonst gemessen werden.

Aber wie Createfootball, für die die spielerischen Voraussetzungen beim FCA für Pepi nicht ideal sind, kommt auch Kraft letztlich zu dem Schluss: Pepi allein wird den Umschwung nicht bringen.

Suche nach Verstärkung in der Zentrale

Die Einschätzungen von Createfootball und Justin Kraft zur Spielweise von Pepi und dem FCA haben zusammenfassend einen gemeinsamen Kern. Die Verteidigungslinie des FCA steht tief. So tief, dass Ricardo Pepi seine Pressingfähigkeiten womöglich nicht entfalten kann oder unliebsame Tempoläufe antreten muss. Wenn überhaupt, laufen Augsburger Angriffe kaum durchs Zentrum. Auf diesem Weg wird Pepi für seinen Torabschluss – wie noch in Dallas – nicht mehr versorgt. Und auch von seinen Sturmkollegen sind keine präzisen Zuspiele zu erwarten. Aus FCA-Sicht klingt das erstmal ziemlich ernüchternd, auch wenn es uns Fans nicht sehr überrascht. Von Kraft kam dann noch der Lösungsvorschlag, man könne mit Pepi selbst die Lücke vor dem (defensiven) Mittelfeld um Dorsch schließen, damit er hier Bälle festmacht und mit nachrückenden Kollegen Konter ausspielt.

Aus meiner Sicht ist das aber keine tragfähige Lösung. Schließlich muss es das Ziel sein, dass unser neuer, nicht ganz preisgünstiger Vorzeigestürmer sein volles Potenzial entfalten kann und nicht behelfsweise auf einer Position eingesetzt wird, „nur“ weil der Verein dort offensichtlich Nachholbedarf hat. Gut ist aber, dass der FCA diesen Bedarf längst erkannt hat und schon fieberhaft am nötigen Support für Pepi arbeitet. Seine jüngsten Offerten auf dem Transfermarkt drehen sich nämlich fast alle um zentrale bis defensive Mittelfeldspieler, z.B. Jens Stage vom FC Kopenhagen oder Jens Cajuste, der nach Augsburger Interessensbekundungen inzwischen allerdings nach Reims gewechselt ist.

Doch wer auch immer es am Ende wird. Ich bin mir sicher, die Verantwortlichen werden es schaffen, einen fähigen Mann ins Augsburger Mittelfeld zu lotsen. Damit die Spielweise von Ricardo Pepi und dem FCA in Zukunft harmonieren und der Umschwung zum Gemeinschaftsprojekt werden kann. In diesem Sinne: Nur der FCA!

More Risk, more Fun

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Gibt es etwas besseres, als ins Wochenende zu starten und der FCA hat schon gewonnen? Wohl kaum. Lange sah es in der Begegnung gegen Borussia Mönchengladbach nicht danach aus als könnten wir irgendetwas mitnehmen. Die Partie gegen Hertha BSC ging in der Vorwoche schon sang- und klanglos verloren. Genau wie schon in der Vorrunde. Und auch wenn es diesmal vom Ergebnis nicht ähnlich deutlich war, so könnte man auf kaum frustrierende Art und Weise verlieren. Als Fan des FC Augsburg wird man mit Blick auf die spielerische Entwicklung gerade auf eine arge Geduldsprobe gestellt. Aber gerade gegen Gladbach hat man gut gesehen, wie es sich auszahlen kann, mal etwas mehr Risiko einzugehen (solange der Gegner seine Chancen nicht nutzt).

No Risk, no Fun. (Foto: Andreas Gora via Imago)

Bei aller Bescheidenheit

Das Engelchen auf der einen Schulter will mich beruhigen. Es flüstert: „die Punkteausbeute ist doch ok“ oder „aus den letzten 4 Partien haben wir 7 Punkte geholt und nur eine Partie verloren“ oder „wirtschaftlich können wir noch immer keine Bäume ausreißen“ oder „als Fan darf man nicht immer sportliche Höchstleistungen erwarten“. Das Teufelchen auf der anderen Schulter übernimmt trotzdem das Kommando. Ja, wir stehen nicht am Abgrund, aber der Abstand zu den Abstiegsrängen ist trügerisch. Gegen Mainz haben wir uns glücklich zu einem 1:0 Sieg gewurschtelt. Insgesamt haben wir durch individuelle Fehler der Gegner sowieso gerade mehr Glück als Verstand. Stindl verschoss für Gladbach einen der vielen Elfmeter, die wir gerade verursachen. Das gleicht nicht die sportliche Mutlosigkeit aus, die wir insgesamt seit Wochen und Monaten fast immer ausstrahlen.

Keine Wechsel in der Aufstellung?

Vor einer Woche gegen Hertha hat es mir schon gereicht, als ich die Aufstellung gesehen habe. Keine Wechsel? Keinen einzigen? Gegen Hertha dachte Heiko Herrlich also, dass die gleiche 11 die besten Siegchancen hat wie gegen Mainz 05. Keine Anpassung auf Grund des taktischen Konzepts und der Spielweise des Gegners? Ich habe vor kurzem einen längeren Vortrag von Thomas Tuchel gesehen, in dem er erklärte, wie er als Trainer von Mainz 05 immer erschrak, weil er so viele Wechsel in seiner Startelf vornahm, obwohl die Mannschaft in der Vorwoche gewonnen hatte. „Never change a winning team“ kann der FC Bayern abziehen. Wir müssen uns auf den Gegner einstellen und unsere Mannschaft anpassen. Oder einfach denken, dass wir erneut die 11 auf den Platz stellen, die den Bus am geschicktesten vor dem Tor parken kann. Gegen Gladbach musste Heiko Herrlich teilweise notgedrungen wechseln. Aber auch Marco Richter bekam mal wieder eine Chance von Anfang an. Geht doch möchte man im Nachhinein laut schreien.

Ein Wechsel in der Startaufstellung der sich auszahlte: Marco Richter bejubelt seinen Führungstreffer (Foto: Bernd Feil/M.i.S./Pool via Imago)

Der Game Plan: Der Bus parkt

Dazu haben wir genau einen „Game Plan“. Auch unter Heiko Herrlich wollen wir uns hinten rein stellen und dann im Ballbesitz über lange Bälle umschalten. Wer erkennt den Unterschied zur Zeit unter Martin Schmidt? Musste Schmidt gehen, weil sich unser Spiel nicht weiterentwickelt hat? Oh…

In der Partie gegen Hertha und auch in der ersten Hälfte gegen Gladbach konnte man zudem gut erkennen, wie das dazu führt, dass man von einem Gegner komplett eingeschnürt und erdrückt wird. Hertha hatte ein deutliches Chancenplus und hätte die Partie auch deutlicher gewinnen können. Gladbach hatte auch ein großes Chancenplus, konnte aber schlicht zu wenig aus den Gelegenheiten machen. Giki und dem Glück sei dank (Auf Twitter kam die Frage auf, ob Giki der Transfer der Saison wäre – in der gesamten Bundesliga. Was wären wir momentan ohne diesen Keeper?) Das Zuschauen hat erneut mal wieder zu großen Teilen keinen Spaß gemacht. Der Tickerer von OneFootball hatte es nach 18 Minuten gegen Gladbach so ausgedrückt: „Augsburg setzt überhaupt keinen Stich. Zu langsam, zu spät, zu zahm. Das kann nicht Sinn der Sache sein.“

Wo war Ruben Vargas in den letzten Partien? Nur Heiko Herrlich weiß es. (Foto: Bernd Feil/M.i.S./Pool via Imago)

Ein Jahr Herrlich und kein Mut

Und so lässt sich nach einem Jahr mit Heiko Herrlich als Trainer feststellen, dass dieser Trainer auf der Risiko-Skala den absoluten Gegenpol zu Julian Nagelsmann darstellt. In Situationen in denen Nagelsmann – der Trainer in der Bundesliga mit dem größten Hang zum Risiko – das Risiko wählt, entscheidet sich Heiko Herrlich dazu, lieber nochmal auf Nummer sicher zu gehen. Nagelsmann hatte selbst auf einem Trainerkongress erklärt, wie er seine Aufstellung wählt. Gegen Gegner, die er als gleichwertig und schlechter einschätzt, wählt er die offensivere Aufstellungsvariante. Heiko Herrlichs Ansicht dazu ließ sich gegen Mainz 05 und Hertha BSC gut beobachten. Vargas, Richter, Gregortisch und Bazee hätten sich den Weg schon fast sparen können. Gegen Gladbach war es nun keine offensive Offenbarung Niederlechner auf die Bank zu setzen und Richter spielen zu lassen. Zumindest sah es in der ersten Halbzeit schon wieder nach Debakel aus.

Das Glück ist mit den Mutigen

Gerade gegen Hertha, mit den besten Voraussetzungen nach dem frühen Tor, hätte der FCA sich mehr zutrauen müssen. Sich nicht nur passiv hingeben sollen. Und es war nun bei weitem nicht das erste Mal. Wo um Himmels Willen ist hier eine sportliche Entwicklung unter Heiko Herrlich zu erkennen? Und wie will er es langfristig in Augsburg schaffen, ohne jemals bewusst ein Risiko eingehen zu wollen? Gegen Gladbach kam in der zweiten Halbzeit vielleicht so etwas wie eine erste Antwort. Vargas für Bénes war ein Anfang und Vargas sorgte per Kopf auch für die Führung. In den nächsten Partien ist die Zeit gekommen, Änderungen direkt von Anfang an vorzunehmen und mehr Mut an den Tag zu legen. Oder sich weiter der Hilflosigkeit zu ergeben. Es darf sich dann aber keiner beschweren, es hätte keine Warnungen gegeben. Die Partie gegen Gladbach sollte zeigen, wie weit uns ein bisschen Mut diese Saison noch tragen kann. Wenn man keine Alpträume auf Grund der Gelegenheiten der Gladbacher bekommt.

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