Auf der Suche nach der sportlichen Identität

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de. 

Kaum ein Verein in der Bundesliga (ja, die Hertha ist abgestiegen), hat in den letzten 18 Monaten so viel Bewegung auf den Positionen seiner Entscheider gesehen, wie der FC Augsburg. Erst verkündete Präsident Klaus Hofmann kurz vor dem Saisonabschluss 21/22 seinen Rückzug. Kurz danach erklärte Markus Weinzierl nach dem letzten Spiel, das er nicht für ein weiteres Engagement zur Verfügung steht. Der FCA war schlagartig auf der Suche nach zwei führenden Köpfen.

Erste Unruhewelle

Zuerst besetzte man – nach langem Suchprozess und bei ansteigender Ungeduld im Umfeld – die Trainerposition. Enno Maaßen kam von der Dortmunder U23 und sorgte für Aufbruchsstimmung. Er stand für den Wunsch, dass junge Spieler entwickelt werden sollten. Er stand zudem dafür, seinen Teams Ballbesitzfußball näher zu bringen. Und sein Spielansatz sollte sichtbar intensiv sein.

Im Herbst desselben Jahres fand der FCA einen neuen Präsidenten. Kneipenwirt Max Krapf übernahm die Position. Kommunikativ und stark in der Stadt vernetzt ging er nach seiner Ernennung unmittelbar dazu über, Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten zu führen, und sorgte in der Folge dafür, dass sich der ein oder andere mehr mitgenommen fühlte. Sportlich waren zudem unter Maaßen erste Erfolge zu verzeichnen. Es hätte Ruhe einkehren können.

Zweite Unruhewelle

Die weitere Entwicklung wurde dann davon getrieben, dass der FCA sich sportlich breiter aufstellen wollte. Es sollte ein Sportdirektor zur Unterstützung von Stefan Reuter kommen, nachdem Krapf im Tagesgeschäft nicht aktiv eingriff gerade im Vergleich zu Klaus Hofmann. Mit Marinko Jurendic fand man zum 01.08. einen neuen Mann für die Aufgabe. Allerdings kristallisierte sich im Prozess heraus, dass Reuter den Moment nutzen wollte, um selbst in den Hintergrund zu treten. Recht bizarr, wenn man bedenkt, dass ihm beim Abgang von Hofmann noch vorgeworfen worden war, in diesem Zuge seine eigene Macht stärken zu wollen.

In Freiburg war noch alles gut zwischen Maaßen und Jurendic, auch wenn am Ende wieder Christian Streich lachte. (Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Der nächste Wechsel wurde unumgänglich, weil Enno Maaßens Team sich selbst immer wieder Beine stellte und Maaßen keine Lösungen mehr fand. Der FCA sah sich gezwungen in der Saison 2023/24, den Wunsch nach Konstanz auf der Trainerposition kurzfristig wieder zu begraben. In der zweiten Länderspielpause im Oktober wurde Maaßen freigestellt und Jess Thorup als neuer Cheftrainer an den Lech geholt.

Gesammelte Abgänge und Visionen

Und wer hätte zu Beginn des Jahres 2022 gedacht, dass nicht einmal 2 Jahre später, weder Stefan Reuter, noch Klaus Hofmann, noch zwei Cheftrainer, die beide den Klassenerhalt gesichert hatten, nicht mehr beim FCA tätig wären. Zusammen mit den gesammelten Abgängen verließen auch viele Ideen und Visionen den Club. Daneben – und das ist ein Thema, welches in Zukunft noch näher betrachten werde – haben auch viele erfahrene Spieler den Club verlassen.

Klaus Hofmann wollte aus dem FCA ein Club formen, der auch international mit Spielern wie Ricardo Pepi für Furore sorgt. Stefan Reuter war ein Verantwortlicher mit ruhiger Hand, der vor allem für Konstanz stand. Die Trainer standen beide für einen aktiven Ansatz in der Spielanlage. Von Enno Maaßen erhoffte man sich, dass er Spieler entwickeln könne, was Weinzierl lieber bleiben ließ.

Wohin geht die Reise?

Gerade sportlich entstand durch die Wechsel kurzfristig ein Vakuum. Sowohl Michael Ströll, der letzte Verantwortliche aus der alten Garde, als auch Max Krapf sind nicht die Fußball-Experten. Krapf hat zu seinen Podcast-Zeiten bei taktischen Analysen immer gerne an die Kollegen übergeben, Ströll hat zwar selbst gespielt, seine Expertise liegt aber v.a. im kaufmännischen Bereich. Mit Jurendic und Heinz Moser hat man zwei dazu geholt, dazu kommt nun mit Jess Thorup ein neuer Trainer. Mit Timon Pauls hat zudem der Chefscout den Club verlassen und wechselte (Trommelwirbel) zur Hertha. Anscheinend steht er auf Unruhe im Umfeld.

Sportlich ist nun die Frage, wie das große Ganze aussehen soll. Krapf hatte in seinen ersten Monaten schon erwähnt, dass er gerne sehen will, dass Spieler auch mit Gewinn verkauft werden. Wirtschaftlich ist der FCA hierauf wohl auch angewiesen, um mit vergleichbaren Clubs auf Augenhöhe zu bleiben. Bei Berisha hat dies auch gleich im Sommer gut funktioniert. Auch bei Ricardo Pepi konnte man den Schaden kurzfristig minimieren und langfristig sogar noch ein bisschen Potential über eine Beteiligung am Weiterverkauf sichern.

Pro „Heimatverein“

Ist aber „Ausbildungsverein“ der richtige Begriff, für das Zielbild beim FCA? Sollen Spieler kommen, um auch wieder zu gehen? Es ist schön, wenn das klappt, aber es sollte nicht das Zielbild sein. Die Spieler sollten gerne in Augsburg ihre „beste“ Zeit haben. Sie sollten sich wohlfühlen und Topleistungen abliefern. Für manchen wird es zu mehr reichen. Andere werden hoffentlich bleiben und sesshaft werden. Es muss auch wieder Fälle wie den von Daniel Baier geben und nicht nur wild der nächste Baba gesucht werden.

Spieler sollten, wenn fit, gerne ihre Karrieren in Augsburg beenden können. Mir ist das zu viel Familien-Marketing und zu wenig Familiengefühl, wenn man sich das im Moment anschaut. Gerade aber das ruhige Umfeld und die Stadt mit ihrer hohen Lebensqualität sollten Spieler anlocken, die nicht den ganz großen Trubel wollen. Wenn ihnen der Club dann eine gewisse Wertschätzung entgegenbringt, die in der Vergangenheit auch immer mal wieder vermisst wurde (Stichwort: Verabschiedungen), dann werden wir auch wieder große Abgänge sehen, aber auch konstante Leistungsträger, die nicht nach mehr suchen. Dann wird auch für den ein oder anderen Spieler der FCA wieder zur Heimat. Und der FCA ist nicht nur für die Menschen auf den Rängen der „Heimatverein“.

Fokus auf die Mitte

Trainer verpflichtet, vorgestellt und eine neue Offenheit signalisiert. Ruhe reingebracht. Nun geht es Schritt für Schritt darum den Kader zu stärken und einzelne Problemzonen anzugehen. Der Fokus richtet sich dabei auf die Mitte. Und die ist ist in zweierlei Hinsicht gemeint.

Die Altersstruktur

Der FCA verfügt über einige Spieler in eher jungen Jahren, und einen Stamm an Spielern kurz vor der Fußballrente. Was dem FCA momentan abgeht ist der Mittelbau dazwischen. Warum ist dieser wichtig? Die jungen Spieler richten klar den Blick auf ihre persönliche Fortentwicklung und sehen den FCA in erster Linie als nächsten Schritt, dem einige weitere folgen sollen. Den Älteren geht manchmal die Ambition für mehr ab, wenn sie nicht so positiv verrückt wie Rafal Gikiewicz sind. Der langfristige Erfolg des Clubs wird hier dann schon mal hinten angestellt. Die Gruppe der Mit-Zwanziger liegt hier genau dazwischen. Einerseits hat man es woanders schon mal probiert und es hat nicht geklappt wie erhofft. Andererseits stellt man sich vielleicht auch mal hinten an, wenn man gedenkt in ein paar Jahren immer noch da zu sein.

Da legsch di dernieder. Wir wollen über einen Gregerl-Abgang nicht nachdenken, aber durch die Vertragssituation bedingt, könnte es leider jetzt im Sommer soweit kommen. (Photo by ROBERT JAEGER/APA/AFP via Getty Images)

Nun steht Michael Gregoritsch mit seinen 28 Jahren noch beim FCA unter Vertrag. Dieser läuft allerdings in 2023 aus und sollte der FCA sich mit Gregerl nicht auf eine Verlängerung einigen können, so wird der Abschied in diesem Sommer stattfinden müssen, um noch Transfereinnahmen zu erzielen. Es wäre höchst schade, gehört aber zur Realität dazu. Dann wird es in diesem Kaderbereich noch dünner, auch wenn Arne Maier und Felix Uduokhai eventuell in dieses Kadersegment hineinwachsen könnten. Bei Transfers in diesem Sommer wird sich somit wohl die Aufmerksamkeit stark auf das mittlerweile sehr ausgedünnte Mit-Zwanziger-Alterssegment richten müssen. Irgendwie ist die Altersstruktur zuletzt etwas durcheinander geraten.

Positionsspiel

Beim zweiten Aspekt des Gedankengangs kommt nun der neue Trainer Enno Maaßen ins Spiel, dessen Fokus sich auf eine starke und flexible Zentrumsbesetzung im 6er/8er/10er-Raum liegt. Derweil bei Tobias Strobl abzuwarten ist, zu welcher Stärke er zurückfindet, haben mit Civeja und Moravek zwei Spieler aus dieser Gruppe den FCA verlassen. Und gerade auch in Bezug auf die 10er Positionen ist der Kader nicht allzu stark aufgestellt ( speziell auch dann wenn man einen möglichen Gregerl-Abgang im Hinterkopf behält).

Man könnte die Situation schon gar als dünn bezeichnen, wenn man darüber nachdenken muss, wer hier außer Niklas Dorsch, Arne Maier und Carlos Gruezo noch zur Verfügung steht. Freddy Jensen offensiv, der letztes Jahr kaum eine Rolle gespielt hat. Das ist bei der Bedeutung der Positionen im Maaßenschen Spielsystem schlicht zu wenig. Und damit ist hoffentlich auch geklärt, warum der FC Augsburg immer wieder und sehr verstärkt mit zentralen Mittelfeldspielern beschäftigt, die sich zudem in einem gewissen Alterssegment befinden.

Die Kandidaten

Ajdan Hrustic ist hier ein Name, der gerade ganz akut gehandelt wird. Er hat bei der Eintracht aus Frankfurt überschaubare Einsatzzeiten erhalten, auch weil er defensiv manchmal zu nachlässig agiert. Offensiv konnte er allerdings immer wieder mit Ideen aufwarten und seine Schusstechnik hat das Zeug für Legenden. Im Maaßenschen System könnte es für ihn offensiv vor den 6ern passen und es würde Sinn machen, dass sich der FCA mit ihm beschäftigt, auch wenn er jetzt kein Kracher-Transfer wäre.

Als einen solchen müsste man Daniel-Kofi Kyereh bezeichnen, der in der letzten Saison bei St. Pauli offensiv großartige Leistungen ablieferte und an dem viele Clubs aus der ersten Liga dran sind. Hier scheint der SC Freiburg wohl zum Zuge zu kommen. Kyereh ist auch schon 26 Jahre alt und wäre damit auch alterstechnisch eine perfekte Ergänzung für den FCA.

Okugawa nach Augsburg? Warum nicht. Er würde ins momentane Beuteschema des FCA wunderbar passen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Weiterhin in der ersten Liga spielen will eventuell Masaya Okugawa von Arminia Bielefeld. Mit 8 Toren und einer Vorlage in der abgelaufenen Saison hatte er erheblichen Anteil an den Bielefelder Offensiverfolgen. Bielefeld selbst scheint auf die Transfererlöse zu schielen, Enrico Maaßen schaute nicht unlängst im Bielefelder Trainingslager vorbei (wo der FCA die Nachfolge auf der Anlage antreten wird und der Besuch offiziell der Vorbereitung des eigenen Trainingslagers galt) und es ist um Okugawa sehr ruhig im Blätterwalt. Nicht die schlechtesten Anzeichen.

Auch die international gehandelten Amadou Diawara und In-beon Hwang erfüllen prinzipiell die Anforderungen, müssten sich allerdings erst in Deutschland akklimatisieren. Gerade mit der kurzen Sommerpause macht dies einen Transfer schwieriger.

Rückkehr ausgeschlossen?

Wenig Akklimatisation würde ein anderer Spieler benötigen. Nach seinem Wechsel blieb Marco Richter in der Endphase der letzten Saison in Berlin nur die Bank. Er wäre mit seinen 24 Jahren und seiner offensiven Variabilität genau im Beuteschema des FCA. Nun hat die Hertha mit Sandro Schwarz einen neuen Trainer und Richter will dem vielleicht eine weitere Chance geben. Aber vielleicht machen sich alle Parteien schon mal Gedanken, ob sie denn nicht über eine Rückkehr des Eigengewächses nachdenken wollen.

Richter würde wieder in sein gewohntes heimisches Umfeld zurückkehren können. Er hätte langfristig das Potential in Augsburg zum Held zu werden, in dem er nun den Rest seiner Karriere beim FCA verbringt und Tore und Vorlagen liefert (ja der Fußballromantiker träumt immer noch). Der FCA hätte ein Stück Glaubwürdigkeit in Richtung Jugendarbeit zurück gewonnen. Ein verlorener Sohn würde in die FCA Familie zurückkehren. Win-Win-Win.

Stärkung des Kerns

Und während das Gerüst des Kaders steht, braucht der Kern die obengenannte zweidimensionale Unterstützung und weitere punktuelle Verstärkungen. Da braucht es nun auch nichts übers Knie zu brechen und vielleicht muss man auch erstmal auf die ein oder andere Einnahme oder einen Abgang warten. Bis dahin braucht man sich allerdings nicht wundern, warum weiterhin die zentralen Mittelfeldspieler im mittleren Alterssegment die Gerüchte-Spalten überhäufen. Es ist davon auszugehen, dass der FCA in diesem Segment auch zuschlagen wird, sollte dann bei einem der Kandidaten alles passen.

Das ungeplante Ende

Während andere Vereine ihre Fans aufforderten, etwas früher ins Stadion zu kommen, weil der Verein den ein oder anderen Spieler würdig verabschieden will, überraschte die FCA Familie am Freitag eine etwas andere Nachricht. Zwei Stunden, nachdem der Verein noch die normale Rundmail zum Saisonabschluss gegen Fürth verschickt hatte, macht der FCA öffentlich, dass Präsident Klaus Hofmann am 12.05. von seinem Amt als Präsident des Vereins und von seiner Geschäftsführerfunktion der KGaA zurückgetreten war.

Gute Besserung

An dieser Stelle möchte ich mir die Zeit nehmen, um Klaus Hofmann auf diesem Wege die besten Genesungswünsche zu übermitteln vom gesamten Team der Rosenau Gazette. Er tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück. Wir wünschen ihm von Herzen, dass er bald wieder seine volle Gesundheit zurück erlangt und diese Zeit der Krankheit nur eine unerfreuliche Episode in seinem Leben ist. Alles Gute!

Auf Grund der Umstände des Abschieds wird schnell klar, dass dies in dieser Form nicht geplant gewesen sein kann. Vielleicht hat man es gerade noch geschafft, den Vorgang so lange hinauszuzögern, bis die Mannschaft den Klassenerhalt gesichert hatte. Dass Klaus Hofmann anscheinend nicht mehr in der Lage ist, die Nachricht gegenüber der Presse und den Fans selbst zu verkünden, ist beunruhigend. Wie auch die Fragen, die automatisch aufkommen, wenn man die Nachricht liest.

Gerade vor einem guten Monat hatte Hofmann auf einer Podiumsdiskussion mit Fans von einem „Lifetime-Commitment“ gesprochen. Er wolle die Anteile am FCA nicht verkaufen, solange er lebe. Und so bereitet sein Rücktritt zumindest mir zuallererst Sorgen um den Menschen Klaus Hofmann, der immer sichtlich für den FCA brannte und dem man niemals die Leidenschaft in der Sache absprechen konnte.

Viele Fragen

An diesem Tag des Saisonabschlusses bleiben, über die zur konkreten Gesundheit des ehemaligen FCA-Präsidenten hinaus, zuerst einmal viele Fragen. Wer wird nächster FCA Präsident? Wie wird der Präsident bestimmt? Braucht es eine außerordentliche Mitgliederversammlung? Wer wird neuer Geschäftsführer der KGaA? Braucht es einen solchen überhaupt? Was macht Klaus Hofmann mit seinen Anteilen an der Investorengesellschaft? Was passiert mit der Gruppe der Investoren? Wie wird die Einhaltung der 50+1 Regel beim FCA in Zukunft sicher gestellt? Und, und, und.

Derweil gäbe es genügend spannende Fragestellungen, die uns als Fans dieses Clubs momentan beschäftigen sollten. Wer ist Trainer zur neuen Saison? Verlängern wir mit Markus Weinzierl, oder nicht? Welche Spieler werden uns in der kommenden Saison verstärken? Welche werden uns vorher verlassen? Zumindest bei mir wird dies nun vorerst in den Hintergrund geraten. Das Sportliche fällt in seiner Bedeutung hinter die anstehenden strukturellen Weichenstellungen zurück.

Was bei diesem Prozess, der dem FCA nun bevor steht, am Ende heraus kommt, ist zumindest mir momentan unklar. Nach den zurückliegenden Jahren mag ich allerdings eines betonen. Natürlich wird es auf die Ergebnisse des Prozesses ankommen. Es interessiert mich sehr, wer im Verein die Führung übernehmen wird. Wer aktiv in der KGaA mitarbeiten wird und wie am Ende die Strukturen von alldem aussehen werden. Genau so interessant finde ich allerdings, wie dieser Prozess aussehen wird, den wir nun durchlaufen. Werden Mitglieder und Fans eingebunden und in welchem Umfang? Wie transparent wird all das vonstatten gehen?

Die aufgebaute Substanz wird weiter bestehen, auf das Fundament kann man aufbauen. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Aus mit der grauen Maus

Gerade als man befürchten oder doch erhoffen konnte, der FCA würde zur grausten Maus in der Bundesliga aufsteigen, kommt somit auf ganz ungeahnte Art Bewegung in diese, von uns heiß geliebte Profifußballorganisation namens FC Augsburg. Bei alledem tut es uns wahrscheinlich allen gut, den Vorgang mit der nötigen Gelassenheit zu betrachten. Die Klasse ist gehalten und absteigen fällt uns grundsätzlich schwer. Der Club steht insgesamt stabil da, und Michael Ströll hat ja erst vor kurzem verkündet, dass die Pandemie zwar ein Veilchen geschlagen, aber den FCA noch lange nicht ins Wanken gebracht hat. Wenn etwas diesen Club mehr als viele andere begleitet, dann ist es andauernde Veränderung.

Auch klar: in Augsburg wird gegrantelt, egal was auch passiert. Und wenn sich in Zukunft die Verantwortung im Club auf mehr Schultern verteilen sollte als unter Klaus Hofmann, dann sollte dies eher noch zu mehr Stabilität führen als zu weniger. Aber so sehr ich auch gerne selbst die Uhr zurückdrehen würde in die Zeit, wo mein größtes Problem war, dass die diesjährigen Heimtrikots zwar reduziert aber schon seit langem in Größe XL nicht mehr lieferbar sind, so sehr geht das leider nicht. Nun gilt es, dass wir alle gemeinsam anpacken, um zu verhindern, dass die Horrorszenarien, die in meinem Kopf schon länger schwirrten, wenn ich an einen Hofmann-Abschied in der Zukunft dachte, nicht wahr werden. Dass wir nicht zum reinen Investorenclub verkommen.

Mit dem Glauben an die Gemeinschaft

Und gerade weil man in anderen Vereinen schlimmes hat passieren sehen, sollten wir gewarnt sein, die Lage nicht zu unterschätzen. Es gibt in Augsburg genügend Menschen, die das gleiche Verständnis davon haben, welch integratives und offenes Element der Fußball in unserer Gesellschaft sein kann, und die jetzt genau hinschauen werden. Und ich gehe mit Vertrauen in diese gewachsene Gemeinschaft in diese Sommerpause des Wandels. Es wird vielleicht zwischendurch mal kniffelig. Aber am Ende schaffen wir das. Weil Augsburg hält zusammen.

Der coolste Club des Landes

Dies ist der zweite Teil einer dreiteiligen Beitragsreihe, über die Entwicklung des FCA abseits des Platzes und die Wünsche und Visionen, die der Autor hiermit aus persönlicher Sicht verbindet. Im ersten Teil wurde gezeigt, wie die Kurve den Verein in 2020 überflügelte.

Viel ist in 2020 passiert. Auch einiges, was mir persönlich nicht gefallen hat. Schwamm drüber. Wenn ich an den FC Augsburg denke, dann träume ich. Sehe so viele Möglichkeiten. Auch in 2021. Und würde gerne meinen größten Traum an dieser Stelle mit euch teilen.

Dieser Traum hat ein paar Basiskomponenten. Stefan Reuter arbeitet weiter ordentlich am Kader und mit Heiko Herrlich haben wir einen Trainer, der zumindest die Klasse hält. Wirtschaftlich macht Michael Ströll weiter seine Hausaufgaben und wir übernehmen uns nicht. Soweit so gut, so langweilig. Bis dahin könnten wir die grauste Maus der Liga sein.

Wo geht es in 2021 strukturell hin? Wir haben ein paar Ideen. (Foto: Christian Kolbert via Imago)

Dennoch sehe ich für unseren FCA das Potential sich in 2021 zum coolsten Club der Liga aufzuschwingen. Das wird an ein paar Stellen Mut erfordern. Ist aber möglich, weil die Konkurrenz sich nun nicht mit Ruhm bekleckert. Im Gegensatz zum Kampf um die deutsche Meisterschaft, besteht eine realistische Chance, dass der FCA sich riesige Sympathien in ganz Deutschland erarbeitet. Wolfsburg und Leverkusen werden als Werksmannschaften nie große Sympathien auf sich vereinigen. Auch vor Hoffenheim und Leipzig braucht man keine Angst zu haben. Die Bayern und auch der BVB sind sportlich in andere Sphären entschwebt und polarisieren zu stark. Bei diesen Clubs hätte man nun auch keine Konkurrenz für den FCA vermutet. Union Berlin war lange an der Spitze, bevor man sich beim Thema Zuschauer während der Corona-Krise viele Sympathien verspielte. Genau wie Union Berlin hat der SC Freiburg sich in die Mitte des Fußball-Establishments verabschiedet. DFB-Präsident Fritz Keller mit seinem Freiburger Hintergrund ist auch nur ein weiterer DFB-Funktionär. Sowohl Freiburg als auch Union haben die Verteilung der TV-Gelder nicht öffentlich in Frage gestellt. Derweil Mainz 05 kurz vor dem Jahreswechsel im Chaos versank (dabei natürlich aber noch nicht an Schalke 04 oder Hertha BSC heran reicht). Und auch beim VfB Stuttgart passiert viel abseits des Platzes.

Die Konkurrenz um den Titel coolster Verein ist damit gar nicht so groß. Es bleibt ein kleines Grüppchen Vereine übrig, die sich um diesen Titel der größten Mehrheitsfähigkeit balgen. Neben uns nehme ich die Frankfurter Eintracht und Borussia Mönchengladbach als Clubs wahr, die zumindest keine Abneigung in mir hervorrufen. Ein überschaubares Grüppchen, aus dem man sich abheben müsste. Aber wie könnte man das schaffen?

Investoren geben Anteile an Verein zurück

In Augsburg halten Investoren 99% der Kapitalgesellschaft. Der Verkauf von Anteilen ist eine übliche Praxis. Eine Rückführung von Anteilen bzw. ein Plan für die Rückführung von Anteilen von Investoren an einen e.V. wäre ein Novum. Ich kann mich an keine geplante Aktion in diesem Zusammenhang erinnern. Nun kann man sich fragen: Warum würden Investoren so etwas tun? Ich kann mir hier auch keine Ad-hoc „alles auf einmal“-Aktion vorstellen. Aber der Plan, sich öffentlich dazu zu bekennen, eine Rückführung von Anteilen für sinnvoll zu halten und diese schrittweise umsetzen zu wollen inkl. einem sanften Einstieg, würde dem FCA bundesweite Aufmerksamkeit bescheren. Und den Wert aller Anteile steigern. Wertsteigerung durch Eigentumsübertragung. Ein Win-Win oder ein strukturelles 6-Punkte-Spiel.

Fans ziehen in den Aufsichtsrat ein

Auch dies ist ein Thema, bei dem aus meiner Sicht niemand verlieren kann. Es geht mal wieder um den Aufsichtsrat der KGaA. Dort sind im Moment nur Investoren vertreten, obwohl der e.V. strukturell 50+1 durchsetzen müsste. Offensichtlich hätte die Verantwortlichen der KGaA Einfluss darauf, welche Vereinsvertreter sich am Ende im Aufsichtsrat wiederfinden würden. Wie viel Kontrollfunktion übernimmt das Gremium in der Realität wirklich? Sich hier von Investorenseite weiter zu verweigern, ist schlicht unsympathisch. Durch kleine Anpassungen könnte auch hier viel gewonnen werden.

FC Augsburg etabliert breites Bündnis „Augsburg hält zusammen“

Einige Vereine haben mittlerweile Corporate Social Responsibility Abteilungen. Werder Bremen ist hier weit vorne dabei. Wenn die Corona-Krise uns etwas gezeigt hat, dann das es breitere Bündnisse braucht. Unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg einzelner Beteiligter. Und anstatt nun ein große CSR-Abteilung aufzubauen, könnte der FCA sein Engagement in ein unabhängiges Bündnis z.B. in Stiftungsform einbringen. Unter diesem organisatorischen Dach könnten die Anstrengungen des Vereins, der Fans, die durch die UBT sehr viele Aktionen auf die Beine gestellt haben, verstetigt und unterstützt werden. Gerade die Aktionen des UBT sind aus meiner Sicht das Größte, was 2020 im Umfeld des FCA passiert ist. Werdet dort Mitglied, kauft T-Shirts, packt Päckchen oder spendet Geld. Hier ist so, so viel geleistet werden. Man stelle sich vor, es ginge einfach noch viel mehr.

Lass es uns anpacken, Michael Ströll (Foto: Christian Kolbert via Imago)

Schlussendlich würde ich behaupten, dass die Fanszene des FC Augsburg schon riesiges leistet. Der FCA ist aufgefordert strukturell und nachhaltig nachzuziehen. Mehr Mitbestimmung zu ermöglichen und den Kommerz auch mal Kommerz sein zu lassen. Dieser Club könnte der coolste des Landes sein. Und es widerspricht sich nicht, dass dies auch wirtschaftlich für den FCA positiv wäre. Der FCA könnte mehr Fans und Sponsoren anziehen. In diesem Sinne: Augsburg hält hoffentlich noch mehr zusammen in 2021!

Luxusprobleme allerorts

Morgen steht unser Spiel in Köln an. Köln ist in dieser Saison zumindest aus sportlicher Perspektive nicht zu beneiden. Auch nach den letzten beiden Siegen zu Beginn der Rückrunde steht der Effzeh, wie man den Verein in Köln liebevoll nennt, immer noch auf dem letzten Tabellenplatz. Es wird für die Kölner wohl ein Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag und für uns morgen auch keine einfache Partie.

Allerdings gibt es in Köln etwas, dass ich aus Augsburger Perspektive sehr gerne sehen würde. Der FC ist einer von nur sechs Vereinen in der Bundesliga, der noch selbst über 100% seiner Anteile verfügen kann. Im Gegensatz dazu haben wir in Augsburg 99% unserer Anteile damals an Walther Seinsch und seine Investorengruppe verkauft. Im Zuge seines Rückzugs hat dieser seine Anteile an Klaus Hofmann und Buddies weitergereicht. Ohne diesen Anteilsverkauf und die entsprechenden Finanzmittel daraus, würde es den FC Augsburg in der heutigen Form nicht geben. Allerdings scheint dies eine Einbahnstraße zu sein und ich halte diese Einbahnstraße für sehr gefährlich. Die Gründe hierfür möchte ich nachfolgend gerne etwas ausführlicher darlegen.

Nachdem es sich bei Bundesligavereinen um millionenschwere Wirtschaftsunternehmen handelt, besitzen die Anteile an diesen Unternehmen mittlerweile einen erheblichen Wert und stellen quasi das Tafelsilber eines Vereins da. In Köln gab es deswegen im Herbst 2017 eine Initiative, die dafür kämpfte, dass  nach einem Satzungsänderungsantrag die Vereinsmitglieder in einen Anteilsverkauf mit eingebunden hätten werden müssen. Dieser Satzungsänderungsantrag ist leider auf der Mitgliederversammlung abgelehnt worden. Die Mitglieder werden bei potentiellen Anteilsverkäufen bis 25% der Anteile weiterhin nicht eingebunden.

Auch bei anderen Vereinen wird darüber diskutiert sich potentiellen Investoren zu öffnen. So hat nicht unlängst der VfL Bochum beschlossen seinen Profibereich in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern, um nach diesem vorbereitenden Schritt, Anteile an der Kapitalgesellschaft an einen Investor verkaufen zu können. Dieser soll natürlich zum Vereinsleitbild passen und sich am besten nicht einmischen wollen.

Sind die Anteile erstmal weg, dann gibt es kaum noch einen Weg zurück. Dies gilt sowohl im guten wie im schlechten. Den negativen Fall kann man bei den Münchner Löwen beobachten. Sie haben sich mit Hasan Ismaik einen Investor ins Boot geholt, den sie nach einigen Streitereien gerne wieder loswerden würden. Allerdings verfügt der Verein nicht über die finanziellen Mittel, um Ismaik seine Anteile abkaufen zu können. Ismaik hält 60 Prozent der Anteile von 1860 und erst die finanziellen Probleme des Vereins haben dazu geführt, dass Ismaik an Bord geholt wurde. Der Schrecken wird sobald kein Ende nehmen.

Einen positiven Fall einer solchen Investorentätigkeit können wir bisher in Augsburg beobachten. Der FCA erwirtschaftet mittlerweile Millionengewinne (8 Millionen EUR im abgelaufenen Geschäftsjahr). Allerdings werden die Millionen von der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet, die zu 99% Klaus Hofmann und Buddies gehört. Also steht dieser Gewinn am Ende wirtschaftlich auch den Investoren zu. In der Jugend des FCA kommt davon erstmal nichts an. Der Verein wird darüber hinaus auch nicht in die Lage versetzt, seine Anteile zurückzukaufen. Solange der Laden läuft und die handelnden Personen gleich bleiben, scheint die Lage stabil zu sein. Allerdings kann ja vieles im Leben ganz schnell gehen und schon findet man sich in einer Lage wieder, wie die Münchner Löwen.

Oder wie Hannover 96. Dort ist Martin Kind mittlerweile so lange am Verein beteiligt, dass die 50+1 Regel von ihm ausgehebelt werden kann.  Wenn Klaus Hofmann nur lange genug seine Beteiligung halten wird, dann wird er in Augsburg auch über diese Möglichkeit verfügen. Wobei, wer kontrolliert schon die Einhaltung der 50+1 Regel? Wird bei den Vereinen wirklich nachgeschaut, ob im Alltag ein Vereinsvertreter in den offiziellen Organen der Kapitalgesellschaften die Stimmmehrheit der Vereinsmitglieder in der Praxis zur Kontrolle oder Gestaltung im Alltag umsetzt? Natürlich nicht. In Augsburg hat kein Vereinsvertreter einen offiziellen Posten z.B. in Geschäftsführung oder Aufsichtsrat der KGaA. Und wenn Klaus Hofmann sich wundert, wie RB Leipzig die Lizenz erhalten hat, so wundere ich mich, warum er nicht strukturell beim eigenen Verein anpackt.

Langfristig geht es sportlich auf und ab. Köln pendelt immer mal wieder zwischen erster und zweiter Liga. Die rosigen Zeiten werden wahrscheinlich auch in Augsburg nicht ewig halten. Hoffen wir, dass wir dann nicht nur wirtschaftlich mit Bedacht agiert sondern auch strukturell die richtigen Weichen gestellt haben.

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