Jungs, auf euch kommt es an

In diesen Tagen hat sich die Stimmung in Augsburg direkt gedreht. Heiko Herrlich wurde entlassen. Markus Weinzierl ist zurück. Sonnengebräunt, gut gelaunt und mit einigen präzisen Aussagen zu dem, was sich auf dem Platz ändern muss. Der FCA kann den Klassenerhalt immer noch aus eigener Kraft schaffen. Jetzt wird es Zeit, den Hebel umzulegen und wieder zu punkten.

Einige Dinge kann Markus Weinzierl zu diesem Zeitpunkt während der Saison allerdings nicht mehr beeinflussen. Neue Spieler gibt es keine. Auch die Struktur der Mannschaft und ihre Hierarchie wird er kurzfristig nicht komplett ändern können. Im Prinzip bedeutet das, dass – abseits des ein oder anderen personellen Wechsels – die Mannschaft, die im Köln-Spiel in der ersten Halbzeit wie Fallobst wirkte, es nun richten muss. Zumindest leise Zweifel und Sorgen bleiben dadurch doch.

Der Krater, der mal Verteidigung hieß

Die defensive Stabilität ist etwas, dass wir in Augsburg seit langem hochhalten. Grundsätzlich hinten gut stehen, um dann vorne gezielt zuzuschlagen. Das dann mal individuelle Fehler passieren, ist nur menschlich. Was es hierfür braucht, ist mannschaftlich geschlossenes Verhalten. Und das auch mal jemand das Heft des Handelns in die Hand nimmt.

Dabei blieb es allerdings ja nicht. Beim zweiten Gegentor wurde die Hereingabe von links nicht geblockt. Dann bekamen die Spieler am ersten Pfosten keinen Zugriff auf die Situation (und Jeff schaut in aller Gelassenheit zu). Der Ball hätte überhaupt nicht bei Florian Kainz landen sollen, wo dann Strobl nicht blocken und auch Framberger nicht mehr eingreifen kann. Beide waren deutlich zu weit weg vom Geschehen und reagierten zu langsam. Es ist eine dieser Situationen, in der man jeden Tritt gegen eine Sitzschale nachvollziehen kann.

Einflussmöglichkeiten eines Trainers

Und in diesen Situationen auf dem Feld, ist jeder Trainer machtlos. Das kann rein grundsätzlich kein Verhalten in einem Spiel sein, dass man von Bundesliga-Kickern erwartet. Und es gab quasi keine Unbeteiligten. Carlos Gruezo ließ vor dem 0:3 die Hereingabe in aller Seelenruhe zu, während in der Mitte Tobias Strobl erneut zu spät kam.

Eine weitere Hereingabe, die nicht verhindert wurde. Ein weiteres Gegentor. (Foto: Marcel Engelbrecht/firo Sportphoto/pool via Imago)

Tobias Strobl hat in seinen 42 Einsatzminuten keinen einzigen Zweikampf geführt. Bei Raphael Framberger waren es derer 5 und für Carlos Gruezo auch nur 12 bei deutlich längerer Spielzeit. Derweil andere Spieler zwar Zweikämpfe führten, aber verloren. Jeffrey Gouweleeuw derer 62%. Man könnte die Liste weiter fortführen. Genau 3 abgefangene Bälle und 7 klärende Aktionen sprechen doch im Gesamtbild eine sehr deutliche Sprache. Die Mannschaft ist schlicht in sich zusammengebrochen in dieser vermaledeiten Halbzeit.

Dieses Verhalten ist nichts, was ein Jugendtrainer oder Heiko Herrlich den Spielern vermittelt hätte. Das war einfach unterirdisch. Und wenn sich da in den Köpfen nichts tut, dann sieht es düster aus. Sehr düster.

Ich will Wiedergutmachung

Ja, die zweite Halbzeit war dann besser. Ja, 2 Tore haben wir noch geschossen. Aber es war dann ganz ehrlich auch kein Druck mehr da. Was willst Du in der Situation noch verlieren?

Ich fordere Wiedergutmachung während der letzten drei Spiele. Ich will von der Mannschaft die Basics sehen. Dass sie dem Druck standen halten und konzentriert auftreten kann. In die Zweikämpfe findet. Reaktionsschnell und aggressiv. Von Minute 1 bis zum Abpfiff. Und dann werden wir schon sehen, ob wir auf diesem Weg eher etwas holen. Ich sehe die Verantwortung hierfür allerdings nicht hauptsächlich beim Trainer.

Es gibt menschliche Grundtugenden wie Pünktlichkeit, respektvolles Verhalten und ein gewisses Set an Manieren, dass man grundsätzlich erwarten kann. Konzentration, ein gewisser Fokus auf den eigenen Aufgaben und gewisse Grundtugenden im Zweikampfverhalten wären defensiv das Äquivalent auf dem Platz. Fußballerisch fehlten diese in der ersten Halbzeit gegen Köln und kein Trainer und auch keine anderen Ausreden entschuldigen dies.

Über Motivation

Am Ende wird dann vielleicht doch wieder der Trainereffekt hervorgehoben werden. Manchmal fragt man sich schon, welche Motivation Menschen antreibt. Warum manchmal Menschen so wenig leistungsbereit ihrem Job nachgehen, wie die Mannschaft in der ersten Hälfte gegen Köln. Muss es immer der Trainer sein, der für Motivation sorgt? Wir sind doch nicht im Kindergarten.

Auf der ersten Ebene ist jeder einzelne für seine Leistungen verantwortlich, egal wie die Umstände aussehen. Liebe Mannschaft des FCA, welche Ausreden will jeder einzelne von euch anbringen? Wo war die Selbstverantwortung?

Auf einer zweiten Ebene kommt es dann auch auf die Gruppe in der Kabine an. Wer geht voran und treibt an? Wer ist eher ein Mitläufer? Für was hat es einen Kapitän und andere Führungsspieler? Wo waren die und wie haben sie sich verhalten? Jede(r) kann hier ihre eigenen Schlüsse ziehen.

Die Qualität des Kaders

Wie oft ich mittlerweile gelesen habe, dass mit diesem Kader mehr drin sein müsste. Dass die Qualität so hoch sei. Rein vom Talent und den individuellen Fähigkeiten her mag das auch stimmen. Aber das ist nun bei weitem nicht alles.

Wer in dieser Mannschaft schaut denn auch, dass es eine funktionierende Gruppe gibt? Sorgt dafür, dass neue Spieler integriert und junge Spieler verantwortlich eingebunden werden? Gerade deshalb hat man ja im Sommer auch erfahrene Kräfte dazu geholt. Was nun in der Kabine vorgeht, ist uns allen nicht bekannt.

Da können die Fußballschuhe noch so hübsch sein, wenn den Spielern grundsätzliche Qualitäten abgehen. (Foto: Peter Schatz / Pool via Imago)

Qualitäten eines Fußballers sind aber auch: die Drecksarbeit erledigen, einem Mitspieler zur Hilfe zu kommen, wachrütteln, abspielen, wenn ein anderer besser steht, die Kollegen in die Verantwortung nehmen und nicht nur auf sich selbst schauen. Nach der ersten Halbzeit gegen Köln, scheint es mir an Qualität in dieser Mannschaft zu mangeln. Ich lasse mich aber – entsprechend meiner vorherigen Ausführungen – gerne überzeugen, dass es sich hierbei um ein kurzfristiges Zerrbild handelt.

Jeder einzelne hat Verantwortung

Insgesamt richtet sich der Fokus nun natürlicherweise wieder auf den Trainer. Derweil jedem im Umfeld des FC Augsburg klar sein sollte, dass er/sie einen Teil der Verantwortung trägt. Gerade die Spieler, die auf dem Platz stehen. Das dieses Trikot in diesen Farben eine Verantwortung darstellt. Rot-grün-weiß ist zumindest für uns auf den Rängen nicht nur ein Label. Es wird nie nur eine Marke sein.

Eine weitere Darbietung wie die erste Hälfte gegen Köln wäre schlicht nicht akzeptabel. Mal ehrlich, es heißt ja auch nicht #Augsburgfälltauseinander sondern #Augsburghältzusammen. Gegen Stuttgart und in den weiteren restlichen Partien kommt es nun darauf an, dass die Elf auf dem Platz miteinander und füreinander Fußball spielen. Geschlossen und für das gemeinsame Ziel. Dafür kann sich ein jeder fragen, ob er diesem Ziel in letzter Zeit alles untergeordnet hat.

Alternativlos

Nach 412 Tagen im Amt wurde Heiko Herrlich nach der 2:3-Niederlage gegen den 1. FC Köln als Trainer des FC Augsburg entlassen. Die Trennung ist nicht nur nachvollziehbar, sondern gar alternativlos. Stefan Reuters Poker auf Besserung stellte sich als falsch heraus. Nun ist auch der Manager gefordert. Eine kommentierende Analyse.

Heiko Herrlich ist nicht mehr Trainer des FC Augsburg. In 42 Pflichtspielen unter seiner Regie gab es zwölf Siege, neun Unentschieden und 21 Niederlagen – zu wenig, um langfristig bei Rot-Grün-Weiß zu arbeiten. (Foto via imago)

Der FC Augsburg stand in dieser ja immer noch speziellen und schwierigen Corona-Saison nie schlechter als Tabellenplatz 13 da. Mit dem knüppelharten Abstiegskampf hatten die Schwaben bis dato nicht wirklich etwas zu tun. Weil das in der Vergangenheit nicht immer so war, scheint die Spielzeit 2020/21 auf den ersten Blick eine ordentliche zu sein. Doch der nackte Blick auf die Tabelle ist trügerisch.

Der FC Augsburg kommt auf insgesamt neun Saisonsiege in bisher 31 Spielen. Das ist okay, nach Ende der vergangenen zwei Spielzeiten waren es nicht mehr. Sieht man sich die Partien, in denen dreifach gepunktet wurde, allerdings genauer an, so muss man feststellen, dass der FCA nur wenige davon verdient für sich entschieden hat. Konkret: das 3:1 gegen Mainz sowie das famose 2:0 gegen Dortmund. Ansonsten gewannen die Augsburger entweder wegen der enormen Effizienz (z.B. 2:1 gegen Hoffenheim), eines überragenden Rafal Gikiewicz (z.B. 1:0 gegen Mainz), dem ungenutzten Chancenwucher des Gegners (z.B. 3:1 gegen Gladbach) oder oft auch allen drei Faktoren zusammen (z.B. 2:1 gegen Union Berlin). Zudem verpasste es der FCA in der Regel, nach einem Sieg nachzulegen. Nach sieben der neun Dreier wurde verloren.

Hängende Köpfe: Carlos Gruezo und Rafal Gikiewicz nach dem 2:3 gegen den 1. FC Köln. Die ersten 45 Minuten stehen für eine der schlechtesten Halbzeiten in der Augsburer Bundesligageschichte. (Foto via imago)

Keine Weiterentwicklung erkennbar

Klar, Fußball ist ein Ergebnissport – und Ergebnisse hat der FC Augsburg gerade in den direkten Abstiegsduellen gegen Bielefeld, Köln und Mainz (jeweils 1:0) geliefert. Nichtsdestotrotz geht es in der Analyse der Manschaftsleistung auch um andere Parameter. Auch wenn das bloße Herunterbrechen auf Statistiken einem Trainer nicht gerecht wird, haben sie eine gewisse Aussagekraft. Die Fuggerstädter kommen ligaweit auf die drittwenigsten Torschüsse, die zweitschlechteste Passquote und den zweitwenigsten Ballbesitz. Das sind – so ehrlich muss man am Lech sein – Werte eines Absteigers. Vor 13 Monaten wurde die Entlassung Martin Schmidts insbesondere mit dem schlechten Abschneiden in diesen Kategorien begründet. Stefan Reuter rechtfertigte die Trennung mit den „Statistiken, die deutlich gegen uns sprechen, die deutlich in die falsche Richtung zeigen“. Herrlich gelang es in diesen Bereichen nur bedingt, die Mannschaft zu verbesseren, wie unser Vergleich zwischen Schmidt und Herrlich zeigt.

Die Hauptaufgabe eines Trainers ist es, die Mannschaft weiterzuentwicklen. Vergleicht man die aktuelle Leistung mit der von vor einem Jahr, muss man allerdings feststellen, dass Heiko Herrlich diese Aufgabe nicht geglückt ist. Der gebürtige Mannheimer hat es geschafft, die Defensive zu stabilisieren. Das war auch bitter nötig. Im Offensivspiel hapert es jedoch nach wie vor gewaltig an kreativen Ideen. Ein Spielkonzept im letzten Angriffsdrittel fehlt ebenso wie ein offensiver Mittelfeldspieler im Kader. In diesem Zusammenhang ist auch Reuter zu kritisieren, da er es im Grunde genommen seit dem Abgang Ja-Cheol Koos verpasst hat, einen entsprechenden Spieler zu verpflichten. Das bedeutet jedoch nicht, dass Herrlich hier aus der Verantwortung zu ziehen ist.

Denn der Augsburger Kader ist grosso modo absolut bundesligatauglich. Man sollte ihn nur richtig für sich zu nutzen wissen, womit wir wieder bei der Herangehensweise des Trainers sind. Herrlich ging gefühlt in ein Spiel, um nicht zu verlieren, statt zu gewinnen. Das Augsburger Spiel war zu sehr auf Toreverhindern als -erzielen aus. Auch gegen individuell schwächer besetzte Teams. Dass diese destruktive Herangehensweise mit neun Saisonsiegen belohnt wurde, kaschiert die spielerische Leistung des FC Augsburg deutlich. Es liegt auf der Hand, dass Herrlichs risikovermeidende Spielweise keinen langfristigen Erfolg sichern konnte.

Präsident Klaus Hofmann traf nach dem 0:0 gegen Bielefeld den Nagel auf dem Kopf und sprach von „einer weiteren Episode unansehnlicher Leistungen in dieser Saison.“ Ein klarer Fingerzeig des Vorstandsvorsitzenden in Richtung Trainerteam. Hätte Hofmann Herrlich schützen wollen, hätte er wohl andere Worte gewählt. Er wirkte ohnehin zusehends unzufrieden mit der Leistung des FCA, was etwa an seinem Verhalten auf der Tribüne deutlich wurde. Gegen Köln schimpfte Hofmann lautstart und trat wütend mit dem Fuß gegen eine Sitzschale.

Reuters riskantes Spiel und das Prinzip Hoffnung

Alles in allem kommt die Trennung Heiko Herrlichs nicht überraschend. Der Trend aus den vergangenen Spielen sprach deutlich gegen den 49-Jährigen. Aus den Partien gegen die direkten Konkurrenten Schalke, Bielefeld und Köln konnte gerade einmal ein Punkt geholt werden. Alle Klubs rangieren in der Tabelle hinter dem FCA. Der FC Augsburg hatte in diesen Spielen die Möglichkeit, den Klassenerhalt perfekt zu machen. Nach einem Sieg gegen Bielefeld hätte man neun Punkte Vorsprung auf die Arminia gehabt, nach einem Dreier gegen Köln sich wohl endgültig aller Abstiegssorgen entledigt. Die Chance, das elfte Bundesligajahr in Serie perfekt zu machen, war also da.

Daher ist es auch nachvollziehbar, dass sich Reuter lange hinter seinen Coach gestellt hat. Man hatte das Gefühl, der FCA werde sich schon irgendwie in der Liga halten können – egal ob aufgrund der eigenen Leistungen oder einfach deshalb, da es schlicht drei Vereine gibt, die eine noch schlechtere Saison als die Schwaben spielen. Zudem darf man nicht vergessen, dass Reuter in der Vergangenheit zwar auf dem Transfermarkt, nicht aber in der Trainerfrage glücklich agiert hat. Mit phasenweiser Ausnahme von Manuel Baum war keiner der von Reuter installierten Trainer langfristig in Augsburg erfolgreich.

Daher muss sich auch der Weltmeister von 1990 kritischen Stimmen stellen. Hat er zu lange auf das Prinzip Hoffnung gesetzt? Im Nachhinein betrachtet war dieses Spiel riskant – und fußte mehr auf Ergebnisse als der tatsächlichen Leistung auf dem Platz. Aus einer Entlassung Heiko Herrlichs geht der Geschäftsführer Sport daher zwangsläufig ebenso als Verlierer hervor. Reuter hatte ihn ja an den Lech gelotst. Der nächste Coach an der Augsburger Seitenlinie hat nun zu funktionieren, ansonsten wackelt auch der Stuhl des in der Vergangenheit oft so klug agierenden Managers.

Lange stellte sich Reuter hinter seinen Coach. Nach der Niederlage gegen Köln verweigerte der Manager allerdings ein Treuebekenntnis, konstatierte eine „erschreckende erste Halbzeit“ und meinte: „Es ist klar, dass eine Reaktion nötig ist.“ (Foto via imago)

Herrlich hatte keine Argumente mehr

Der FC Augsburg befindet sich nun an einem Zeitpunkt, an dem der Klassenverbleibt massiv in Gefahr ist. Es bleiben noch drei Spiele in dieser Saison: in Stuttgart, gegen Bremen und beim FC Bayern. Der Vorsprung auf den Relegationsrang beträgt nach dem 31. Spieltag vier Punkte. Hertha BSC hat quarantänebedingt noch drei Partien in der Hinterhand, weswegen dieses Polster in der Realität geringer ist.

Die Trennung von Heiko Herrlich ist daher alternativlos. Angesichts der zuletzt desolaten Leistungen, die in der sportlichen Bankrotterklärung in der ersten Halbzeit gegen Köln gipfelten, gab es keinen Spielraum mehr, an der Zusammenarbeit festzuhalten. Argumente pro Herrlich? Ebenso wenig vorhanden wie die Augsburger Torgefahr in vielen Saisonspielen. Wie an dieser Stelle schon häufiger erwähnt: Wenige FCA-Fans stört es, Tabellen-13. zu sein, viele allerdings, wie Woche für Woche Fußball gespielt wird. Heiko Herrlich stand sinnbildlich für dieses Auftreten. Die Trennung war bitter nötig.

Aus FCA-Sicht darf gehofft werden, dass die nötigen Punkte mit einem neuen Impuls an der Seitenlinie eingetütet werden können. Wie mittlerweile bestätigt, wurde Ex-Trainer Markus Weinzierl mit dieser Mission beauftragt – eine populäre Entscheidung, die viele Fans begrüßen. Ob der gebürtige Straubinger der richtige Mann für den Neuanfang ist, bleibt jedoch abzuwarten. Weinzierl steht sinnbildlich für die erfolgreichste Zeit der Augsburger Vereinsgeschichte, scheiterte allerdings bei seinen Stationen auf Schalke und in Stuttgart. Ihm und dem gesamten FC Augsburg ist es zu wünschen, dass nun wieder bessere Zeiten kommen.

Damit dies gelingt, sind allen voran auch die Spieler gefordert. Bei einigen Profis hatte man zuletzt nicht das Gefühl, dass ihnen der Ernst der Lage bewusst ist, wie André Hahn nach der Niederlage gegen Köln unmissverständlich deutlich machte: „Ich dachte, wir hätten es alle verstanden. In der ersten Halbzeit haben wir gesehen, dass es nicht alle verstanden haben.“

Klasse gehalten: Alles richtig gemacht?

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Samstag 04. Mai 2019 um 17:20 Uhr: Der FC Augsburg löst das Ticket für seine neunte Bundesligasaison in Folge und bleibt erneut erstklassig. Dafür musste man noch nicht einmal selbst ins Geschehen eingreifen. Durch einen Sieg der Berliner Hertha gegen den VfB Stuttgart ist der Punktevorsprung der Augsburger an den letzten Spieltagen – unbeachtlich des Ausgangs der Partie auf Schalke – für die Stuttgarter nicht mehr einzuholen. Hurra!

Dem voraus ging wohl eine der faszinierendsten Saisonwenden, die dem FC Augsburg in der jüngeren Vergangenheit gelang. Nach einer langen Durststrecke, die unter anderem deutliche Klatschen auswärts in Bremen und Freiburg als auch eine deprimierende Niederlage gegen den zukünftigen Absteiger Nürnberg umfasste, schien die Mannschaft psychologisch nicht mehr an sich selbst zu glauben. Mit Jeffrey Gouweleeuw äußerte erneut ein Spieler den Eindruck, dass es keinen taktischen Plan gäbe. Mannschaft und Trainer Manuel Baum schienen sich auseinandergearbeitet zu haben.

Der Trainereffekt

So entschied sich die Vereinsführung vor fast einem Monat für einen neuen Impuls und tauschte innerhalb weniger Tage Trainer Manuel Baum gegen Martin Schmidt aus. Dieser kam aus der Schweiz angeflitzt, sorgte für einen Stimmungsumschwung und belebte den Offensivdrang. Die Mannschaft fuhr flugs nach Frankfurt und schlug die Eintracht nach glücklichem Spielverlauf deutlich 3:1. Im Heimspiel gegen Stuttgart folgte in der Woche darauf ein krachendes 6:0. Auch die folgende Heimniederlage gegen Bayer 04 Leverkusen konnte nicht mehr verhindern, dass die Wende geschafft und der Abstieg verhindert war. Eine kurzfristige Entwicklung, die ich persönlich unter Manuel Baum für nicht mehr möglich gehalten habe.

Steht mit dem Klassenerhalt fest, dass die Vereinsführung alles richtig gemacht hat? Es scheint auf den ersten Blick so. Allerdings hat auch die Vereinsführung nicht dazu beigetragen, dass diese Saison erfolgreicher verlaufen wäre. Es war direkt nach der Winterpause deutlich zu erkennen, dass Manuel Baum kämpfen musste. Ruhe und Konzentration hätten uns vielleicht durch die Saison gebracht und eine vorzeitige Eskalation vermieden.

Die Desaster des Jahres: Lehmann und die Personalentscheidungen

Indem man Manuel Baum Jens Lehmann an die Seite gestellt hatte, wurde die Ruhe im Augsburger Umfeld auf offenem Feld verbrannt. Im Nachhinein war dies wohl eine der wahnwitzigsten Ideen überhaupt. Wahrscheinlich hatte niemand angenommen, dass der Medienrummel dieses Ausmaß annehmen würde. Gerade in Augsburg ist die Ruhe, mit der ein Trainerteam arbeiten kann, einer der größten Vorteile im Vergleich zur Konkurrenz. Die Verpflichtung eines Fußball-Hyperprominenten mit fragwürdiger Persönlichkeit (ich denke z.B. an die öffentlich gewordenen Dispute Jens Lehmanns mit den Finanzbehörden) hat zum genauen Gegenteil geführt. Augsburg wurde zum Zeitpunkt der Verpflichtung von Journalisten belagert und Lehmann Spiel um Spiel beäugt und beobachtet. Was ein Rummel um einen Co-Trainer.

Dazu hat es das Management um Stefan Reuter im Winter auch nicht geschafft, die Personalien Caiuby und Martin Hinteregger geräuschlos zu lösen. Bei beiden Spielern hatte man sich selbst in Situationen gebracht, wo ein Abgang des Spielers notwendig geworden war, um zumindest kurzfristig wieder für Ruhe rund um die Mannschaft zu sorgen. Durch beide Abgänge sind Lücken im Kader entstanden, die nicht adäquat geschlossen wurden. Wie auch, wenn man im Winter sportliche Leistungsträger verschenkt und niemanden auf den jeweiligen Positionen verpflichtet?

Mit dem Trainertausch ist es nicht getan

Insofern war zwar der Trainer-Tausch am Ende die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Diesem ging allerdings auch auf Seiten des Managements des FCA eine Saison voller Pleiten, Pech und Pannen voraus, die Manuel Baum das Leben nicht erleichtert hat. Manuel Baums Grundlagenarbeit scheint zudem sehr gut gewesen zu sein, wenn es daraufhin einem neuen Trainer sehr schnell gelingt, die Mannschaft zumindest kurzfristig wieder auf die Erfolgsspur zu führen.

Insofern bleibt für die neue Saison einiges zu tun und zu ändern. Im Bereich der Kaderplanung hat sich der FCA von Stephan Schwarz getrennt und mit Timon Pauls einen neuen Kaderplaner verpflichtet, der vom großen FC Bayern kommt. Insgesamt scheint sich im Vereinsmanagement noch an anderen Stellen etwas zu tun, nachdem man laut Sponsors mit Björn Endter zudem einen Marketing- und Vertriebsprofi von Schalke 04 loseisen konnte. Es bleibt zu hoffen, dass man selbst erkannt hat, an welchen Stellen Fehler gemacht wurden und diese vor der nächsten Saison so gut wie möglich behoben werden.

Sportlich kann man in dieser Saison nur von Glück sprechen, dass sowohl Nürnberg, Hannover als auch Stuttgart wahrlich desolate Saisonleistungen abgeliefert haben. Da sind wir mit unserer schlechten Saison gerade nochmal durchgerutscht. In einem anderen Jahr reicht eine solche Leistung vielleicht schon nicht mehr für den Klassenerhalt. Um das im nächsten Jahr zu vermeiden, bedarf es daher einer klaren Definition eines sportlichen Zielbilds zwischen Trainer und Management und einer abgestimmten Kaderplanung mit klar definierten Spielerrollen.

Transferkracher braucht die Stadt

Im Anschluss ist es notwendig 2-3 Verpflichtungen zu tätigen, die den Kader gezielt in der Spitze verstärken. Wir brauchen Spieler, die der Mannschaft sofort helfen und uns voranbringen. Ein reines „weiter so“ mit dem bestehenden Kader wird uns eben nicht weiterbringen. Zudem sollte man auch bei einigen Spielern, bei denen wir seit Jahren auf den Durchbruch warten, einen konsequenten Schlussstrich ziehen. Nach dem Brimborium in der Winterpause wird es umso wichtiger sein, den Kader und zukünftige Neuverpflichtungen mit Fokus auf ein gewisses charakterlichen Profils zu betrachten. Eine Rückkehr von Caiuby wäre in diesem Zusammenhang ein fatales Signal.

In der neuen Saison muss es dann wieder die erste Prämisse werden, die Ruhe zu bewahren. Jede Maßnahme darf diesen Zweck nicht untergraben. Wenn wir es wieder schaffen, als langweilige graue Maus in der Bundesliga unter der Wahrnehmungsgrenze mitzuschwimmen, dann können wir vielleicht sportlich auch wieder überraschen. Sollte allerdings die weitere Entwicklung dazu führen, dass wir unseren Vorteil des sportlich ruhigen Arbeitsumfelds aufgeben, dann werden wir uns sportlich weiter schwer tun. 9 Jahre erste Bundesliga am Stück. Wer hätte das gedacht? Jetzt soll es aber zweistellig werden und dafür geht die Arbeit jetzt erst richtig los. Unser Vorteil im Moment ist, dass wir im Gegensatz zu anderen Vereinen schon anfangen können, für den Klassenerhalt 2020 zu kämpfen. Auf geht’s!

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